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Veröffentlicht am 09.07.2021

Hammermäßiger Nervenkitzel

Die Verlorenen
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Jonah Colley ist ein gebrochener Mann. Zu Anfang bemerkt man es noch nicht, da er sich hinter einer Fassade versteckt. Doch von Seite zu Seite kamen immer mehr Charakterzüge zu Tage, die mich doch ein ...

Jonah Colley ist ein gebrochener Mann. Zu Anfang bemerkt man es noch nicht, da er sich hinter einer Fassade versteckt. Doch von Seite zu Seite kamen immer mehr Charakterzüge zu Tage, die mich doch ein wenig erschreckten. Er hat seinen Sohn verloren, seine Frau und seinen besten Freund. Er hat nur wenig soziale Kontakte und lebt in einer Bruchbude. Die Arbeit ist sein Ein und Alles. Durch Rückblicke erfährt man, wie stark emotional Jonah geschädigt ist. Als Hauptcharakter konnte er mich durch seine Handlungen häufig überraschen. Er hat nie aufgegeben, ist immer nur noch stärker zurückgekommen. Für mich ein wundervoller Protagonist, der jedoch leider das ganze Buch vollständig einnimmt, sodass kaum Platz bleibt für weitere Charaktere. Hier besteht definitiv Verbesserungsbedarf.

Der Schreibstil ist wie immer sehr spannungsreich und auch emotional, teilweise wirklich brutal. Der Autor kann sehr gut mit Worten umgehen und schaffte es, mich als Leser häufig zu schockieren. Er nimmt kein Blatt vor den Mund und entführt uns in eine blutige, jedoch reale Welt einer Schieberbande. Das Buch beginnt bereits sehr stark und die Spannungskurve steigert sich kontinuierlich, sodass man kaum Zeit hatte, um Luft zu holen.

Zum Ende hin gab es dann sogar noch eine überraschende Wendung, die ich so nicht erwartet hatte. Auch werden einige Fragen ungeklärt gelassen, sodass man sich bereits jetzt auf den zweiten Teil freuen kann. Anders als in der David-Hunter-Reihe wird hier der Fokus auf Polizeiarbeit gelegt, weniger auf Forensik und Gerichtsmedizin. Vielleicht lernen sich die beiden Charaktere in einem Buch kennen? Das wäre eine tolle Crossover-Geschichte wert.

Persönliches Fazit: Hammermäßiger Nervenkitzel und somit ein gelungener Reihenauftakt mit vielen gut konstruierten Wendungen und tollen Szenen. Die perfekte Lektüre für Thriller-Fans - trotz des kleinen Kritikpunktes!

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Veröffentlicht am 02.07.2021

Berührend, spannend und nachdenklich stimmend

Kleine Engel
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Zitat Pos. 2387:
»Bitte, lass mich zu den Engeln gehen!«

Simon Winter wurde gerade auf eigenen Wunsch zur Kriminalpolizei nach Gummersbach versetzt, als er ganz zufällig von Lilli erfährt. Einem neunjährigen, ...

Zitat Pos. 2387:
»Bitte, lass mich zu den Engeln gehen!«

Simon Winter wurde gerade auf eigenen Wunsch zur Kriminalpolizei nach Gummersbach versetzt, als er ganz zufällig von Lilli erfährt. Einem neunjährigen, schwerkranken Mädchen, das sich selbst aus einem Fenster gestürzt haben soll. Doch so recht kann Simon nicht an Suizid glauben. Einem Bauchgefühl folgend, beginnt er zu ermitteln und stößt dabei auf einen weiteren mysteriösen Selbstmord in einer anderen Palliativeinrichtung.

Daniel Kohlhaas hat mit dem Thema Sterbehilfe / Suizid einen sehr empfindlichen und kontroversen Punkt aufgegriffen. Jeder, der einst eine geliebte Person an eine schwere Krankheit verloren hat, kann diese Gedanken vielleicht nachvollziehen, aber auch das "nicht loslassen können" der Angehörigen spielt eine große Rolle.

Zitat Pos. 131:
Die Narben. Sie sind die Zeichen ihres Lebens, ein Buch voller Leid, das ihr in die Haut geschrieben wurde. Unzählige Operationen, Stunden zwischen Hoffen und Bangen. Und am Ende? Übrig blieb nur der Schmerz. Viel zu viel davon.

Der Autor beleuchtet die Situation aus verschiedenen Blickwinkeln, so dass man als Leser alle Perspektiven gut nachvollziehen kann.
Ein innerer Kampf darum, was richtig und was falsch ist.
Zu Hilfe bei der Aufklärung kommt Simon die Kriminalpsychologin Nadja Bergendahl, mit der Kohlhaas ein weiteres aktuelles und spannendes Nebenthema aufgreift. Sie tritt nämlich bei (True Crime) Live-Events auf und beschäftigt sich mit der Frage, warum wir Menschen so fasziniert von Kriminalfällen sind.
Hinter der Auflösung der Tode steht ebenfalls eine ziemlich emotionale Geschichte, die mich berühren konnte und am Ende noch eine überraschende Wendung bereithält.

Einzig die kurzen Sätze, die der Autor oft benutzte, um dem Gesagten mehr Nachdruck zu verleihen, störten mich und verhinderten stellenweise ein flüssiges Weiterlesen.

Persönliches Fazit: Ich finde es mutig von Daniel Kohlhaas, solche Themen aufzugreifen, denn sie bleiben viel zu oft unangesprochen. Mit viel Feingefühl und dem nötigen Verständnis hat er sie in seinen Thriller einfließen lassen und mich damit überzeugen können (vom kleinen Kritikpunkt einmal abgesehen). Zurecht hat dieser aufstrebende Autor in der Fitzek-Schreibschule den ersten Platz belegt. Ich bin gespannt auf weitere Bücher von ihm.

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Veröffentlicht am 30.06.2021

Genialer Reihenauftakt

Das Buch des Totengräbers (Die Totengräber-Serie 1)
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Friedhöfe üben auf mich eine unglaubliche Faszination aus. Sie sind Orte der Ruhe, Stätten des Friedens. Sie symbolisieren die Endlichkeit und gleichzeitig stehen sie für ewiges Leben. Kein Wunder, dass ...

Friedhöfe üben auf mich eine unglaubliche Faszination aus. Sie sind Orte der Ruhe, Stätten des Friedens. Sie symbolisieren die Endlichkeit und gleichzeitig stehen sie für ewiges Leben. Kein Wunder, dass Oliver Pötzsch den Wiener Zentralfriedhof in seinem neuen Krimi zu einem seiner Hauptschauplätze macht.

Augustin Rothmayer ist eine merkwürdige Gestalt. Rau, griesgrämig, aber keineswegs unsympathisch. Zudem ist er eine wahre Koryphäe auf dem Gebiet der Erforschung des Todes:

„Im Gegensatz zu noch lebenden Menschen gerinnt das Blut bei Leichen nicht sofort, es bleibt oft noch mehrere Stunden rot und frisch. Forschungen haben gezeigt, daß sich aus einer Leiche bis zu vier Liter gewinnen lassen, wenn man sie nur ordentlich ausblutet.“ (Zitat, S. 329)

Leopold von Herzfeldt steht Rothmayer in Eigenwilligkeit in nichts nach. So ist es nicht verwunderlich, dass Herzfeldt, als Verfechter der modernen Kriminalistik, und Rothmayer, als Profi in Sachen Leichen, unfreiwillig zu einem grandiosen Ermittler-Duo werden. Doch wird es ihnen gelingen, den brutalen Frauenmörder zu entlarven und ihm das Handwerk zu legen?

Pötzsch versteht es, die Geschichte der Forensik und der modernen Kriminalistik mit einem Kriminalfall zu verbinden, der einem stellenweise das Blut in den Adern gefrieren lässt. Dabei lässt er historische Persönlichkeiten und Ereignisse so geschickt in seine Handlung einfließen, dass ich mich so einige Male gefragt habe, wo die Grenze zwischen Realität und Fiktion verschwimmt. So hält Pötzsch die Spannung von der ersten Seite an auf einem sehr hohen Niveau und treibt die Handlung schnell voran.

Intelligent und spannend erzählt Pötzsch die Geschichte um Inspektor Herzfeldt, Totengräber Augustin Rothmayer und die junge Telefonistin Julia Löwe, die auf der Suche nach dem Mörder nicht nur mit ihrer eigenen Vergangenheit, sondern auch mit Vorurteilen und Antisemitismus konfrontiert werden. Zudem wird es nicht bei den grauenhaften Frauenmorden bleiben. Das historische Wien hat noch einige abartige Verbrechen mehr zu bieten.

Der Autor hat eine authentische Umgebung erschaffen. Sämtliche Figuren sind glaubwürdig bis ins kleinste Detail durchdacht. Mit ihnen fügen sich nach und nach alle Handlungsstränge zu einem logischen Ganzen. Dabei verrät Pötzsch zu keiner Zeit zu viel und behält des Rätsels Lösung bis kurz vor Schluss. Für mich liefert er mit seinem neuen Buch eines der Krimihighlights des Jahres!

Persönliches Fazit: Oliver Pötzsch veröffentlicht mit „Das Buch des Totengräbers“ einen genialen Auftakt seiner neuen Totengräber-Serie. Dieses Buch ist nicht nur etwas für Fans von historischen Krimis, sondern gehört in jedes Bücherregal. Ich für meinen Teil freue mich schon jetzt darauf, mehr von Leo, Julia und Augustin zu lesen.

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Veröffentlicht am 28.06.2021

Eine tiefgründige Geschichte

Das Lied der Wölfe
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Kaya ist Wolfsforscherin und eine echte Koryphäe auf dem Gebiet. Sie wird von Alistair um Unterstützung gebeten und nach Schottland eingeladen. Die Umsiedlung der Wölfe gefällt den Einwohnern so gar nicht ...

Kaya ist Wolfsforscherin und eine echte Koryphäe auf dem Gebiet. Sie wird von Alistair um Unterstützung gebeten und nach Schottland eingeladen. Die Umsiedlung der Wölfe gefällt den Einwohnern so gar nicht und auch Alistairs Sohn Nevis ist strikt dagegen. Aufgrund seiner psychischen Probleme ist der Ex-Elitesoldat vorübergehend beurlaubt und braucht einfach nur Ruhe. Die ist jedoch vorbei, als Kaya ankommt. Nevis ist sofort fasziniert von ihr, rechnet sich allerdings aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung keine Chancen aus. Ich habe regelrecht mitgefiebert, wie sich das Verhältnis zwischen den beiden entwickeln wird.

Kaya ist eine wahnsinnig liebenswerte Frau und somit für mich die ideale Hauptprotagonistin. Ihr verständnisvoller Umgang mit den Wölfen macht sie noch sympathischer. Sie ist einfühlsam und vermittelt dem Leser jede Menge Fachwissen über ihre Lieblingstiere. Kaya mag eine Einzelgängerin sein, aber dennoch ist sie mutig, klug, schlagfertig und gelassen. An manchen Stellen habe ich sie um ihre positiven Eigenschaften echt beneidet.

Nevis ist zunächst ein wenig undurchsichtig und kommt vielleicht etwas arrogant rüber. Aber ich habe ihn relativ schnell ins Herz geschlossen und kann sagen, dass er ein ganz wundervoller Mensch ist. Er kann nur schwer Gefühle zeigen, was ihn oft kalt wirken lässt. Aber in Wahrheit hat er ein großes Herz - und wer dies erstmal gewonnen hat, den lässt Nevis nicht mehr so schnell gehen.

Die Charaktere wurden insgesamt sehr real und authentisch dargestellt. Hier hat die Autorin viel Wert aufs Detail gelegt.

Fischer erzählt die Geschichte aus zwei Perspektiven. Dabei unterscheidet sich der Schreibstil aus der Sicht von Kaya deutlich von dem aus der Sicht von Nevis. Das hat mir unglaublich gut gefallen und ich habe mich regelmäßig auf die Wechsel gefreut. Damit leitet die Autorin den Leser flüssig durch den Plot, erzählt bildhaft und fesselt einen an die Handlung.

Persönliches Fazit: Eine wunderschöne und sehr tiefgängige Liebesgeschichte, die zudem einige ernste Themen behandelt. Hier treffen zwei unterschiedliche Welten aufeinander und beweisen, dass Liebe alles überwinden kann. Wer eine spannende und unterhaltsame Lektüre sucht, ist mit diesem Roman bestens beraten.

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Veröffentlicht am 26.06.2021

Eine dramatische und tiefgründige Geschichte

Von hier bis zum Anfang
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Schicksalsschläge begleiten einen ein Leben lang. Dies wird auch im Roman von Chris Whitaker sehr deutlich.

Vor dreißig Jahren ereignete sich in Cape Haven ein schrecklicher Unfall. Die Tante der heute ...

Schicksalsschläge begleiten einen ein Leben lang. Dies wird auch im Roman von Chris Whitaker sehr deutlich.

Vor dreißig Jahren ereignete sich in Cape Haven ein schrecklicher Unfall. Die Tante der heute dreizehnjährigen Duchess wurde als Kind brutal ermordet. Der Mörder sitzt in Haft, doch Duchess' Mutter Star kann den Verlust ihrer Schwester nur schwer überwinden. Auch heute hat sie immer noch an dem Schicksalsschlag zu knabbern, was das Familienleben prägt. Die Familie lebt in Armut und auf Duchess lastet sehr viel Verantwortung. Sie versucht, sich um ihren kleinen Bruder Robin und ihre Mutter Star zu kümmern, die mittlerweile alkoholabhängig und depressiv ist. Als plötzlich der Mörder aus dem Gefängnis entlassen wird, überschlagen sich die Ereignisse…

Selten habe ich eine so berührende und emotionale Geschichte gelesen wie diese hier. Es war sehr bewegend für mich zu erfahren, was die kleine Duchess alles ertragen musste. Mit dreizehn Jahren ist sie selbst noch ein Kind, muss aber erwachsen sein, um für ihre Familie zu sorgen. Die Verantwortung wächst ihr über den Kopf, und obwohl ihre Mutter sie so hängen lässt, liebt sie sie doch aus vollem Herzen. Dem Autor ist hier eine unglaublich starke Protagonistin gelungen. Ein Mädchen, das nicht aufgibt und für das jeder neue Tag ein Überlebenskampf ist. Der Leser begleitet Duchess so hautnah, dass er ihre geballte Wut, ihre Aggressionen, aber auch ihre Verletzlichkeit zu spüren bekommt.

Zu Star mag ich gar nicht so viel sagen, ohne sie aufs Übelste beschimpfen zu wollen. Bei allem Verständnis für ihren Schicksalsschlag, kann ich ihren Egoismus nicht nachvollziehen. Unverantwortlich für mich, dass sie in ihrem Zustand Kinder in die Welt gesetzt hat, wo sie nicht mal für sich selbst sorgen kann.
Die Handlung wird aus zwei Erzählperspektiven erzählt. Zum einen aus der Sicht von Duchess, die dem Leser ihre Gefühle offenbart, und zum anderen aus der Sicht von Walker, dem ortsansässigen Polizisten. Walker liegt die Idylle der Kleinstadt am Herzen, die er nur schwer aufrechterhalten kann. Vor allem nach der Entlassung von Vincent, dem Mörder von Stars Schwester und Walkers Freund aus Kindertagen.

Der Schreibstil war packend, emotional und hat mich flüssig durch den Plot geleitet. Gerade die Passagen, in denen der Autor die Emotionen von Duchess schildert, gingen mir total ans Herz und trieben mir Tränen in die Augen.
Mit unerwarteten Wendungen und einer düsteren Atmosphäre hat mich das Buch definitiv überzeugen können. Gerade der Schlussteil, in dem sich alle Puzzleteile zusammensetzen und das tragische Ausmaß hervorbringen, hat mich fassungslos zurückgelassen.

Persönliches Fazit: Eine dramatische und tiefgründige Geschichte über Schuld und Vergebung. Für mich ein klares Jahreshighlight, das mich emotional total abgeholt hat und noch lange beschäftigen wird.

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