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Veröffentlicht am 05.04.2021

Wortgewaltig, atmosphärisch, sogartig

Das Lied der Nacht
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Musik ist für viele von uns ein Lebenselixier. Sie kann eine ganze Bandbreite an Gefühlen hervorrufen, sie entspannt, manchmal sind unsere schönsten Erinnerungen mit Musik verknüpft. Wenn man das bedenkt, ...

Musik ist für viele von uns ein Lebenselixier. Sie kann eine ganze Bandbreite an Gefühlen hervorrufen, sie entspannt, manchmal sind unsere schönsten Erinnerungen mit Musik verknüpft. Wenn man das bedenkt, fragt man sich, warum Lieder im Königreich Schur so negativ behaftet sind. Denn hier gibt es nur zwei Regeln: Nachts darf kein Feuer entzündet werden und Gesang in der Dunkelheit ist verboten, denn sonst droht einem der sichere Tod. Die Schatten finden jeden...

Der Wanderer Weyd und die Bardin Caer kämpfen gegen eben jene Schatten der Nacht. Sie suchen Zuflucht beim Eisernen Baron, bei den jedoch nicht alles ist, wie es scheint. Während die Schatten die Ortschaft Festra komplett zerstören, versuchen Weyd und Caer, die Menschen auf der Festung des Barons in Sicherheit zu bringen. Die einzige Möglichkeit, sich den Schatten entgegenzustellen, ist, das Lied der Nacht zu lernen.

"Und als die Dämmerung endgültig schwand, tauchte kein einziger Stern am Himmel auf, kein silbriger Mond stieg über den Horizont. Nur undurchdringliche Dunkelheit legte sich über den halb vergessenen Pfad zwischen den Bäumen. Denn zu jener Zeit waren die Nächte finster, so finster, dass kein Stern und kein Mondstrahl sie durchdringen konnte." (Zitat Pos. 87)

Wenn man regelmäßig liest, hat man oft das Gefühl, dass viele Geschichten sich sehr ähnlich sind. Man liegt mit seinen Vermutungen richtig und so passiert es oft, dass die Geschichten langweilig werden. Hier ist das nicht der Fall. Das liegt vor allem daran, dass die Autorin sich eines besonders bildhaften Schreibstils bedient. Die Dunkelheit und die damit einhergehende Stille, die Kälte, die Bedrohung durch die Schatten - all das konnte ich förmlich spüren. Im Fantasy-Genre möchte ich in eine Welt eintauchen können und die Realität hinter mir lassen - und das konnte ich hier ganz wunderbar.

Die Charaktere waren mir allerdings insgesamt zu eindimensional, weswegen ich keine richtige Nähe zu ihnen hatte. Hier muss man aber sagen, dass es der erste Teil einer Reihe ist und sich das im weiteren Verlauf natürlich noch ändern kann.

Gut gefallen hat mir auch das Bonusmaterial. Lasst euch überraschen, was der Verlag sich dazu hat einfallen lassen!

Persönliches Fazit: Ein gelungener Reihenauftakt, wortgewaltig, atmosphärisch, sogartig - perfekt für Fantasy-Fans und Genrequereinsteiger.

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Veröffentlicht am 04.04.2021

Solide Unterhaltung

Doggerland. Fester Grund (Ein Doggerland-Krimi 3)
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Karen erhält den Auftrag die bekannte Sängerin Luna zu finden, als diese plötzlich vom Erdboden verschwunden ist. Sie hat Mühe, ihre Eifersucht auf diese Frau zu unterdrücken, ermittelt aber trotzdem professionell ...

Karen erhält den Auftrag die bekannte Sängerin Luna zu finden, als diese plötzlich vom Erdboden verschwunden ist. Sie hat Mühe, ihre Eifersucht auf diese Frau zu unterdrücken, ermittelt aber trotzdem professionell unter dem Radar, um bloß die Presse nicht aufzuscheuchen. Dann lässt ein anderer Fall Karen nicht zur Ruhe kommen, die privat ohnehin schon genug Probleme hat.

Dies ist der 3. Teil der Doggerland-Reihe um die Kommissarin Karen Eiken Hornby, der auf einer Inselgruppe spielt, die seit 8000 Jahren in der Realität gar nicht mehr existiert. Ich empfehle auf jeden Fall die vorigen Teile zu lesen, da die Geschichte der Charaktere ein großer Bestandteil ist und gerade in "Doggerland: Fester Grund" Karens Privatleben eine enorme Rolle spielt.

Zitat Pos. 268:
"Zwei Untermieter, mehr nicht . Zwei Seelen, die im Wind trieben, als sie an ihre Tür geklopft und Unterschlupf in ihrem Leben gesucht haben. Warum zum Teufel musste ich ihnen die Tür öffnen?"

Anfangs hatte ich Schwierigkeiten wieder in die Geschichte zu finden und nachzuvollziehen, welche Figur welche Rolle spielt, doch so nach und nach legte sich das - auch durch kurze Erklärungen der Autorin.
Der Vermisstenfall ist recht schnell erledigt und man fragt sich, warum er überhaupt erwähnt wird. So war ich das erste Drittel des Buches überhaupt nicht so begeistert von der Story, die irgendwie vor sich hin plätscherte. Doch dann passierte auf einmal alles Schlag auf Schlag und die Spannung stieg rasant an. Auch Karens privates "Problem" wird authentisch und nachvollziehbar geschildert und berührt emotional.

Zitat Pos. 3340:
"Leo braucht vermutlich eine spannendere Frau als eine Polizistin in der Lebensmitte mit richtig schwerem Gepäck."

Einige Wendungen waren sehr überraschend und widerlegten meine anfänglichen Startschwierigkeiten. Die Autorin hat in diesem Teil gleich drei Stories verpackt, die alle auf ihre Art spannend erzählt werden und in einem fulminanten Ende abschließen. Soweit ich weiß, gibt es aber bereits einen vierten Teil im Schwedischen. Ich hoffe daher darauf, dass auch dieser übersetzt wird, denn ich möchte auf jeden Fall wissen, wie es mit Karen und ihrer Familie weitergeht und ob ihr das bisschen Glück erhalten bleibt.

Persönliches Fazit: In diesem Teil wird weniger auf die erdachte Insel eingegangen, wie es noch in den vorherigen Teilen der Fall war. Hauptsächlich geht es um Karens Privatleben, untermalt mit zwei spannenden Ermittlungsfällen. Daher empfehle ich dieses Buch hauptsächlich Lesern, die auch beide Vorgänger gelesen haben.

/RO, Daniela

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Veröffentlicht am 03.04.2021

Kein typischer King

Später
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King ist ja nicht nur als der „King of Horror“ bekannt, sondern auch dafür, in seinen Werken trotz epischer Länge die Spannung stetig zu halten und zu steigern. Im Verhältnis zu seinen anderen Werken ist ...

King ist ja nicht nur als der „King of Horror“ bekannt, sondern auch dafür, in seinen Werken trotz epischer Länge die Spannung stetig zu halten und zu steigern. Im Verhältnis zu seinen anderen Werken ist „Später“ mit etwas mehr als 300 Seiten eher eine King-Kurzgeschichte.

Jamie Conklin führt uns durch die Handlung. Ein neunjähriger Junge, der mit den Geistern von kürzlich Verstorbenen sprechen kann, wobei diese ihm wahrheitsgemäß antworten müssen. Die Ex-Freundin seiner Mutter, ihres Zeichens Polizistin, sieht darin die Chance, ihre Karriere zu retten, indem sie mit Hilfe von Jamies Fähigkeiten die letzte Bombe eines Serien-Bombenlegers zu finden versucht. Der will es nicht auf sich beruhen lassen, dass sein Plan vereitelt wird, und sinnt nach Rache aus dem Jenseits.

Der Einstieg in die Handlung beginnt ruhig, fast schon sanft, als wollte King damit die Unschuld und Verletzlichkeit des Protagonisten schützen. Doch das ändert sich schnell, und als die Story erst einmal Fahrt aufnimmt, kommen die typischen King-Momente durch. Zum Ende hin gibt es wieder viel Horror und Gänsehaut.

Es gibt viel zu gruseln, im Vordergrund stehen aber die Mutter-Sohn-Beziehung und das Erwachsenwerden. Jamie ist ein sehr sympathischer Charakter, der die Story mit einer Gelassenheit erzählt, die ich ihm anfangs nicht abkaufen konnte. Doch bald stellt sich heraus, dass es viel mehr Naivität ist. Er glaubt viel zu sehr an das Gute im Menschen und es fällt ihm im Traum nicht ein, dass man ihn ausnutzen könnte. Gut, man muss dazu sagen: Er ist ja auch noch ein Kind. Dennoch ist das ein starker Kontrast, denn manchmal benimmt er sich sehr viel älter. Das ändert sich im Verlauf der Handlung, da er tatsächlich älter wird.

Die Charaktere sind authentisch gezeichnet, wenn auch wegen der Kürze des Romans nicht so tief und vielschichtig, wie man es von King gewohnt ist. Für die Handlung hier allerdings fehlt das nicht. Lediglich eines hat mich gestört: der Cop, der mit einer Drogen- und Alkoholspirale kämpft. Für mich ist das in den letzten Jahren das Klischee schlechthin geworden, und nicht einmal der King persönlich konnte sich hiervon lösen.

Auch ein Verweis auf sein Meisterwerk „ES“ ist eingebaut: das Ritual von Chüd. Das ist die wohl offensichtlichste Verbindung, die „Später“ mit dem Universum seiner Werke verknüpft. Doch hier und da gibt es auch Verbindungen zu anderen seiner Geschichten – Fans dürfen sich freuen!

Persönliches Fazit: Hier scheiden sich die Geister – die einen finden die Story aufgrund der Kürze zu unausgegoren, für die anderen ist diese Länge genau richtig. Zugegeben ist es gewöhnungsbedürftig, dass das gesamte Buch genau so lang ist wie ein einziges Kapitel in seinen anderen Werken – aber trotzdem kann ich euch versprechen, dass die Länge weder der Story noch der Spannung Abbruch tut. Lest diesen King!

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Veröffentlicht am 01.04.2021

Absolut lesenswert!

Wenn die Toten sprechen
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Claas Buschmann ist mittlerweile leitender Oberarzt für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum Schleswig Holstein und hilft unter anderem im Auftrag der Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung von Tötungsdelikten. ...

Claas Buschmann ist mittlerweile leitender Oberarzt für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum Schleswig Holstein und hilft unter anderem im Auftrag der Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung von Tötungsdelikten. In diesem Buch erzählt er über 12 Fälle seiner Laufbahn, die sich hauptsächlich in seiner Zeit an der Berliner Charitè, zeitweise an der Seite von Michael Tsokos, so zugetragen haben.

Zitat S. 15:
"Jeden Tag untersuchen wir Tote - große, kleine, junge, alte, auch verstümmelte, zerstückelt oder stark fäulnisveränderte Leichen. Ich empfinde Obduktionen trotzdem überhaupt nicht als belastend. Warum? (...) Weil die Toten es schon hinter sich haben. Weil sie frei sind von Leid und Schmerz."

Die Erklärung zu dieser Einstellung liefert direkt die erste Geschichte, die einen traumatisierenden Einsatz aus älteren Tagen thematisiert, als Buschmann noch als Rettungssanitäter arbeitete. Ich bekam Gänsehaut bei dem Gedanken daran, wie hilflos man sich in so einer Situation fühlen muss und wie viel Druck und Verantwortung auf einem liegt. Buschmann erklärt ergreifend, wie schwierig und belastend dieser Beruf sein kann, und zeigt auf, dass man diesen seelischen Stress und die hektischen Entscheidungen über Leben und Tod als Rechtsmediziner eben nicht mehr treffen muss.

In Fall 2 wird dann aber deutlich, dass man natürlich trotzdem mit Gewalt und Grausamkeit zu tun hat. Es ist interessant zu lesen, anhand welcher Merkmale Vorfälle rekonstruiert werden können und in welchem Umfang ein rechtsmedizinisches Gutachten zur Auflösung eines Tötungsdeliktes beitragen kann oder auch oft Indizien für Tathergänge liefert.

Dieses Buch strotzt vor interessanten Informationen und Geschichten, die man fast nicht glauben mag, und gibt auch Einblicke in Buschmanns persönliche Meinungen. Obwohl ich in diesem Bereich schon das Eine oder Andere gelesen und mich generell viel mit True Crime auseinandergesetzt habe, war doch viel Neues und Wissenswertes für mich dabei.

Persönliches Fazit: Eine anschauliche Beschreibung aus dem Alltag eines Rechtsmediziners - ohne Übertreibungen und fiktive Horrorszenarien, denn das Leben ist ohnehin grausam genug.
Absolut lesenswert!

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Veröffentlicht am 01.04.2021

Ein sehr interessanter Fall

Tief in der Erde
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Dieser Roman thematisiert die Entführung mit Todesfolge der damals 10-jährigen Ursula Herrmann in den frühen 80er Jahren, die die gesamte Bundesrepublik erschütterte. Im Buch wird sie Annika Schön genannt.

Die ...

Dieser Roman thematisiert die Entführung mit Todesfolge der damals 10-jährigen Ursula Herrmann in den frühen 80er Jahren, die die gesamte Bundesrepublik erschütterte. Im Buch wird sie Annika Schön genannt.

Die Autorin, die auch als Journalistin tätig ist, bringt viele Fakten ein, erwähnt aber explizit, dass sie Unterhaltungslektüre schreiben wollte und geschrieben hat. So sind viele Behauptungen rein spekulativ, aber dennoch denkbar und befassen sich zum Großteil mit der Identität der Täter. Bis heute glauben viele Beteiligte, darunter auch der Bruder des Opfers, dass 2010 der Falsche verurteilt wurde.

Julia Neubacher, die Protagonistin in diesem Roman, nimmt 2010 als Gerichtsjournalistin an der Verhandlung des Tatverdächtigen Karl Leitmeier zum Cold Case Annika Schön teil.

Zitat S. 12:
"Im Gegensatz zu Annika durfte ich erwachsen werden, Liebe, Erfolg, Angst, Frust, Glück, Kummer und Ärger erfahren, Die Welt sehen in all ihrer Schönen, Durchtriebenheit, Großartigkeit und Schrecklichkeit."

In drei Teilen verfolgt man als Leser die verschiedenen Etappen dieses Kriminalfalles. Teil 1 beschreibt einen möglichen Ablauf des Tathergangs 1981 und Mutmaßungen darüber, warum die Täter sich irgendwann nicht mehr meldeten. Aber auch über die Eltern, Geschwister und alle Beteiligten dieser furchtbaren Geschichte. Es folgen Fehler auf Seiten der Polizei und Spuren, denen nicht nachgegangen wird, so dass der Fall zu den Akten gelegt wird.
Erst nach 29 Jahren hat man einen Täter: Karl Leitmeir. Da Entführung nach 30 Jahren verjährt, hatte man es mit der Aufklärung und Verurteilung in einem reinen Indizienprozess sehr eilig.

Zitat S. 131:
"Sie wissen, dass es keine Beweise gibt. Die wird es auch in Zukunft nicht geben." (...) "Es gibt so viel, was für die Schuld Leitmeirs spricht. Aber bei Weitem nicht alles."

Christa von Bernuth erklärt in Teil 2 anschaulich, wie der Prozess ablief und auf welchen Hintergründen die Verurteilung beruht. Aber auch, wo etwaige Fehler passiert sein könnten und vielleicht sogar unterschlagen wurden. Trotz zahlreicher Zweifel am Täter kam es zur Verurteilung.

Teil 3 findet dann erst 2019 statt, als neue Indizien zu einem anderen Täter entdeckt werden und auch Julia eine neue Rolle einnimmt. Hoffnung auf ein Neuaufrollen des Falles kommt auf, wird jedoch wegen Verjährung und unzureichender Beweise abgelehnt. Alles in allem ein ungeheuerlicher Skandal. Doch was davon wirklich stimmt, wird wohl niemals bewiesen werden können.

Persönliches Fazit: Ein sehr interessanter Fall, der vor Fehlern, mangelnden Beweisen und Merkwürdigkeiten strotzt. Unheimlich beklemmend und traurig. Mein Vertrauen in die Justiz wurde jedenfalls erschüttert. Ein must-read für alle Liebhaber von True Crime.

/RO, Dani

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