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Veröffentlicht am 26.08.2018

Gefühlsachterbahn!

Turbulence - Mit dir um die Welt
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Jake Weston ist Pilot und gibt das Paradebeispiel einer personifizierten Briefmarke ab: außen zackig, dahinter verbirgt sich ein klebriger Kern. Er mimt gern den coolen und arroganten Macho, der jedem ...

Jake Weston ist Pilot und gibt das Paradebeispiel einer personifizierten Briefmarke ab: außen zackig, dahinter verbirgt sich ein klebriger Kern. Er mimt gern den coolen und arroganten Macho, der jedem überlegen ist und nach dessen Pfeife man besser tanzen sollte. Dabei steckt so viel mehr hinter dieser Fassade. Hat man erst einmal einen Blick in sein Innerstes werfen können, erkennt man schnell, wie im Grunde einfach er gestrickt ist. Er hält nicht viel von den Veränderungen seiner Airline, ihn interessieren keine Mitarbeitergespräche, Neuverträge, Hinweise auf Regeln oder Höflichkeitsfloskeln. Für ihn zählt das Fliegen. Es ist seine Bestimmung, seine Leidenschaft, etwas ganz Besonderes. Und er hat Angst, dass die Menschen es immer gleichgültiger nehmen. Die Schönheit nicht mehr erkennen. Zudem hat er auch privat mit einigen Geschehnissen zu kämpfen, die Schuld daran sind, dass er keiner Menschenseele vertraut. Ihn bekommt man lediglich für's Bett. Sobald eine Frau signalisiert, dass sie mehr von ihm möchte, beendet er das Ganze umgehend. Doch dann trifft er eines Abends auf einer Party eine Frau und plötzlich beginnt seine Fassade zu bröckeln.
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Gillian Taylor hat die Schnauze voll. Von ihrem Ex, der sie immer und immer wieder mit anderen Frauen betrog und auch noch die Frechheit besitzt, ihr dafür die Schuld zu geben. Sie hat genug von Beziehungen, weil sowieso alle Kerle gleich sind. Und sie hat keine Lust mehr, sich von ihrer Familie anhören zu müssen, was für eine Versagerin sie ist. Gott sei Dank gibt es beste Freundinnen, die einen nicht in Selbstmitleid versinken lassen, sondern darauf bestehen, auf eine Party zu gehen und wenigstens eine Nacht lang Spaß zu haben. Klingt nach einem einfachen Plan. Dann steht ihr Jake gegenüber, mit seinem unwiderstehlichen Blick, seiner coolen Art, dem süffisanten Unterton in seiner Stimme sowie der Bitte, ihm nach draußen zu folgen. Und plötzlich stecken beide mittendrin ...
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Puh, also ich muss schon sagen ... es hat tierisch geknistert, dabei hatte ich gar keinen Kamin an ;) Ich habe das Hörbuch wirklich genossen, obwohl es nicht mal mein Genre ist. Aber es ist unmöglich, die beiden Protagonisten nicht ins Herz zu schließen. Sicher, oft gingen sie mir auf die Nerven. Jake, weil er viel zu sehr von sich selbst überzeugt ist und auf Grund seiner schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit niemanden mehr an sich heranlassen möchte. So ist er dann auch oft grob gegenüber Gillian, wirkt desinteressiert und besserwisserisch. Auf der anderen Seite ist Gillian sehr aufdringlich, nervig und ein ziemlicher Jammerlappen. Wie oft hätte ich sie beide gern durchgeschüttelt oder ihnen links und rechts eine verpasst?! "Oh nein, die machen doch jetzt nicht schon wieder den gleichen Fehler?" Doch, sie machten ihn. Und wieder. Und nochmal. Du lieber Himmel! Zudem hat jeder sein eigenes Päckchen zu tragen, was viele Situationen umso verzwickter macht. Ich habe mich immer damit getröstet, dass solche Bücher fast immer ein Happy End haben. Anders hätte ich das ganze Auf und Ab nicht ertragen, so sehr leidet und fiebert man mit.
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Das Ende ließ dann jedoch einige Fragen offen. Die Autorin brachte beispielsweise Nebenfiguren mit eigenen Erzählsträngen in das Hauptthema mit ein und ich hätte gern gewusst, wie es mit ihnen weitergeht. Auch kam das Finale mit seiner vorhersehbaren Wendung dennoch ziemlich abrupt, als hätte der Autorin Papier gefehlt, um noch einige Sätze mehr hinzufügen zu können. Nach den ganzen Dramen habe ich ehrlich mehr erwartet.
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Bis zur Mitte hatte ich leider Schwierigkeiten mit den Sprechern und auch mit deren Erzählperspektive. So wäre es zum Beispiel leichter gewesen, wenn Christian Schreibhorn nur die Passagen von Jake gelesen hätte, und Karen Kasche nur die von Gillian. Aber beide sprechen je nach Kapitel beide Protagonisten. Bei Christian Schreibhorn gewöhnt man sich im weiteren Verlauf der Story daran, da er sprachlich recht vielseitig ist. Allerdings besitzt Karen Kasche meiner Meinung nach diese Fähigkeit nicht. Die Pausen lieferten beide punktgenau, die Betonungen waren bei Herr Schreibhorn besser als bei Frau Kasche.
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Das Cover zeigt einen Piloten von hinten in schwarzer Uniform mit den vier typischen Streifen auf den Schultern. Auf dem Rücken steht der Titel zweireihig in einem Weiß-Silber-Ton und noch einmal dazwischen in einem hellen Blau. Das Cover wird im Buch als Teil der Story genannt, was mir gut gefiel ob des Kontextes, den ich nicht verraten kann zwecks Spoilergefahr.
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Fazit: Eine turbulente Liebesgeschichte mit vielen Höhen und Tiefen, die mich auf Grund der Charaktere gut unterhalten konnte. Somit eine Empfehlung an Leserinnen und Leser, die gern Gefühlsachterbahn fahren.
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Vollständige Rezension: https://bit.ly/2Pd3opt

Veröffentlicht am 24.08.2018

Humorvoll, kitschig und voller Gefühle

Im Zweifel ist es Liebe
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REZENSION zu: Leonie Wieck - Im Zweifel ist es Liebe
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Meine Meinung.

Als Gereon Krantz mir erzählte, er würde nach seinem Debüt-Krimi gern einen Liebesroman ...

REZENSION zu: Leonie Wieck - Im Zweifel ist es Liebe
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Meine Meinung.

Als Gereon Krantz mir erzählte, er würde nach seinem Debüt-Krimi gern einen Liebesroman schreiben, musste ich erst einmal schmunzeln. "Aber sicher", dachte ich und legte diese Information direkt ad acta. Und dann war es plötzlich da ... dieses bläuliche Cover mit dem pinken Kaffeebecher, dem weißen Cupcake und anderen Verzierungen. "Er hat es wirklich getan ...", stellte ich überrascht fest und wurde dann prompt so neugierig, dass ich eine Ausnahme machte und mich in andere Gewässer wagte. Und in was für welche, puh!
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Die 34-jährige Lena ist selbstironisch, taff und schlagfertig. Doch vor allem ist sie seit anderthalb Jahren Single und über diesen Zustand wenig erfreut. Sie hört ihre biologische Uhr ticken und befürchtet, nach der letzten Niederlage in Sachen Beziehung nie mehr ihrem Mister Right zu begegnen. Und so stürzt sie sich kopfüber ins strategische Getümmel auf der Suche nach ihm. Alles könnte so einfach sein, wenn ... dieses Wörtchen "wenn" nicht wäre.

Eines Tages entdeckt sie mehr zufällig den attraktiven Till in ihrem Stammcafé, flirtet mit ihm, macht ihm schöne Augen und muss schließlich zu einer cleveren Taktik greifen, weil ihre bisherigen Avancen im Nichts endeten. Aus einer vermeintlich völlig harmlosen Situation wird plötzlich eine überrumpelnde Misere, die mich manches Mal völlig durchschüttelte ... vor Lachen.

Lena und Till treffen im Verlauf der Story immer wieder aufeinander. Dabei schafft es vor allem Lena, von einem Malheur zum nächsten zu brettern. Und zwar mit Vollgas. Ich fühlte mich richtig hiflos. So als würde ich jemanden schockiert beobachten, wie er sich einen Kinderriegel (und ihr wisst, wie sehr ich Kinderriegel liebe) komplett in den Mund steckt statt ihn stückchenweise zu genießen. Man möchte Lena am liebsten jedes Mal ein riesiges Stopp-Schild in den Weg stellen, ihre Füße mit Fesseln versehen und den Boden vor ihr aufreißen, damit sie nicht weiterläuft und somit die nächste Katastrophe heraufbeschwört, aber sie scheint - was das angeht - Superkräfte zu haben und so kann man nur hilflos zusehen. Jesus! Christ! Die Gute kommt auf dermaßen verrückte Ideen, die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zu lenken, dass ich mich frage, wie so jemand überhaupt Freundinnen haben kann. Sie ist ziemlich freaky und das kann durchaus anstrengend sein. Jedoch ebenso unterhaltsam.

"[...] Außerdem ist es ziemlich schwer, wütend zu bleiben, wenn man flauschige Hasenpantoffeln trägt." S. 58

"Mein Lungenvolumen entspricht ungefähr dem eines asthmakranken Kettenrauchers (ich bin weder noch), was mich für Tauchgänge, Langstreckenläufe, rituelle Gesänge oder ausgedehnten Oralverkehr ungeeignet macht." S. 108

Till hingegen ist der coole Typ, der sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen lässt - abgesehen von der Szene im Café, aber auf die kann ich nicht näher eingehen zwecks Spoiler-Gefahr ;) Er bemerkt bei ihren Begegnungen, worauf sie es anlegt und reagiert eher skeptisch und ironisch darauf. Ich stelle ihn mir lässig und mit einem verschmitzten Lächeln vor, weil das zu dem passt, was Leonie Wieck über ihn schreibt. Natürlich hat auch er seine Vorgeschichte, die seine Motivationen und Handlungen rückblickend erklärt.

Beide zusammen ergeben Figuren, die einfach perfekt zum Thema des Buches passen. Jeder Schlagabtausch ist ein Genuss!

"Was für ein Zufall!", sagte er. "Wie es aussieht, laufen wir uns jetzt regelmäßig über den Weg. Witzig, oder?" Ich fand es so witzig, ich hätte ihm fast den zerkauten Keks auf die Schuhe gespuckt." S. 111
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Der Schreibstil ist locker, flüssig und liest sich sehr angenehm. Auf unnötige Schnörksel wird verzichtet, nur hier und da hätte man Passagen kürzen können.
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Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht der Hauptprotagonistin, was es mir einfach machte, mich in sie hineinzuversetzen. Spannend wäre eine zweite Perspektive gewesen, nämlich die aus der Sicht von Till. Zu erfahren, wie er welche Situation wahrgenommen und interpretiert hat, hätte ich sehr interessant gefunden. Was er alles dachte, als Lena wieder mal aus der Reihe tanzte, zum Beispiel.

Das Ende lässt keine Fragen und Wünsche offen.
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Fazit: Eine Empfehlung an alle, die es romantisch, kitschig, chaotisch und vor allem humorvoll mögen ... und auf mörderische Achterbahnfahrten mit Doppel-Loopings und ohne Anschnallmöglichkeit stehen. Ein Liebesroman mit Wumms!

Veröffentlicht am 20.08.2018

Spannend, aber mit einigen Längen

Autopsie
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Ich habe dieses Buch als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ohne den ersten Teil um Harry Kent gelesen zu haben. Dennoch hatte ich beim Lesen wenig Schwierigkeiten damit, dass der erste ...

Ich habe dieses Buch als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ohne den ersten Teil um Harry Kent gelesen zu haben. Dennoch hatte ich beim Lesen wenig Schwierigkeiten damit, dass der erste Teil mir fehlte, jedoch wären einige Dinge doch klarer gewesen, hätte ich diesen gekannt.


Zuerst fiel mir natürlich das Cover ins Auge und ich habe mich ziemlich schnell darin verliebt. Das grelle Blau, die Haptik, die Aufmachung mit dem Gesicht in der Mitte. Ich finde es einfach schön, weil es mal etwas Besonderes ist und kein "normales" Durchschnittscover.


In die Handlung bin ich schnell hereingekommen. Wir begleiten die meiste Zeit Harry Kent, der als Arzt die Polizei bei einem Mordfall unterstützt und versucht, rätselhafte Todesfälle in einer Kinderherzklinik aufzudecken. Harry ist ein engagierter Ermittler, der mir sofort sympathisch war. Allerdings hat Harry ein Drogenproblem und nimmt Amphetamine. Diese Sucht wird über das Buch verstreut immer wieder aufgegriffen. Seine Gedanken und Ängste sind permanent präsent.


"Er war müde, sein Herz raste, aber er widerstand der Versuchung. Du kannst die Kräfte nicht ändern" (S.373)


"Woher sollte er wissen, welche dieser Leben er durch seine Handlungen beeinflusst hatte, wo war sein Wind auf die Segel getroffen?" (S.458)


Durch die Nähe zu Harry sind wir einerseits ständig mit seinen Ecken und Kanten konfrontiert, ich konnte aber andererseits durch diese Details empathischer agieren und mehr mitfühlen.


Der Schreibstil hat mich schnell ein Teil der Geschichte werden lassen, denn es fühlte sich an, als würde ich die Charaktere kennen, weil sie so genau und präzise gezeichnet sind. Anfangs war ich etwas von den typischen Genre-Klischees genervt, denn Thriller mit einem Ermittler mit Drogenproblem gibt es etliche. Ich habe mich aber schnell an Harry und die Thematik gewöhnt.


Der Kriminalfall ist interessant und ich habe ihn gerne gelesen, es wird jedoch komplett auf Cliffhanger verzichtet. Die Kapitel sind sehr lang, sodass sich für mich das Buch teilweise wie Kaugummi in die Länge zog, ohne das viel passierte. Im letzten Drittel - und vor allem um den Schluss herum - zieht die Spannung doch nochmal ordentlich an, und der Schluss war für mich gut durchdacht, interessant und auch überraschend.


Insgesamt habe ich das Buch als eine gute Mischung aus aktuellem Fall und Passagen, die noch an Inhalte aus Teil 1 anknüpfen, gesehen. Vor allem gegen Ende hin ging es immer mehr um Harrys persönliche Geschichte und seine Probleme.


"Alles war getan. Er konnte nicht länger weglaufen. Weder vor Beth noch vor seiner Abhängigkeit." (S.473)


Nach Ende des Buches hoffe ich sehr auf einen Teil 3, da ich einfach wissen möchte, wie es mit Harry weitergeht.


Fazit: Ein solider Thriller mit einigen Längen, die die Spannung leicht flach halten, aber mit sympathischen Charakteren und einem spannenden Schluss, für den sich jede Seite gelohnt hat.

Veröffentlicht am 30.07.2018

Spannender Krimi mit Lokalkolorit

Totenweg
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Frida ist Polizistin in Hamburg und hat beruflich wie auch privat gerade eine Menge um die Ohren. Ihr Vater liegt nach einem brutalen körperlichen Angriff auf ihn im Koma. Zuständig für diesen Fall ist ...

Frida ist Polizistin in Hamburg und hat beruflich wie auch privat gerade eine Menge um die Ohren. Ihr Vater liegt nach einem brutalen körperlichen Angriff auf ihn im Koma. Zuständig für diesen Fall ist Bjarne Haverkorn, der bereits vor langer Zeit in einem anderen Fall um Frida und ihre ermordete beste Freundin Marit ermittelte. Der damalige Täter wurde nie überführt, was Bjarne heute noch belastet. 
 
Frida hat ebenfalls mit diesem Teil der Vergangenheit zu kämpfen und mied daher viele Jahre ihre Heimat in der Elbmarsch. Nun aber, da der Vater gesundheitlich angeschlagen ist, bleibt ihr nichts weiter übrig als dorthin zurückzukehren. Ich, die schon mit 15 Jahren von Zuhause wegging, kann die Unsicherheit nachempfinden, die Frida auf ihrem Weg zum Apfelhof begleitet. Man nennt diesen Ort zwar "Heimat", es fühlt sich aber nicht mehr wie eine an. Man würde am liebsten vergessen und wird doch immer wieder mit den Geschehnissen von früher konfrontiert. Das steckt sie überraschend gut weg. Sowieso macht sie auf mich einen sympathischen und authentischen Eindruck und wirkt ziemlich bodenständig. Mir gefällt insbesondere, dass sie Ecken und Kanten hat und weder die typische Ermittlerin ist, die streng alle Regeln befolgt, noch ihren Kummer in Alkohol ertränkt. 
 
Da sie sich noch in der Ausbildung zum gehobenen Dienst befindet, vermittelt sie den Eindruck einer zielstrebigen Polizeibeamtin, die noch ganz anders an die Ermittlungen herangeht als alteingesessene Beamten. 
 
Bjarne passt prima in diese Handlung. Mit seiner freundlichen und empathischen Art kann er von Anfang an bei mir punkten. Ich empfand Mitgefühl ihm gegenüber, weil auch in seinem Privatleben nichts glänzt und funkt. Im Gegenteil: Seine Ehefrau ist depressiv und die Ehe steht kurz vor dem Aus. 
 
So trägt jeder sein Päckchen und versucht, aus allem irgendwie das Beste zu machen. Irgendwann kommt dann der Punkt, an dem es für Frida kein zurück gibt. Was sie längst hätte sagen sollen, wird nun immer erdrückender. Auch, weil plötzlich Dinge geschehen, die sie in ihrer Welt aus Schein und Trug aufspüren und herausziehen. Wie viel von dem Mord an Marit weiß sie wirklich? Der Spannungsbogen bleibt konstant erhalten und schwächelt nur vereinzelt, wenn zu sehr auf die Verbrechen eingegangen wird. Mich interessiert die Ermittlungsarbeit an sich, aber auch hier denke ich: In der Kürze liegt die Würze. Ansonsten fühle ich mich durchweg unterhalten und im Genre Krimi bestens aufgehoben.

Romy Fölck präsentiert ihr Debüt miteiner ausdrucksstarken und bildgewaltigen Sprache sowie mit einem flüssigen und lockeren Schreibstil.

"Nichts war je so niederschmetternd gewesen wie dieses Gefühl der Endgültigkeit, als sie ihn zum Abschied küsste." (S. 7)
 
"Sie lief quer über ein Feld, um nicht den Totenweg entlang zu müssen. Sie dachte an das weiße Auge im Viehstall. Das war die erste Warnung gewesen, die sie in den Wind geschlagen hatte." (S. 247)

Fazit: Ein gelungener Auftakt einer neuen Krimireihe und eine Empehlung an Freunde deutscher Autorinnen mit einem Faible für Lokalkolorit.

Veröffentlicht am 28.07.2018

Erschütternd und fesselnd

Wie der Wind und das Meer
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Erzählt wird die Geschichte von den Trümmerkindern Sarah und Paul, die bei einem Luftbombenangriff in München 1945 ihre Familien verlieren. Ich habe direkt die Bilder vor Augen von Krieg, Zerstörung, Gewalt ...

Erzählt wird die Geschichte von den Trümmerkindern Sarah und Paul, die bei einem Luftbombenangriff in München 1945 ihre Familien verlieren. Ich habe direkt die Bilder vor Augen von Krieg, Zerstörung, Gewalt und Hoffnungslosigkeit. Selbst Kinder wurden ab 1944 aufs Land geschickt, weswegen die Einwohnerzahl drastisch sank. Das stimmt mich traurig und lässt mich an meine Großeltern denken, die damals aus ihrer schlesischen Heimat vertrieben wurden. Mein Großvater fand meine Großmutter inmitten von Schutt und Asche und rettete ihr das Leben. So wie bei Sarah und Paul. Der elfjährige Junge irrt mit seinem Koffer durch die städtischen Überreste und stößt dabei auf die jüngere Jüdin Sarah. Da diese seiner verstorbenen Halbschwester ähnelt und er ihr helfen möchte, geben sich beide fortan als Geschwisterpaar aus. Ein Pakt, um zu überleben.

"Unsere Familie hat sogar einen Wahlspruch: Wir gehören zusammen wie der Wind und das Meer. Zusammen sind wir stark, zusammen kann uns nichts geschehen." (Seite 28)

Wir begleiten die beiden über viele Jahre hinweg und erfahren, wie sie ihr Leben nach dem Krieg verbringen. Dabei ermöglichen der bildgewaltige Schreibstil und die leicht verständliche Sprache der Autorin ein tiefes Abtauchen in die Geschehnisse. Eine riesengroße Lüge, die die beiden zur Kriegszeit schützte und die ihnen als Erwachsene allerdings zum Verhängnis wird. Wir erleben, wie sie sich lieben lernen, aufgrund bestimmter Umstände eigene Wege gehen müssen, auf andere Menschen treffen und den anderen jedoch ständig im Herzen tragen. Und wie es das Schicksal will, treffen beide wieder aufeinander. Gänsehaut-Momente, in denen mitgelitten und natürlich ausreichend mitgeheult wird! Ich frage mich, was aus ihnen geworden wäre, wenn sie doch rechtzeitig die Wahrheit gesagt hätten. Die Konsequenzen ihrer verbotenen Liebe sind für mich das Hauptthema.

Das Buch ist in fünf größere Abschnitte mit jeweils kürzeren Kapiteln unterteilt, was das Lesen deutlich angenehmer macht. Große Zeitsprünge bereiten mir meistens Schwierigkeiten und mindern den Lesefluss, hier allerdings spielt das überhaupt keine Rolle, weil man ohnehin eine Seite nach der anderen lesen möchte.

Ich muss gestehen, dass ich trotzdem eine Weile für diesen Roman brauchte, weil ich ihn hin und wieder zur Seite legen und über das Gelesene nachdenken musste. Allerdings denke ich, dass die Autorin das freut, denn schließlich geht es hierbei um ein wichtiges Thema. Man merkt, dass Lilli Beck viel diesbezüglich recherchiert hat. Das war definitiv nicht mein letztes Buch von ihr.

Fazit: Ein sehr ergreifendes und dramatisches Zeitzeugnis der deutschen Geschichte!