Vergiss den Glamour
#London Whisper – Als Zofe ist man selten onlineVielen Dank an Lovelybooks und den dtv Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.
Inhalt
Während einer Party wird die 15-jährige Zoe in das London des 19. Jahrhunderts versetzt. Dort muss ...
Vielen Dank an Lovelybooks und den dtv Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.
Inhalt
Während einer Party wird die 15-jährige Zoe in das London des 19. Jahrhunderts versetzt. Dort muss sie als Zofe für ein schüchternes Mädchen in ihrem Alter arbeiten, während sie einen Weg zurück in ihre Zeit sucht.
Kurzmeinung
Die Handlung und Figuren sind ein wenig oberflächlich. Zoe ist die Heilsbringerin für Junge Damen des 19. Jahrhunderts, lernt selber aber leider nichts. Die Nebenfiguren sind allesamt eher Pappbilder mit genau einer Eigenschaft. Zoe hat vielleicht zwei oder drei. Unterhaltsam ist es trotzdem und dürfte beim Zielpublikum (ab 12 Jahren) gut ankommen.
Meinung
Ich habe dieses Buch im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks gelesen. Große Erwartungen hatte ich an den Roman nicht, denn wie ihr wisst, bin ich Deutschen Fantasy-Autor*innen gegenüber eher skeptisch. Zu viele haben mich trotz des Hypes sehr enttäuscht. Um so erfreulicher war es, dass mich #London Whisper insgesamt recht gut unterhalten konnte. Es ist eine Geschichte für jüngere Jugendliche, was man deutlich merkt, aber auch in Ordnung ist.
Die Handlung ist zwar nicht direkt langweilig, doch hat sie mich jetzt auch nicht hibbelig auf der Stuhlkante sitzen lassen. Zoe strandet im London des Jahres 1816, ist davon aber recht wenig betrübt. Extrem schnell findet sie sich in ihr neues Leben als Zofe einer Tochter aus der feinen Gesellschaft ein. Viele Mitleser haben diese Mühelosigkeit bemängelt, ich jedoch konnte darüber hinwegsehen, weil es ganz offensichtlich nicht darum ging, dass Zoe jetzt tiefbetrübt und mit Heimweh in der Vergangenheit sitzt. Realistisch ist das vielleicht nicht, aber es passt zur Handlung. Was ich etwas irritierend finde ist, dass sie, obwohl sie sehr modern spricht und auch offen ihre "futuristischen" Ansichten, vor allem was Frauenrechte anbelangt, kundtut, damit offene Türen einrennt. Keiner stört sich daran, von den jungen Damen wird sie regelrecht gefeiert. Das ist schon sehr unrealistisch.
Zoe jedoch genießt es, im 19. Jahrhundert endlich mal ein bisschen aufzuräumen. Jedenfalls in ihrer Umgebung. Ihre Herrin, Miss Lucie, lockt sie ohne große Mühe aus ihrer Zurückgezogenheit. Deren neue Freundinnen berät sie bezüglich Mode. Zoe ist die große Lehrmeisterin der armen jungen, unterdrücken Damen. Doch was lernt sie? Für mich war durch das ganze Buch hinweg nicht ein Fünkchen Entwicklung bei Zoe zu sehen. Mit allem, was sie anstellt, kommt sie mühelos durch, spielt sich als die Allwissende auf und lernt selber nichts. Keine Frage waren die Rechte der Frauen zu dieser Zeit quasi nicht vorhanden (übrigens umso merkwürdiger, dass keiner Zoe über den Mund fährt oder ausbremst), aber mir war das doch ein wenig zu viel schwarz-weiß-Malerei. Die Mädchen der höheren Gesellschaft, die bald Zoes Freundinnen werden, sind sehr naiv und fast einfältig dargestellt. Sie sind blasse Hüllen, interessieren sich für Bälle und hängen an Zoes Lippen. Durchweg alle Nebenfiguren lassen Charaktereigenschaften über eine prominente hinaus vermissen. Miss Lucie ist schüchtern, ihr Bruder Arthur ein Dummschwätzer, die Mutter eine Lady der Gesellschaft.
Besonders aufgefallen ist mir das, als sich Zoe in einer Szene mit Miss Lucies Bruder Arthur über seine Schwester unterhält. Er meint, dass seine Schwester ziemlich langweilig ist und den Männern rein intellektuell nichts zu bieten hat. Zoe verteidigt ihre Herrin vehement, nennt jedoch keine anderen Eigenschaften außer, dass sie herzensgut ist. Wie man das so macht, habe ich mir in Gedanken überlegt, welche Qualitäten Miss Lucie denn nun eigentlich hat. Mein Schluss: Keine von denen ich wüsste.
Solche Eigenschaften und Tiefe fehlt auch dem zweiten Protagonisten, der als offensichtlicher Love Interest eingeführt wird: Hayden. Er hat einen französischen Akzent. Viel mehr weiß man von ihm eigentlich auch nicht. Zoe übrigens genauso wenig, was sie aber nicht davon abhält, ihm voll und ganz zu vertrauen. Gut, wir sind im Jugendbuch, er wird sich jetzt höchstwahrscheinlich nicht als Bösewicht entpuppen, aber so ein bisschen mehr hätte ich doch gerne über ihn gewusst. Er ist nett und grinst viel.
Lange Rede, kurzer Sinn, genau wie seine Figuren ist auch die Geschichte an sich sehr oberflächlich gehalten. Bis zur letzten Seite erfährt man herzlich wenig über Zeitreisen und da Zoe sich darüber auch eher wenige Sorgen macht, tut man das als Leser mit eine Schulterzucken ab. Unterhaltsam ist es allerdings trotzdem. Der Stil hat Schwung, auch wenn man über die eine oder andere sehr gezwungen wirkende Jugendsprache stolpert. Ich bin nicht sicher, ob 15 Jährige über ein Picknick als "Open-Air-Spektakel" (S. 224) bezeichnen würde, oder einem Gleichaltrigen sagen würden, sie sollen "den Glamour" (S. 234) vergessen. Hm... Übrigens stört sich im 19. Jahrhundert niemand an Zoes merkwürdigem Ausdruck. Praktisch.
Fazit
Ein unterhaltsamer Jugendroman, der bei seinem Zielpublikum (Jugendliche ab 12 Jahren) ganz gut ankommen dürfte. Mir fehlte vor allem Tiefe sowohl in der Handlung, als auch in den Figuren, sowie eine Entwicklung seitens Zoe.
Schaut für mehr Buchtipps gerne einmal auf meinem Blog vorbei:
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