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Veröffentlicht am 20.02.2017

Phantasievolle Internatsgeschichte

Emma, der Faun und das vergessene Buch
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Die 16jährige Emma kehrt nach den Sommerferien endlich wieder in ihr geliebtes Internat Stolzenburg zurück und freut sich sehr auf das beginnende Schuljahr. Voller Eifer stürzt sie sich zusammen mit ihrer ...

Die 16jährige Emma kehrt nach den Sommerferien endlich wieder in ihr geliebtes Internat Stolzenburg zurück und freut sich sehr auf das beginnende Schuljahr. Voller Eifer stürzt sie sich zusammen mit ihrer besten Freundin Charlotte und ihrer neuen Zimmergenossin in die Renovierung der westlichen Bibliothek, welche die drei Mädels aus Hauptquartier für ihren Literaturclub nutzen wollen. Getrübt wird Emmas Freude nur durch das plötzliche Erscheinen von Darcy de Winter und seinem Freund Toby. Vor allem weil Darcy die Mädchen gleich mal aus der Bibliothek wirft.
Bei den Aufräumarbeiten fällt Emma ein altes Buch in die Hände und sie beginnt ein wenig darin zu lesen. Offenbar handelt es sich hierbei um eine Chronik der Schule, die von mehreren verschiedenen Autoren im Laufe der Jahre erstellt wurde. Auch Emma beginnt damit den Alltag der Schule in dem vergessenen Buch zu dokumentieren. Und auf einmal passieren seltsame Dinge auf Stolzenburg. Hat die Chronik etwa damit zu tun? Und welche Rolle spielt der hochnäsige Darcy de Winter?

„Emma, der Faun und das vergessene Buch“ erinnert ein wenig an andere klassische Internatsgeschichten wie z.B. „Hanni und Nanni“ oder „Der Trotzkopf“. Doch schon bald zeigt sich, dass hier mehr dahintersteckt. Mechthild Gläser schafft es sehr gut, die Internatsgeschichte mit Fantasy-Elementen zu verknüpfen. Die Grenze zwischen Realität und Phantasie verschwimmt und zwischendurch kann man sich durchaus vorstellen, dass die Geschichte wirklich so auf einem Internat in Deutschland passiert sein könnte.

Sowohl die handelnden Personen, als auch die Orte sind detailreich und liebevoll beschrieben und man kann sich die ganze Szenerie sehr gut vorstellen. Die Autorin schafft sehr gut den Spagat zwischen ausführlichen Beschreibungen ohne dabei langatmig und langweilig zu werden. Ein wenig mehr Hintergrundinformationen wären an der einen oder anderen Stelle interessant gewesen, hätten aber wahrscheinlich den Rahmen des Buches gesprengt. Wobei ich persönlich auch nichts dagegen einzuwenden gehabt hätte, wenn es sich hier um einen Zweiteiler gehandelt hätte. Die Geschichte hätte es auf jeden Fall hergegeben.
Der Spannungsbogen zieht sich schön durch das komplette Buch. Bei dem einen oder anderen Handlungsstrang war bereits zu Beginn ersichtlich wie er enden wird, trotzdem weißt das Buch einige Überraschungsmomente auf. Leider hat mich der Schluss des Buches doch sehr enttäuscht. Für meinen Geschmack hat es sich Frau Gläser hier ein wenig zu leicht gemacht. Man bekommt fast das Gefühl, dass einfach nur froh war das Buch zu beenden. Dabei wäre hier noch so viel Potential gewesen.

Unter Anbetracht der Tatsache, dass es sich hierbei um ein Kinder- bzw. Jugendbuch handelt, kann ich einige Sachen verstehen und auch entschuldigen. Für mich als erwachsenen Leser bleibt leider ein kleiner schaler Beigeschmack zurück. Die Verbindung zu Jane Austen Roman war mir eine Spur zu dezent. Hier hätte man, vor allem für ältere Leser mehr einbauen können.
Im Großen und Ganzen kann ich das Buch auf jeden Fall für Kinder (ab ca. 10 Jahren) weiterempfehlen. Für Erwachsene gibt es aber definitiv anspruchsvollere Fantasylektüre.

Veröffentlicht am 20.02.2017

Stimmt nachdenklich

Der Mann, der Luft zum Frühstück aß
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„Der Mann der Luft zum Frühstück aß“ erzählt die Geschichte von Walerian, der eigentlich Jan heißen sollte. Er wurde bereits früh zu seinen Großeltern abgeschoben, bis seine Mutter auf einmal ...

„Der Mann der Luft zum Frühstück aß“ erzählt die Geschichte von Walerian, der eigentlich Jan heißen sollte. Er wurde bereits früh zu seinen Großeltern abgeschoben, bis seine Mutter auf einmal beschloss mit ihm nach Wien zu ziehen. Aus seinem beschaulichen Leben gerissen und mit keinen Sprachkenntnissen schlägt Walerian sich durch seine Kindheit und Jugend. Geprägt ist diese Zeit von Sprachproblemen, Schulproblemen und der Frage was danach kommt.
Nach Abbruch der Handelsschule wird Walerian von seiner Mutter aus der Wohnung geworfen und muss plötzlich auch eigenen Beinen stehen. Und so hangelt er sich von einem Job zum nächsten, von einer Wohnung zur nächsten. Und versucht irgendwie einen Platz in dieser Welt zu finden.

Walerian hat es von Anfang an nicht besonders leicht im Leben. Trotz dieser widrigen Umstände schafft er es immer wieder auf die Füße zu kommen. Dies hat jedoch weniger mit seinem Ehrgeiz zu tun sondern mehr mit einer Verkettung von Zufällen und Glück. Einen richtigen Plan vom Leben, so erscheint es mir jedenfalls, hat Walerian nicht. Radek Knapp ist mit seinen Ausführungen ziemlich spärlich und überlässt viel der Vorstellungskraft des Lesers. Er gibt Rand- und Rahmenbedingungen vor um einen Eindruck von den Orten und den Personen zu haben ohne dabei alles bis ins kleinste Detail zu beschreiben. An manchen Stellen hätte ich mir mehr erwartet. Eine genauere Ausführung, einen tieferen Einblick ins Innere von Walerian.

Eine wirkliche Spannungskurve ist nicht zu entdecken. Ganz im Gegenteil, eine Episode reiht sich an die andere. Dies erscheint fallweise ziemlich chaotisch, doch ergibt schlussendlich alles einen Sinn. Denn auch das reale Leben ist nicht immer geordnet und wir alle sind eine Summe unserer Erfahrungen. Aber auch hier bleibt teilweise das Gefühl zurück, dass uns Radek Knapp einiges vorenthält. Das er mehr aus der Geschichte herausholen hätte können. Andererseits schafft auch dies Raum um Walerians Leben und aufgrund dessen auch das eigene Leben zu hinterfragen.

Phasenweise war das Buch äußerst amüsant, phasenweise aber auch nur skurril. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich zu Beginn ein wenig enttäuscht war. Durch die Lektüre der Leseprobe hatte ich mir einen durch die Bank komischen Roman erwartet. Bekommen habe ich eine 123 Seiten lange Erzählung. Aufgrund dessen handelt es sich hierbei um ein recht kurzweiliges Lesevergnügen.
Ich habe mir selten bei einem Buch so schwer mit einer Einschätzung bzw. Beurteilung getan. Meine Erwartungen und die Realität passen hier nicht wirklich zusammen. Doch obwohl meine Erwartungen enttäuscht wurden, muss ich sagen das ich auf eine gewisse Art berührt und begeistert wurde. Ich denke, hier muss man sich selber ein Bild machen. Wobei ich persönlich den Preis von € 16,50 (bzw. € 16 in Deutschland) hier ein klein wenig überzogen finde auch wenn es sich um ein Hardcover Buch handelt.

„Der Mann, der Luft zum Frühstück aß“ erscheint äußerlich so, als ob man es schnell zwischendurch Lesen könnte. Doch hier steckt einfach mehr unter der Oberfläche als es auf den ersten Blick den Anschein hat.

Veröffentlicht am 06.02.2017

Der etwas andere Road-Trip

Weit weg ist anders
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Die 70jährige resolute Berlinerin Edith Scholz lernt bei ihrem Aufenthalt in der Rehaklinik, den sie einem Sturz und einer darauffolgenden Hüft-Op verdankt, die weichherzige und rührselige Christel ...

Die 70jährige resolute Berlinerin Edith Scholz lernt bei ihrem Aufenthalt in der Rehaklinik, den sie einem Sturz und einer darauffolgenden Hüft-Op verdankt, die weichherzige und rührselige Christel Jacobi kennen. Bereits das Kennenlernen der zwei reiferen Damen ist etwas holprig und so unbedingt sympathisch finden sie sich auch nicht.
Genervt von den Bauarbeiten in ihrem Haus, beschließt Edith Scholz die Einladung von Christel anzunehmen, sie zu besuchen, wohl wissend, dass da wahrscheinlich ein Hintergedanke von Christel dahintersteckt.
Christel Jacobi hat sich nämlich in den Kopf gesetzt noch eine kleine Reise zu unternehmen, weiß aber, dass ihre Tochter nie zustimmen würde, wenn sie dies alleine tun würde. Daher überredet sie Edith Scholz sie zu begleiten. Und dies ist der Beginn einer turbulenten Reise durch Deutschland.

Der Grundgedanke, ein Roadtrip zweier reiferer Damen, ist mal etwas anderes. Das hierbei dann auch Themen wie Älterwerden, Krankheit, Tod, Familie und Alleinsein angesprochen werden liegt durchaus auf der Hand. Ich denke, dies erwartet man sich auch eher, als einen locker-flockigen Roman.
Die beiden Protagonistinnen könnten unterschiedlicher nicht sein und ergänzen sich daher besonders gut. Auf der einen Seite die resche, resolute und manchmal auch kratzbürstige Edith Scholz steht der weichherzigen, weinerlichen und sanftmütigen Christel Jacobi gegenüber. Wobei im Laufe der Geschichte die klare Trennung der Haupteigenschaften der Hauptpersonen ein wenig verschwimmt. Man merkt bei beiden Damen eine Entwicklung, leider kommt dies ein wenig zu kurz.

Der Stil von Sarah Schmidt hat mir gut gefallen und ich habe das Buch innerhalb von einem Tag gelesen. Dies liegt einerseits sicher daran, dass es mit 261 Seiten nicht unbedingt zu den dicksten Büchern gehört, andererseits aber auch an der interessanten Geschichte.

Leider bleibt am Ende der Lektüre ein kleiner,fader Nachgeschmack über. Denn ich denke, aus der Geschichte hätte man deutlich mehr rausholen können. Man erfährt zwar einige Hintergrundinformationen über die Protagonistinnen, aber irgendwie kratzt Sarah Schmidt nur an der Oberfläche. Die eine oder andere Handlungsweise der Damen würde in meinen Augen verständlicher werden, wenn mehr Informationen zur Vergangenheit vorhanden wären. Doch nicht nur die Hauptpersonen wirken ein wenig unfertig, auch die ganze Geschichte an sich hätte man ein wenig ausbauen können. Viele Erlebnisse kommen Schlag auf Schlag, viele Themen, wie zum Beispiel das selbstbestimmte Altern, werden kurz angesprochen, aber dann nicht weiter ausgeführt. Letzteres kann natürlich auch die volle Absicht der Autorin gewesen sein um den Leser zum Nachdenken anzuregen. Bei mir hat es auf jeden Fall funktioniert.

Zusammenfassend muss ich leider sagen, dass ich mir nach der Lektüre der Leseprobe ein wenig mehr von „Weit weg ist anders“ erwartet habe. Dies bedeutet aber nicht, dass mich das Buch nicht berührt hat. Ganz im Gegenteil, ich wurde durch ein Wechselbad der Gefühle geschickt; lachen, weinen, staunen, nachdenken und wundern. Hier war von allem ein wenig dabei.
Wenn man mit nicht zu großen Erwartungen an das Buch herangeht, sind einem hier definitiv einige schöne Lese-Stunden garantiert.