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Rico

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2016

guter Versuch!

Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens
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Wer zum Teufel ist in diesem Roman eigentlich die Hauptfigur und worum geht es hier eigentlich? Das habe ich mich über weite Strecken der Geschichte gefragt. Gut, irgendwann hatte ich dann begriffen, dass ...

Wer zum Teufel ist in diesem Roman eigentlich die Hauptfigur und worum geht es hier eigentlich? Das habe ich mich über weite Strecken der Geschichte gefragt. Gut, irgendwann hatte ich dann begriffen, dass es es Eva Thorwald ist, die im Mittelpunkt der Ereignisse steht. Sie, die ihren Vater früh verloren hat und überhaupt ziemlich alleine dasteht, hat den absoluten Geschmackssinn. Eine Eigenschaft, auf die amerikanische Landeier pfeifen, deren Verpflegungswünsche sich im Verzehr von T-Bone Steaks und Hot Dogs erschöpfen. Eva ist unter diesen Leute eindeutig im falschen Film, ein Schicksal das mich beim Lesen dieses Buches ebenfalls traf.

Denn der Autor vermeidet es aus mir unerfindlichen Gründen Eva eine Erzählperspektive zu zubilligen, in die ansonsten jeder Hinz und Kunz aus ihrer direkten Umgebung schlüpfen darf. So wird die eigentliche Protagonisten lediglich umkreist statt zur Sache zu kommen, was sich phasenweise mühselig liest. Über weite Strecken des Buches hat mich das Geschehen deshalb nicht packen können und die Protagonistin gerät, wie die Essensschiene zu reiner Staffage durch die eigenwillige Vorgehensweise des Autors. Mag sein, dass dieses Buch einen künstlerischen Meistergriff darstellt, den nur Kunstkritiker richtig zu schätzen wissen. Packend sieht jedenfalls anders aus.

Dabei beginnt der Roman ganz formidabel. Keine Frage, J. Ryan Stradal kann sehr gut schreiben und Stimmungen erzeugen. In seinen besten Momenten fühlte ich mich an T.C. Boyle erinnert, der die Amerikaner ebenfalls ungeheuer genau skizzieren kann und einen ähnlichen ironischen Unterton benutzt. In diesen Augenblicken ist das Buch angenehm krude, witzig und weise, vor allem, was Evas Mutter angeht, war ich über den Realitätsgehalt und die moderne Kraft dieser Frauenfigur sehr angetan. Sprachlich ist der Roman wirklich unterhaltsam und überdurchschnittlich gut gelungen, gegen Ende wird er sogar wieder klug, indem er die Geschichte auf die plausibelste und damit überraschendste Weise ausklingen lässt. Doch was bleibt von dem Buch bei mir hängen? Vielleicht der Leser eines experimentellen Textes gewesen zu sein, der sicherlich durchaus Freunde finden wird. Einfach weil das Teil definitiv gehaltvoll ist. Insgesamt bleibe ich allerdings besagten Gründen etwas enttäuscht zurück.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Nicht überzeugend

Voran, voran, immer weiter voran
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Ryan Bartelmay beamt uns zurück in die fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, mitten ins aufblühende Amerika, der Nachkriegsjahre. Man kann nicht sagen, dass die Heirat mit seiner High-School-Liebe ...

Ryan Bartelmay beamt uns zurück in die fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, mitten ins aufblühende Amerika, der Nachkriegsjahre. Man kann nicht sagen, dass die Heirat mit seiner High-School-Liebe Diane das Landei Chic Waldbeeser besonders glücklich macht. Schon die Hochzeitsreise gerät zu einer veritablen Pleite. Immerhin wird der junge Konservenprüfer dank der Ehe zu einem passionierten Onanierer. Sein Bruder Buddy glaubt gar Chic hätte seine indische Frau bestiegen, was eine Kettenreaktion aus misslichen Ereignissen auslöst, derer Chic nie mehr so richtig Herr wird. Seine letzte Chance seinem Rentnerleben noch einmal eine Wendung zum Guten zu geben scheint ihm eng mit Mary verbunden, einer nicht mehr ganz taufrischen ehemaligen Billardspielerin, die das Leben von allen Seiten kennengelernt hat. Außer den richtigen Mann zu treffen.

Das Buch ist wahrlich unkonventionell, mit skurril anmutenden Menschen, richtig schräg, was die Handlung angeht. Genau wonach ich suche. Zu Chic Waldbeeser, dessen Vorfahren aus Deutschland ausgewandert sind, fallen mir Eigenschaften, wie Sturheit, ein gerüttelt Maß an Dummheit, Durchhaltevermögen und Naivität ein, vielleicht hat der Kerl auch eine autistische Ade, keine Ahnung welche Persönlichkeitsstruktur sich da bei ihm eingenistet hat. Chic ist auf jeden Fall ziemlich abgedreht. Das Handlungsgerüst für den Roman wurde locker zusammengezimmert, munter springt der Autor durch die Jahrzehnte, am Ende klappt diese krude Geschichte leider restlos zusammen. Bis dahin haben sich durchaus komische Passagen mit Sinnbefreiten abgewechselt. Es passiert tragisches, die Lebenswirklichkeit dahinsiechender wird ebenso gezeigt, wie die Aufbruchsstimmung einer Inderin. Allerdings fehlt es auch an vielem. Geschichtliche Ereignisse werden am Rande abgehandelt, bilden aber eine interessante Kulisse für einen traumwandlerisch sicheren Schreibstil. Da will jemand an große literarische Vorbilder anknüpfen. Mir ist da aufgrund des leicht absurden Ambientes John Irving und ja- Jeffrey Eugenides in den Sinn gekommen. Aber deren Klasse verfehlt der Autor bei weitem. Dafür bietet das Ganze zu wenig Projektionsfläche, zu wenig geschichtliche Einbettung, wirklich glaubhafte Figuren und Handlungsweisen, die einem unter die Haut gehen und im Gedächtnis bleiben. Dieses Buch kann man lesen, muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Azorenhoch

Azorenhoch
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Ausgerechnet bei Ihrer Arbeit als Trauerrednerin lernt Lena einen Mann kennen, der sie mit seiner Libido förmlich überrollt. Marco Müller ist Sohn, eines eben zu Grabe getragenen Alkoholikers und hat eigentlich ...

Ausgerechnet bei Ihrer Arbeit als Trauerrednerin lernt Lena einen Mann kennen, der sie mit seiner Libido förmlich überrollt. Marco Müller ist Sohn, eines eben zu Grabe getragenen Alkoholikers und hat eigentlich besseres zu tun, als sich Lena zu angeln. Denn auf der Azoreninsel Sao Miguel wartet ein zu restaurierendes Dorf auf seinen Eigentümer. Schon bald können keine Warnungen der lieben Freundinnen und Eltern von der Reise auf das portugiesische Eiland abhalten. Lena ist bereit für Marco ihr altes Leben über Bord zu werfen und landet in seinen Armen. Leider scheint es einigen Leuten gar nicht zu gefallen, was der deutsche Mann auf der Insel so treibt. Eifersüchteleien und seltsame Anschläge sind die Folge.

Inhalt:
Das ist nun mein zweiter Roman von Bettina Haskamp. Mir gefällt die ungemein flotte Erzählweise. Sie schafft es ohne großen Aufwand das portugiesische Inselleben zum Leben zum erwecken und eine sympathische Protagonistin zu zeichnen. Schmunzeln ist angesagt und ein Hauch von Spannung vertreibt die Langeweile. „Azorenhoch“ ist sicher kein Überfliegerbuch, aber nette Unterhaltung. Die Schwächen liegen bei der ziemlich zusammengeschusterten Geschichte und dem Ende, dass ich schon recht früh kommen gesehen habe. Auch wird was die Einheimischen angeht etwas arg in die Klischeekiste und ein Gut-Böse Schema gegriffen. Dennoch habe ich das Buch gerne gelesen. Bettina Haskamp schreibt was Leichtes für Zwischendurch! Und das macht sie gut.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Veilchens Feuer

Veilchens Feuer
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Valerie „Veilchen“ Mauser ist Polizistin von Beruf und befindet sich gerade mit ihrem Kollegen Stolwerk auf einem nerv tötenden Selbstfindungsseminar, von dem sie durch einen Anruf des LKA Leiters erlöst ...

Valerie „Veilchen“ Mauser ist Polizistin von Beruf und befindet sich gerade mit ihrem Kollegen Stolwerk auf einem nerv tötenden Selbstfindungsseminar, von dem sie durch einen Anruf des LKA Leiters erlöst werden. Niemand geringeres, als der Österreich bekannte Rockstar Wolf Rock befindet sich in Innsbruck, um ein Konzert zugeben. Blöd nur, dass der Star bedroht wird und sich ein Shitstorm im Internet verbreitet, der nichts geringeres, als Wolfs Ableben zum Ziel hat. Einziger Anhaltspunkt ist ein Hinweis, der in die siebziger Jahre führt. Ein Jahrzehnt, das aus Wolf Rocks Hirn dank verschiedenster Drogenerfahrungen von der Gehirnfestplatte des Rockstars gelöscht wurde. Ein ganzes Jahrzehnt einfach so weg. Valerie, weiß nicht recht ob sie der Aussage Glauben schenken kann. Aber wozu ist sie mit dem Spürsinn eines Lawinenhundes ausgestattet? Na klar, um die Wahrheit herauszufinden.

Nein, Joel Fischer ist kein Wolf Haas und sein Veilchen kommt auch nicht an die Skurrilität eines Kottan heran. Und dennoch ist eben dieses „Veilchen“ die stärkste Waffe, um die Gunst seiner Leser. Man spürt vom Fleck weg Bindung zu der eigenwilligen Protagonistin, die keinen Konflikt scheut, außer dem Kampf mit der Herdplatte. Wolf Rock hat seine besten Tage hinter sich und schaut seinem möglichen Ableben durch ein angedrohtes Attentat mit der Bierruhe eines Siegers ins Gesicht, als käme ihm der Tod ihm durchaus gelegen. Der Mann hat alles gehabt, Drogen, Frauen, schnelle Autos und edle Weine, nicht einmal der eigene Gesang kann diesen Mann noch erschrecken. Eigentlich singt er auch schon gar nicht mehr selbst und bewegt nur noch seine Lippen am Mikrofon. Inhaltlich bietet der Roman wenig innovatives, dafür aber solides Handwerk, dass einem jede Bahnfahrt Überbrückt. Wenn man dann noch den flüssigen Schreibstil dazu zählt und das überraschende Ende in Augenschein nimmt kann ich als Leser einfach nur zufrieden sein. Doch so wirklich begeistern konnte mich der Roman nicht, dazu ist mir die Ausführung zu konventionell und das Geschehen lässt sich jeden Sonntagabend in einer Tatort Folge bestaunen. Gutes Handwerk, mehr nicht, weniger aber auch nicht!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Paradies

Ein anderes Paradies
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Die angehende Künstlerin und mittellose Charlotte begegnet im Internat St. Anne der wohlhabenden Julia Buchanan. Durch einen Zufall werden die beiden ziemlich verschiedenen jungen Frauen so etwas wie beste ...

Die angehende Künstlerin und mittellose Charlotte begegnet im Internat St. Anne der wohlhabenden Julia Buchanan. Durch einen Zufall werden die beiden ziemlich verschiedenen jungen Frauen so etwas wie beste Freundinnen. Julias Familie gehört zur amerikanischen Oberschicht, die Männer dieses edlen Clans streben nach Senatorenposten und dem Präsidentenamt. Die Frauen suchen auf Cocktailpartys Abwechslung von ihrem harten Millionärsalltag oder finden beim Segeln Sinnstiftung. Charlotte schafft es mit Charme und Offenheit in diesen illustren Kreis aufgenommen zu werden. Doch es gibt noch einen weiteren Grund, warum die Familie großes Interesse an der begabten Charlotte zeigt. Denn Julia Buchanan hat gerade ihre Schwester durch einen Autounfall verloren und braucht eine Schulter, die sie stützt. Charlotte rutscht in diese Rolle, wie Aschenputtel in den Schuh und verliebt sich sogleich in Sebastian Buchanan.

Chelsey Philpot schildert die Ereignisse aus Charlottes Sicht. Der Beginn des Buches ist hervorragend erzählt, ganz in amerikanischer Erzähltradition, flüssig zu lesen und emotional packend, immer zwischen Handlung und Gefühlen pendelnd. Die Situation im Internat, die beginnende Freundschaft zu Julia, der Sprung in eine völlig neue Welt für Charlotte, die sich bis dahin ganz ihren familiären Sorgen und künstlerischen Interessen gewidmet hat, kommt gut rüber. Julia Buchanan führt sie in eine neue Welt ein, die Charlotte fasziniert, was durchaus glaubhaft, aber auch etwas oberflächlich rüber kommt. Mit zunehmender Dauer treten ohnehin immer mehr die Schwächen des Romans zutage. Die anfangs so großartig angekündigten Buchanan Charaktere bleiben für mich reine Behauptung. Da fehlt es an Figurentiefe und lange Zeit auch an dramatischen Höhepunkten, die sich dann doch noch auf den letzten fünfzig Seiten zielsicher aneinanderreihen und die Geschichte spektakulär auflösen. Unnötig fand ich übrigens das kokettieren der Autorin mit dem Romanklassiker „Der große Gatsby.“ Zu sehr geht „Ein anders Paradies“ im Wohlfühlpark harmoniesüchtiger Frauenliteratur spazieren, dass dieser Vergleich angemessen wäre. Überhaupt geht mir Chelsey Philpot ein wenig zu lax mit ihrer Geschichte um. Da wäre noch mehr drin gewesen. Denn Charlotte ist gerade dabei eine sehr selbstbewusste und kluge Frau zu werden. Ihre interessante Persönlichkeit hätte einen stärkeren Widerpart oder sonstige Widerstände gut vertragen. Besonders positiv sind mir der leicht spröde Erzählton und das lebhafte Internatsleben aufgefallen. Alles in allem ist so ein modernes Märchen entstanden, das Liebe und Tragik auf berührende Weise verbindet. Ein gutes Buch mit leichten Schwächen!