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Veröffentlicht am 24.10.2023

Amüsante Zeitreise mit abruptem Ende

#London Whisper – Teil 1: Als Zofe ist man selten online
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Nach einer Mitternachtsparty während ihres Austauschjahres in London findet die 15-jährige Zoe sich plötzlich im Jahr 1816 als Zofe der jungen Lucy Arlington wieder. Sie hält dies zunächst für einen besonderen ...

Nach einer Mitternachtsparty während ihres Austauschjahres in London findet die 15-jährige Zoe sich plötzlich im Jahr 1816 als Zofe der jungen Lucy Arlington wieder. Sie hält dies zunächst für einen besonderen Traum und geht ganz in ihrer neuen Rolle auf, doch dann stellt sie fest, dass es weitere Zeitreisende wie zum Beispiel den jungen Lord Hayden Falcon-Smith gibt und dass ihnen Gefahr droht.

Zunächst einmal ist festzustellen, dass Zoe unrealistisch gut in der Vergangenheit zurecht kommt und erstaunlich wenig aneckt. Dass man ein paar Romane über eine Epoche gelesen hat, heißt ja eigentlich nicht, dass man sich problemlos in ihr bewegen kann.
Aber gut, der Fokus der Geschichte soll offensichtlich auf der Aufklärung des Zeitreise-Rätsels und auf Zoes Beziehung zu Lucy und anderen Charakteren liegen. Das geschieht auf unterhaltsame Weise, die Figuren werden anschaulich, wenn auch häufig überspitzt gezeichnet, und es ist einiges los, so dass es nicht langweilig wird. Es wird aus Zoes Sicht erzählt, daher entspricht der Stil ihrem lebenslustigen, meist eher sorglosen Naturell.

Ich hatte meinen Spaß mit dieser Geschichte und fühlte mich mehr als einmal deutlich an die Edelstein-Trilogie erinnert. Zoe ist eine sympathische Protagonistin und ihre Beziehung zu Lucy und deren Freundinnen zwar entschieden zu modern, aber trotzdem liebenswert. Die Entwicklung der Verbindung zu Hayden ist vorhersehbar, was jedoch den Weg dorthin nicht weniger unterhaltsam macht.

Heftig irritiert hat mich allerdings das abrupte Ende. Ich habe kein Problem damit, wenn Geschichten von Anfang an so konzipiert sind, dass sie über mehrere Bücher reichen. Üblicherweise gibt es dann aber entweder einen Cliffhanger (was ich auch nicht besonders mag, aber nachvollziehen kann) oder die Erzählung kommt zu einem vorläufigen Abschluss. Hier endet sie mitten in der Handlung, so als sei die zulässige Zeichen- oder Wortanzahl erreicht gewesen. Nun sind die Folgebände glücklicherweise bereits erschienen, so dass ich zeitnah erfahren kann, wie es weitergeht. Wäre das nicht der Fall, hätte mich dieses merkwürdige Ende wohl sehr geärgert.

Dagmar Bittner hat eine angenehme Stimme und macht ihren Job sowohl bei der Betonung als auch der Interpretation der Figuren hervorragend. Außerdem weiß ich dank ihr jetzt, wie man „Empire-Kleid“ richtig ausspricht.

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Veröffentlicht am 20.10.2023

Von ungehorsamen Töchtern, Lotsen und anderen Menschen

Die ungehorsame Tochter
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März 1769: Die Lotsentochter Anna wird tot aus der Elbe gezogen. Sofort brodelt die Gerüchteküche, gehören ihr Vater und der Mann, mit dem sie sich (nicht ganz so) heimlich traf, doch unterschiedlichen ...

März 1769: Die Lotsentochter Anna wird tot aus der Elbe gezogen. Sofort brodelt die Gerüchteküche, gehören ihr Vater und der Mann, mit dem sie sich (nicht ganz so) heimlich traf, doch unterschiedlichen Seiten der zerstrittenen Lotsen an.
Trotz ihrer Bemühungen sich von der Sache fernzuhalten, wird auch die Komödiantin Rosina wieder in die Ermittlungen hineingezogen.

Wie üblich verbindet Petra Oelker die Erzählung ihrer Geschichte mit Hintergrundinfos zu den verschiedenen Berufsständen, diesmal werden vor allem die Lotsen näher betrachtet. Außerdem entwickelt sich die Geschichte der Kaufmannsfamilie Herrmanns weiter, und Rosinas Vergangenheit wird näher beleuchtet. Das führt dazu, dass in vergleichsweise kurzer Zeit eine Menge bekannte und unbekannte Namen sowie verschiedene Handlungsstränge auftauchen, die zunächst nicht unbedingt etwas miteinander oder mit dem Kriminalfall zu tun zu haben scheinen. Das Erzähltempo ist dabei sehr gemächlich, so dass sich die Handlung leider in weiten Teilen sehr zieht und es für mich nicht leicht war dranzubleiben. Erst etwa im letzten Drittel nimmt die Geschichte endlich Fahrt auf, und die Daseinsberechtigung der einzelnen Handlungsstränge wird klarer – stellenweise gibt es doch Verbindungen, zum Teil dienen sie aber wohl auch schon der Vorbereitung der nächsten Bände. Deshalb bleibt auch manches offen, die Lösung des Kriminalfalls ist aber in sich abgeschlossen.

Die Figuren werden weiter entwickelt, vor allem bei Rosina, aber auch bei anderen Mitgliedern der Komödiantengesellschaft, kommen neue Facetten hinzu. Claes Herrmanns empfand ich diesmal als eher anstrengend.

Interessant finde ich die Titelwahl, die Interpretationsspielraum bietet, denn in gewisser Weise kommen mehrere ungehorsame Töchter vor.

Insgesamt wieder ein solider historischer Krimi, für mich aber der bisher schwächste Band der Reihe.

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Veröffentlicht am 18.10.2023

Die Geschichte eines Rennpferdes und doch so viel mehr

Das Gemälde
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1850 wird in Kentucky ein Hengstfohlen geboren, aus dem eines der bedeutendsten Rennpferde aller Zeiten werden wird. Der versklavte Junge Jarrett, der bei der Geburt anwesend ist, wird dieses Pferd sein ...

1850 wird in Kentucky ein Hengstfohlen geboren, aus dem eines der bedeutendsten Rennpferde aller Zeiten werden wird. Der versklavte Junge Jarrett, der bei der Geburt anwesend ist, wird dieses Pferd sein ganzes Leben lang begleiten und Höhen und Tiefen mit ihm erleben. Mehrfach kreuzt sich der Weg der beiden mit dem des Malers Thomas J. Scott, der das Pferd wiederholt auf die Leinwand bringt.

Eines dieser Bilder wird 1954 der Kunsthändlerin Martha Jackson zum Kauf angeboten.

In 2019 schließlich trifft der Kunsthistoriker Theo zufällig auf eines der Gemälde und die Wissenschaftlerin Jess ähnlich zufällig auf das Skelett des Pferdes.

In diesem zeitlichen Gerüst webt die Autorin eine Geschichte, welche die des Rennpferdes ist und doch deutlich darüber hinausgeht. Es geht um Pferderennen, aber auch um Sklaverei, den Amerikanischen Bürgerkrieg und Rassismus in der heutigen Zeit. Geraldine Brooks hat bekannte Fakten genommen und diese gekonnt durch Fiktion ergänzt. In einem ausführlichen Nachwort mit Personenverzeichnis kann man bei Interesse erfahren, welche Elemente in welchen Bereich gehören.

Trotz der Vielzahl an Personen, über die sie erzählt, gelingt es der Autorin, diese zum Leben zu erwecken und herauszuarbeiten, was sie antreibt oder zurückhält. Dabei werden diverse Themen berührt, die zum Teil nicht unbedingt „massentauglich“ sind, aber ganz gleich, ob es um den Pferderennsport, die Kunst oder das Präparieren von Knochen ging, ich hatte immer das Gefühl, dass der Text nach gründlicher Recherche entstanden ist, ohne dass ich als Leserin ohne entsprechende Vorkenntnisse durch die Informationen erschlagen worden wäre.

Die Zeitsprünge werden gezielt eingesetzt und ergänzen sich, um die Geschichte nach und nach zu entfalten. Innerhalb der einzelnen Zeitebenen geschehen die Dinge weitgehend chronologisch, so dass der Wechsel zwischen den Jahrhunderten ohne große Verwirrung möglich ist.

Ich habe diesen nicht ganz dünnen Roman innerhalb einer knappen Woche gelesen, habe dazu gelernt, mich berühren und schockieren lassen und kann eine klare Leseempfehlung aussprechen für alle mit Interesse an Pferden, Geschichte, Politik oder schlicht und einfach guter Erzählkunst.

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Veröffentlicht am 06.10.2023

Anders als Titel und Klappentext vermuten lassen

Die Frauen vom Reichstag: Stimmen der Freiheit
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Februar 1919: Zum allerersten Mal gehören dem neu gewählten Parlament auch Frauen an. Dies ist der Grund, weshalb Dr. Marlene von Runstedt und Sonja Grawitz nach langer Zeit wieder aufeinandertreffen. ...

Februar 1919: Zum allerersten Mal gehören dem neu gewählten Parlament auch Frauen an. Dies ist der Grund, weshalb Dr. Marlene von Runstedt und Sonja Grawitz nach langer Zeit wieder aufeinandertreffen. Einst waren sie Freundinnen, doch die Begegnung mit Justus von Oswald hat sie zu Rivalinnen gemacht. Die Ereignisse, welche die beiden Frauen an diesen Punkt gebracht haben, werden in diesem Roman erzählt.

Das Cover ist eine Variation der seit längerem häufig verwendeten Frauenfigur vor Gebäuden. Die Wahl fiel hier passenderweise auf das Brandenburger Tor und seine Nebengebäude, auch die abgebildete Frau scheint mir nicht unpassend, wenn auch vielleicht etwas zu modern gekleidet. Tatsächlich war es das Coverbild in Verbindung mit dem Titel „Die Frauen vom Reichstag“, das mich zu diesem Buch greifen ließ.

Die Aufmachung und auch der Klappentext haben mich erwarten lassen, dass die Geschichte überwiegend in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg spielt, sich vorrangig um das neue Parlament dreht und die fiktive Erzählung sich vor diesem Hintergrund entfaltet und dazu dient, mir als Leserin die ersten Frauen im Parlament näher zu bringen.

Tatsächlich findet der Großteil der Handlung jedoch im Zeitraum vorher statt. In diversen Rückblenden wird der Werdegang der Protagonistinnen erzählt. Dabei werden zwar immer wieder historische Ereignisse eingeflochten, den größten Raum nehmen aber doch die persönlichen Geschichten ein. Das ist zwar durchaus unterhaltsam, der Schreibstil der Autorin angenehm, aber die Charaktere bleiben doch seltsam blass. Auf Marlenes Beweggründe wird noch so weit eingegangen, dass ihr Handeln in weiten Teilen nachvollziehbar ist, auch Sonja ist eine zwar nicht sehr sympathische, aber in sich doch recht schlüssige Figur. Das Verhalten der männlichen Protagonisten hat mich jedoch häufiger ratlos den Kopf schütteln lassen.

Auch meine Erwartung, durch dieses Buch auf unterhaltsame Weise etwas über die ersten deutschen Parlamentarierinnen zu lernen, hat sich leider nicht erfüllt. Selbst die historischen Abläufe hat mir der Roman nicht wirklich näher gebracht, was vor allem daran lag, dass die Geschichte nicht chronologisch erzählt, sondern munter zwischen den Jahren hin und her gesprungen wird.

Insgesamt wirkt es auf mich, als habe die Autorin einerseits einen geschichtlichen Roman schreiben, andererseits aber auch die fiktive Dreiecksgeschichte erzählen wollen (die wie ich durch die Inhaltsbeschreibungen der nachfolgenden Bände weiß, auch diese vorbereitet) und sich irgendwo dazwischen verloren.

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