Brutal, spannend, manchmal etwas übertrieben und konstruiert, aber insgesamt fesselnd und aufregend. Aber sicher nicht für jede*n geeignet.
Der HeimwegJules übernimmt ausnahmsweise eine Schicht am Begleittelefon für einen guten Freund. Er soll Menschen (überwiegend Frauen), die auf ihrem Heimweg Angst kriegen, am Telefon begleiten, damit sie sich nicht ...
Jules übernimmt ausnahmsweise eine Schicht am Begleittelefon für einen guten Freund. Er soll Menschen (überwiegend Frauen), die auf ihrem Heimweg Angst kriegen, am Telefon begleiten, damit sie sich nicht alleine fühlen. An der Leitung ist Klara, die glaubt von einem Mann verfolgt zu werden, der sie töten will. Sie ist sich sicher, denn vor einigen Wochen hat dieser ihr ihr Todesdatum genannt, welches in wenigen Stunden beginnt.
Das hat der Autor geschickt gemacht. Auf den ersten Seiten wusste ich absolut nicht, was los ist, worum es geht, aber er hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Ich wollte immer weiterlesen, konnte das Buch nicht aus der Hand legen. Keine Ahnung, wie er das gemacht hat :D
Die Schilderungen sind brutal und sicher nicht für jeden aushaltbar. Die Gewalt und Demütigung, mit der man hier konfrontiert wird, ist nicht leicht zu ertragen. Die Thematik der häuslichen Gewalt nimmt viel Raum ein, auf brutalste und unverblümteste Weise. Für mich nicht zu heftig, aber für andere vielleicht zu abgeklärt und bildhaft. Das sollte man sich vorher gut überlegen. Zumal ich mir auch nicht sicher bin, ob das für die Geschichte wirklich notwendig war, dass die Gewalt solche Ausmaße angenommen hat.
Klara wirkt abgeklärt, kann über die unaussprechlichen Dinge, die ihr widerfahren (sind), mit einiger emotionalen Distanz erzählen. Das macht die Schilderungen, glaube ich, auch so schwer auszuhalten… Es scheint, Klara hat mit ihrem Leben abgeschlossen und hat akzeptiert, dass Gewalt nunmal ein Teil ihres Lebens ist.
Da telefonieren zwei miteinander, die ungefähr am schlimmsten Punkt ihres Lebens stehen und erzählen einander ihre persönlichen Horrorgeschichten...
Man erfährt zwar viel über die Vergangenheit der Charaktere und über ihre Gefühlslagen, aber so wirklich lernen wir sie dann doch wieder nicht kennen. Die Geschichte legt den Fokus auf den Nervenkitzel und weniger auf die Figuren. So darf es bei einem Thriller aber ja auch sein.
Die Spannung ist auch in diesem Buch unbestreitbar hoch. Plot-Twists, kleine Cliffhanger am Ende der Kapitel, Schockmomente und immer neue Hinweise in die eine oder andere Richtung. Ist Klara paranoid, psychotisch, leidet an Wahnvorstellungen oder ist die Gefahr real? Was ist mit Jules? Wird er ebenfalls verfolgt oder ist auch er dem Wahn verfallen? Wir wissen es nicht und erfahren es auch erst ganz am Ende, wenn der Plot-Twist uns vollkommen aus der Bahn wirft (wobei ich die Auflösung als eine meiner Theorien schon für eine Möglichkeit gehalten habe, nur nicht in diesem Ausmaß :D). Es ist verwirrend und verworren und lädt zum Mitfiebern ein. Allerdings nimmt das Verworrene Ausmaße an, die einfach in Logiklücken und Unwahrscheinlichkeiten münden, dass ich jetzt richtige Schwierigkeiten habe, das Buch zu bewerten. Der Schreibstil ist toll und der Spannungsbogen hoch, nur sind die Auflösung und einige Twists so an den Haaren herbeigezogen und nicht ganz stimmig, dass sie konstruiert wirken.
Weil ich aber doch sehr gefesselt war von der Geschichte und mich wirklich gut unterhalten gefühlt habe, gebe ich 3,5 Sterne – unter Vorbehalt: Das Buch ist definitiv nicht für jede*n geeignet.