2032- nicht allzu weit entfernt
Sanctuary – Flucht in die FreiheitInhalt:
In diesem Jugendroman wird man von den Autorinnen Paola Mendoza und Abby Sher mit ins Jahr 2032 genommen. Die US Regierung hat eine Hetzjagd auf illegale Einwanderer gestartet. Man begleitet Vali ...
Inhalt:
In diesem Jugendroman wird man von den Autorinnen Paola Mendoza und Abby Sher mit ins Jahr 2032 genommen. Die US Regierung hat eine Hetzjagd auf illegale Einwanderer gestartet. Man begleitet Vali und ihre Mutter (beide illegale Einwanderer) sowie Valis jüngeren Bruder Ernesto (Ernie) auf der Flucht vor den Behörden.
Schreibstil:
Das Buch an sich lässt sich schnell und flüssig zu lesen. Komplex ist es leider nicht. Die Erzählweise ist angenehm und dürfte für die angegebene Altersklasse keine Probleme darstellen. Es gibt wenige Textpassagen auf Spanisch, was die Kommunikation innerhalb der Familie authentisch darstellt.
Die Autorinnen haben ihre Geschichte insofern raffiniert aufgebaut, als dass sie sich für ihr Konstrukt an Aspekten und Fakten zeitgenössischer Geschichte / Politik bedient haben. Ich fühlte mich beim Lesen abwechselnd in Trumps Politik, ins unterdrückte und kommunistische Nordkorea, aber auch in die NS-Zeit oder in die DDR zurückversetzt. Auch die Flüchtlingsströme aus Mittel- und Südamerika wurden eingearbeitet. Ein großes und immer noch aktuelles Thema.
Charaktere:
Die Menschen, denen wir während Valis und Ernies Flucht begegnen, sind sehr unterschiedlich und vielfältig ausgewählt. Von grausamen über loyalen bis hin zu verantwortungsvollen Charakterzügen ist alles dabei.
Zur Entwicklung der Charaktere kann ich als Beispiel angeben, dass Vali im Laufe des Buches definitiv über sich hinausgewachsen ist, was einerseits schön zu beobachten war, andererseits aber erschreckend ist, da sie kein Teenager mehr sein „durfte“.
Positive Kritik:
Diese Flüchtlingsgeschichte im eigenen Land ist allem voran sehr gesellschaftskritisch. Dass man diese Kritik hier von Anfang an gespürt hat, fand ich toll. Außerdem ist der Roman trotz des futuristischen Schauplatzes authentisch niedergeschrieben worden und er regt zum Nachdenken an.
Negative Kritik:
Aber ich habe auch einige Aspekte vermisst. Zum einen wäre da die rechtliche Lage und zum anderen hätte ich mir stellenweise mehr Tiefe gewünscht.
Zu Eins: Ich hatte wenige Male das Gefühl, als wäre es nicht immer vollends durchdacht und/oder zu Ende gedacht worden. Auch einige Erklärungen (insbesondere weil es ein Jugendbuch ist!!) zu den Gesetzen und der Verfassung (z. B. der 14. Zusatzartikel) haben mir gefehlt. Eine Leserin auf Lovelybooks hat mich auf ein Interview hingewiesen, in dem u.a. erklärt wird, dass die Autorinnen / Aktivistinnen das Buch unbedingt vor den US Wahlen (Stichwort: Trumps mögliche 2. Amtsperiode) auf den Markt bringen wollten, um gesellschaftskritisch aufzuzeigen, wohin manche Politik führen könnte. Das macht natürlich Sinn. Trotzdem ist es schade, hier hat der Roman sehr wahrscheinlich an Qualität eingebüßt.
Zum Thema Tiefe: Die Charaktere sind relativ zart gezeichnet, bei bestimmten Figuren hätte ich mir etwas mehr Tiefe gewünscht, oder auch aussagekräftigere, prägnantere Dialoge. Die meisten Figuren, die Vali auf ihrer Flucht kennenlernt, bleiben weitestgehend unbekannt. Die meine ich damit auch nicht, das finde ich sogar sehr realistisch, denn auf einer Flucht hat man mit sich und seinen Ängsten genug zu tun. Ich rede da eher von Vali und einen weiteren Flüchtling.
Über PTBS habe ich leider auch nichts gelesen. Traumata wurden kurz benannt, es gab keine Erläuterungen oder Überlegungen, die die jugendlichen Leser hinsichtlich PTBS aufklären und sensibilisieren. Auch sehr schade. Liegt vielleicht ebenfalls an dem zeitlich gebundenen Veröffentlichungstermin.
Empfehlung:
Ich denke, dass dieses Buch uneingeschränkt von Jugendlichen gelesen werden kann. Und es ist definitiv ein Thema, über das es sich in der Familie zu sprechen lohnt.
—> Zugegebenermaßen würde dieses Buch keine vier Sterne bekommen, wären wir im Bereich erwachsener Literatur, da ich meine Ansprüche (hinsichtlich der Komplexität) höher angesetzt hätte. Es oft authentisch, aber längst nicht immer, manchmal sogar ziemlich weit hergeholt... Aber für ein Jugendbuch ist das aus meiner Sicht vollkommen okay: Denn das Buch soll gesellschaftskritisch sensibilisieren und das wurde erfüllt.