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Veröffentlicht am 30.05.2021

Blauer Zaunkönig, rotes Telefon

Der Junge, der das Universum verschlang
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Ich gebe es zu, das traumhafte Cover mit dem kuriosen Satz "Dein Ende ist ein toter blauer Zaunkönig" hat mich zu dem Buch hingezogen. Dennoch habe ich mich während der ersten Hälfte mit der im Drogenmilieu ...

Ich gebe es zu, das traumhafte Cover mit dem kuriosen Satz "Dein Ende ist ein toter blauer Zaunkönig" hat mich zu dem Buch hingezogen. Dennoch habe ich mich während der ersten Hälfte mit der im Drogenmilieu angesiedelten Geschichte und seinen Protagonisten reichlich schwer getan. Die Geschichte um die traumatisierten Jungen Eli und Gus, deren Stiefvater und Mutter mit Heroin dealen, deren Vater schwerer Alhoholiker istund deren Babysitter sogar ein verurteilter Mörder, ist schließlich drastisch, tut weh und hat die widerlichen Momente, die eine solche Kindheit zwangsläufig mit sich bringt. Gus flüchtet sich in Schweigen, Eli in eine durch seine Fantasie und Wortgewandtheit befeuerte Welt, in der für die Lesenden letztendlich offen bleibt, wieviel real ist. Kann Gus zum Beispiel tatsächlich in die Zukunft sehen?

Seltsamerweise erwachte für mich das Buch erst wirklich zum Leben, als ich im Klappentext las, dass der Autor hier seine eigene Kindheit verarbeitet. Die Frage, welche der Ereignisse über Morde, Bandenkriege und die Liebe zu einer acht Jahre älteren Journalisten wohl tatsächlich geschehen sind, hat mich immer mehr beschäftigt, und Eli gewann für mich als alter ego von Trent Dalton endlich Konturen.

Natürlich hat mir das Buch diese Frage nicht beantworten. Dafür hat der Roman auf den letzten 100 Seiten aber unheimlich Fahrt aufgenommen. Reihte sich vorher eher eine tragische Kindheitserinnerung an die nächste, war es für mich fesselnd, Elis Weg zu seinem Traumberuf als Journalist zu verfolgen, der letztendlich darauf beruht, dass er Rache sucht an einigen Kriminellen, die seiner Familie großen Schaden zugefügt haben.

Leider hat mir aber das letzte Fünkchen Begeisterung beim Leseerlebnis gefehlt, um den Roman so hymnisch zu loben, wie es der Klappentext tut. Vor allem hat mich gestört, dass hier manche Kriminelle doch recht romantisiert dargestellt werden. Natürlich sind die meisten Menschen nicht durch und durch schlecht. Die Mischung aus Feinsinnigkeit, Verlässlichkeit und Loyalität einerseits und Brutalität andererseits, wie sie hier manche Protagonisten an den Tag legen, hat mich aber nicht überzeugt. Außerdem hätte ich mir eine stärkere Ausarbeitung von Elis Fantasiewelt gewünscht, die sich letztendlich auf einige wenige redundante Elemente beschränkte. Trotzdem hat der Roman zumindest in der zweitwen Hälfte bei mir einen gewissen Lesesog erzeugt, den ich mir nicht völlig erklären kann.


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Veröffentlicht am 26.05.2021

Auch wir sind Natur

Dancing with Bees
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In ihrem "Bienentanz" nimmt uns Birgit Strawbridge Howard mit auf ihre sehr persönlichen Reise zurück zur Natur. Anders als der Titel vermuten lässt, geht es dabei nicht ausschließlich um Bienen, sondern ...

In ihrem "Bienentanz" nimmt uns Birgit Strawbridge Howard mit auf ihre sehr persönlichen Reise zurück zur Natur. Anders als der Titel vermuten lässt, geht es dabei nicht ausschließlich um Bienen, sondern auch um deren Lebenräume, um andere Insekten, Vögel, Wildkräuter und wie eng alles mit einander verknüft ist. Dabei ist der Blick der Autorin zwar wissenschaftlich interessiert, aber doch der einer enthusiastischen Hobby-Naturforscherin.

Auch biografische Details, wie das Kennenlernen ihres zweiten Ehemannes, praktischerweise Gärtner von Beruf, lässt sie nebenbei immer wieder einfließen. Dabei war einzig das Sterben ihrer Mutter im Altersheim mir zu persönlich, weil es an traurige Erinnerungen rührte und ich es bei einem solchen Thema nicht erwartet hätte. Ansonsten hat mich das Buch aber eher in positive Stimmung versetzt, da der Text mit so witzigen Überschriften wie "The Boys are back in town (die Rückkehr der Männchen einer bestimmten Hummelart) wunderbar aufgelockert wird, ebenso wie durch schöne Zeichnungen. Hätte ich nur die Beschreibungen, um welche Insekten es sich jeweils handelt, am Ende des Buches eher entdeckt!

Auch insgesamt ist das großformatige Buch sehr schön gestaltet. Vor allem das lindgrüne Cover und das zart lilafarbene Lesebändchen kontrastieren wunderbar.
Eine schöne Lektüre für alle, für die es selbstverständlich ist, dass sie ein Teil der Natur sind und nicht außerhalb stehen.

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Veröffentlicht am 25.05.2021

Lost! And found?

Searching Lucy
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Dieser Jugendbuch-Thriller um die junge Amber entwickelt beinahe von der ersten Seite an ein beachtliches Suchtpotential. Nachdem nicht nur Ambers Vater, ein Gymnasiallehrer, sondern auch ihre Zwillingsschwester ...

Dieser Jugendbuch-Thriller um die junge Amber entwickelt beinahe von der ersten Seite an ein beachtliches Suchtpotential. Nachdem nicht nur Ambers Vater, ein Gymnasiallehrer, sondern auch ihre Zwillingsschwester Lucy innerhalb kurzer Zeit scheinbar spurlos verschwunden sind, will nur Lucy nicht wahrhaben, dass sich alles noch einmal zum Besseren wenden könnte. Ihre Mutter versinkt in Alkohol und bürdet ihr die Sorge um den kleinen Bruder Tom auf. Anstatt zur Schule zu gehen, verlegt sich Amber bei der Suche nach Lucy auf das Ausspähen von Mitschülern, Lehrern und Nachbarn und schreckt dabei auch vor Einbrüchen nicht zurück.

Die düstere, zunehmend paranoide Atmospäre hat mir ausnehmend gut gefallen. Wem kann Amber überhaupt trauen, ihrem Ex Taylor oder dem geheimnisvollen, attraktiven neuen Mitschüler Jamie? Beinahe jeder hat etwas zu verbergen. Dabei spart die Autorin auch erschütternde Thematiken keinesfalls aus, sondern benutzt sie als Gestaltungselement, was dem Buch trotz der manchmal etwas rotzigen Jugendsprache von Ich-Erzählerin Amber mehr angenehme Tiefe verleiht. Mit Ambers Modeausdrücken wie häufig eingestreutem "really" und "come on" habe ich mich zunächst etwas schwerer getan, weil sie für mich einfach Nervpotential besitzen. Aber zu Amber passt es und die eigentliche Alterszielgruppe wird sich sicher darin wiederfinden.

Überhaupt war es für mich bemerkenswert, dass mir Amber nur teilweise sympathisch war, mich die Handlung aber trotzdem enorm gefesselt hat. Ich war froh, dass ich den Thriller im Urlaub ziemlich zügig lesen konnte, da ich der Auflösung wirklich entgegengefiebert habe.

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Veröffentlicht am 23.05.2021

Nachtschatten

Blütenschatten
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Schon lange hat mich kein Buch mehr noch nach seinem überraschenden Ende so atemlos zurückgelassen.

Dabei beginnt es zunächst eher unspektakulär. Die Malerin Eve, Anfang 60, läuft durch die nächtlichen ...

Schon lange hat mich kein Buch mehr noch nach seinem überraschenden Ende so atemlos zurückgelassen.

Dabei beginnt es zunächst eher unspektakulär. Die Malerin Eve, Anfang 60, läuft durch die nächtlichen Straßen Londons. Durchs Fenster beobachtet sie ihren Ehemann und dessen Geliebte. Nach und nach erfahren die Leser, dass Eve die Trennung herbeigeführt hat und auf dem Weg in ihr Atelier zu ihrem sehr viel jüngeren Geliebten Luca ist. Allmählich entfaltet sich aus Eves Sicht das Panorama ihres Lebens, ihre Jugend als junge Wilde und Muse eines egozentrischen Künstlers, ihre Ehe mit dem Statarchitekten Kristof, die schwierigen Beziehungen zu ihrer Tochter und die Rivalitäten mit anderen Künstlerinnen.

Als die Schilderung bei der Begegnung mit Luca angekommen ist, hat die Erzählung für mich Fahrt aufgenommen. Die nahezu kaltherzige Eve, die nur für ihre Kunst, ungewöhnliche Darstellungen der Pflanzenwelt, zu leben scheint, verfällt ihm, den sie selbst den "Jungen" nennt immer mehr. Doch wem kann der Leser hier trauen? Luca, dessen Motive mindestens verdächtig erscheinen? Und Eve selbst, deren Ansichten bisweilen durchaus zu schockieren wissen?

Die virtuose Autorin hat ihr Buch beinahe ausschließlich mit Antiheldinnen und -helden besetzt. Dennoch fand sich kein Protagonist, der mich kaltließ. Auch mit der eigentlich durch und durch unsympathischen Eve habe ich mitgelitten. Wirklich eine literarische Leistung, der ich aus vollem Herzen meine Hochachtung ausspreche. Der wundervoll anspruchvolle, scharfsinnige Stil hat ein Übriges getan, mich umgehend nach weiteren Büchern von Annalena McAffee Ausschau halten zu lassen. Das letzte Drittel des Buches hat mich durch seine raffinierte Konstruktion förmlich verschlungen wie die fleischfressenden Pflanzen, die Eve in ihrer Jugend gezeichnet hat und das Ende war mindestens so schön und giftig wie der Nachtschatten, der in Eves späten Werken eine wichtige Rolle spielt.



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Veröffentlicht am 16.05.2021

Cat und Pug

Lady Churchill
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Schon lange wollte ich mehr über den berühmten britischen Premierminister Churchill als Menschen erfahren. Dass hier seine Frau Clementine als Ich-Erzählerin das gemeinsame Leben schildert, fand ich eine ...

Schon lange wollte ich mehr über den berühmten britischen Premierminister Churchill als Menschen erfahren. Dass hier seine Frau Clementine als Ich-Erzählerin das gemeinsame Leben schildert, fand ich eine besondere Herangehensweise.

Tatsächlich habe ich eine ganze Menge über die beiden erfahren, auch wenn das Buch leider kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bereits endet. Obwohl die Geschichte über 440 Seiten umfasst, bleibt auch so schon nur gerade genug Zeit, einzelne Episoden schlaglichtartig zu beleuchten, so dass auch Zeitsprünge nicht ausbleiben. Vielleicht liegt es daran, dass der Roman einerseits für mich sehr interessant war, andererseits aber etwas blutleer blieb. Marie Benedict charakterisiert Cat und Pug, wie sich das Ehepaar liebevoll nennt, als äußerst ambitioniert und machthungrig. Freimütig lässt sie Clementine einräumen, dass fraglich ist, wie weit sie damit ihrem Land und wie weit ihrem eigenen Ehrgeiz dienen wollen. Dies trifft sicherlich auf einen Großteil aller Politiker zu, macht Churchill und Clementine aber nicht unbedingt zu Sympathieträgern.

Das Kriegsgeschehen, vor allem das des Zweiten Weltkrieges, nimmt im Buch einen sehr breiten Raum ein. Dadurch entsteht manchmal eher der Eindruck einer Chronik oder eines biographischen Sachbuches. Schilderungen dagegen z.B. über Churchill als großen bekennenden Katzenfreund habe ich dagegen gänzlich vermisst. Diese hätten seiner Figur mehr Tiefe verleihen können als das ausschließliche Abhaken historischer und entscheidender privater Ereignisse.

Erschütternd aus heutiger Sicht ist, dass Clementine, die sicher selbst eine talentierte Politikerin gewesen wäre, ihre Ambitionen nur über die Steuerung ihres Mannes ausleben kann. Kein Wunder, gibt es doch zu Beginn des Romans nicht einmal das Frauenwahlrecht. Dennoch hat dies das Paar für mich manchmal in ein etwas seltsames Licht gerückt. Gelegentlich entstand auch der Eindruck, dass Clementine ihre Rolle überbetont, etwa, wenn sie Churchill ein "Das ist genau richtig so", zuraunt, während er eine wichtige Rede schreibt. Dennoch ein faszinierender Roman über bewegte Zeiten.

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