Profilbild von Sago

Sago

Lesejury Star
offline

Sago ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Sago über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.01.2021

Einfach mal abtauchen

Wonderlands
0

In "Wonderlands" lässt die Herausgeberin ein wahres Feuerwerk der phantastischen Literatur der vorangegangenen Jahrtausenden zünden. In kurzen Essays beginnt es mit den alten Mythen und Legenden wie dem ...

In "Wonderlands" lässt die Herausgeberin ein wahres Feuerwerk der phantastischen Literatur der vorangegangenen Jahrtausenden zünden. In kurzen Essays beginnt es mit den alten Mythen und Legenden wie dem Gilgamesch-Epos, Tausendundeiner Nacht und König Arthur, führt weiter ins Zeitalter der Wissenschaft und Romantik, geht über ins Goldene Zeitalter der Fantasy und die neue Weltordnung im 20. Jahrhundert und schließt mit dem Computerzeitalter. Dabei werden nicht nur reine Fantasy-Schöpfungen vorgestellt, sondern auch dystopische und solche der Science Fiction.

Nach einer kurzen Einleitung geht es sofort in medias res. Eine Vielzahl an Professoren und Professorinnen, journalistisch Tätigen sowie Literaturkriterinnen und Literaturkritikern stellt die Werke vor, unter denen sich selbst für mich als Kennerin der Materie einige wenige unbekannte befanden. Jedes Essay wird abgerundet durch ein Foto der Originalausgabe, des Verfassers und Illustrationen aus dem jeweiligen Buch oder der späteren Verfilmung.

Trotz der ansonsten eng beschriebenen Seiten blieb das Buch für mich durchgängig faszinierend, was schon eine kleine Meisterleistung darstellt. Etwas schade fand ich aber, dass der Leser nicht erfährt, wonach entschieden wurde, welche Werke es ins Buch geschafft haben. Handelt es sich um solche, die die Herausgeberin für die mit dem meisten Einfluss hält oder für die literarisch wertvollsten? Jeder wird wohl zwangsläufig Bücher vermissen, die der eigenen Meinung nach dann zwingend hineingehört hätten. In meinem Fall wären das zweifellos die Michael Endes (wie man überhaupt deutschsprachige Autoren fast vergebens sucht) und die Wüstenplanet-Reihe. Dass Autorinnen in der absoluten Minderheit sind, versteht sich angesichts des geschichtlichen Hintergrundes leider von selbst. Gerade deswegen hätte man hier aber dann bei Darstellung der zeitgenössischen Literatur dort einen größeren Fokus hinlegen können.
Auch wenn die Werke nicht nur aufgezählt, sondern mit Verfasser, Inhalt und Einfluss dargestellt werden, fehlen mir außerdem zusammenfassende Erläuterungen über die Entwicklung der phantastischen Literatur durch Beschreibung etwa gemeinsamer Merkmale, Erläuterung der wirklich zahlreichen Subgenres usw. Dies tat dem Lesevergnügen aber keinen Abbruch.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.01.2021

Geschwätziger Originaltitel

Die gefährliche Mrs. Miller
0

Vorab gesagt: Hier finde ich den deutschen Titel ausnahmsweise einmal passender, denn der Originaltitel verrät einfach zu viel.

Phoebe Millers Ehe steht eigentlich vor dem Aus, was ihr sehr wohl klar ...

Vorab gesagt: Hier finde ich den deutschen Titel ausnahmsweise einmal passender, denn der Originaltitel verrät einfach zu viel.

Phoebe Millers Ehe steht eigentlich vor dem Aus, was ihr sehr wohl klar ist. Ihr Mann Wyatt möchte unbedingt Kinder. Phoebe dagegen hat derzeit kein Ziel im Leben. Durch das Erbe ihres äußerst schwierigen, berühmt-berüchtigten Vaters ist sie superreich und ertränkt ihre innere Leere in Alkohol. Als immer wieder ein Kurierfahrzeug vor ihrer Villa parkt, ist sie dennoch beunruhigt. Außerdem wecken die neuen Nachbarn sie aus ihrem Dahindämmern, vor allem deren äußerst attraktiver Sohn Jake, der natürlich viel jünger ist als Phoebe. Bevor Phoebe dem Rätsel ihres offensichtlichen Beobachters im Auto auf den Grund gehen kann, überschlagen sich die Ereignisse...

Dieser erste Teil des Buches hat mir ausnehmend gut gefallen. Die Autorin wartet dann mit einer gelungenen Wende auf, die allerdings gleichzeitig die Schwäche des Buches darstellt. Zum einen geht damit ein Perspektivwechsel einher. Als Leserin hatte ich mich an Phoebe gewöhnt, die zwar alles andere als eine Sympathieträgerin ist, mich aber dennoch fasziniert hat. Diese Fazination hat mit Beginn des zweiten Teils kontinuierlich abgenommen, zumal die Geschichte zum Teil unglaubwürdig wird und die eingestreuten Internezzi nun manchmal eher verwirren als Spannung erzeugen. Zum Ende hin wurde die Geschichte auch zumindest für mich trotz weiterem Twist etwas vorhersehbar.

Fazit: Eine eigentlich lohnende Story, die im zweiten Teil leider Potential verschenkt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.01.2021

Perfekte Komposition

Böses Blut
0

Spätestens seit Erscheinen der englischen Originalausgabe habe ich ungeduldig auf die deutsche Version gewartet. Meine hohen Erwartungen wurden in keiner Weise enttäuscht. Ganz im Gegenteil. Mit 1200 Seiten ...

Spätestens seit Erscheinen der englischen Originalausgabe habe ich ungeduldig auf die deutsche Version gewartet. Meine hohen Erwartungen wurden in keiner Weise enttäuscht. Ganz im Gegenteil. Mit 1200 Seiten gibt es herrlich viel Robin und Strike, sowieso einen äußerst komplexen Cold Case, dessen Auflösung mir nicht gelungen wäre. Erst am Ende erschließt sich, wie geschickt die Autorin in diesem perfekt komponierten Krimi Hinweise versteckt hat, ohne je auch nur für einen Moment den Faden zu verlieren. Ich habe das Buch innerhalb weniger Tage gelesen und kann gar nicht sagen, ob mich der Fall oder die "Rahmenhandlung" mit den bekannten Protagonisten mehr begeistert hat.

Während Strike mit der Krankheit seiner Tante, den psychischen Problemen seiner Exfreundin, verblüffenden Kontaktversuchen seines bisher lieblosen, berühmten Vaters und seinen eigenen verdrängten Gefühlen für Robin zu kämpfen hat, wird er für einen Cold Case engagiert. Es geht um das Verschwinden einer Ärztin in den Siebziger Jahren, deren vermutlicher Tod einem überführten Serienkiller zugeschrieben wird. Doch dieser hat sich dazu nie geäußert. Die Tochter der verschwundenen Margot Bamborough möchte nun endlich Gewissheit haben. Mit wenig Hoffnung beginnen Strike und Robin zu recherchieren. Doch so sehr die Spuren auch erkaltet scheinen, finden sie sich bald in Ermittungen, in denen offenbar viele Beteiligte einiges zu verbergen haben...

Die feine psychologische Beobachtungsgabe der Autorin, die hier wieder auf ihr bekanntes Pseudonym zurückgreift, hat mich aufs Neue begeistert. Ich liebe Strikes grummelige, ehrlich-aneckende Art. Eigentlich macht mir überhaupt kein Ermittlerduo mehr Freude als dieses. Damit mir die Zeit bis zum nächsten Teil meiner Lieblingskrimi-Serie ncht ganz so lang wird, werde ich mich wohl an die BBC-Verfilmung der ersten drei Teile wagen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.12.2020

Lesestrudel

Miss Bensons Reise
0

"Da kann man um die halbe Welt reisen, so viel man will: Was immer an vernichtender Traurigkeit in einem steckt, reist mit."

Dass gute Romane einen wahren Lesesog entfalten können, habe ich schon häufiger ...

"Da kann man um die halbe Welt reisen, so viel man will: Was immer an vernichtender Traurigkeit in einem steckt, reist mit."

Dass gute Romane einen wahren Lesesog entfalten können, habe ich schon häufiger erlebt. Dass eine Geschichte aber quasi einen Lesestrudel erzeugt, der mich förmlich mitreisst, kommt seltener vor. Doch so erging es mir mit diesem ungewöhnlichen Buch.

Margery Benson ist eine in der Kindheit durch den Tod ihrer Familie traumatisierte Lehrerin, die in ihrem eigenen Leben dauerhaft auf der Zuschauerbank Platz genommen hat. Als ein Ereignis sie regelrecht wachrüttelt, will sie einen letzten Versuch unternehmen, den Traum ihrer Jugend doch noch zu verwirklichen. Ausgerechnet den bisher unentdeckten, mystischen goldenen Käfer von Neukaledonien will sie finden, dessen Zeichnung ihr ihr Vatert einst in einem Buch zeigte. Dass in den Fünfzigerjahren des vorigen Jahrhunderts eine Frau allein eine solche Forschungsreise antritt, ist ausgeschlossen. Und so sucht Margery per Zeitungsannonce eine Begleitung. Auf diese Weise gerät sie nicht nur an das schrille Plappermaul Enid Pretty, sondern auch an den Kriegsveteran Mundic, der Margery allerdings Angst einjagt. Und so muss sich Margery schließlich äußerst genervt mit Enids Gesellschaft abfinden. Per Schiff begeben sich die beiden auf die gefahrvolle Reise nach Neukaledonien, nichtahnend, dass sich der abgewiesene Mundic erbost an ihre Fersen geheftet hat...

Der Roman bezieht seine Dynamik über weite Strecken aus der Begegnung der beiden Frauen, die kaum unterschiedlicher sein könnten, und ihren herrlichen Dialogen, die die Seiten nur so dahinfliegen lassen. Hinzu kommt die farbige Schilderung der Inselexotik und der überaus gelungene Einblick in Mundics Kopf. Dieser ist durch die Gefangenschaft in einem Lager während des zweiten Weltkrieges schwer beeinträchtigt. Eine einfühlsamere Schilderung, die gleichzeitig Angst und Betroffenheit weckt, ist mir selten begegnet.

Lebensträume und Freundschaft spielen hier eine große Rolle und wecken tiefe Gefühle. Das Ende wirkt dann leider wie ein kalte Dusche. Nicht weil ich mir einen Friede Freude Eierkuchen Abschluss gewünscht hätte. Vielmehr wird das Ende hastig heruntererzählt und dann um einen später spielenden Nachklapp mit holzhammerartiger Botschaft ergänzt. Zu allem Überfluss folgt dann ein Interview der Autorin mit ihren Protagonisten, das angesichts des Ausgangs des Romans nicht nur befremdlich wirkt, sondern auch noch ein verwirrendes Licht auf diesen wirft. Was sich die Autorin dabei gedacht hat, kann ich mir nicht erklären. Dies kostet den ansonsten überzeugenden Romanleider einen Stern Abzug.


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.12.2020

Wunderwald

Der Winter des Bären
0

"Aber nicht alle Märchen sind erfunden. Manche von uns verstehen, dass unmögliche Orte möglich sind."
Ich liebe das Märchen von der Schneekönigin schon immer. Und so hat mich dieses zauberhafte Wintermärchen ...

"Aber nicht alle Märchen sind erfunden. Manche von uns verstehen, dass unmögliche Orte möglich sind."
Ich liebe das Märchen von der Schneekönigin schon immer. Und so hat mich dieses zauberhafte Wintermärchen schnell in seinen Bann gezogen. Dass Oskar, der Bruder der jungen Mila, von einem geheimnisvollem Fremden, der über dem Schnee zu schweben scheint, und seiner Schar eines Winternachts entführt wird, erinnert sicher nicht zufällig an die Schneekönigin, die einst in Andersens Märchen den Jungen Kai entführte.

Noch dem Tod ihrer Mutter und dem Verschwinden des Vaters lebt Mila mit ihren Schwestern Pipa und Sanna sowie ihrem Bruder Oskar allein inmitten eines verwunschen anmutetenden Waldes. Oskar ist der Mann im Haus. Umso tragischer, als er nun entführt wird. Oder ist er etwa freilwillig fortgegangen? Mila und Pippa sind sicher, dass das nicht stimmt. Gemeinsam mit dem geheimnisvollen jungen Zauberer Rune mit den Monsteinaugen machen sie sich mit ihrem Hundeschlitten auf die Suche nach Oskar.

Auch als Erwachsene hat mich die Erzählung restlos begeistert. Das lag nicht nur an der bildhaften, manchmal fast poetischen Sprache. Wundervoll fand ich, dass hier das Böse durchaus Grauschattierungen aufweist und plausible, heute brandaktuelle Gründe für sein Handeln vorweisen kann. Auch die Protagonisten, allen voran Mila und Rune, ja selbst die Hunde, haben mich restlos überzeugt und sich in mein Herz gestohlen. Hier blieb nichts an der Oberfläche, sondern regt immer wieder zum Nachdenken an.

Ich werde mich nach weiteren Büchern der Autorin umsehen und hoffe, dass sie übersetzt werden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere