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Veröffentlicht am 12.05.2020

Elementar, Dr. Watson

Holmes und ich – Die Morde von Sherringford
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Dieser berühmte Satz taucht im vorliegenden Buch zwar nicht auf. Dennoch wurde Sherlock Holmes hier gekonnt in die Moderne übertragen, und zwar in Form seiner fiktiven Nachfahrin, der jungen Internatsschülerin ...

Dieser berühmte Satz taucht im vorliegenden Buch zwar nicht auf. Dennoch wurde Sherlock Holmes hier gekonnt in die Moderne übertragen, und zwar in Form seiner fiktiven Nachfahrin, der jungen Internatsschülerin Charlotte Holmes, die ebenso brillant, kompliziert und drogengefährdet ist wie ihr Vorfahr. Auch ihr steht ein Watson zur Seite, James, der Nachkomme des bekannten Doktors, den seine Familie auf dasselbe Internat in den USA schickt, das auch Charlotte besucht. Charlotte hat schon in frühester Kindheit für Aufsehen gesorgt und der Polizei bei der Aufklärung von Verbrechen geholfen. Seitdem ist Charlotte so etwas wie eine imaginäre Freundin für James und er träumt davon, mit ihr gemeinsam zu ermitteln. Nun ist Charlotte auch noch faszinierend und hübsch. James Wunsch erfüllt sich schneller als gedacht, als ein Mitschüler ermordet wird, mit dem sich James kurz zuvor geprügelt hat, um Charlottes Ehre zu verteidigen. Doch ausgerechnet Charlotte ist die Hauptverdächtige! Zudem erinnern dieser Mordfall und folgende Überfälle auch noch fatal an Sherlock Holmes berühmte Fälle.
Das Buch hat sich in Windeseile nur so weggelesen. James, der in der Ich-Perspektive erzählt, ist ein äußert sympathischer Protagonist, und auch die schwierige Charlotte habe ich schnell ins Herz geschlossen. Daher bin ich sicher bin, dass ich eventuelle Folgebände auf jeden Fall kaufen werde. Gelungen fand ich auch die mehr als zarte, nur angedeutete Liebesgeschichte zwischen Charlotte und James. Charlotte ist so hochbegabt, dass es unrealistisch gewirkt hätte, wenn sie in Liebesdingen funktioniert hätte wie durchschnittliche Menschen. Der Epilog, in dem Charlotte dann selbst zu Wort kommt, war so erfrischend und exzentrisch, dass ich mir wünsche, sie möge vielleicht im nächsten Teil die Ich-Erzählerin sein. Der Untertitel "Die Morde von Sheringford" lässt ja auf eine Reihe schließen.
Der Buchumschlag hat mir in der Realität besser gefallen als auf der Abbildung, auch wenn ich ihn noch immer etwas schlicht finde. Das dargestellte Paar entspricht aber tatsächlich sehr gut meiner Vorstellung der beiden Ermittler.

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Veröffentlicht am 12.05.2020

Heiße Wüstenluft

Willkommen in Night Vale
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Ich liebe fantastische Literatur, mag es, wenn es skurril wird, und vor allem, wenn etwas so für mich als Vielleserin noch nicht da war. All dies trifft hier zu. Warum dieser Roman mich dennoch nicht ganz ...

Ich liebe fantastische Literatur, mag es, wenn es skurril wird, und vor allem, wenn etwas so für mich als Vielleserin noch nicht da war. All dies trifft hier zu. Warum dieser Roman mich dennoch nicht ganz von sich überzeugen konnte? Vieles kommt mir hier vor wie nur um des Effektes willen geschrieben. Wenn man dann genau hinsieht, war mir persönlich einfach nicht genug dahinter.
Das isoliert in der Wüste gelegene Städtchen Night Vale wirkt wie von Aliens beherrscht. Die Pfandleiherin Jackie ist seit vielen Jahren 19 Jahre alt. Verpfändet man etwas, so stirbt an einen Augenblick (Warum eigentlich?). Der Sohn der alleinerziehenden Diane ist ein Gestaltwandler. Plötzlich taucht sein Vater Troy wieder auf, und sowohl Jackie als auch Diane erhalten von einem mysteriösen Mann im hellbraunen Jackett, den sich einfach niemand merken kann, einen Zettel mit der Aufschrift "King City". Diesen Zettel wieder los zu werden, erweist sich als unmöglich, Jackie kann sogar nichts mehr anderes schreiben als King City. Als Josh verschwindet, machen sich die beiden Frauen auf die Reise nach King City, und kommen sowohl dem Geheimnis dieses Örtchens, dem von Joshs Vater als dem des Mannes im hellbraunen Jackett auf die Spur. Diese Auflösung, wenn man sie denn so nennen will, hat mich nicht völlig zufrieden gestellt. Zwar erfährt man, warum in King City die Dinge so sind wie sie sind, aber für Night Vale selbst kann man sich hier allenfalls etwas zusammenreimen. Dessen unendliche Skurrilitäten muss man hinnehmen, wie sie sind, und nein, mit Außerirdischen haben sie nichts zu tun.
Zwar strotzt der Roman nur so vor originellen Einfällen, aber sprachlich war er mir häufig zu gewollt redundant ("Über Engel wusste man wenig. Ein wenig wusste man.").
Auch das Cover konnte hier nichts aufwerten, es ist stilistisch sehr einfach gehalten. Das Buch erscheint wohl gebunden mit Schutzumschlag, was sicherlich dann einen hochwertigeren Eindruck macht als das kostenlose kartonierte Leseexemplar, das durch die weiße Umrandung leider schon nach einmaligem schonendem Lesen recht abgegriffen aussieht.

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Veröffentlicht am 12.05.2020

Hormonmangel

Sommerreise
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Nun habe ich es Schwarz auf Weiß: angeblich leide ich unter Hormonmangel. Zumindest, wenn man Sara, einer der Protagonistinnen dieses Romans glaubt. Das behauptet sie jedenfalls von Frauen, die nicht beim ...

Nun habe ich es Schwarz auf Weiß: angeblich leide ich unter Hormonmangel. Zumindest, wenn man Sara, einer der Protagonistinnen dieses Romans glaubt. Das behauptet sie jedenfalls von Frauen, die nicht beim Anblick eines Mannes, der allmählich auf die 60 zugeht, auf einem Motorrad unverzüglich dahinschmelzen. Wenn dieser Mann dann noch stolz berichtet, dass er früher sein Kleinkind im Beiwagen transportiert hat, fasse ich persönlich mir eher an den Kopf. Eigentlich müsste ich zur Zielgruppe von "Sommerreise" gehöre, denn mit Anfang 50 sind die Personen in diesem Buch nur wenige Jahre älter als ich. Oft lese ich auch Jugendbücher, und zu mindestens in den sehr guten davon erschienen mir die Protagonisten stets wesentlich reifer als diese hier, und außerdem sympathischer! Sara, schwedische Journalistin, beschließt nach ihrer Scheidung urplötzlich an den Urlaubsort ihrer Kindheit zu reisen, ein Schloss in der Toskana. Dort wurde ihr Großvater, der dortige Gärtner, einst von den Schlossherren um seine Weinsammlung betrogen. Kurzerhand entführt Sara nicht nur das Motorrad ihres Exmanns, sondern auch ihre Freundin Jessica, die eigentlich nur ein Stück mitfahren wollte, bis zu einem für sie wichtigen Autorentreffen in Malmö. Doch Sara verschleppt Jessica einfach über die Grenze nach Dänemark. Überhaupt sind Saras Handlungen oft kaum nachvollziehbar. Hat sie zum Beispiel endlich das Thema ihrer diesjährigen Reisereportage gefunden (Wie ergeht es einer Einzelperson auf einer einsamen Insel), lädt sie plötzlich Jessica ein, als würde sie selbst nicht davon leben und das Thema damit komplett zunichte machen.
Jessica schreibt Liebesromane, die mir wahrscheinlich die Haare zu Berge stehen lassen würden: "Wäre er eine Figur aus Jessicas Romanen gewesen, hätte diese ihn als schweigsamen Helden beschrieben, einen, der sich seine Angebetete über die Schulter warf und sie auf das nächste Bett schmiss, wenn sie zu viel redete. Dort hätte er sie dann geküsst, bis sie endlich den Mund hielt." Oh graus. Jessica selbst ist auch jedes Mal in Gefahr, in Ohnmacht zu fallen, wenn sie ihre Jugendliebe JP, den einzigen Mann, mit dem sie jemals intim war, nur berührt. Die eingestreuten Sexszenen haben zumindest mich höchstens genervt, auch finde ich, dass Wörter wie "geil" einfach billig sind und in Mainstream-Romanen deplatziert. Weder die Figuren noch die Handlung konnten lange Interesse bei mir wecken. Am besten hat mir noch das schöne sommerlich-blaue Cover gefallen. Der Verlag bewirbt hinten im Buch Bücher von Corinna Bomann, Brigitte Janson und Nina Blazon. Am Anfang des Romans dachte ich noch: Nina Blazon, das ist natürlich eine viel hochklassigere Liga, zwischen ihren Romanen und "Sommerreise" liegen Welten, aber Bomann und Janson, das passt. Zum Schluss musste ich mich zum Teil korrigieren: Nina Blazon schreibt natürlich um Längen besser, aber die Bomann- und Janson-Bücher übertrumpfen das vorliegende immerhin auch. Schade!

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Veröffentlicht am 12.05.2020

Ein Roman wie ein Labyrinth

Remember Mia
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Das ist wohl der Alptraum aller Mütter: Die sieben Monate alte Mia ist verschwunden. Dieser Alptraum ist umso unerträglicher, wenn die Mutter so wie die Hauptprotagonistin Estelle unter Amnesie leidet, ...

Das ist wohl der Alptraum aller Mütter: Die sieben Monate alte Mia ist verschwunden. Dieser Alptraum ist umso unerträglicher, wenn die Mutter so wie die Hauptprotagonistin Estelle unter Amnesie leidet, und sich sogar fragt, ob sie ihre Tochter selbst weggebracht oder ihr gar etwas angetan hat. Estelle erwacht nach einem Unfall schwer verletzt im Krankenhaus. Nicht erst seit der Geburt von Mia litt sie unter Depressionen. Dass Mia ein sogenanntes Schreikind ist, hat sie an den Rande der Erschöpfung gebracht, ebenso wie die Antidepressiva. Estelles Ehemann war beruflich längere Zeit auswärts, und selbst er traut Estelle zu, dass sie etwas mit Mias Verschwinden zu tun hat. Auch die Polizei verdächtigt Estelle. Die Ehe zerbricht und Estelle lässt sich in eine Klinik einweisen, in der ein Psychologe ihr helfen soll, ihre Erinnerung wiederzufinden. Für Estelle gibt es nur noch einen Gedanken: Sie muss Mia finden.
Auch der Leser tappt hier gespannt im Dunkeln. Erst in Rückblicken erfährt er von Estelle zum Teil traumatischer Kindheit und kann nicht umhin, Estelle ebenfalls zeitweise zu verdächtigen. Dieses Rätselraten habe ich als sehr spannend empfunden. Wenn nach etwa Dreivierteln des Romans das Geheimnis um Mias Verschwinden gelüftet wird, lässt der Spannungsbogen zwangsläufig etwas nach. Doch die Suche geht weiter, und das Buch hat mich unweigerlich bis zum Schluss gefesselt. Estelle ist eine sperrige Protagonistin, und insbesondere Übermütter dürften mit ihr gewisse Identifikationsprobleme haben. Ich selbst habe sie als sehr plastische, interessante Figur erlebt und bin ihrer Schilderung aus der Ich-Perspektive stets gern gefolgt. Raffiniert spielt die Autorin gerade zu Beginn mit Andeutungen zu Estelles Vergangenheit und lockt so das eine oder andere Mal raffiniert auf falsche Fährten.
Das schwarze Cover mit dem unscheinbaren orangefarbenen Schmetterling finde ich persönlich etwas zu einfach gehalten. Ich konnte auch keinen rechten Bezug zum Inhalt entdecken. In der Buchhandlung wäre mir der Roman nicht aufgefallen, und das wäre schade gewesen.

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Veröffentlicht am 12.05.2020

Einfach alles richtig gemacht

Night Falls. Du kannst dich nicht verstecken
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Endlich kann ich einmal wieder guten Gewissens fünf Sterne vergeben. Das tue ich am liebsten, aber leider viel zu selten. Hier gibt es aber absolut nichts auszusetzen. Ganz im Gegenteil, am liebsten hätte ...

Endlich kann ich einmal wieder guten Gewissens fünf Sterne vergeben. Das tue ich am liebsten, aber leider viel zu selten. Hier gibt es aber absolut nichts auszusetzen. Ganz im Gegenteil, am liebsten hätte ich nur noch gelesen, gelesen, gelesen. Ein größeres Kompliment kann man einem Roman kaum machen.
Die sympathische Famile bestehend aus Sandy, Ben, Tochter Ivy und Hund Mac besitzt ein sehr abgelegenes Traumhaus. Das machen sich die entflohenen Sträflinge Nick und Harlan zunutze. Ihr Plan, sich dort mit allem Nötigen für die weitere Flucht auszustatten, wird durch einen heftigen Schneesturm je gestoppt. Geiseln und Einbrecher sitzen gemeinsam fest. Ein nervenzerfetzendes Psychospiel beginnt. Nach und nach enthüllt sich in Rückblenden, dass Sandy und Nick eine gemeinsame Vergangenheit teilen. Dabei schafft die Autorin das Kunststück, alle Zeitebenen gleich spannend zu gestalten. Auch sprachlich brilliert sie und findet immer wieder ungewöhnliche Metaphern. So sind Nicks Augen "wie Asche, grau, kalt und tot. Es waren die Augen eines Alptraums, aus dem man niemals erwachte." Alle Charaktere sind plastisch und unverwechselbar gestaltet. Selbst die Handlungen des Psychopathen Nick erhalten einen logischen Kontext. Das Ende hat mich persönlich hoch zufrieden gestellt. Mach ein anderer Thriller-Fan könnte sagen, die Autorin sei mit ihren Figuren noch etwas zu schonend umgegangen. Für mich war es genau so gerade noch aushaltbar.
Das Taschenbuch wird noch dadurch aufgewertet, dass es sein eigenes Lesezeichen mitbringt. Dort wiederholt sich das düstere Motiv des Covers. Auch das hat mit hervorragend gefallen.

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