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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.06.2019

Ein Klassiker, bei dem sich das Durchhalten definitiv lohnt

Emma
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Meine Meinung:
Was habe ich mich anfangs schwergetan mit diesem Buch. Monatelang las ich immer wieder einmal ein paar Seiten und legte es dann weg, weil die überspitzten Figuren, die langatmigen Beschreibungen ...

Meine Meinung:
Was habe ich mich anfangs schwergetan mit diesem Buch. Monatelang las ich immer wieder einmal ein paar Seiten und legte es dann weg, weil die überspitzten Figuren, die langatmigen Beschreibungen und die überhaupt nicht bescheidene Protagonistin mir den letzten Nerv raubten. Dann aber machte es "klick", ich blieb ein wenig länger konzentriert und las grössere Abschnitte, gewöhnte mich an den Stil, der eigentlich vor (Selbst-)Ironie nur so trieft und ein zart überspitztes aber insgesamt in erster Linie eher beobachtendes als wertendes Bild über die damalige Gesellschaft bietet. Besonders gut gefallen hat mir auch das Nachwort, das "Emma" in Austens Schaffen einordnet und einzelne erklärende Hinweise bietet, vor allem aber eine grosse Lanze für die äusserst genau beobachtende und sehr liebevoll und charakterstark beschreibende Autorin bricht.

Schreibstil und Handlung:
Jane Austen schreibt über ein Leben, das sie kennt. Bürgerinnen und Bürger aus gutem Hause, die eigentlich nicht wirklich arbeiten und ihre fast unbegrenzte Freizeit mit dem Planen, Ausführen und Nachbesprechen von Abendgesellschaften, Bällen und Ausritten verbringen. Da wird über jede und jeden getratscht, jede Verlobung genau analysiert und doch immer aufgeklärter, fast sogar schon vereinzelt emanzipiert gedacht. So ist Emma eine Protagonistin, die ihren eigenen Kopf und einen nicht nur angenehmen Charakter hat, die aber dennoch von fast allen gemocht wird. Sie spricht frei heraus, lehnt die Ehe als Institution ab und will ihr Umfeld unter romantischen Kriterien verkuppeln. Somit ist Austen eine liebevoll ironische, wenn nicht gar vereinzelt ziemlich kritische Gesellschaftsstudie gelungen und nicht nur ist zu Austens Zeit die Rolle der finanziell unabhängigen und aus Liebe heiratenden Protagonistin eher neu, Austen hat wesentlich zur Entwicklung des Genres des Sittenromans/Gesellschaftsromans und der Technik der "erlebten Rede" beigetragen und somit auch formal Meilensteine errichtet und dies in einer Zeit, in der Autorinnen rar waren und Romane als Schundliteratur galten.

Meine Empfehlung:
Das Durchhalten lohnt sich definitiv. Denn auch wenn die einzelnen Geplänkel und die aus heutiger Sicht nicht mehr ernstzunehmenden Dialoge, sowie die ellenlangen Beschreibungen zeitweise ermüdend wirken können, lohnt es sich, diesen Roman einmal versuchsweise aus damaliger Sicht zu betrachten. Erst dann wird klarer, wie kritisch und pointiert Austens Beschreibungen sind, wie emanzipiert ihre Protagonistin eigentlich ist und welche spannenden literarischen Grundsteine die Autorin mitbegründet und geformt hat. Von mir gibt es deshalb eine überzeugte Empfehlung für diesen grossen Roman.

Veröffentlicht am 23.06.2019

Bedrückend, nachdenklich stimmend und packend geschrieben

Die Geschichte der Bienen
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Inhalt:
Dieses Buch ist eine Mischung aus Dystopie, Familiendrama, Gesellschaftsroman und Sachbuch. In einem düsteren Grundton wird die Geschichte dreier Menschen erzählt, die - abgesehen von ihrer Arbeit, ...

Inhalt:
Dieses Buch ist eine Mischung aus Dystopie, Familiendrama, Gesellschaftsroman und Sachbuch. In einem düsteren Grundton wird die Geschichte dreier Menschen erzählt, die - abgesehen von ihrer Arbeit, ihrer Faszination für das Leben der Bienen und auch ihrer Abhängigkeit von bestehenden Systemen - nicht viel gemeinsam haben. Wir sind auf drei Kontinenten und werden in drei Familiengeschichten involviert, die zeitlich weit auseinanderliegen. Mit William erleben wir eine Blütezeit, eine Zeit voller Aufschwung und erfahren einiges über das Leben der Bienen. Mit George sind wir mitten in der Krise angelangt, in einer Gegenwart gefangen, die keine positive Prognosen für die Zukunft bieten kann und mit Tao reisen wir in eine beängstigend realistisch anmutende Zukunftsvision, die für Beklemmung sorgt.

Meine Meinung:
"Die Geschichte der Bienen" hat mich mit der komplexen Idee von drei lose zusammenhängenden Strängen und Zeitebenen, sowie mit den sehr unterschiedlich entworfenen Ausgangslagen der jeweiligen Protagonisten für sich einnehmen können. Die kurzen Kapitel, die abwechslungsweise von Erzählstrang zu Erzählstrang springen und dabei dank klaren Kapitelüberschriften und fortlaufend mit dem Namen des aktuellen Protagonisten beschrifteten Seiten sehr übersichtlich bleiben, haben mich das Buch innerhalb weniger Tage verschlingen lassen. Wenn auch die Sprache zuweilen befremdlich nüchtern wirkt, haben mich die einzelnen Familiengeschichten, die allesamt eher dramatisch verlaufen und die wissenswerten, definitiv aufwendig recherchierten Informationen über die Bienenvölker und ihr Leben für sich einnehmen können.

Schreibstil:
Maja Lundes Sprache ist sehr schlicht, manchmal ein wenig monoton und oft ein wenig kindlich anmutend. Trotzdem schafft sie es, durchs Band eine sehr düstere Grundstimmung zu erzeugen, die nachdenklich stimmt und beklemmend wirkt. Vor allem die in der Zukunft spielende Handlung um die Arbeiterin Tao, deren Sohn um sein Leben bangt und deren eigene Existenz von strengen Regeln, Überwachung und Rationierung geprägt ist, bedrückt und zwingt zum Überdenken unserer eigenen aktuellen Lage. Wie geht es mit unserem Klima weiter? Wie viel Sorge tragen wir zu unserem Planeten und der Pflanzen- und Tierwelt? Welche kleinen Schritte können wir im Alltag tun, um zu verhindern, dass wir uns bald in einem solchen Alptraum wiederfinden?

Meine Empfehlung:
"Die Geschichte der Biene" ist definitiv keine leichte Kost, regt aber zum Nachdenken an, berührt und lässt gegen Ende doch ein wenig Hoffnung aufblitzen. Für die spannenden Familienportraits, die wissenswerten Exkursionen rund um das Leben der Bienen und der Bau von Bienenbeuten, sowie für die bedrückende Grundstimmung und die aussergewöhnliche Handlungsidee gibts von mir trotz der zeitweise ein wenig zu nüchternen und simplen Sprache eine ganz klare Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 18.06.2019

Da wäre mehr möglich gewesen...

Der Stalker (Ein Marina-Esposito-Thriller 2)
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Leseerlebnis:
"Der Stalker" hat mir auf den ersten fünfzig Seiten Gänsehaut und Mühe beim Einschlafen beschert. Die Grundidee und die Figur des Stalkers sind ausgereift und beängstigend. Insgesamt war ...

Leseerlebnis:
"Der Stalker" hat mir auf den ersten fünfzig Seiten Gänsehaut und Mühe beim Einschlafen beschert. Die Grundidee und die Figur des Stalkers sind ausgereift und beängstigend. Insgesamt war mir das Buch dann aber knapp zweihundert Seiten zu lang, weil eigentlich nach zwei Dritteln schon alles erledigt und aufgeklärt ist und nur noch einzelne Details mit wenigen Überraschungen hinzugefügt werden. Ausserdem strotzte das Buch nur so vor mangelhafter Polizeiarbeit und am Ende wurde definitiv zu sehr konstruiert und zu dick aufgetragen. Weniger wäre in diesem Fall mehr gewesen, weshalb ich mich dann leider auch nicht mehr gruseln konnte und nicht mehr so gefesselt war von diesem Buch.

Schreibstil:
Trotzdem hat mir die Sprache grundsätzlich sehr gut gefallen, das Buch las sich sehr flüssig, einzelne der Figuren waren wirklich lebensecht dargestellt und die persönliche Geschichte inklusive Beziehungswirren zwischen der Profilerin Marina und ihrem Partner Phil hat mir sehr gut gefallen. Hätte ich den ersten Band lesen sollen? Ja, wenn ich noch ein wenig mehr über Marina hätte erfahren wollen. Der "Thriller" ist aber komplett in sich abgeschlossen und es sind - sofern ich das beurteilen kann - keine Spoiler zum ersten Band zu finden.

Fazit:
Schade, da wäre so viel mehr möglich gewesen, aber trotz einiger Kritikpunkte hat mir der Schreibstil gut gefallen und ich würde gerne mehr über Marina und ihre total spannende und so wichtige Arbeit erfahren. Vielleicht bei einem weiteren Band der Reihe?

Veröffentlicht am 12.06.2019

Kurzweilig und liebevoll erzählt

Die kleine Bäckerei am Strandweg
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Inhalt und Lesegefühl:

Zuerst einmal muss ich euch warnen: dieses Buch macht hungrig. Pollys Leidenschaft für frische Backwaren, das Kneten des Teigs und den Duft von Hefegebäck sorgen dafür, dass man ...

Inhalt und Lesegefühl:

Zuerst einmal muss ich euch warnen: dieses Buch macht hungrig. Pollys Leidenschaft für frische Backwaren, das Kneten des Teigs und den Duft von Hefegebäck sorgen dafür, dass man selber auch immer mal wieder zu einem Stück Brot greifen oder es gleich selber backen will. Dabei helfen natürlich auch die zahlreichen im Anhang liebevoll erklärten Rezepte und ich freue mich schon, einige davon bald auszuprobieren, da ich ja in der Regel unser Brot selber backe.

Und weiter kann ich sagen, dass "Die kleine Bäckerei am Strandweg" ein wenig wie Urlaub für die Seele ist. Ein romantisches Fischerdorf, sture, ein wenig eigene, aber herzensgute Menschen, Sonnenuntergänge, frische Fische und eine Dorfgemeinschaft, die dann, wenn es hart auf hart kommt, zusammenhält.

Pollys anfängliche Konkurrentin, Mrs Manse, ist indirekt mitschuldig daran, dass Polly bald ihre eigene Bäckerei eröffnen und das ganze Dorf mit frischen Backwaren versorgen kann. Ihre Auszeit von ihrem alten Leben zeigt ihr immer mehr auf, was sie wirklich gesucht und gebraucht hat und als sich bei ihr plötzlich noch ungeplante Gefühle ankünden, wird die Lage, die sich eigentlich gerade beruhigt hat, erst so richtig kompliziert.


Schreibstil und Handlungsverlauf:

Von diesem Buch habe ich einen grossen Wohlfühlfaktor und einiges an Kitsch erwartet. Dies habe ich bekommen und habe sehr gerne gelesen, wie Polly sich in Cornwall eingerichtet hat und sogleich den kleinen Neil, einen eigentlich wilden Papageientaucher, bei sich aufgenommen hat. Die kleine, nicht auf den Mund gefallene, rothaarige Bäckerin mit Vogel ist nämlich definitiv eine spannende Alternative zur älteren, molligen und harmoniesüchtigen Katzenlady, wenn aber natürlich auch Polly ihr Herz am rechten Fleck hat. Besonders gut gefallen haben mir aber auch die liebevollen, aber leider ein wenig stereotypen Beschreibungen der Protagonisten und der einladenden Strandpromenade. Nicht Halt gemacht wurde ausserdem vor einigen dramatischen Ereignissen, einer grossen Hochachtung für den anstrengenden und gefährlichen Fischerberuf und Schilderungen von imposanten Unwettern, die nicht nur für angenehme Stunden am Kamin, sondern auch für Dramen auf offener See sorgen können.

Mit einer warmherzigen Sprache und einer grossen Prise Humor, sowie einigen ausgefallenen Ideen gespickt, erzählt Jenny Colgan diese Geschichte, die hungrig und ein wenig sehnsüchtig macht, die mich aber auch mit Dankbarkeit für mein Dach über dem Kopf und die Anbindung an Einkaufsmöglichkeiten, ärztliche Versorgung und meine einigermassen geregelten Arbeitszeiten gemacht hat.


Meine Empfehlung:

Dieses kurzweilige und unterhaltsame Buch, das ans Herz geht und auch einiges an Tiefgang beinhaltet empfehle ich euch sehr gerne weiter. Schaut aber unbedingt, dass ihr beim Lesen einen Snack zur Hand habt.

Veröffentlicht am 08.06.2019

Ein Briefroman, der viele Facetten der Liebe beleuchtet, aber auch ein wenig oberflächlich bleibt:

Zeilen ans Meer
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Inhalt:
Ganz wichtig: dieses Buch ist ein Briefroman, es besteht ausschliesslich aus Briefen, E-Mails und einzelnen SMS-Nachrichten, darin findet sich allerdings keine erzählte Handlung, das muss man mögen, ...

Inhalt:
Ganz wichtig: dieses Buch ist ein Briefroman, es besteht ausschliesslich aus Briefen, E-Mails und einzelnen SMS-Nachrichten, darin findet sich allerdings keine erzählte Handlung, das muss man mögen, wenn man mit diesem Buch warm werden will. Genauer gesagt lesen wir den Briefwechsel zwischen Lena und Sam, der von Sam begonnen wird, nachdem er eine Flaschenpost gefunden hat, die Lena Jahrzente zuvor ins Meer geworfen hat. Nach und nach kommen sich die beiden näher und so etwas wie Liebe scheint sich zwischen ihnen anzubahnen. Das Leben spielt allerdings nicht mit und stellt ihnen immer wieder einmal ein Bein. Kann eine solche Liebe über die Distanz und ohne gemeinsamen Alltag überhaupt bestehen?

Meine Meinung:
Briefromane sind genau mein Ding. Ich liebe es, solche Briefwechsel (ob real oder fiktiv) zu lesen und mich so in ganz andere Welten entführen zu lassen. Die Leerstellen, die zwangsläufig entstehen, wenn die Protagonisten einander auch noch telefonisch kontaktieren oder wenn Briefe verlorengehen, sind meiner Meinung nach total spannend und ich reime mir gerne zusammen, was in eben genau diesen Momenten, die nicht schriftlich festgehalten werden, geschieht.
Auch "Zeilen ans Meer" hat einige dieser spannenden Lücken zu bieten, da die Protagonisten nicht nur schrifltich miteinander kommunizieren, wir aber nur die Briefe zu lesen bekommen und nicht immer ganz genau wissen, was sonst noch geschieht. Dies wurde meiner Meinung anch äusserst reizvoll eingebaut und auch wenn ich mir nicht ganz sicher bin, ob das Buch mich nun überzeugen konnte, oder eher doch auch genervt hat, so hat mir dies doch sehr gut gefallen.

Schreibstil und Handlungsaufbau:
Überzeugt haben mich die Grundidee und die Details, die wir nach und nach aus dem Leben der Figuren erfahren. Wie sie einander kennenlernen, lernen auch wir sie kennen und das ist wirklich sehr gelungen geschrieben.
Genervt hat mich Lena, die sich selber sehr gerne und sehr leidend als Opfer äusserer Umstände darstellt, wenn auch sie natürlich ein nicht ganz einfaches Leben hat. Es gelingt ihr kaum, Dinge positiv zu sehen und aus ihrem Trott auszubrechen und so bricht sie oft grundlos lächerliche Streiterein vom Zaun, die sich nur schwer lösen lassen, wenn man kein gemeinsames Leben lebt.
Dies allerdings ist gleichzeitig auch wieder ein grosser Pluspunkt des Buches, wird dabei doch deutlich aufgezeigt, wie missverständlich und manchmal halt eben auch unzureichend unsere Kommunikation sein kann, wenn wir lediglich schreiben oder telefonieren, aber kein Gegenüber direkt ansprechen können. Ausserdem lässt es auch die Sehnsucht spüren, die zwangsläufig entsteht, wenn sich eine unmöglich scheinende Beziehung über eine solch grosse Distanz anbahnt und beide Beteiligten in ihren jeweiligen Leben gefangen sind und nicht einfach alle Zelte abbrechen und auswandern können.
Sprachlich ist dies - trotz ein wenig schmalzigem Kitsch, der aber gut in die Geschichte passt - wirklich schön und greifbar erzählt. Die Emotionen springen beim Lesen auf uns über und wir können erahnen, in welcher Achterbahnfahrt sich die Protagonisten befinden. Von dem her also doch eher ein überzeugendes, wenn auch nicht allzu tiefgründiges Buch, als eine seichte Selbstdarstellung unserer Protagonistin.

Meine Empfehlung:
Ich hatte ein paar Kritikpunkte, muss da Buch aber insgesamt für seine Idee und die oben genannten überwiegenden positiven Punkte loben. Einigen wirklich anstrengenden Szenen mit Lena zum Trotz habe ich "Zeilen ans Meer" sehr gerne gelesen und möchte euch das Buch empfehlen, da meine Kritik äusserst subjektiv ausfällt.