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Veröffentlicht am 31.03.2019

Atemlose Spannung

Ausgelöscht
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Ausgelöscht - Cody McFadyen

Reiheninfos:
1. Die Blutlinie
2. Der Todeskünstler
3. Das Böse in uns
4. Ausgelöscht
5. Die Stille vor dem Tod

Inhalt:
"Das Böse in uns", der dritte Band der Reihe um Smoky ...

Ausgelöscht - Cody McFadyen

Reiheninfos:
1. Die Blutlinie
2. Der Todeskünstler
3. Das Böse in uns
4. Ausgelöscht
5. Die Stille vor dem Tod

Inhalt:
"Das Böse in uns", der dritte Band der Reihe um Smoky Barrett, war mein erstes Buch von Cody McFadyen und hat Lust auf mehr gemacht, weshalb ich nun zu "Ausgelöscht", dem vierten Band der Reihe gegriffen habe, weil der praktischerweise schon bei mir auf dem SuB lag
Mit "Ausgelöscht" hat sich McFadyen definitiv selbst übertroffen und vor allem mit viel psychologischer Spannung, Logik, einer Ermittlung, bei der man sehr viele Einblicke in die einzelnen Arbeitsschritte gewinnen kann, und einer sehr persönlichen Verwicklung von Smoky Barrett für ein in sich stimmiges und packendes Buch gesorgt. Nun werde ich die ersten beiden Bände der Reihe definitiv nicht mehr lesen, weil ich erstens einmal schon genug von der Vorgeschichte erfahren habe und zweitens nicht denke, dass diese beiden Bände "Ausgelöscht" toppen können.

Schreibstil und Handlung:
Wie schon im Vorgängerband überzeugt Cody McFadyen mit einem Schreibstil, der sehr brutal und nüchtern zugleich beschreibt, der packt ohne mit billigen Tricks, wie plakativen Cliffhangern, auskommt und vor allem für viele Gänsehautmomente sorgt. Wie sich unschwer erkennen lässt, gerät die FBI-Agentin Barrett in jedem Band ins Visier von verschiedenen Serienkillern, was natürlich eigentlich komplett unrealistisch ist, aber genau deshalb dafür sorgt, dass man sich beim Lesen besonders gut einfühlen kann und um so mehr mitfiebert, weil die Protagonistin immer wieder in Gefahr gerät.
Von der Handlung her bin ich mir ziemlich sicher, dass ich selten einen ausgeklügelteren Thriller gelesen habe. Nicht nur ist viel Recherchearbeit im medizinischen Bereich und rund um das Thema Internetkriminalität geleistet worden, es werden auch die unvorhersehbarsten Wendungen passend eingebunden und so folgt Überraschung auf Überraschung und stets, wenn eine Figur sich wieder in Sicherheit wiegt oder eine neue Erkenntnis zu einem Durchbruch führt, passiert wieder etwas, das alles überschattet und ganz neue Reaktionen fordert.

Meine Empfehlung:
"Ausgelöscht" enthält natürlich Spoiler zu den Vorgängerbänden, gerade bei Krimi- und Thrillerreihen stört mich allerdings gar nie und ich bin der Meinung, dass man diese Bücher eher unabhängig voneinander lesen kann, weshalb ich euch - sofern ihr denn starke Nerven habt und auf viel atemlose Spannung aus seid - "Ausgelöscht" sowohl als Einzelband, als auch die Reihe als Ganzes sehr gerne weiterempfehle.

Veröffentlicht am 31.03.2019

Ein grandioses Buch

HERKUNFT
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Herkunft - Saša Stanišić


Mein Bezug zu Bosnien:
Wie kann ich sagen, was Saša Stanišić mit seinem neuen Roman bei mir ausgelöst hat? Wie kann ich es sagen, ohne meinen Bezug zu Bosnien zu ausufernd zu ...

Herkunft - Saša Stanišić


Mein Bezug zu Bosnien:
Wie kann ich sagen, was Saša Stanišić mit seinem neuen Roman bei mir ausgelöst hat? Wie kann ich es sagen, ohne meinen Bezug zu Bosnien zu ausufernd zu erwähnen? Vielleicht gar nicht, deshalb zuerst einmal: Bosnien ist seit wenig mehr als acht Jahren das Land, aus dem die Liebe meines Lebens in die Schweiz gefunden hat. Bosnien sind Geschichtenerzähler, Gastarbeiter auf Dächern, Schwein am Spiess und die Frage "aber was isst du denn, wenn du kein Fleisch isst?". Bosnien sind unendlich schöne, weite, hügelige Landschaften, Dörfer, in denen Kirchen neben Moscheen stehen, in denen man Strafzettel umgeht, indem man dem Polizisten sagt, mit wem man verwandt ist. Bosnien, das ist eine nicht enden wollende Gastfreundschaft, eine Herzlichkeit, die meistens ehrlich ist, eine Melancholie, die nie vergeht, das sind gemeinsam gesungene Lieder und ganz viele Hochzeiten, das ist eine Grossmutter mit einer Harley in der Garage und einem Hund im Gitterkäfig, das sind viele Gebete, viele zerstörte und wenige wieder aufgebaute Häuser. Bosnien ist Andrić, es ist ein immer wieder gespaltenes und immer wieder (scheinbar) vereintes Land, ein Land, in dem die Menschen müde sind von denen, die etwas zu sagen haben, ein Land, das so viele Religionen, Lieder und Gerichte zu bieten hat, ein Land, in dem verstorbene Grossväter noch regelmässig ihren Stimmzettel ausfüllen, aber keine Steuern mehr bezahlen.

"Herkunft":
Die emotionale Verwirrung um die Herkunft eines Menschen, die Frage "Wessen bist du?", und die krampfhaft versuchte Zuordnungen zu irgendwelchen Stammbäumen kenne ich wohl genau deshalb (und eigentlich indirekt) sehr gut aus Bosnien, das mittlerweile ein wenig eine zweite Heimat für mich geworden ist. Aber "Heimat" ist nicht "Herkunft". "Heimat" ist da, wo die Menschen sind, die man liebt. "Herkunft" ist - vielleicht und unter anderem - wo Menschen, von denen man irgendwie abstammt, auf Friedhöfen liegen. Das sind Gräber, die man besucht und pflegt, an denen man einen Schnaps trinkt.
https://samtpfotenmitkrallen.blogspot.com/2013/06/dieses-buch-empfehle-ich-von-herzen.html
Und schon sind wir mitten in einer Rezension zu einem Buch angelangt, das mich tief berührt und immer wieder dazu gebracht hat, mich zu erinnern. Einem Buch des grossartigsten zeitgenössischen Erzählers aus dem Land, in dem das Erzählen erfunden wurde. Wie ich auf Saša Stanišić aufmerksam geworden bin? Ich denke, dass es der Bruder des Liebsten war (der mich auch mit der Liebe zu Andrić infiziert hat), der mich auf "Wie der Soldat das Grammofon reapariert" aufmerksam gemacht hat. Und auch wenn ich "Vor dem Fest" und "Fallensteller" (noch) nicht gelesen habe, wollte ich "Herkunft", ein weiteres Buch, das Bosnien thematisiert und vor allem das bisher persönlichste Buch Stanišićs ist, unbedingt lesen. Ein Buch, in dem sich Erinnerungen an eine Kindheit als Geflüchteter, an hart arbeitende Eltern, die ersten Geh- und Schreibversuche in einer neuen Sprache und die erste Liebe zu einer Frau aber vor allem auch ganz viele Ausflüge in die Vergangenheit, die Suche nach Antworten und viel bosnische Erzählkunst und Melancholie zu einem grossartigen Ganzen vereinen.

Meine Meinung:
Von den ersten Seiten an war ich mitten in der Geschichte, mitten in meinen und mitten in Stanišićs Erinnerungen und Erlebnissen und fühlte mich sofort verstanden. Ich bin immer noch begeistert und zwar nicht nur von dieser grossartigen Sprache, die niemanden kalt lässt, mit viel Liebe zu einem Land und dessen Leuten erzählt aber auch die Ernüchterung über die Machtlosigkeit gegenüber gewaltsamen Systemen durchscheinen lässt. Sondern auch von der Form dieses Buches, Tagebuch, Briefroman, Fantasy-Abenteuer (das zum Drachenhort führt) und Familienchronik zugleich, die mich den Hut ziehen lässt. Und Stanišić darf getrost ein Meister seines Fachs genannt werden, weil er es schafft, all diese Elemente zu verknüpfen und trotzdem authentisch zu bleiben. Nichts wirkt aufgesetzt oder konstruiert, vielmehr werden einfach alle Möglichkeiten, die "Sprache" zu bieten hat, ausgereizt. Und was dabei resultiert ist "Herkunft", ein Roman, der von Herkunft, aber auch von Heimat erzählt, eine Familienchronik, die sich über einige Generationen und Orte erstreckt, eine Liebesgeschichte an ein Land, das vieles durchmachen musste und noch nicht ganz über dem Berg ist (und wie es mit Liebesgeschichten so ist, sind sie nicht immer nur glücklich und unbeschwert) und eine Sprache, die einem den Boden unter den Füssen entzieht, die nach Luft schnappen lässt, zum Weinen und Lachen bringt, zum Nachdenken anregt und ganz viel Zartheit und Kraft vereint und von der ich nie genug bekommen werde.

Inhalt und Sprache:
"Herkunft" ist geschrieben in einer Sprache, die mit Liebe erzählt, reich an Bildern und Metaphern ist und nichts mehr von den Anstrengungen beinhaltet, die nötig waren, sie zu erlernen. Vielmehr sind da nun Dankbarkeit und das Wissen um das Geschenk der Sprache und somit der Kommunikation und eine fahle Erinnerung an das Gefühl, sich nicht ausdrücken zu können, nicht verstanden zu werden. In "Herkunft" erzählt Stanišić von seiner Familie, seiner dementen Grossmutter, die ihn stets zärtlich "mein Esel" oder "meine Sonne" nennt, seinen Eltern, die alles aufgeben mussten und ein neues Leben gefunden haben, seinen Mitschülern und einer Gruppe Jugendlicher an einer Tankstelle, die zu einer zweiten Familie geworden sind. Besonders berührt haben mich übrigens neben den Erzählungen von liebevollen und kostbaren Erinnerungen und Begegnungen mit seiner Grossmutter die kurzen Sequenzen, in denen Stanišić von seiner Flucht erzählt. Gemeinsam mit seiner Mutter ist er nach Deutschland geflüchtet, während der Vater noch in der Heimat bleiben und sich um seine Mutter kümmern wollte. "Herkunft" lebt aber nicht nur von Erinnerungen, sondern auch von Leerstellen, welche diese Dinge nicht sagen, die man nicht sagen kann, die von einem Minenfeld, einer Narbe am Oberschenkel und vielen Soldaten erzählen würden, wenn sie könnten.
Und immer wieder geht es in Gedanken zurück zur Grossmutter, der einzigen Verwandten, die in Višegrad geblieben ist und so zugleich für die Vergangenheit steht und für ein Land, das nun ein neues Land, ein Dorf, das nun ein anderes Dorf ist. Was in "Wie der Soldat das Grammofon repariert" die Drina ist, die von alten Märchen erzählt, den Krieg überdauert hat (und viele Kriege zuvor) und nach dem Krieg alles reinwäscht und wie eine Festung, ein Mahnmal in der Landschaft fliesst, ist nun die Grossmutter, welche die Fäden der Familienchronik zusammenhält und doch langsam und unaufhaltsam vergisst und die von Stanišić, dem ewigen Erzähler, 2018 besucht wird. "Herkunft" ist ein Festhalten an Erinnerungen, an Menschen, an Vergangenem, eine Suche nach Wurzeln und Antworten und ein sehr persönliches, bewegendes, kluges und faszinierendes Buch.

Meine Empfehlung:
Saša Stanišić hat sich selber übertroffen und mit "Herkunft" ein Buch geschrieben, das auf den Punkt bringt, wie schwer es sein kann, sich und seine eigene Geschichte und die vielen Facetten der eigenen Herkunft zu ergründen, sich zwischen den Welten zu fühlen, stets auf der Suche, nie angekommen und doch glücklich zu sein und weil sich dies so berührend und spannend und charmant und so wundervoll melancholisch liest, empfehle ich euch dieses Buch von Herzen weiter.


Weiterführende Literatur aus und über Bosnien:
Wesire und Konsuln - Ivo Andrić
Die Brücke über die Drina - Ivo Andrić
Das Fräulein - Ivo Andrić
Der verdammte Hof - Ivo Andrić
Die verschlossene Tür - Ivo Andrić
Lyrik und lyrische Prosa/Ex Ponto - Ivo Andrić
Wie der Soldat das Grammofon repariert - Saša Stanišić
Der Derwisch und der Tod - Meša Selimović
Lazarus - Aleksandar Hemon
Lodgers - Nenad Veličković (Englisch)

Veröffentlicht am 31.03.2019

Gelungener Abschluss dieser Trilogie

Die Frauen von Troja
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Dieses Rezensionsexemplar aus dem Goldmann-Verlag hat mich via Bloggerportal erreicht.

Die Frauen von Troja, Tochter des Himmels - Emily Hauser

Reiheninfos:
1. Tochter des Sturms (Troja 1)
2. Tochter ...

Dieses Rezensionsexemplar aus dem Goldmann-Verlag hat mich via Bloggerportal erreicht.

Die Frauen von Troja, Tochter des Himmels - Emily Hauser

Reiheninfos:
1. Tochter des Sturms (Troja 1)
2. Tochter des Meeres (Troja 2)
3. Tochter des Himmels ( Troja 3)

Meine Meinung/Inhalt:
Es hat mich sehr gefreut, dass ich auch diesen dritten Band der Reihe zugestellt bekommen habe und weil ich in anderen Büchern gerade ein wenig feststecke (und die trotzdem noch bis Sonntag beenden möchte), habe ich mir dieses Buch, das die sagenumrankten Amazonen thematisiert, gegönnt. Es ist wirklich erstaunlich, wie spannend, verständlich und vor allem sehr, sehr kurzweilig Geschichte sein kann und um so mehr ziehe ich meinen Hut, weil Emily Hauser als Fachfrau nicht nur historisch fundiert erzählt, sondern auch sämtliche Quellen nennt, weiterführende Literatur aufzählt, Zitate selber übersetzt und im Anhang auch noch ein enormes Personenverzeichnis und ein Verzeichnis der thematisierten realen und fiktiven Orte, ein paar Anmerkungen zum Umgang mit der Sprache der Amazonen sowie zu den unterschiedlichen Schreibweisen von Personen und Orten auflistet. Dies ist zwar in allen Bänden der Fall, in diesem dritten und letzten Band der Reihe ist der Anhang aber am umfangreichsten und dies habe ich als sehr nützlich und wissenswert empfunden.
Dieser dritte Band der Reihe spielt übrigens von der zeitlichen Abfolge her vor dem ersten Band und nimmt Bezug auf die Ereignisse von "Tochter des Sturms". Anfangs war ich mir nicht sicher, ob ich den dritten Band der Reihe nicht sogar zuerst hätte lesen sollen, die Geschichte macht aber in dieser umgekehrten Reihenfolge wirklich viel mehr Sinn und auch die Eingliederung des zweiten Bandes dazwischen, dessen Handlung nur lose als Nebenstrang in die anderen Bände passt, ist perfekt gelungen.
Inhaltlich und sprachlich hat mir auch dieses Buch wieder sehr gut gefallen. Ich wurde sehr gut unterhalten, konnte die einzelnen Figuren fassen und war wirklich gespannt auf den Fortgang der Handlung, weil ich mich bisher noch nicht sehr auführlich mit den Amazonen befasst habe. Lediglich die Intermezzen um die Götter auf dem Olymp fand ich diesmal ein wenig zu ausführlich gestaltet.


Ein paar Worte zu Schreibstil und Handlung:
Packend, berührend und flüssig ist die Sprache, mit der Emily Hauser voller Leidenschaft für Geschichte und die Sagen und Mythen der Antike auch diesen dritten Band der Trilogie erzählt. Die Frauen Admete, eine Griechin, die sich mit der Heilkunst auskennt und verzweifelt nach einem Heilmittel für ihren schwerkranken Bruder, den Königssohn Alexander, sucht und Hippolyta, die Amazonenkönigin, welche bereit ist, ihr Leben für das Schicksal ihres Volkes zu riskieren, werden in diesem Band der Reihe ins Zentrum gestellt. Besonders spannend ist, dass die Geschichte - wie auch schon im ersten Band der Reihe - aus der Sicht beider Frauen erzählt wird, was natürlich gerade in diesen Handlungsmomenten, in denen die Griechen auf die Amazonen treffen, für bewegende Eindrücke in die unterschiedlichen Erlebnisse der Frauen sorgt. Dazwischen werden auch noch die Mythen um die Götter auf dem Olymp erzählt, was mir insgesamt ein wenig zu ausführlich und eigentlich nicht notwendig für die Handlung war, wenn auch natürlich von den Sagen her eben genau die Handlungen und Entscheidungen der Götter überhaupt erst zu den Kriegen geführt haben.
Ansonsten aber hat mir vor allem der Aufbau und die inhaltliche Verbindung mit den anderen Bänden sehr gut gefallen, auch wenn ich denke, dass die drei Bände unabhängig voneinander oder sogar einzeln gelesen werden können, was aber eigentlich sehr schade wäre, weil man dann ganz viele Seiten voller Unterhaltung, Wissen, Romantik, Spannung und Emanzipation verpassen würde.


Meine Empfehlung:
Dieser dritte Band der Reihe schlägt inhaltlich und sprachlich einen Bogen zu den beiden anderen Bänden und sorgt so nicht nur für einen packenden Abschluss der Trilogie, sondern für noch viel mehr Wissen, Vorgeschichte und Einblicke in das Schicksal weiterer Frauen und Völker und dies erst noch sehr kurzweilig und einfühlsam erzählt. Von mir gibt es deshalb eine sehr deutliche Leseempfehlung und zwar für die ganze Trilogie.

Veröffentlicht am 31.03.2019

Schön, aber da wäre mehr möglich gewesen

Mein Weihnachtswunsch bist du
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Mein Weihnachtswunsch bist du - Jenny Hale

Der Inhalt und die Leserunde:
Es hat mich sehr gefreut, dass gleich mein erster Besuch im neuen Portal der Lesejury (und so neu ist es ja nun auch wieder nicht, ...

Mein Weihnachtswunsch bist du - Jenny Hale

Der Inhalt und die Leserunde:
Es hat mich sehr gefreut, dass gleich mein erster Besuch im neuen Portal der Lesejury (und so neu ist es ja nun auch wieder nicht, ich war dort einfach schon sehr lange nicht mehr online...), mit einem Buchgewinn gekrönt wurde. Meine erste Bewerbung, die ich nach so langer Pause abgeschickt habe, war also erfolgreich und ich ich habe mich sehr auf die Leserunde gefreut, die genau an meinem Geburtstag gestartet wurde. Der Austausch war wundervoll und obwohl unsere Meinungen teilweise sehr unterschiedlich sind und waren, so war es ein Genuss, über das Buch zu diskutieren. Die aktuellen Lichtverhältnisse lassen ja leider keine wirklich tollen Fotos zu, aber es soll hier definitiv noch erwähnt sein, dass dieses Buch nicht nur wunderbar kitschig anzusehen ist, sondern dass die vielen Schneesterne auf dem ganzen Einband auch noch herrlich glitzern...

Meine Meinung zum Inhalt:
Nun aber noch zum Inhalt. Ich bin mir sehr sicher, dass mein Lesegeschmack sich in den letzten Jahren stark verändert hat und dass ich insgesamt kritischer, aufmerksamer, emanzipierter und neugieriger geworden bin. Trotz allem vergeht für mich keine Adventszeit ohne Kitsch und da darf auch ein richtig guter romantischer Roman nicht fehlen. Was aber ist ein richtig guter und romantischer Roman? Meiner Meinung nach können (und sollen) auch Romane mit Happy End-Garantie hochwertig, intelligent, humorvoll und mit einem gewissen Anspruch an die Leserschaft geschrieben sein.
Debbie Macomber und Debbie Johnson, sowie Kerry Fisher oder auch Lucinda Riley machen dies in meinen Augen grandios und die Bücher von Gilles Legardinier sind ein wahrer Genuss. Fundierte Recherchen, starke, menschliche und sehr authentische Protagonistinnen und Protagonisten mit Stärken und Schwächen, Romantik, Drama, Tiefgang, Humor und eine in sich stimmige Handlung sind da in wirklich jedem Buch anzutreffen. Jenny Hale ist dies mit "Mein Weihnachtswunsch bist du" nicht immer ganz gelungen. Da finden sich nämlich sich widersprechende Aussagen, nicht wirklich stimmige Szenen, grosse Lücken, die sich in einem normalen Leben nie ergeben hätten, und, und... Zum Beispiel erbt Leah die Hälfte des Hauses ihrer Grossmutter und wird dann vor eine schwere Entscheidung gestellt, ihre Eltern aber lässt sie komplett aussen vor, bespricht sich nicht einmal mit ihnen, sie tauchen erst am Ende einmal auf und ich bin mir nicht einmal mehr sicher, ob Leahs Mutter oder Leahs Vater das Kind ihrer Grossmutter war, so unwichtig sind sie für das Geschehen. Auch wird über den Preis des Grundstücks verhandelt, das riesig sein muss, bei allem, was es beinhaltet und doch konnte ich es mir am Ende immer noch nicht richtig vorstellen, weil es der Autorin wohl nicht ganz so wichtig war und das Lektorat da auch nicht Einspruch erhoben hat.
Von solchen nicht wirklich falschen und nicht komplett unlogischen aber doch störenden Unstimmigkeiten wimmelt dieses Buch. Einige Mitleserinnen in der Leserunde taten diese Einwände mit "Es ist doch nur ein Liebesroman" ab. Aber muss das wirklich sein? Sind wir Leserinnen und Leser, die einfach einmal etwas fürs Herz wollen, so leicht zu bedienen? Müssen Bücher, die wir gerne lesen, wirklich seicht und eher realitätsfremd sein? Dürfen wir so einfach abgespiesen werden?
Versteht mich nicht falsch. Das Buch war in Ordnung. Das Ende hat gepasst, ein wenig Romantik und Kitsch kamen auf, es gab Schnee, Kinderlachen und ein schönes Weihnachtsfest, aber das reicht mir leider noch nicht ganz. Ich persönlich vermute, dass hier an der Recherchearbeit und am (inhaltlichen) Lektorat gespart worden ist, um dieses Buch schnell auf den Markt zu bringen und fühle mich diesbezüglich ein wenig hintergangen. So einfach möchte ich eigentlich nicht (mehr) mit Lesestoff beliefert werden.

Schreibstil und Handlung:
Die Sprache liest sich flüssig und humorvoll und so fliegt man beim Lesen nur so durch die Seiten. Mir fehlte vor allem am Anfang ein wenig Tiefgang und die Emotionen waren für mich nicht fassbar. Leah erzählt zum Beispiel viel von ihrer Trauer über den plötzlichen Verlust ihrer Nan. Ich bin normalerweise sehr schnell zu Tränen gerührt, aber das kam bei mir leider so gar nicht an (und war auch nicht der einzige Aspekt, der mich leider kaltgelassen hat).
Ansonsten hat mich das Buch gut unterhalten, sämtliche weihnachtlichen Klischees wurden bedient (inklusive dem ewig gestrigen und mittlerweile nicht mehr salonfähigen Bild der eigentlich ohne Mann total hilflosen Protagonistin und der Frauen, die "in der Küche stehen", während die Männer "arbeiten", wow, das liest sich noch schlimmer als im Buch, wenn ich es in Anführungszeichen setze) und ein glitzerndes Weihnachtsfest voller Lichterglanz und Wärme durfte auch nicht fehlen.
Insgesamt war mir das aber - wie gesagt - alles ein wenig zu seicht, zu konservativ und leider einfach zu wenig ausgereift. Sehr enttäuscht war ich dann aber vom Epilog. Der hätte gar nicht sein müssen. Im Gegenteil, die Autorin hätte sich diesen Teil der Geschichte besser für ein paar Folgebände aufgespart, da hätte man nämlich wirklich noch etwas aus der Erzählung herausholen können. Schade, da wurde einiges an inhaltlichem Potenzial verschenkt, wo es doch sprachlich am Ende wirklich super gepasst hat und die Weihnachtsstimmung perfekt war.

Mein Fazit:
Dieses Buch empfehle ich euch nicht. Nicht, weil es schlecht wäre oder zu wenig romantisch und nicht, weil die negativen Seiten überwiegen. Vielmehr verpasst ihr einfach nichts, wenn ihr dieses Buch nicht lest und da die Geschichte einfach ingesamt zu wenig ausgereift ist, greift ihr lieber zu einem anderen Buch aus diesem Genre, Auswahl gibt es ja genug

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