Was mach ich nur mit meiner Trauer? Vom Tabuthema zum wichtigsten Bestandteil der Trauerarbeit!
Was mach ich nur mit meiner Trauer? (Starke Kinder, glückliche Eltern)Für mich war es das zweite Buch von Kinderbuchautorin und Illustratorin Dagmar Geisler, welches alltägliche Themen und auch leider immer noch Tabuthemen thematisiert und auf sehr angenehme, sehr intensive ...
Für mich war es das zweite Buch von Kinderbuchautorin und Illustratorin Dagmar Geisler, welches alltägliche Themen und auch leider immer noch Tabuthemen thematisiert und auf sehr angenehme, sehr intensive und doch sehr kindgerechte Art bearbeitet. In meiner Arbeit stehen ich als Krankenschwester auf einer onkologischen Station mit Palliativanteil oft vor den trauernden Kleinen, die gerade mit solchen Themen und auch dem nahenden Tod eines Familienmitgliedes überfordert sind, da sie vor solchen Themen behütet und noch nie konfrontiert gesehen haben. Aber auch wir Erwachsenen sehen uns oft hilflos dieser Situation gegenüber, einem Kleinkind auf informative und altersentsprechende Art das Geschehen zu erklären und ihnen dann auch noch das Gefühl zu vermitteln, dass ihre Gefühle alles andere als falsch sind. Wut, Hass, Trauer und Liebe sind Emotionen, die nie weit voneinander entfernt sind und sich oft selbst ein Bein stellen. Was für andere vielleicht versöhnlich wirkt, schürt bei einem anderen Ängste. Und gerade da sollte die Arbeit mit solchen Themen rechtzeitig beginnen, bevor das Unvorstellbare eintritt.
Mit der Reihe „Emotionale Entwicklung für Kinder ab 5 Jahren“ hat Dagmar Geisler Sachbücher erschaffen, die gerade solche Themen, mit denen man sich normaler Weise nicht auseinandersetzt und doch so notwendig im Leben sind.
Gerade Trauer begegnet uns in vielen Facetten, jeder reagiert anders und jeder bearbeitet sie auf seine Weise. In meiner Arbeit ist dieses Sachbuch ein wichtiger Bestandteil geworden und auch meine Kollegen/innen, Ärzte und unsere Psychoonkologin haben es für ihre Arbeit eingesetzt und schätzen gelernt, denn leider ist es so, dass unsere Patienten mitunter immer jünger werden und in diesem Zusammenhang ganz andere Voraussetzungen in der Betreuung entstehen.
Eine immer wiederkehrende Frage ist : „Wie sage ich meinen Kindern, dass ich sie bald verlassen werde und wie halte ich Erinnerungen aufrecht, die positiv sind und auch wichtig in der Trauerbewältigung?“ Die Kleinen gehen gerade mit solchen Themen anders um. Manche sind richtig taff und informiert, andere hingegen stehen diesem Thema sehr distanziert gegenüber und andere wiederum sind so sensibel, dass man Angst hat sie mit solchen Themen zu konfrontieren. Kindertrauer ist etwas besonderes, welches Feingefühl, Aufmerksamkeit und eine andere Herangehensweise benötigt um keinen Schaden anzurichten.
Ich betrachte dieses Buch als eine Art Leitfaden, denn die Autorin zeigt nicht nur auf, dass selbst alltägliche Situationen und Missgeschicke zu Trauer führen kann, sondern auch, dass jeder unterschiedlich reagiert, aber vor allem, dass es bei diesem Thema kein richtig oder falsch gibt, und dass jede Äußerung der Gefühle eine wichtige Grundlage ist und somit einfach alles erlaubt ist um sich und seine Seele zu erleichtern.
Gerade die Herangehensweise der Autorin an dieses Thema hat mir sehr imponiert. Sie erzählt die Geschichte der kleinen Marie, die sehr traurig über den Tod ihrer Uroma ist. Der Verlust ist für die Kleine so enorm, dass sie damit kaum umzugehen weiß. Es zeigt aber auch deutlich, dass jeder Mensch anders trauert und jeder für die Bewältigung unterschiedlich lange braucht. Zeit sollte bei diesem schweren Thema keine Rolle spielen und man sollte jeden soviel davon geben, wie er persönlich für sich brauch um den Verlust eines geliebten Menschen ( oder auch anderen Dingen) zu verarbeiten.
Zeit spielt gerade hier eine wichtige Rolle, aber noch wichtiger ist, dass man das Thema nicht zu einem Tabuthema werden lässt und beginnt die Kleinen zum Schutz aus dieser Situation herauszunehmen. Der Trauerprozess ist sehr wichtig, nicht nur für uns Erwachsenen. Kinder brauchen dazu jemanden, auf den sie sich verlassen können und die sollte man sich auch nehmen. Trauer ist etwas, was uns stetig begleitet und auch in Schüben oder gar zeitversetzt stattfinden kann. Kinder sind sehr feinfühlig und manchmal kommen sie gerade mit ihrer Trauer um die Ecke, wenn man selbst mit diesem Thema gerade seinen eigenen Abschluss gefunden hat. Manchmal aber auch unterschätzen wir die Situation, weil das Gefühl aufkommt, dass das Kind nicht zu trauern scheint. Doch der Schein drückt und irgendwann, sei es Tage,Wochen oder Monate später, bricht auch der kleine Zwerg an der Last zusammen und lässt seinen Gefühlen freien lauf.
Hier sollte man nicht blockieren, sondern es zulassen, denn alles ist erlaubt und man sollte sich gerade auch für diesen Fall wappnen können. Trauerarbeit beginnt nämlich dann, wenn man bereit dazu ist es zuzulassen und es ist ein wichtiger Prozess für Kinder diese geballte Ladung an Gefühlen richtig deuten, verarbeiten und zulassen zu können.
Wir raten den Eltern sich gemeinsame Rituale anzueignen um zum einen die Erinnerung an den geliebten Menschen aufrecht zu erhalten, ihren gemeinsam Verlust als Unterstützung und in als einen Weg zur Linderung zu sehen. Es kommen immer wieder positive Feedbacks an uns zurück und auch gerade von den Kleinen ist dies ein Beweis an uns, dass unsere Arbeit und Ansätze sehr wichtig ist und wie selbst lernen täglich daraus, denn auch für uns ist jede Situation neu und eine Herausforderung an der wir wachsen können.
Mit den wundervoll erarbeiteten Illustrationen hebt die Autorin auch die letzten Berührungsängste mit diesen Themen auf und ich finde, dass gerade diese Art an das Thema heranzugehen, die Türen für eine gelungene Zusammenarbeit bezüglich der Trauerbewältigung öffnet!