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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.05.2018

Durch die Hölle

Einmal durch die Hölle und zurück
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Josh Bazells Thriller "Schneller als der Tod" habe ich mit Spannung und gern gelesen. "Einmal durch die Hölle und zurück"  ist die Fortsetzung, wenn auch diesmal das Thema Umweltzerstörung und Geldgier ...

Josh Bazells Thriller "Schneller als der Tod" habe ich mit Spannung und gern gelesen. "Einmal durch die Hölle und zurück"  ist die Fortsetzung, wenn auch diesmal das Thema Umweltzerstörung und Geldgier stärker in den Vordergrund gerückt werden. Die Hauptfigur, ein ehemaliger Auftragskiller, jetzt Arzt mit ungewöhnlichen Behandlungsmethoden, wird von der Mafia gesucht. Von einem schwerreichen Amerikaner engagiert, um herauszufinden, ob es eine Art Nessie in einem abgelegenen See wirklich gibt. Ihm zur Seite gestellt wird die attraktive Paläontologin Violet, die er beschützen soll. Unterwegs stoßen sie auf Drogendealer, Straßengangs, mysteriöse Ärzte, rassistische Abenteurer, selbstgefällige Politiker, ungeklärte Morde, Felsmalereien und beginnen eine Kanutour mit ungeahnten Geschehnissen.

Viele, viele sonst eher ungeliebte Fußnoten beleuchten und erklären sowohl medizinische und politische Hintergrüne. Eloquent geschrieben, muss ja nicht immer wahr sein. Trotzdem werden erschreckende Ignoranz und Horrorszenarios für die Zukunft offenbart, Profitgier, Sensationslust und ideologische Beeinflussung werden angeprangert.

Nicht so spannend wie sein Vorgänger regt dieses Buch mehr zum Nachdenken über moralische Werte und den Schutz unserer Umwelt an und hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck.

Veröffentlicht am 31.05.2018

Erschütternd

Raum
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Wahrhaft erschütternd, faszinierend, packend - dieses Buch legt man nicht beiseite! Wie kann ein Mensch einem anderen so etwas nur antun - auf knapp 16² m jahrelang eingesperrt sein, ohne Hoffnung, total ...

Wahrhaft erschütternd, faszinierend, packend - dieses Buch legt man nicht beiseite! Wie kann ein Mensch einem anderen so etwas nur antun - auf knapp 16² m jahrelang eingesperrt sein, ohne Hoffnung, total abhängig von der Gnade eines Monsters, zusammen mit einem Kind.... Ma ist unglaublich stark, sie lebt ihr Leben für ihren Sohn, lehrt ihn, schützt ihn, gibt nicht auf. Bewundernswert. Die Hauptperson, Jack, berichtet von seinem fünften Geburtstag an über sein Leben. Er kennt nichts Anderes als "Raum" und seine Ma. Für ihn ist das also normal, Sport macht er auch, es wird viel gebastelt, das Geschehen im Fernsehen ist für ihn eine erfundene Welt, Sonntagsguttis sind ein Höhepunkt. Er muss in einem Schrank schlafen, hungern, frieren, unsichtbar für Old Nick bleiben. Gerade, dass alles so normal für Jack ist, macht fassungslos. Was entgeht dem Jungen, wie tapfer ist seine Mutter, die zudem ständig unter Zahnschmerzen und einem gebrochenen Handgelenk leidet. Aber als der Junge jetzt \ geworden ist, ändert sich einiges, die Situation spitzt sich zu. Ich habe es nicht für möglich gehalten, aber Jack gelingt die Flucht und seine Mutter wird nach sieben Jahren befreit. Happy End? Bei weitem nicht. Für Jack ein ganz großer Schock. Trotz "Entlügens" seiner bisherigen Welt durch die Mutter als Vorbereitung auf die Flucht ist alles fremd, laut, ungewohnt, anders. Auch seine Ma, die zusammenbricht und einen Selbstmordversuch unternimmt. Aber Jack ist mutig, wissbegierig, er wird betreut und von Verwandten umsorgt, auch wenn diese teilweise gedankenlos und unüberlegt handeln oder überfordert sind. Verständlich, wenn er vertraute Dinge wie den stinkigen Teppich aus "Raum" vermisst. Unglaublich, was dieser kleine Kerl durchmacht. Zu seinem Glück stößt er aber auch auf viel Verständnis, seine Ma erholt sich, sie nehmen das Leben in Angriff. Man kann hoffen, dass sie ihren Frieden finden. Emma Donoghue hat ein großartiges Buch geschrieben. Wie sie Jack erzählen lässt, einfach nur erzählen ohne Wertung, ist absolut packend. Jack registriert ohne Kritik, ohne Verurteilung, ganz sachlich. Er erfindet Worte wie Mungst, zusammengesetzt aus Mut und Angst. Dinge sind seine Freunde. Man steigt ein in seine Welt und ist erschüttert. Ich habe selten ein so tolles Buch gelesen. Absolut empfehlenswert.

Veröffentlicht am 31.05.2018

Hilfreiche Geschichten?

Das Leben und Schlimmeres
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Behördenspitzfindigkeiten, Ökogase, Hunde, Krankenhäuser, Taschentücher, Schlagersänger... alles wird betrachtet, kein Thema - mag es noch so skurril klingen (nordische Hexen, Fledermäuslhäusl) wird ausgelassen. ...

Behördenspitzfindigkeiten, Ökogase, Hunde, Krankenhäuser, Taschentücher, Schlagersänger... alles wird betrachtet, kein Thema - mag es noch so skurril klingen (nordische Hexen, Fledermäuslhäusl) wird ausgelassen. Jedoch hat Herr Ringsgwandl ein Problem: er leidet an sich und an chronischer Übertreibung. Zuerst unterhaltsam und durchaus witzig, langweilen sie nach kurzer Zeit.

"Alltagssituationen" machen neugierig auf seine Geschichten, anschauliche Wortwahl verleiht Lebendigkeit. Manchmal sogar zu viel (Nachhaltig schnäuzen). Schade, dass das Niveau teilweise unter die Gürtellinie rutscht. Warum eigentlich "Hilfreiche Geschichten" (so der Untertitel) ?

Gut ausgewählt das kalte Blau und das entsetzte Gesicht des Autors auf dem Cover. Passt hervorragend zum Buch.

Nicht so mein Fall, aber für derben Humor liebende und schmerzresistente Leser sicher gute Unterhaltung.

Veröffentlicht am 31.05.2018

Was wäre, wenn...?

Endzeit
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Gabrielle Fox, Psychotherapeutin, ist nach einem mitverschuldeten Autounfall auf den Rollstuhl angewiesen., hat ihren Geliebten und ihr Baby verloren. Nach Behandlung und Reha wagt sie einen Neuanfang ...

Gabrielle Fox, Psychotherapeutin, ist nach einem mitverschuldeten Autounfall auf den Rollstuhl angewiesen., hat ihren Geliebten und ihr Baby verloren. Nach Behandlung und Reha wagt sie einen Neuanfang im weit entfernten Oxsmith Psychiatric Hospital, "dem Heim der hundert gefährlichsten Kinder im Land, einer Einrichtung, die als Mülleimer für Menschen" gilt. Ihr wird Bethany Krall, mit der niemand sonst arbeiten will, die als nicht therapierbar und extrem aggressiv gilt, zugewiesen. Bethany hat ihre Mutter brutal getötet. Jetzt bleibt sie meistens stumm, zeigt Verstörtheit und verletzt sich selbst. Einen sie provozierenden Jungen sticht sie mit einem Teil des von ihm zerstörten Globusses und interessiert sich nicht für die Folgen, nur dafür, welcher Erdteil die Wunden verursachte. Erinnert ein wenig an Hannibal Lector, den Psychopathen aus "Schweigen der Lämmer". Auf Elektroschockbehandlungen spricht Bethany an und verlangt danach. Sie hat Visionen von Naturkatastrophen, kann Ort und Zeit exakt voraussagen. Zunächst werden diese Prophezeihungen als Zufälle abgetan, Gabriella jedoch möchte die betroffenen Menschen warnen und wird als ebenso unglaubwürdig erachtet. Unterstützung bekommt sie von einem angesehenen Physiker, der seine Verantwortung erkennt und dafür seinen guten Ruf aufs Spiel setzt. Die Voraussagen von Bethany, \, erfüllen sich weiter auf grausame Weise. Für den 12. Oktober sagt sie einen riesigen Tsunami, der Dänemark, die Niederlande, Norddeutschland, Belgien und Großbritannien überschwemmen wird, voraus. Die Welt danach ist auf erschreckende Weise verändert: Klimaerwärmung, schmelzende Gletscher, sich ausdehnende Ozeane und ertrinkende Kontinente. Die Menschen kämpfen ums Überleben, viele verlieren diesen Kampf. Wird Bethany auch hier recht behalten? Können Gabrielle und der Physiker, inzwischen ein Liebespaar, einflussreiche Verbündete gewinnen? All das werde ich nicht verraten, nur so viel: ein faszinierender Thriller, packend geschrieben, befasst mit aktuellen Problemen der menschlichen Profitgier und gewissenloser Zerstörung der Umwelt, wartet hier auf Leser. Liz Jensen ist ein intelligentes, phantasievolles und packendes Szenario gelungen, ganz große Klasse.

Veröffentlicht am 31.05.2018

Nicht alles ist so, wie es scheint

Zeugin der Toten
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Ein faszinierendes Buch, wenn auch anders, als erwartet.

1985, in einem Kinderheim in Stralsund. Ein fünfjähriges Mädchen wird gegen ein anderes ausgetauscht und heißt ab sofort wie diese: Judith Kepler.

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Ein faszinierendes Buch, wenn auch anders, als erwartet.

1985, in einem Kinderheim in Stralsund. Ein fünfjähriges Mädchen wird gegen ein anderes ausgetauscht und heißt ab sofort wie diese: Judith Kepler.

Mehr als 20 Jahre später hat Judith einiges hinter sich; lieblose Kindheit und Jugend im Heim, Alkoholmissbrauch, Drogenabhängigkeit. Jetzt arbeitet sie als Cleaner in einem Gebäudereinigungsunternehmen, putzt in öffentlichen Einrichtungen oder reinigt Haushalte Verstorbener. Das ist bei weitem nicht so harmlos, wie sich das zunächst anhört. Nicht nur die Todesumstände werden ersichtlich, oft trifft Judith auf Verwesung und eklige Hinterlassenschaften, die beseitigt werden müssen. Die Beschreibung der Szene in der Wohnung der alten Frau ist besonders gelungen, hier wird ein Schicksal erzählt.

Im Haushalt einer ermordeten jungen Frau findet Judith ihre Heimakte. Warum und wieso bei einer Unbekannten? Warum wurde diese ermordet? Nach und nach findet Judith Spuren, die ins Jahr 1985 zurückreichen. An speziellen Dokumenten aus dieser Zeit haben mehrere Organisationen Interesse, der BND, ausländische Geheimdienste, die StaSi. Auf ihrer Suche erlebt Judith brisante Situationen, sie wird bedroht, entführt, als Mörderin hingestellt. Allmählich werden Zusammenhänge klar, im Dunkeln Liegendes wird erhellt. Hilfe bekommt Judith von einem Exagenten des BND, auch von ihrem väterlichen Chef.

Mit Mut, Glück und Dreistigkeit erreicht sie... ja was?

Elisabeth Herrmann schreibt spannend, die handelnden Personen werden anschaulich dargestellt, man empfindet auch für sperrige Charaktere Sympathie. Nicht alles ist glaubhaft, aber der Handlungsablauf ist nachvollziehbar.

Ein lesenswertes Buch, das die Zeit des Kalten Krieges und seine Auswirkungen bis heute erhellt.