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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.06.2018

Seuchen, Krätze, Cholera

Die Charité: Hoffnung und Schicksal
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Seuchen, Krätze, Syphilis
Die Cholera ist in Berlin! Doch nicht nur mit dieser Seuche, auch mit Krätze, Syphilis, Brüchen, Verbrennungen, Amputationen werden die Ärzte in Berlin konfrontiert. Gegensätzliche ...

Seuchen, Krätze, Syphilis
Die Cholera ist in Berlin! Doch nicht nur mit dieser Seuche, auch mit Krätze, Syphilis, Brüchen, Verbrennungen, Amputationen werden die Ärzte in Berlin konfrontiert. Gegensätzliche Lehrmeinungen prallen aufeinander, von Hygiene kann keine Rede sein, Krankenwärter sind rar und unwillig. All diese Dinge und noch viel mehr spielen sich in der Charité ab. Folterhölle? Ort der Wissenschaft? Gesundwerde-Anstalt?
Ein spannender Einblick in die Geschichte dieses berühmten Hauses. Krankenhausalltag aus Sicht der Ärzte und Pfleger. Hierarchien behindern den Fortschritt. Arme Patienten werden zu Versuchskaninchen, aber auch wohlhabende Patienten erfahren oft die Schrecken unausgereifter Techniken. Depressiven Patienten werden bewusst heftige Schmerzen zugefügt, um ihren Geist zu wecken. Trotzdem: engagierte und wissbegierige Ärzte entdecken schonendere Verfahren, gehen neue Wege, tun alles zum Wohl der Kranken. Bessere Operationsmethoden werden durchgesetzt. Und auch bei den Pflegekräften gibt es Veränderungen: eine Art Ausbildung wird eingeführt. Gut für die meist rechtlosen Insassen. Die miserable Bezahlung aber bleibt, Personalmangel führt zu Pflegenotstand. Da hat sich bis heute nicht viel getan.
Natürlich kommt auch die Liebe nicht zu kurz.
Lest selber, es lohnt sich.

Veröffentlicht am 31.05.2018

Erschütternd

Raum
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Wahrhaft erschütternd, faszinierend, packend - dieses Buch legt man nicht beiseite! Wie kann ein Mensch einem anderen so etwas nur antun - auf knapp 16² m jahrelang eingesperrt sein, ohne Hoffnung, total ...

Wahrhaft erschütternd, faszinierend, packend - dieses Buch legt man nicht beiseite! Wie kann ein Mensch einem anderen so etwas nur antun - auf knapp 16² m jahrelang eingesperrt sein, ohne Hoffnung, total abhängig von der Gnade eines Monsters, zusammen mit einem Kind.... Ma ist unglaublich stark, sie lebt ihr Leben für ihren Sohn, lehrt ihn, schützt ihn, gibt nicht auf. Bewundernswert. Die Hauptperson, Jack, berichtet von seinem fünften Geburtstag an über sein Leben. Er kennt nichts Anderes als "Raum" und seine Ma. Für ihn ist das also normal, Sport macht er auch, es wird viel gebastelt, das Geschehen im Fernsehen ist für ihn eine erfundene Welt, Sonntagsguttis sind ein Höhepunkt. Er muss in einem Schrank schlafen, hungern, frieren, unsichtbar für Old Nick bleiben. Gerade, dass alles so normal für Jack ist, macht fassungslos. Was entgeht dem Jungen, wie tapfer ist seine Mutter, die zudem ständig unter Zahnschmerzen und einem gebrochenen Handgelenk leidet. Aber als der Junge jetzt \ geworden ist, ändert sich einiges, die Situation spitzt sich zu. Ich habe es nicht für möglich gehalten, aber Jack gelingt die Flucht und seine Mutter wird nach sieben Jahren befreit. Happy End? Bei weitem nicht. Für Jack ein ganz großer Schock. Trotz "Entlügens" seiner bisherigen Welt durch die Mutter als Vorbereitung auf die Flucht ist alles fremd, laut, ungewohnt, anders. Auch seine Ma, die zusammenbricht und einen Selbstmordversuch unternimmt. Aber Jack ist mutig, wissbegierig, er wird betreut und von Verwandten umsorgt, auch wenn diese teilweise gedankenlos und unüberlegt handeln oder überfordert sind. Verständlich, wenn er vertraute Dinge wie den stinkigen Teppich aus "Raum" vermisst. Unglaublich, was dieser kleine Kerl durchmacht. Zu seinem Glück stößt er aber auch auf viel Verständnis, seine Ma erholt sich, sie nehmen das Leben in Angriff. Man kann hoffen, dass sie ihren Frieden finden. Emma Donoghue hat ein großartiges Buch geschrieben. Wie sie Jack erzählen lässt, einfach nur erzählen ohne Wertung, ist absolut packend. Jack registriert ohne Kritik, ohne Verurteilung, ganz sachlich. Er erfindet Worte wie Mungst, zusammengesetzt aus Mut und Angst. Dinge sind seine Freunde. Man steigt ein in seine Welt und ist erschüttert. Ich habe selten ein so tolles Buch gelesen. Absolut empfehlenswert.

Veröffentlicht am 23.05.2018

Eine perfekte Welt?

Kleine Feuer überall
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Shaker Hights ist eine perfekte amerikanische Kleinstadt: alles ist sorgfältig geplant, die Hausfassade hat eine genau festgelegte Farbe, das Gras darf nie höher als 15 cm sein, die Schulen sind perfekt ...

Shaker Hights ist eine perfekte amerikanische Kleinstadt: alles ist sorgfältig geplant, die Hausfassade hat eine genau festgelegte Farbe, das Gras darf nie höher als 15 cm sein, die Schulen sind perfekt ausgestattet. Hier lebt es sich doch schön?
Man sieht es am Beispiel der Richardsons: großes Haus, angesehene Berufe, soziales Engagement, vier Kinder, vier Autos. So wohlhabend, dass die Mieter des kleineren Zweithauses nur wenig Miete zahlen müssen. Gern vermeintlich benachteiligte Mitmenschen. So wie die geheimnisvolle Mia, engagierte, aber wenig begüterte Künstlerin, alleinstehende Mutter mit Tochter Pearl. Sie führte bisher ein unstetes Leben, verweigert sich dem Kommerz, lebt für ihre Kunst und Ihre Tochter. Ihre Bilder könnten viel Geld einbringen, aber das ist nicht Mias Intention.
Moody Richardson ist beeindruckt von Pearl, seine unangepasste Schwester Izzy bewundert Mias Freigeist und ihre ungewöhnlichen Fotos. Pearl hingegen ist fasziniert von Trip Richardson, dem personifizierten Mädchenschwarm und Schwester Lexie, beliebt, schön, gute Noten, stylische Kleidung.
In Shaker Hights ist die vorherrschende Einigkeit dahin: ein Prozess spaltet die Einwohner. Wer darf Baby Mirabelle / Mai Ling aufziehen? Die Mutter, die sie ausgesetzt hat oder die McCulloughs, die eine liebevolle und sorglose Umgebung bieten?
Elena Richardson hinterfragt die Anziehungskraft von Mia und Pearl auf ihre Kinder. Sie möchte Mias Geheimnis unbedingt kennen und schreckt weder vor übergriffigen Nachforschungen oder vor lebensverändernden Folgen zurück.
Auch Lexie stellt eigene Interessen rücksichtslos über die aller anderen.
Ein wunderbares Buch. Schonungslos und mit spitzer Feder entlarvt Celeste Ng Oberflächlichkeit, Selbstgefälligkeit und Arroganz. Gleichzeitig schildert sie Mut, Unangepasstheit, Stärke und Geradlinigkeit. Sie wirft problematische moralische Fragen auf, fordert den Leser, Stellung zu beziehen.
Wunderbar zu lesen.

Veröffentlicht am 05.05.2018

Amazonen

Der Zopf
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Frauen in Indien, Italien, Kanada. Extrem unterschiedliche Lebensbedingungen, Einstellungen, Wünsche, Pläne.
Erschütternd, was indische Frauen, noch dazu in den niederen Kasten, durchmachen müssen. Weder ...

Frauen in Indien, Italien, Kanada. Extrem unterschiedliche Lebensbedingungen, Einstellungen, Wünsche, Pläne.
Erschütternd, was indische Frauen, noch dazu in den niederen Kasten, durchmachen müssen. Weder Gesetze noch Gerechtigkeit sind für sie gemacht. Herzergreifend, was Smita, Lalita und ihre Geschlechtsgenossinnen durchleiden. Kein Schulbesuch, keine Veränderung der Umstände scheinen möglich.
In Italien sind es anders geartete Probleme, die Giulia bewältigen muss. Ihre behütete Welt bricht zusammen, als der Vater einen Unfall erleidet und die Perückenknüpferei, die der Familie und einigen Arbeiterinnen den Lebensunterhalt sichert, vor dem Ruin steht. Kein Ausweg in Sicht.
Sarah in Kanada ist erfolgreiche Rechtsanwältin in einer berühmten Kanzlei, bewundert, schön, stolze Mutter dreier Kinder. Bis eine „Mandarine“ dazwischenkommt.
Faszinierend, mit welchem Mut, mit welcher Kraft die Frauen ihr Schicksal in die Hand nehmen. Das Risiko, zu scheitern, ist hoch. Möglicherweise stehen Schande, Verachtung oder Tod am Ende des Weges.
Ein Buch, das von Anfang an fasziniert, Entsetzen und Staunen hervorruft. Erschütternd die Berichte aus Indien.
Unglaublich mutig, diese Frauen, beispielgebend und vorbildhaft.
Muss man lesen!

Veröffentlicht am 26.03.2018

Nur drei Stunden

NACHTWILD
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Drei Stunden, nur drei Stunden, aber sie verändern alles.
Joan ist mit ihrem fünfjährigen Sohn Lincoln im Zoo. Kurz vor dem Ausgang gerät sie in eine Schießerei, sieht Tote, beschließt, sich zu verstecken. ...

Drei Stunden, nur drei Stunden, aber sie verändern alles.
Joan ist mit ihrem fünfjährigen Sohn Lincoln im Zoo. Kurz vor dem Ausgang gerät sie in eine Schießerei, sieht Tote, beschließt, sich zu verstecken. Wie kann sie ihren wissbegierigen Jungen beruhigen? Wo sind sie sicher? Ein leerstehendes Stachelschweingehege erweist sich nur vorübergehend als Schutz, Lincoln wird hungrig, ungeduldig, zu laut. Joan begibt sich mit ihm auf den gefährlichen Weg zu den Snackautomaten. Unterwegs findet sie ein in einem Mülleimer verstecktes Baby. Soll sie es mitnehmen? Sie trifft noch andere Menschen, ebenso in Lebensgefahr wie sie. Und auf einmal steht Robby mit einem Gewehr vor ihnen...
So eindringlich schildert Gin Philipps die Ängste und Sorgen einer Mutter, die ihren Sohn mit unendlicher Hingabe liebt und beschützt. Auch die Gedanken des Teenagers Kailynn, der pensionierten Lehrerin und des ehemaligen Schülers werden nachvollziehbar beschrieben. Sehr emotional. Gewissenskonflikte, die niemand durchleben möchte. Berührend die Gespräche zwischen Robby und Mrs. Powell, wohl fast die Einzige, die Zugang zu ihm gefunden und einen gewissen positiven Einfluss auf ihn hatte.
Aus dem Versteck vertrieben, beginnt eine Jagd durch den nächtlichen Zoo, eine Flucht vor psychopathischen bzw. fehlgeleiteten Jugendlichen.
Die Kräfte schwinden, Verletzungen bleiben nicht aus. Joan hat nur ein Ziel: Lincoln zu retten.
Ein Buch, welches atemlose Spannung hervorruft, man mag es nicht aus der Hand legen.