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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.12.2018

Langweiliger Bond-Roman

Carte Blanche
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Jeffery Deaver hat früher gute Thriller geschrieben, aber das liegt lange, sehr lange zurück. Seit einigen Jahren produziert Deaver allerdings bestenfalls Mittelmaß, wenn nicht sogar schlicht Mist. Dazu ...

Jeffery Deaver hat früher gute Thriller geschrieben, aber das liegt lange, sehr lange zurück. Seit einigen Jahren produziert Deaver allerdings bestenfalls Mittelmaß, wenn nicht sogar schlicht Mist. Dazu gehört auch dieser Roman, der von sich behauptet, ein James-Bond-Roman zu sein. Ein Mann namens James Bond taucht in dem Buch auch auf, er hat nur überhaupt nichts mit Ian Flemings Romanhelden und schon gar nichts mit den Leinwandinkarnationen zu tun. James-Bond-Fans - von denen der Rückentext behauptet, dass sie die Zielgruppe seien - dürften bei Lektüre vor allem eins sein: entsetzt.

Entsetzt, weil da jemand behauptet, ein Fan von Ian Fleming und James Bond zu sein... und dann so etwas fabriziert. Entsetzt, weil das Buch so entsetzlich langweilig ist, dass man sich schon nach knapp einem Viertel wünscht, das Elend möge endlich ein Ende finden. Entsetzt, weil die Geschichte so furchtbar vorhersehbar ist. Entsetzt, weil der geneigte Leser die Taschenspielertricks, mit denen Deaver versucht, so etwas ähnliches wie Spannung zu produzieren, sofort durchschaut. Entsetzt, weil dieser Autor zu einem der bestbezahlten der Branche gehört und man sich fragt: "Wofür?" Die Antwort ist: Für gequirlte Scheiße. Für eine Aneinanderreihung von Peinlichkeiten. Für den Drang, wirklich immer alles haarklein erklären zu müssen, wodurch die Langeweile noch gesteigert wird.

Ganz ehrlich? Das Buch gehört verboten. Es ist eine Ansammlung von Fremdschämmomenten. Es ist eine Schande für den Beruf. Und Jeffery Deaver sollte sich schämen, für diesen Schund auch noch Geld zu verlangen!

Veröffentlicht am 06.12.2018

Unterhaltsam und kurzweilig

»Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten« und »Einladung zum Klassentreffen«
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Martin Schörle hat in diesem Band gleich zwei Theatertexte veröffentlicht, die recht unterschiedlich ausfallen, aber beide auf ihre Weise unterhaltsam sind.


Den Auftakt macht "Nichtalltägliches aus dem ...

Martin Schörle hat in diesem Band gleich zwei Theatertexte veröffentlicht, die recht unterschiedlich ausfallen, aber beide auf ihre Weise unterhaltsam sind.


Den Auftakt macht "Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten". Dieser Text ist insofern leicht zu lesen, weil es sich um einen Monolog handelt, der nur selten unterbrochen wird. Auch die Regieanweisungen sind eher sparsam, so dass ich den Text fast normal lesen konnte. Während ich den Monolog stellte ich erstaunt fest, dass ich den Text einerseits altmodisch und andererseits total passend fand. Ich schätze, das hat mit meinen Vorurteilen Beamten gegenüber zu tun - die hier durchaus bedient werden, wenn auch nicht so, wie ich erwartet hatte. "Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten" ist witzig und tragisch zugleich, aber letztlich überwiegt der Witz und ich hatte beim Lesen oft den Wunsch, diesen Monolog tatsächlich auf der Bühne zu sehen. Mir hat es sehr gefallen, auch wenn nicht jeder Witz meinen Geschmack getroffen hat!

Der zweite Text ist die "Einladung zum Klassentreffen" - und so beginnt das Stück auch mit ebenjener Einladung. Hier wurde mit meinen Erwartungen gespielt. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob das im Sinne Martin Schörles war. Im Grunde genommen hatte ich nämlich etwas ähnliches wie "Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten" erwartet, allerdings diesmal nicht als Monolog. Deshalb habe ich den Anfang des Stücks auch eher witzig in Erinnerung. Aber ob das einfach meine Wahrnehmung durch das vorangegangene Stück war oder ob es so von Martin Schörle geplant war, kann ich wirklich nicht sagen. Jedenfalls änderte sich das im Lauf des Stückes. Vielmehr gibt es zwar einzelne Szenen, die wirklich amüsant sind, aber letztlich ist "Einladung zum Klassentreffen" eine sehr schöne Fusion von Tragik und Witz, Romantik und Realismus - eben das, was so ein Leben ausmacht. Mich hat das Stück berührt, vor allem das Ende, das ich wundervoll fand.

So absurd in beiden Stücken einzelne Szenen sind, so sind die Stücke selbst sehr bodenständig. Sicher kann man viel hineininterpretieren. Man kann sich aber auch einfach von ihnen unterhalten lassen. Beide Stücke haben meiner Meinung nach ihre Berechtigung, mir persönlich hat aber das zweite Stück besser gefallen - sowohl inhaltlich als auch sprachlich.

Ich bin gespannt, ob Martin Schörle noch weitere Stücke veröffentlichen wird. Talent hat er jedenfalls.

Veröffentlicht am 03.12.2018

Blutleerer Hybrid

The Hunger - Die letzte Reise
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Ach, was habe ich mich auf dieses Buch gefreut! Und nach 174 Seiten dachte ich noch, dass das Buch endlich loslegt und wieder kam Freude auf! Tja, ich hoffte bis zum Ende, dass es endlich losgeht.

Was ...

Ach, was habe ich mich auf dieses Buch gefreut! Und nach 174 Seiten dachte ich noch, dass das Buch endlich loslegt und wieder kam Freude auf! Tja, ich hoffte bis zum Ende, dass es endlich losgeht.

Was lief schief? "The Hunger - Die letzte Reise" ist so ein typischer Fall von falsch beworben und mäßig von der Autorin umgesetzt. "The Hunger - Die letzte Reise" wird auf dem Cover als Roman und nicht als Horrorroman oder Thriller bezeichnet. Insofern trifft den (in diesem Fall deutschen) Verlag keine Schuld (der sich allerdings nicht verkneifen konnte, ein Horror versprechendes Zitat von Stephen King mit auf das Cover zu setzen). Für die Inhaltsangabe auf dem Rücken können sie zwar durchaus zur Verantwortung gezogen werden, aber grundsätzlich wird dort (zu Werbezwecken natürlich reißerisch) das wiedergegeben, was im Buch wiederzufinden ist. Lange Rede, kurzer Sinn: Alma Katsu hat meiner Meinung nach versagt. Und zwar gründlich.

Wisst ihr, was wirklich toll gewesen wäre? Wenn sie einfach spannend erzählt hätte, was wirklich passiert ist. Das WÄRE dann nämlich echter Horror gewesen. Statdtdessen fabuliert sie zu dem realen Horror irgendeine Blutkrankheit, die Menschen in fleischfressende Monster verwandelt, und zieht das dann nicht richtig durch. So ist eine Wischi-Waschi-Mischung entstanden, ein Hybrid, bei dem zumindest bei mir weder Spannung noch Interesse entstanden ist. Stattdessen entstand die quälende Hoffnung auf "mehr".

Ich weiß nicht, was das soll. Ich weiß nicht, was sich Alma Katsu gedacht hat - außer, das Buch für viel Geld nach Hollywood zu verkaufen - und tatsächlich dürfte das Buch als Film deutlich besser funktionieren. Ohne Frage ist ihr Schreibstil sehr angenehm, aber das reicht nicht. Wenn sie schon mit blutrünstigen Monstern aufwartet, dann doch bitte ab einem gewissen Punkt richtig und nicht so blutleer wie hier geschehen. Meine Güte, das kann doch nicht so schwer sein. Es muss ja nicht gleich in ein Gemetzel ausarten, aber ein Buch, das permanent andeutet, dass etwas passieren könnte - es dann aber nicht passieren lässt, das ist schon verdammt mutig.

Zwischendurch habe ich mir gewünscht, das Buch wäre schlechter. Ernsthaft! Ich habe mir wirklich gewünscht es wäre schlechter. Denn dann hätte ich das Buch entweder abgebrochen, was mir sehr viel Lebenszeit erspart hätte, oder ich hätte zumindest etwas gehabt, das Emotionen hervorgerufen hätte - und sei es nur Ärger. So bekam ich ein Werk präsentiert, das permanent viel verspricht und nichts davon hält.

Nein, das war nichts und ich werde mir in Zukunft Bücher von Alma Katsu ersparen.

Veröffentlicht am 28.11.2018

Kafkaesker Science-Fiction-Roman

Das Experiment
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Manchmal sind mir Wissenslücken echt unangenehm, vor allem dann, wenn es sich um gute Schriftsteller handelt. So geht es mir gerade mit Arkadi und Boris Strugatzki, die ich erst jetzt dank des grandiosen ...

Manchmal sind mir Wissenslücken echt unangenehm, vor allem dann, wenn es sich um gute Schriftsteller handelt. So geht es mir gerade mit Arkadi und Boris Strugatzki, die ich erst jetzt dank des grandiosen Romans "Das Experiment" kennengelernt habe. Richtig schlimm ist, dass mir die Brüder, bevor ich das Buch im Laden entdeckte, völlig unbekannt waren.


Ich habe das Buch ehrlich gesagt auch aus den falschen Motiven gekauft, denn ich bin allein nach dem Rückentext des Verlags gegangen. Das soll nicht implizieren, dass der Verlag Irreleitendes geschrieben hat. Vielmehr habe ich die wichtigsten Hinweise völlig ignoriert. So habe ich ein völlig anderes Buch gelesen als ich erwartet hatte. Und trotzdem bin ich hin und weg und froh, das Buch gelesen zu haben. Um ehrlich zu sein: Vielleicht hätte ich den Roman - zumindest zum jetzigen Zeitpunkt - gar nicht gelesen, wenn ich gewusst hätte, was mich erwartet. Mir war nach etwas Seichtem und schnell Lesbarem. "Das Experiment" ist aber nun einmal nicht seicht und die Sätze und vor allem Dialoge fand ich zu gut, um sie in aller Eile zu konsumieren. Manchmal ist es gut, überrascht zu werden.

Bei allen literarischen Qualitäten ist "Das Experiment" aber vor allem eine beißende Kritik am damaligen Sowjet-Russland. Schon nach dem ersten Kapitel stellte sich mir gar nicht mehr die Frage, weshalb die Strugatzki-Brüder das Buch so lange unter Verschluss hielten. Mir hat der Roman aber auch so gut gefallen, weil es mich an vielen Stellen ungemein an Kafkas Werke erinnerte - den Kafka'schen Humor mit eingeschlossen.

Wer ein Buch erwartet, bei dem man das Hirn ausschalten kann, wird enttäuscht werden. Wenigstens ein bisschen sollte man das Hirn einschalten, denn die Fragen, die sich während des Lesens stellen, werden wohlweislich nicht bis zum Erbrechen von den Autoren beantwortet. Da muss der Leser schon mitdenken und sich sein eigenes Bild machen. Es dürfte auch hilfreich sein, ein bisschen über Zaren- und Sowjet-Russland (vor allem unter Stalin und Cruschtschow zu wissen. Ein bisschen allgemeines Geschichtswissen ist durchaus auch hilfreich, um die vielen Andeutungen zu verstehen. Und nein: Das ist nicht arrogant, das ist ein Tipp.

Alle Andeutungen habe ich natürlich nicht verstanden - trotz des Vorworts, des kurzen Erläuterungsteils und des Nachworts, aber das bisschen Allgemeinwissen, über das ich verfüge, hat ungemein geholfen, den Ereignissen zu folgen.

Was aber ist "Das Experiment" nun? Es ist ganz sicher kein typischer Sci-Fi-Roman. Ja, es gibt sie, die Sci-Fi-Elemente, aber im Kern ist "Das Experiment" eine Kritik an verschiedenen politischen Ideologien und eine Parabel auf die Sehnsucht der Menschen nach Erkenntnis zum Sinn des Lebens. Zumindest habe ich das Buch so verstanden.

Mir persönlich hat die Mischung gefallen. Die Strugatzki-Brüder verbinden völlig absurde Geschehnisse (ich sage nur Paviane) mit dystopischen, intellektuellen, philosophischen und aberwitzigen Situationen - und das so gekonnt, dass das Buch einfach Spaß macht.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich empfehle "Das Experiment" all denen, die intelligente Literatur mögen und womöglich etwas mit Franz Kafka anfangen können. Die sind hier gut aufgehoben. "Das Experiment" ist ein tolles Buch, das Lust auf den Rest des Werks der Strugatzki-Brüder macht!

Veröffentlicht am 28.11.2018

Starker Thriller

Feinde
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Ich habe nicht viel erwartet, als ich Susanne Saygins "Feinde" gekauft habe. Das Cover hat mich im Buchladen aber immer dermaßen angelacht, dass ich irgendwann tatsächlich zugegriffen habe. Und ich habe ...

Ich habe nicht viel erwartet, als ich Susanne Saygins "Feinde" gekauft habe. Das Cover hat mich im Buchladen aber immer dermaßen angelacht, dass ich irgendwann tatsächlich zugegriffen habe. Und ich habe es keine Sekunde lang bereut.

Dieses Buch ist - um es auf den Punkt zu bringen - verdammt gut. Ich stehe deutschen Krimi- und Thrillerautoren eher kritisch gegenüber. Meistens sind mir die Romane zu seicht oder zu konstruiert oder schlicht zu langweilig. Aber Saygings Debüt ist von Anfang bis Ende dermaßen realistisch, gut geschrieben und spannend, dass ich froh bin, es mir gekauft und es gelesen zu haben. Laut Klappentext hat Susanne Saygin für "Feinde" fünf Jahre recherchiert und ich bin versucht, das zu glauben.

Auf mich wirkte der Thriller, der in Köln beginnt (und weit davon entfernt ist, ein seichter Regionalkrimi zu sein), wohl durchdacht und realitätsnah. Alles, was in dem Buch geschieht, könnte so auch geschehen (und geschieht wohl leider auch teilweise so - was das Erschreckendste und Niederschmetterndste ist).

Auch sprachlich hat mich "Feinde" überzeugt. Susanne Saygin hat einen eher nüchternen Sprachstil gewählt, der weit entfernt ist vom Betroffenheitschmalz, den viele schlechtere Autoren angesichts der Thematik wohl gewählt hätten. Saygins Sprache ist direkt, teilweise erschreckend direkt, aber es passt jederzeit und wirkt nie aufgesetzt. Auch das - gerade wenn Autoren sexuell explizite Sprache verwenden - hebt sie wohltuend vom Durchschnitt ab.

Für mich ist Saygin eine echte Entdeckung. Wie sie die Geschichte vorantreibt und sich am Ende alles nach und nach auflöst und sich dann auch noch ganz nebenbei eine unfassbar schöne, ganz unsentimental erzählte Liebesgeschichte herauskristallisiert, das könnte man als sehr konstruiert bezeichnen, aber - ganz ehrlich - das hat mich keine Minute gestört. Eher fällt mir das jetzt auf, während ich das Buch rezensiere und noch einmal Revue passieren lasse.

Während des Lesens habe ich kein einziges Mal mit den Augen gerollt oder mit dem Kopf geschüttelt oder auch nur ansatzweise Unmut empfunden. Nein, ich habe mich bestens unterhalten gefühlt.

In "Feinde" gibt es wahnsinnig viel zu entdecken - Saygin verknüpft Korruption, Menschenhandel, EU-Politik, Mord, Rechtsradikalismus, aber auch naive Hilfsbereitschaft zu einem brodelnden Gemenge, das keine einfache Lösung zulässt. Das merkt man am Ende auch. Genau genommen kann man natürlich anführen, wie unrealistisch es ist, aber ich will es mal so sagen: Die Spuren wurden während des gesamten Thrillers immer wieder gelegt, so dass es für mich echt okay ist, auch wenn dies das einzige Mal ist, dass Saygin bei allem Realismus einfach mal nicht hyperrealistisch sein wollte.

Für die deutschsprachige Thrillergemeinschaft ist Susanne Saygin jedenfalls ein großer Gewinn. Ich hoffe, sie wird noch mehr Bücher veröffentlichen!