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Veröffentlicht am 15.03.2021

Unterhaltsamer Hard-boiled-Krimi

Montecrypto
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"Montecrypto" ist ein nicht besonders subtiler Verweis auf Alexandre Dumas' "Der Graf von Monte Christo". Erfreulicherweise bekommen wir aber keinen langweiligen Abklatsch von Dumas' Klassiker und die ...

"Montecrypto" ist ein nicht besonders subtiler Verweis auf Alexandre Dumas' "Der Graf von Monte Christo". Erfreulicherweise bekommen wir aber keinen langweiligen Abklatsch von Dumas' Klassiker und die Verweise auf den Roman halten sich in Hillebrands Krimi in Grenzen. "Montecrypto" erinnert eher an diverse Hard-Boiled-Krimis (vor allem von Dashiell Hammet und Raymond Chandler). Auch hier sind die Verweise nicht gerade subtil: Der Protagonist Ed Dante ist nicht nur offenkundig ein Fan von Sam Spade, sondern legt auch den schwarzen Humor und die Trinklust seines literarischen Vorbilds an den Tag.

Mich hat "Montecrypto" über weite Strecken bestens unterhalten. Als moderne Version eines Hard-Boiled-Krimis funktioniert Hillebrands neuester Streich bestens, die vielen popkulturellen Verweise haben mir echt Spaß gemacht. Hillebrands Schreibstil ist nicht zwingend mein favorisierter Stil, passt aber bestens zum Roman. Der schwarzes Humor, die Sprüche und vor allem die Thematik haben mich gut bei der Stange gehalten.

Ich bewundere Autoren, die es schaffen, komplexe Sachverhalte - in diesem Fall Finanzwesen, Kryptowährungen und so weiter - so in ihre Werke einzuarbeiten, dass es erstens Sinn ergibt, dass sie erläutert werden und zweitens einfach genug erklärt wird, dass jede/r sie verstehen kann. Hillebrand gelingt das sehr gut. Ein paar Vorkenntnisse können natürlich nicht schaden, aber selbst wenn man die nicht hat, kann man meines Erachtens den Krimi problemlos lesen und den Inhalten folgen. 

Wie dem auch sei: Wie Sam Spade in "Die Spur des Falken" muss Ed Dante einen Schatz suchen - diesmal handelt es sich jedoch nicht um Gold, sondern um Bitcoins. Und wie Sam Spade hat Ed Dante es recht schnell mit allerlei Verfolger*innen zu tun. Bei "Montecrypto" ist alles ein bisschen größer als bei "Die Spur des Falken". Die Zeiten haben sich geändert. Internet und Globalisierung spielen naturgemäß eine wichtige Rolle.

Schön ist, dass Hillebrand auch die Nebenfiguren ausführlich genug zeichnet, dass sie nicht nur billige Staffagen bilden, sondern ein gewisses Eigenleben entwickeln. So ergibt es dann auch Sinn, wenn einige von ihnen im Verlauf des Buches wieder auftauchen.

Mir hat das Buch sehr gefallen, auch wenn mir das Finale dann doch etwas zu überzogen war. Es fängt damit an, dass währenddessen ganz klassisch zu viel geredet wird, Pläne werden bis zum Erbrechen erläutert, statt dass man sich einfach gegenseitig niederzuschießen versucht. Auch war das Finale mir - gerade im Verhältnis zum Rest des Buches - zu bombastisch. Erinnerungen an James Bond werden wach - womöglich ist das Finale also sogar von Tom Hillebrand bewusst überzogen. Das würde dann auch erklären, weshalb Dante plötzlich pathetische Anwandlungen offenbart.


Sieht man einmal vom bombastisch-pathetischen Finale ab, endet das Buch dann doch einigermaßen versöhnlich. Das Publikum kann aufatmen, das Ende ist keine totale Katastrophe.

Alles in allem wurde ich gut unterhalten. Nur, warum das Buch vom Verlag als Thriller und nicht als Krimi eingestuft wurde, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Die Vermutung liegt nahe, dass Thriller einfach mehr ziehen als Krimis. Wobei dann bei denen, die Thriller Krimis vorziehen, die Enttäuschung vorprogrammiert sein dürfte.

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Veröffentlicht am 21.02.2021

Erschreckende Recherche, spannend geschrieben

Das Tomatenimperium
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"Das Tomatenimperium" ist sehr gut recherchiert. Entsprechend gibt es auch einen Anhang mit einigen Nachweisen zu dem, was in dem Buch steht.

Tatsächlich war mir nicht klar, wie mafiös die Strukturen ...

"Das Tomatenimperium" ist sehr gut recherchiert. Entsprechend gibt es auch einen Anhang mit einigen Nachweisen zu dem, was in dem Buch steht.

Tatsächlich war mir nicht klar, wie mafiös die Strukturen hinter Tomatenmark & Co. sind.

Das Buch ist nicht nur erschreckend und gut recherchiert, sondern auch so gut geschrieben, dass ich es bis zum Ende gelesen habe.

Unglaublich!

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Veröffentlicht am 21.02.2021

Viel zu lang geraten

Sleeping Beauties
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Die Prämisse des Romans finde ich wirklich super und es fängt auch alles sehr gut, wenn auch ziemlich brutal an. Aber leider passiert in dem Roman viel zu wenig (abgesehen davon, dass Milliarden Frauen ...

Die Prämisse des Romans finde ich wirklich super und es fängt auch alles sehr gut, wenn auch ziemlich brutal an. Aber leider passiert in dem Roman viel zu wenig (abgesehen davon, dass Milliarden Frauen einschlafen und nicht wieder aufwachen), um die Länge zu rechtfertigen.

Am Ende habe ich nur noch gegen die Langeweile angekämpft.

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Veröffentlicht am 26.01.2021

Super interessant und klasse geschrieben - Leseempfehlung!

Incels
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Was für ein Buch! Ich bin auf eine perverse Art gleichzeitig abgestoßen und fasziniert von dieser „Bewegung“, die harmlos begann und sich auf eine Art und Weise entwickelt hat, die beängstigend ist.

Ich ...

Was für ein Buch! Ich bin auf eine perverse Art gleichzeitig abgestoßen und fasziniert von dieser „Bewegung“, die harmlos begann und sich auf eine Art und Weise entwickelt hat, die beängstigend ist.

Ich empfehle Veronika Krachers Buch aus vielen verschiedenen Gründen:

Zum einen ist „Incels – Geschichte, Sprache und Ideologie eines Online-Kults“ ein sehr gut recherchiertes Sachbuch. Und auch wenn wahrscheinlich viele – so wie ich, bevor ich das Buch gelesen hatte – davon ausgehen, dass Incels eine so genannte Randerscheinung sind, lohnt sich der Kauf des Buches. Denn Incels sind weit mehr als eine Randerscheinung. Kracher arbeitet unglaublich viele Aspekte dieser „Szene“ heraus: den Frauenhass, den Selbsthass, den Narzissmus, die Grenzüberschreitungen und so weiter und so fort.

Vor allem aber zeigt Veronika Kracher auf, dass Incels auch brandgefährlich sein könnten – sowohl für andere (vorzugsweise Frauen), aber auch für sich selbst. Es ist eine Szene, die sich – ähnlich wie die rechte Szene – vor allem über den Hass definiert, diesen propagiert, bis zum äußersten auslebt und im schlimmsten Fall nicht vor Gewalt zurückschreckt.

Kracher schafft es zudem, den gesellschaftlichen Kontext herauszuarbeiten, der einen Nährboden für Gruppierungen wie die Incels bereitet.

Was das Buch aber auch sehr lesenswert macht: der Schreibstil. Der ist so locker und teilweise ironisch-sarkastisch, dass es mir regelmäßig schwer fiel, das Buch beiseite zu legen. Hätte ich keine Familie, ich hätte das Buch in einem Zug gelesen. Das heißt nicht, dass Kracher die Szene verharmlost. Aber sie schreibt ganz richtig im Vorwort, dass „manchmal (…) ironische Distanz die einzig mögliche Bewältigungsstrategie“ ist. Während ich das Buch las, konnte ich ihr nur zustimmen.

Der Inhalt des Buchs ist heftig und folgerichtig weist Kracher im Vorwort darauf hin, auf welche Inhalte LeserInnen des Buches stoßen werden. So kann jede/r für sich entscheiden, das Buch zu lesen oder nicht. Ganz ehrlich: Es ist teilweise unglaublich, was in dieser „Bewegung“ abgeht. Es gab viele Momente in dem Buch, in dem ich nicht fassen konnte, was ich da lese, in denen mir ein von Herzen kommendes „WTF?!“ entfuhr.

Aus meiner Sicht hat Kracher eine hervorragend geschriebene und recherchierte Analyse zu Incels und den zugrunde liegenden gesellschaftlichen (und, ja, patriarchalischen) Strukturen veröffentlicht. Ich wünschte, das Buch fände viele LeserInnen.

„Incels – Geschichte, Sprache und Ideologie eines Online-Kults“ ist neben den vielen interessanten Informationen aber auch ein unglaublich – mir fällt kein besseres Wort ein – unterhaltsames Buch geworden. Es wäre toll, mehr Sachbücher wären so flüssig und „untrocken“ geschrieben wie dieses.

Von meiner Seite gibt es eine ganz klare Kauf- und Leseempfehlung. Das Buch ist eine echte Bereicherung!

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Veröffentlicht am 24.01.2021

Kurzweilig, unterhaltsam, aber letztlich nur wenig über dem Durchschnitt

Cryptos
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Die Romane von Ursula Poznanski sind mir natürlich schon öfter ins Auge gefallen - sei es im Internet oder im Buchladen -, gekauft hatte ich mir aber noch keins. Dank eines Gewinnspiels konnte ich nun ...

Die Romane von Ursula Poznanski sind mir natürlich schon öfter ins Auge gefallen - sei es im Internet oder im Buchladen -, gekauft hatte ich mir aber noch keins. Dank eines Gewinnspiels konnte ich nun "Cryptos" lesen.

"Cryptos" spielt in einer dystopischen Zukunft. Die Klimakatastrophe wurde von der Menschheit nicht aufgehalten. Die Erde ist größtenteils unbewohnbar. Die Menschen leben in kleinen Boxen und flüchten sich in virtuelle Welten. Jana ist eine Weltendesignerin, schafft also einige der virtuellen Welten, in die sich die Menschen flüchten. Als jedoch in ihrer von ihr geschaffenen Lieblingswelt ein Mord geschieht, der ganz reale Auswirkungen hat, wird eine Ereigniskette in Gang gesetzt, in deren Mittelpunkt Jana steht.

"Cryptos" richtet sich vor allem an jugendliche LeserInnen, ist meines Erachtens aber durchaus auch für Erwachsene geeignet. Jugendliche werden - so meine Vermutung - allerdings dem Buch etwas mehr abgewinnen können als Erwachsene. 

Anfangs musste ich mich an den Schreibstil gewöhnen. Poznanski hat die Ich-Perspektive gewählt und erzählt im Präsens. Die Sätze sind nicht übermäßig lang. Mir war der Stil anfangs zu nüchtern.  Trotzdem wurde ich schnell in die Geschichte hineingezogen. Jana ist eine sympathische Protagonistin und die im Buch beschriebenen virtuellen Welten sind so anschaulich beschrieben, dass ich mich oft dorthin gesehnt habe. 

Natürlich ist nichts übermäßig originell. Alles im Roman basiert auf dem Wissen, das wir bereits haben, auf Technologien, die uns bereits bekannt sind oder auf Ideen, die bereits in anderen Romanen thematisiert wurden. Poznanski ist keine Visionärin. Das muss sie aber auch nicht sein. Gerade DASS sie sich auf bereits vorhandenes Wissen bezieht, macht vieles in dem Roman glaubwürdig und um so erschreckender. Insbesondere die reale Welt, die sie beschreibt, entspricht in etwa dem, was Klima-Wissenschaftler prognostizieren. Poznanskis Verdienst ist es, dies für Jugendliche nachvollziehbar aufzubereiten.
Dennoch ergibt sich insgesamt eine runde Geschichte. Und um eine gute Geschichte zu erzählen, muss es nicht immer gleich super-duper originell sein. 

Da Jana die Erzählerin ist, fallen einige Spannungselemente fort. Es stellt sich in manchen Situationen zum Beispiel nicht die Frage, ob sie überlebt, sondern wie sie es schafft, aus der Situation herauszukommen. Trotzdem gab es einige spannende Momente, in denen ich ordentlich mitgefiebert habe. Außerdem lädt das Buch dazu ein, mitzurätseln. Auch wenn geübte LeserInnen einiges relativ früh erahnen und/oder erraten können, bietet das Buch zum Ende hin einige Überraschungen.

Mir hat "Cryptos" weitestgehend gefallen. Jugendliche mit einer Vorliebe für Rätsel, fremde Welten und Dystopien werden mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Freude haben.

Es gibt allerdings auch einige Punkte, die mich etwas gestört haben:

Es ist mir vor allem unverständlich, weshalb Diversität überhaupt keine Rolle spielt. Klar, die virtuellen Welten sind prächtig gestaltet. Es gibt dort verschiedenste Wesen. Aber mir ist im Roman alles zu einheitlich - insbesondere auch in der realen Welt. Gerade hier hätte Poznanski wesentlich mehr herausholen können, was ihre Charaktere angeht. Für mich ist es ein großes Versäumnis.

Zudem - das hatte ich bereits an anderer Stelle erwähnt - hält sich die Spannung in Grenzen. Gerade das große Finale leidet sehr darunter, dass die LeserInnen nicht richtig mitfiebern (können). 

Alles in allem ist "Cryptos" unterhaltsam, ohne Frage, aber Poznanski bietet im Kern gut präsentierte Durchschnittsware und verschenkt sehr viel Potenzial nach oben. 

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