Jugend in der Perestroika
Das Leben vor unsDie Mädchen Milka und Anja wachsen am Rande Moskaus auf. Ihre Großeltern und Eltern sind noch gezeichnet von den Entbehrungen der Vergangenheit, der Krieg mit seinen traumatischen Erfahrungen, aber auch ...
Die Mädchen Milka und Anja wachsen am Rande Moskaus auf. Ihre Großeltern und Eltern sind noch gezeichnet von den Entbehrungen der Vergangenheit, der Krieg mit seinen traumatischen Erfahrungen, aber auch die harte stalinistische Zeit danach, ist für sie noch sehr präsent. Die Mädchen jedoch sind hiervon unbelastet, sie träumen von der Zukunft und neuen Möglichkeiten, schwärmen für Freddie Mercury, finden Freunde und sammeln erste sexuelle Erfahrungen.
Milka kommt aus einem eher nachlässigen Elternhaus, ihre Mutter und der Stiefvater scheinen kein Interesse an ihr zu haben. Da ist es ein Glück, dass sie in der warmherzigen Familie der Freundin Anja jederzeit willkommen ist und einen Großteil ihrer Freizeit und Ferien dort verbringt. Die Freundschaft der Beiden ist unerschütterlich und fest, obwohl sie sehr unterschiedlich sind.
Die Autorin schildert das Erwachsenwerden der Mädchen immer vor dem historischen Hintergrund. Über Nebenfiguren wird die Bandbreite der Schilderungen der politischen Geschehnisse und Hintergründe noch weiter aufgefächert.
Die Unbeschwertheit der Mädchen, aber auch die ihrer Freunde endet jäh nach einer Tragödie. Für alle kommt es zu unerwarteten Wendungen, das einschneidende Ereignis hinterlässt bei allen Spuren und prägt sie entscheidend. Jede Figur hat ein anderes Schicksal. Über diese unterschiedlichen Charaktere und ihre Entwicklungen gelingt es der Autorin zusätzlich den Zerfall der Sowjetunion darzustellen, da jeder Jugendliche als Synonym verstanden werden kann.
Die wiederholte Einflechtung von A. Tschechows Werk „Der Kirschgarten“ passt perfekt zu der Entwicklung der geschilderten politischen Situation, die der Freunde und auch zur aktuellen Lage heute.
Das Buch ist wie eine Zeitreise, man erlebt die 80er in Moskau hautnah mit. Der Erzählstil nimmt einen gefangen und die Handlung kommt ohne Längen aus. Ich habe mir sehr viele Textstellen mit wunderbaren Zitaten markiert. Er ist eine Hommage an die Freundschaft, beschreibt aber auch eindrücklich Verluste und Kämpfe, die zum Leben gehören. Und obwohl es sich um einen Rückblick handelt, findet sich ein sehr aktueller Bezug zu heute und der aktuellen Situation. Das alles hat Gorcheva-Newberry zu einem tollen Roman verbunden, der nachhallt und den ich jedem Leser bedenkenlos wärmsten empfehle.