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Veröffentlicht am 17.02.2024

Eine Familie, wie man sie keinem Kind wünscht

Krummes Holz
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Gleich vorweg: Das Buch hat eine sehr bedrückende Atmosphäre, insbesondere durch die Erinnerungen an die Kindheit der Geschwister Malene und Jirka, welche von Gewalt und Lieblosigkeit geprägt war. Auf ...

Gleich vorweg: Das Buch hat eine sehr bedrückende Atmosphäre, insbesondere durch die Erinnerungen an die Kindheit der Geschwister Malene und Jirka, welche von Gewalt und Lieblosigkeit geprägt war. Auf diese emotionale Talfahrt war ich so nicht vorbereitet und möchte darauf hinweisen, dass es evtl Menschen, die eine ähnliche Kindheit erfahren haben, triggern könnte.
Sehr viel Handlung hat das Buch an sich nicht, es lebt vielmehr durch die vielen Rückblenden, welche nach und nach verdeutlichen, wie die Geschwister aufwachsen mussten. Erzählt wird aus der Perspektive des nun 19-jährigen Georg junior alias Jirka, der die letzten fünf Jahre im Internat verbrachte und diesen Sommer, ich vermute irgendwann in den 1970ern verortet, auf den Hof der Familie zurückkehrt. Dort begegnet ihm seine vier Jahre ältere Schwester zunächst ablehnend, was Jirka nicht versteht, nicht verstehen will. Desweiteren lebt u.a. noch Leander auf dem Grundstück, der Sohn des damaligen Verwalters, altersmäßig so mitte zwanzig.
Nach und nach kommen Erinnerungen an damals zurück, welche auf eine äusserst brutale und lieblose Familie hinweisen, an welcher die eigene Mutter ebenfalls zerbrach. Das Geräusch des Gürtels, welcher durch die Gürtelschlaufen gezogen wird (darf man nicht an sich heranlassen, gibt einen straffen Po), Tischgewohnheiten, bei denen mir jeder Appetit verging, brutale Erziehungsmethoden der Großeltern, die verdeutlichen, dass der Vater nicht allein durch sein Kriegstrauma so grausam handelte. Es sind so viele erschreckende Details, welche beim Lesen auf mich einprasselten. Hinzu kommt, dass Jirka seine Kindheit teils verdrängt, teils romantisch verklärt erinnert, sehr wahrscheinlich als Schutzmechanismus, wobei er den Umstand, dass seine ältere Schwester vieles für ihn abgefangen hat, leider auch vergessen hat. Umso mehr konnte ich ihre Verbitterung nachvollziehen, wie alleingelassen sie sich mit all dem Hass und Leid fühlen musste, als ihr Bruder endlich mal wieder auftauchte. Und umso wütender wurde ich auf Jirka, weil er die Wahrheit weiterhin nicht sehen wollte.
Ein weiterer Punkt, den ich nicht unbedingt gebraucht hätte, ist Jirkas Verliebtheit seit seiner Kindheit in Leander. Hat letzterer sich damals als schwul geoutet, hat Jirka sein coming out bis heute verdrängt. Hier wurde die damals noch recht homophobe Einstellung der Bevölkerung wiederholt deulich.
Ein sehr bewegender und aufwühlender Roman, welcher ohne viel Handlung auskommt. Das Ende empfand ich als unlogisch, machte das Ganze leider etwas unrund.

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Veröffentlicht am 17.02.2024

Kann eine KI durchdrehen?

Die Burg
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Am Thema Escaperoom kommt heutzutage niemand mehr vorbei: Es gibt Spiele, Bücher, Onlinegames, reale Escaperoom-Abenteuer für Gruppen... und, wenn es nach Milliardär Nevio geht, auch in Kürze ein reales ...

Am Thema Escaperoom kommt heutzutage niemand mehr vorbei: Es gibt Spiele, Bücher, Onlinegames, reale Escaperoom-Abenteuer für Gruppen... und, wenn es nach Milliardär Nevio geht, auch in Kürze ein reales VR-Escaperoom-Erlebnis. Wie wir uns das vorstellen sollen? Die Spielenden nennen einer Künstlichen Intelligenz (kurz: KI) ihre Wünsche und Vorstellungen, und die KI erstellt daraus ein Abenteuer, welches durch mehrere, mit hochmodernster Technologie ausgestatte Räume unter einer restaurierten Burg führt.
Als Lesende haben wir den Vorteil, im Buch eine Übersicht über die Burg sowie die darunterliegenden, miteinander verbundenen Räume zu erhalten. Die Testspielerinnen und Testspieler, welche Nevio vorab zu sich eingeladen hat, haben hingegen teilweise keine Ahnung, was sie dort unten erwarten wird. Doch zunächst erfolgt ein atmosphärischer Empfang in der Burg, bevor sich hinter der Gruppe unwiederbringlich die verstärkten Türen schließen.
Das Gedankenspiel, was wohl geschähe, sollte die KI die volle Kontrolle an sich reißen und eben nicht so agieren, wie Besitzer Nevio sich das erhofft hat, lässt Raum für viele Möglichkeiten. Vor dem Hintergrund, dass Künstliche Intelligenzen keine Emotionen haben, stellt sich beim Lesen schnell die Frage: Ist die KI durchgeknallt, handelt sie böse, wurde etwas falsch programmiert - oder steckt etwas ein ganz anderer Plan dahinter? Und wie kommt die Gruppe lebend aus diesen Höllenverliesen wieder heraus?
Die Autorin lässt die Handlung schnell spannend werden. Die Gruppe recht unterschiedlicher Personen bietet hier und da zusätzlich Zündstoff. Einige Szenen, in welche die KI die Spielenden lotst, sind wirklich nichts für Zartbesaitete, zumal sie die Möglichkeit hat, alle Sinne zu bedienen wie eben auch Gerüche u.a. Von den beschrieben Rätseln empfand ich einige schon als High-Level, am spannendsten war jedoch die endgültige Auflösung, warum die KI die Menschen derart hat leiden lassen. Ziemlich bewegend und deutlich mitreißender, als ich zunächst erwartet hatte. Lohnt sich!

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Veröffentlicht am 27.01.2024

Rasantes Diebesspiel

Thieves’ Gambit
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Rosalyn Quest ist ein Profi, wenn es um Einbrüche und Diebstähle geht. Schließlich hat ihre Mutter sie von klein auf an dafür trainiert. Was die Siebzehnjährige sich jedoch sehnsüchtigst wünscht sind ein ...

Rosalyn Quest ist ein Profi, wenn es um Einbrüche und Diebstähle geht. Schließlich hat ihre Mutter sie von klein auf an dafür trainiert. Was die Siebzehnjährige sich jedoch sehnsüchtigst wünscht sind ein paar echte Freunde, mit denen sie abhängen und einfach mal typischen Teenagerkram machen kann. Da tröstet die Luxusvilla auf den Bahamas samt vollausgestattetem Trainingsraum auch nicht drüber hinweg. Einen Sommerkurs am College hat sie bereits heimlich gebucht, nur noch ein letzter Coup mit Ma, dann haut sie heimlich ab. Doch leider geht was schief, ihre Mutter wird entführt und Rosalyn sieht nur eine Möglichkeit, ihre Mutter freizukaufen: Die erfolgreiche Teilnahme am exklusiven Thieves‘ Gambit, eine Art Wettkampf für erwählte Nachwuchsdiebe unter Realbedingungen.

Eine Quest kann niemandem auf der Welt trauen - außer einer anderen Quest.

Kayvion Lewis hat einen erfrischenden Schreibstil, welcher durch Lebendigkeit und Einfallsreichtum regelrecht mitreißt. Was auch dafür sorgte, dass mich Rosalyn als Ich-Erzählerin, die so gern ihre eigenen Wege gehen will, auf ganzer Linie überzeugt hat. Tatsächlich war sie mir von der ersten Seite an sympathisch und ich mochte ihre Art, ihre Gedanken, ihr ausgefallenes Hobby. Das Gambit gestaltet sich schnell als ziemlich anspruchsvolles und gefährliches Abenteuer, bei welchem die Jugendlichen gefordert sind, alles zu geben. Mir gefiel, wie unterschiedlich die Autorin die einzelnen Jugendlichen gestaltet hat, auch wenn nur einige von ihnen stärker in den Fokus rücken und mir so manche von ihnen ebenfalls sympathisch wurden. Hier hat die Autorin einen starken Fokus auf Vertrauen und Misstrauen, auf Teamwork und Überlisten der Gegner gerichtet mit einem überzeugenden Ergebnis. Zwischendurch wurd es mir persönlich einmal etwas zu langatmig, dafür trumpfte das Ende mit Action und einigen Überraschungen nochmal so richtig auf.
Ein sehr geniales, spannendes und abwechslungsreiches Jugendbuch, welches auch ältere LeserInnen begeistern kann und von welchem ich definitiv jetzt schon die Fortsetzung sehnsüchtigst erwarte.

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Veröffentlicht am 27.01.2024

Tödlicher Ausnahmezustand

Die Hexen von Cleftwater
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Mit dem Einzug des Inquisitors Silas Makepeace und seines Gefolges in das kleine englische Dorf Cleftwater ändert sich 1645 schlagartig die gesamte Atmosphäre. Männer trösten ihren Stolz, indem sie unschuldige ...

Mit dem Einzug des Inquisitors Silas Makepeace und seines Gefolges in das kleine englische Dorf Cleftwater ändert sich 1645 schlagartig die gesamte Atmosphäre. Männer trösten ihren Stolz, indem sie unschuldige Frauen anklagen, nur weil diese sich nicht begrapschen lassen wollten oder weil ein Kerl im Suff von seinem Esel fiel. Natürlich weil eine Frau ihn verfluchte. Frauen sprechen vorschnell Urteile gegen die Nachbarin, gegen welche sie einen Groll hegen. Familien verlieren Ehefrau, Tochter, Schwester oder Hausangestellte. Und Kritiker werden auf eindrucksvolle Weise mundtot gemacht.
Inmitten dieses patriarchaischen Irrsinns lebt die alte Martha, geschätzt als Hebamme, Kräuterkundige und Hausangestellte und solang sie sich erinnern kann stumm. Ausgerechnet sie soll den körperlichen Untersuchungen der Frauen auf verräterische Male assistieren, würde am liebsten den vielen Unschuldigen helfen und läuft Gefahr, selbst in den Fokus zu geraten.
Diese besondere, erschütternde Zeitspanne durfte ich durch die Augen der rüstigen alten Martha miterleben. Belästigungen, Anschuldigungen, Aufwiegelei, aber auch Marthas Hilflosigkeit in so manchen Situationen erzeugten mit der Zeit eine regelrechte Sogwirkung, welcher ich mich nicht entziehen konnte. Ganz frei von Magie. Die Autorin verzichtet auf Effekthascherei, geht an den richtigen Stellen ins Detail, während sie in anderen Szenen die Atmosphäre und die entstehenden Emotionen einfängt und an die Leserschaft transportiert.

Zitat S. 341: „(…) Ich frage dich: Warum ist es verboten, in eine Wachspuppe zu stechen, aber erlaubt, in eine Frau zu stechen? Und warum solltest du es dürfen, sie aber nicht?“

Als kleines Extra hat die Autorin eine als Atzmann bekannte Wachspuppe in die Handlung eingeflochten, welche mir zuvor nicht bekannt war und damals als eine Art Rachepuppe genutzt werden konnte, um einem Feind zu schaden oder wohl auch für Liebeszauber genutzt werden konnte.
Einfühlsam, bewegend und erschreckend glaubwürdig beschreibt Margaret Meyer eine kurze Phase in einem früheren englischen Dorf, welche wie eine Art Ausnahmezustand vielen Frauen einen schmerzhaften bis tödlichen Weg beschert. Ein Schicksal, welches die Dorfgemeinschaft auf eine starke Bewährungsprobe stellt. Entsprechend empfinde ich die Distel auf dem Cover als Symbol für Leid und Stärke als äusserst passend gewählt.

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Veröffentlicht am 21.01.2024

Kampf dem Untergang und den anderen Crewmitgliedern

Star Bringer
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Was macht man, wenn die Sonne droht, das ganze Sonnensystem zu verbrutzeln? Man erzählt, man hätte ein Wunderartefakt der Altvorderen gefunden, um alles wieder zurechtzubiegen. Und bis dahin hebt man eine ...

Was macht man, wenn die Sonne droht, das ganze Sonnensystem zu verbrutzeln? Man erzählt, man hätte ein Wunderartefakt der Altvorderen gefunden, um alles wieder zurechtzubiegen. Und bis dahin hebt man eine Weile die Steuerabgaben an. So zumindest hält es die Kaiserin, die ihre Tochter, Kronprinzessin Kalinda, zu einem politischen Treffen zu ebendiesem Artefakt auf die Raumstation Caelestis entsendet. Nebst Vertreterinnen und Vertretern der anderen Planeten samt Hohepriesterin der Schwesternschaft, welche den Untergang der Sonne regelrecht begrüßt. Um es abzukürzen: So ein Alienartefakt macht eben auch mal, was es will und jagt die halbe Raumstation ins All. Kalinda kann sich mit einigen anderen auf ein Raumschiff retten und entkommen, welches sich ausgerechnet ebenfalls als Alienartefakt entpuppt, Eigenleben inklusive. Zudem stehen die sieben Flüchtenden vor dem Problem sich einig zu werden, wohin sie überhaupt fliegen wollen. Und sich nicht gegenseitig an die Gurgel zu gehen.
Welch herrlich schräges Science-Fiction-Abenteuer! Oh, ich hab mich aufs Köstlichste amüsiert. Erzählt wird im Wechsel aus vier Perspektiven, also von vier der sieben, die mit dem Alienschiff entkommen können. Das wären nebst Kronprinzessin Kalinda u.a. die Hohepriesterin Rain und Personenschützer Ian, die restlichen spoiler ich jetzt mal nicht. Grad mit Kali und Ian prallen Gegensätze aufeinander, obwohl die beiden sich über kurz oder lang nicht widerstehen können. Als misanthrop, wie im Klappentext beschrieben, seh ich Ian allerdings nicht, sondern einfach nur als extrem arrogant, egozentrisch und launisch, was auch schon reicht. Ich hätt ihm längt einen gewissen Finger gezeigt.
Neben dem zwischenmenschlichen Hin und Her war es vor allem spannend, die politischen Hintergründe nach und nach herauszufinden. Warum sollte jemand tödliche Schüsse auf ein Raumschiff abgeben, auf welchem sich die Kronprinzessin befindet? Überhaupt kommen so nach und nach einige echt spannende Details ans Licht, grad was Ians Ziele betrifft fand ich die Idee ziemlich gelungen. So manchmal merkte ich schon, dass es sich um einen Schwung Leute im Alter von 19 bis mitte zwanzig handelt. Der Alkoholkonsum war doch recht hoch, einige Schlägereien auf dem Schiff wirkten wie eine kindische Pausenkeilerei auf dem Schulhof, die spicy Szenen wie Teenie-Träumereien. Kann man mögen, kann man überfliegen. Wird durch die vielseitige Entwicklung von Story und Charakteren auf jeden Fall wieder wettgemacht.
Trotz einiger Kritikpunkte hat mir das Buch jede Menge Lesespaß bereitet, wenn auch das Sonnensystem noch längt nicht gerettet scheint, sondern wohl noch so einiges auf die Planeten zukommen wird. Definitiv ein gelungenes, schräges SF-Abenteuer, bei welchem das Raumschiff mein Lieblings-Sidekick ist.

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