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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.10.2017

Erweiterte Neuauflage einer grandiosen Anthologie

DER FÜNFTE ERZENGEL
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Der Schrecken kann dich überall erwarten: Ob im klassischen Spukhaus, im 13. Stockwerk eines Hauses mit nur zwölf Etagen, als geheimes Experiment eines Gentechniklabors, wenn der Urlaub sich als ungewollter ...

Der Schrecken kann dich überall erwarten: Ob im klassischen Spukhaus, im 13. Stockwerk eines Hauses mit nur zwölf Etagen, als geheimes Experiment eines Gentechniklabors, wenn der Urlaub sich als ungewollter Abenteuerurlaub ohne Wiederkehr entpuppt oder gar im eigenen Kopf...
Dies und noch einiges mehr erwartet den Leser in der erweiterten Neuauflage der bereits im Jahr 2000 erschienenen, schaurig-guten Anthologie "Der fünfte Erzengel" von Andreas Gruber.
Teilweise überarbeitet und um ganze 6 (!) Kurzgeschichten erweitert, sollte wirklich für jeden Geschmack etwas dabei sein. Die 15 Stories sind angenehm abwechslungsreich und unterhaltsam geschrieben und jede einzelne Kurzgeschichte ist mit einer persönlichen Einleitung des Autors versehen, welche das Buch letztlich zu etwas ganz besonderem macht.
Mir haben allein die Kurzgeschichten in dieser Sammlung bereits sehr gut gefallen. Sie sind wirklich abwechslungsreich sowohl vom Stil als auch vom Gruselfaktor her, wobei kein Splatter im Buch vorkommt. Die jeweiligen Einleitungen, welche der Autor liebevoll jeder einzelnen Geschichte widmete, sind hierbei ein wunderschönes Sahnehäubchen samt Kirsche, welche mindestens ebenso hohen Unterhaltungswert haben wie die Gruselgeschichten selbst. Wann hat man schon mal die Gelegenheit, soviel Einblick in die (düstere) Welt eines Autors zu erhalten?
Fazit: Uneingeschränkte Empfehlung für ein schaurig-schönes Lesevergnügen!

Veröffentlicht am 12.10.2017

Ein Krimi mit sehr viel Atmosphäre

Die Gärten von Istanbul
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Nevzat, Hauptkommissar der Mordkommission Istanbuls und Ich-Erzähler des Romans, staunt nicht schlecht, als er mitten in Istanbul einen wie zu einen Pfeil drapierten Leichnam findet, in den gefesselten ...

Nevzat, Hauptkommissar der Mordkommission Istanbuls und Ich-Erzähler des Romans, staunt nicht schlecht, als er mitten in Istanbul einen wie zu einen Pfeil drapierten Leichnam findet, in den gefesselten Händen eine antike Münze des alten Byzas haltend, dem einstigen Gründer der Stadt. Und dies ist erst der erste einer Serie von Toten, jeweils drapiert an historisch wichtigen Plätzen der Stadt. Nevzat macht sich mit seinem jungen Team auf die Suche nach Gemeinsamkeiten der Opfer, welche scheinbar alle etwas mit der Geschichte Istanbuls zu tun haben.
Gleich vorweg: Dieser Roman ist nicht mit den schnelllebigen, unterkühlten westlichen Krimis vergleichbar. In Ahmet Ümits Roman spielen Geschichte und Kultur eine mindestens ebenso große Rolle wie der Kriminalfall an sich, ist die Handlung auf wunderschöne Weise verziert mit Atmosphäre und Emotionen. So erfährt der Leser während der Jagd nach dem Mörder erstaunlich vieles über Entstehung und Werdegang der Stadt, über das Leben und die unterschiedlichen Kulturen, welche in der Metropole anzutreffen sind und natürlich auch über die Protagonisten selbst. Hierbei muss man in Kauf nehmen, dass zwischendurch auch mal private Momente und Probleme des Kommissars über mehrere, kurz ausfallende Kapitel ihre Daseinsberechtigung einfordern, welches zwar ungewohnt scheint, jedoch Einblicke in das uns manchmal fremd vorkommende Leben bietet und den Protagonisten auf diese Art eine angenehme Tiefe verleiht. Ebenso findet ungewohnt viel über die Historie der Metropole Erwähnung, was zum Einen einer gewissen Relevanz des Falles zuzuschreiben ist, zum anderen den Krimi manchmal wie einen kleinen Reiseführer erscheinen lässt. Wer sich nicht daran stört, hat die Möglichkeit, in die Welt einer atemberaubenden Metropole einzutauchen und dem bedächtigem Kommissar Nevzat und seinem hitzköpfigen Mitarbeiter Ali bei der Spurensuche über die Schulter zu blicken. Ein spannendes Leseerlebnis, so wunderschön wie ein Kurzurlaub.

Veröffentlicht am 12.10.2017

Ein Gentleman und wie er die Welt sah

Ein Gentleman in Moskau
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Moskau, 1922: Das Zarentum ist abgeschafft,die Bildung der Sowjetunion steht bevor. In dieser Zeit wird Graf Alexander Iljitsch Rostov zu lebenslangem Hausarrest verurteilt: Er bewohnt fortan eine kleine ...

Moskau, 1922: Das Zarentum ist abgeschafft,die Bildung der Sowjetunion steht bevor. In dieser Zeit wird Graf Alexander Iljitsch Rostov zu lebenslangem Hausarrest verurteilt: Er bewohnt fortan eine kleine Bedienstetenkammer im hochangesehenen Hotel am Platz, dem "Metropol", in welchem er bisher fürstlich wohnte. Nur dank eines regime-kritischen Gedichts, welches er Jahre zuvor unter seinem Namen veröffentlichte, entgeht er der Hinrichtung des Adels.
Grav Rostov ist ein Gentleman der Alten Schule. Galant bringt er die neuen Machthaber um das Erfolgserlebnis, ihm seine Zukunft verbaut zu haben, und macht stets das Beste aus der Situation. Geschickt versteht der Feingeist und Genießer, die richtigen Freundschaften im Hotel zu schließen und beobachtet die Veränderungen der folgenden Jahrzehnte aus dem Hotel heraus.
Amor Towles hat mit diesem Roman wahrlich einen kleinen Schatz zu Papier gebracht. Graf Alexander "Sascha" Rostov ist eine Person, welche einem einfach sympathisch sein muss. Mit seinen alten Werten von Freundlichkeit und Höflichkeit, gepaart mit einem großen kulturellen und politischen Wissen, ist er wahrlich eine beeindruckende Figur. Am meisten faszinierte mich, wie er über längere Zeit seine Ziele stets vor Augen hatte, welche jedoch dem Leser vorerst verborgen blieben. Bis auf seine Freiheit mangelt es dem Grafen kaum an etwas, und als er die kleine Tochter einer alten Freundin bei sich aufnimmt und großzieht, lernt auch der Graf eine unerwartete, väterliche Seite an sich kennen. Geschickt eingewoben in das Leben des Grafen ist auch die sowjetische bzw. Weltgeschichte von 1922 bis 1954, erzählt durch die Augen des Protagonisten sowie seiner Bekannten im Hotel und verdeutlicht durch das Cover des Romans: Dem Grafen, wie er die Welt vom Fenster des Hotels aus beobachtet.
Ich hatte das Vergnügen, "Ein Gentleman in Moskau" als Hörbuch genießen zu dürfen. Das 9 CDs starke Hörbuch in gekürzter Fassung wird gelesen von Hans Jürgen Stockerl, welcher die Stimmung sowie die Erscheinung des Grafen gekonnt einfängt und dem Hörer auf eine Art wiedergibt, welche es schwer macht, zwischendurch eine Pause einzulegen. Als wahres Highlight kann ich dieses Hörbuch wirklich jedem uneingeschränkt empfehlen.

Veröffentlicht am 28.09.2017

Wenn Dialoge die Spannung ruinieren

Extraterrestrial - Die Ankunft
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In ferner Zukunft: Auch wenn die Menschen mittlerweile unterschiedliche Sternensysteme bewohnen, sind die Probleme immernoch die alten. Kriege, Handelsprobleme und Imperiale Versuche, das Menschenvolk ...

In ferner Zukunft: Auch wenn die Menschen mittlerweile unterschiedliche Sternensysteme bewohnen, sind die Probleme immernoch die alten. Kriege, Handelsprobleme und Imperiale Versuche, das Menschenvolk auf solch großer Fläche zu einen - notfalls mittels Gewalt. Militär und Adel haben sich einen hohen Stand gesichert. Da gelangt ein Raumschiff einer fernen Galaxie zu den Menschen, an Bord ein ihnen unbekanntes Wesen - tot. Werden weitere Aliens folgen? Droht der Menschheit Gefahr aus der Ferne? Captain Roderick Blaine wird mit seinem Schiff und militärischer Begleitung zu den Aliens geschickt...
Gleich vorweg sei gesagt, dass der Roman bereits 1974 von den Autoren veröffentlicht wurde. Dies macht sich entsprechend an mehreren Stellen deutlich bemerkbar, welche ich zwar nicht bewerten, jedoch erwähnen möchte: Sämtliche Raumschiffe besitzen keinerlei Trägheitskompensation! Jede Art von Beschleunigung, Rotation oder Stillstand im All macht sich somit mehr oder minder stark bemerkbar. Ein Umstand, welcher in heutiger SF-Literatur undenkbar wäre. Desweiteren ist die Rolle der Frau leider während der über 1000 Jahre auf dem Stand der 1970er hängen geblieben: Die Frau hat gut auszusehen, wird hoffentlich bald heiraten und beruflich, sofern sie denn arbeitet, kaum ernst genommen. Ein Umstand, welcher leider stellenweise etwas nervt.
Die Aliens selbst sind sehr gut erdacht und entsprechen keinerlei 08/15-Aliens. Sie sind komplett anders als die Menschen, so dass sich schnell Fragen der Annäherung, des Vertrauens und eines eventuellen Handels stellen. Dieser Fragen und Probleme haben sich die Autoren ausgiebig angenommen und die Protagonisten hierüber diskutieren lassen. Und hierin liegt meine Kritik an dem Roman: Selbst die beste SF-Idee wird langweilig, wenn die Protagonisten seitenweise nur diskutieren und grübeln statt etwas zu erleben. Die Kapitel mit den Aliens oder in deren Galaxie, in etwa in der Mitte des Romans, sind spannend zu lesen, da viel geschieht und man darauf brennt, Neues über die "Splitterer" genannten Aliens zu erfahren. Doch drumherum verliert sich der Roman leider viel zu sehr in Dialogen. Zudem blieb die Rolle des Captains weit hinter der üblicher Raumschiff-Captains anderer SF-Stories zurück: An der Action nahm er gar nicht teil, dafür an den unendlich scheinenden Diskussionen über Politik und Wirtschaft.
Eine wunderbare Idee mit sehr viel Potential, welche die Herren Niven und Pournelle leider deutlich zu dialoglastig umgesetzt haben.

Veröffentlicht am 28.09.2017

Die Bibel als Persönlichkeits-Coach?

Und du wirst den verborgenen Schatz in dir finden
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Es ist schon ein Kreuz mit dem Kreuz: Jérémie, Priester einer kleinen französischen Stadt, möchte den Menschen die frohe Botschaft Jesu mitteilen - doch es kommen grad mal ein Dutzend Anwohner in seine ...

Es ist schon ein Kreuz mit dem Kreuz: Jérémie, Priester einer kleinen französischen Stadt, möchte den Menschen die frohe Botschaft Jesu mitteilen - doch es kommen grad mal ein Dutzend Anwohner in seine geräumige Kirche. Jérémie ist verzweifelt. Alice, erfolgreiche Pariser Unternehmensberaterin, möchte ihrem alten Jugendfreund helfen. Doch Alice ist Atheistin...

"Kein Fehler ist größer als Begehren nach Besitz." (Zitat S. 182)

Mir hat es Spaß gemacht mitzuverfolgen, wie Alice zunächst die Bibel durchlas und einige Stellen daraus mit skeptisch-amüsanten Kommentaren versah. Vor allem die Seligsprechungen, welche, wörtlich genommen, einen wirklich schnell mal ungläubig den Kopf schütteln lassen. Nachdem sie Jérémie zu einem Coach für Selbstvertrauen geschleppt hat beginnt sie, sich zusätzlich einigen fernöstichen Glaubensrichtungen zu widmen, welche im Gegensatz zum dualistischen Christentum das Paradies im Menschen selbst versprechen. Gibt es vielleicht doch Gemeinsamkeiten zwischen Daoismus, Hinduismus, Buddhismus und den christlichen Lehren Jesu? Und wie kann Alice ihre Erkenntnisse nutzen, um Jérémie zu einem vollen Gottesdienst zu verhelfen?
Alice' Nachforschungen und Gedankenbeispiele sind gut gewählt und leicht verständlich. Immer mehr rückt hierbei das "Ego" in den Mittelpunkt, der Schlüssel zu Glück oder Unglück. Das Buch ist somit ein unterhaltsamer Roman, welcher sich nicht nur auf moderne Art mit Religionen beschäftigt sondern zugleich zum Nachdenken anregt und dem ein oder anderen Leser eine kleine Lebenshilfe sein mag. Und natürlich bleibt auch die Angst vor Veränderungen nicht aus, in diesem Fall personifiziert durch zwei Frauen aus Jérémies Gemeinde.
Mir hat das Buch sehr gefallen, da es auf unterhaltsame und teils auch humorvolle Weise einen bleibenden positiven Eindruck hinterlassen hat.