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Veröffentlicht am 10.06.2019

Geheimdienst – Gemein-Dienst

Slow Horses
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River Cartwright, einst M15-Agent, hat einen Einsatz im Bahnhof von King's Cross vermasselt und ist daraufhin auf einen niedrigen Posten – quasi aufs Abstellgleis – in eine untere Abteilung versetzt worden, ...

River Cartwright, einst M15-Agent, hat einen Einsatz im Bahnhof von King's Cross vermasselt und ist daraufhin auf einen niedrigen Posten – quasi aufs Abstellgleis – in eine untere Abteilung versetzt worden, wo er mit niedrigeren Arbeiten beschäftigt wird, wie Müllsäcke nach Beweismaterial zu durchforsten oder abgehörte Telefonate aufzuschreiben. Und wäre nicht sein einflussreicher Großvater – Ex-Agent – gewesen, wäre River sogar ganz ausgeschieden. River ist ehrgeizig, er möchte zurück zum M15. Als er durch ein Video erfährt, dass ein pakistanischer junger Mann öffentlich im Internet geköpft werden soll, nimmt er die Ermittlungen auf eigene Faust auf und versucht mit Hilfe einiger Kollegen den Entführten zu retten. Dabei stößt er auf viele Ungereimtheiten.

Der Agenten-Thriller „Slow Horses“ ist der erste Roman der Agentenserie um den Agenten-Chef Jackson Lamb, Kopf der „ausrangierten“ M15-Agenten, die ins sogenannte „Slogh House“ als „Slow Horses“ (lahme Gäule) abgeschoben wurden.
In englischer Sprache gibt es mittlerweile fünf Bücher dieser Serie, in denen Mick Herron London als Hauptschauplatz dieser Agenten-Einsätze gewählt hat. Mick Herron legt dabei aber auch viel Wert auf die Darstellung der Personen, die im Roman eine wichtige Rolle spielen, da auch ihre persönlichen Eigenschaften die Handlung tragen. Sie sind meist an individuellen Problemen gescheitert (Alkohol, Drogen, Ehe zerrüttet etc.) und müssen mit diesen zurecht kommen. Gleichzeitig werden sie aber auch mit gesellschaftlichen Problemen (politische und soziale Miseren, Terroranschläge) konfrontiert, die es ebenfalls zu lösen gilt. Ein schwieriger Spagat!

„Slow Horses“ ist ein komplexer Roman, dessen Handlung nicht unbedingt gradlinig verläuft. So gibt es immer wieder neuwachsende Spannungskurven. Wenn man sich in der politischen Welt etwas auskennt, erleichtert es das Verstehen der Handlung.
Gleich am Anfang wird der Leser Zuschauer des verpatzten Einsatzes von River Cartwright. Anschließend erfolgt ein Schnitt und man findet sich im „Slough House“, ein runtergekommendes, altes und unscheinbares Gebäude, wieder, wo River mit seinem Chef Jackson Lamb und sieben weiteren Kollegen und Kolleginnen eher Handlangerarbeiten erledigen als sich großen Dingen zu widmen. Damit man weiß, wer dorthin abgeschoben wurde und warum es zu dem tiefen Fall kam, werden die Charaktere detailliert beschrieben und der „Faux Pas“ erläutert. Dies hat zwar nicht direkt mit der Handlung zu tun, zeigt aber, dass nicht nur Personen für die Handlung wichtig sind, sondern dass Individuen mit ihren persönlichen Schwächen und Stärken von Bedeutung sind und somit Persönlichkeiten sind.

Im „Slough House“ teilen sich die Ex-Agenten meist zu zweit ein Büro, aber jeder ist im Prinzip ein Einzelkämpfer. Erst als das besagte Video im Internet auftaucht, in dem angekündigt wird, dass ein pakistanischer Jugendlicher in 48 Stunden öffentlich im Internet enthauptet werden soll, werden die „Slow Horses“ wachgerüttelt. Auf einmal entwickelt sich so was wie ein Wir-Gefühl. Mehrere der „Lahmen Gäule“ schließen sich zusammen und versuchen die Entführer und das Opfer zu finden. Sie wollen die Katastrophe verhindern aber gleichzeitig möchten sie dem Team der M15-Agenten zuvorkommen, um selbst als Helden dazustehen.
Bei der Auflösung des Falls werden immer mehr und größere Verschwörungen aufgedeckt. Es zeigt sich, dass unter den Mitarbeitern von Jackson Lamb Maulwürfe weilen, die eher für die Chefin des M15 arbeiten und gegen Lamb agieren. Aber auch in die andere Richtung ist das Vertrauen gestört. Selbst Politiker tauchen auf, denen ein Fair-Play fremd ist und die Opposition durch widrige Aktionen ins schlechte Licht rücken wollen. Somit wird deutlich, dass die Entführung letztendlich eine Inszenierung ist. Aber dennoch ist die Abwendung aufgrund der Involvierung verschiedenster Personen nicht weniger gefährlich und spektakulär, da alles irgendwie aus dem Ruder läuft.

Beim Lesen der Geschichte stellt sich immer wieder die Frage: Wer kann hier wem noch trauen? Wer arbeitet für und mit wem? Gegen wen werden Intrigen geplant, um jemanden zu schaden? Und Das ist gut gelungen! Es zeigt, dass oft miese Wege recht sind, um seinen eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Die Handlung ist sehr verstrickt/verwoben, so dass man den Thriller konzentriert lesen muss und am besten auch ohne große Pausen lesen sollte, damit man aufgrund der Komplexität den Faden nicht verliert. Dass besonders Wert auf die Beschreibung der einzelnen Charaktere gelegt wird, erzeugt beim Leser Nähe zu den Protagonisten und schafft Sympathien, aber auch Antipathien.
Die Handlung springt häufig von der Gegenwart in die Vergangenheit, was den gradlinigen Handlungsverlauf beeinträchtigt und vom Geschehen ablenkt. Den Schreibstil würde ich nun nicht als flüssig bezeichnen. Einige Stellen musste ich häufiger lesen, um nicht aus dem Geschehen rauszufallen.

Die Idee, ausrangierte Agenten in den Mittelpunkt einer Roman-Serie zu stellen, gefällt mir gut, da nun nicht nur die Top-Leute, die „Super-Cops“ im Mittelpunkt stehen, sondern Menschen, die Fehler gemacht haben und begehen. Somit sind sie fast schon auf einer Augenhöhe und nahbar.
Das Ende der Geschichte, wieder ein Blick auf das „Slough House“ ist ein ruhiger Ausklang, was auch durch den sanften Schreibstil unterstrichen wird. 'Diese' Arbeit der „Slow Horses“ ist zwar beendet, aber die Arbeit geht weiter, aber wie? Der Roman beinhaltet eine in sich geschlossene Handlung, macht aber neugierig auf weitere und neue Einsätze der „Lahmen Gäule“ um den Leiter Jackson Lamb.
Meine Quintessenz die ich nach dem Lesen des Romans habe: Trau schau wem! Und: Traurig, dass die Welt so verlogen ist und Gemeinheiten – ohne Rücksicht auf Verluste - an der Tagesordnung sind, wenn es darum geht, auf der Karriereleiter schnell und weit nach oben zu kommen.

Veröffentlicht am 10.06.2019

Wenn die Dunkelheit sich über den Strand legt, dann kommt der Grausame Strandwärter

Der Strand bei Nacht
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Eine gruselelig-schaurig-rührende Geschichte, die zeigt, wie viel Angst man haben kann, wenn man plötzlich allein und verlassen ist
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„Nicht ein goldenes Armband haben wir gefunden, nicht eine ...

Eine gruselelig-schaurig-rührende Geschichte, die zeigt, wie viel Angst man haben kann, wenn man plötzlich allein und verlassen ist
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„Nicht ein goldenes Armband haben wir gefunden, nicht eine Perlenkette. Bloß die hässliche Puppe hier.“ (S.13)

Die Geschichte wird aus der Ich-Persepktive der Puppe Celina erzählt.
Als die 5-jährige Mati von ihrem Vater eine kleine Katze geschenkt bekommt, ist Mati hin und weg, dass sie ihre Puppe abends am Strand liegenlässt.
Celina verspürt Eifersucht und Wut auf die Katze Minú. Nun muss Celina – einsam und vergessen - eine schreckliche Nacht am Strand erleiden. Der große, grässliche „Grausame Strandwärter“ beabsichtigt, ihr die Worte, die sie von ihrer Puppenmama gelernt und verinnerlicht hat zu stehlen. Außerdem durchlebt sie eine Odyssee durch verschiedene Gefahren: Celina landet im Feuer eines Reisighaufens, dann wird sie von einer Welle in die tiefen des Meeres gespült. Ein Schrecken folgt dem anderem. Celinas Sehnsucht nach ihrer Puppenmama ist groß. Sie hat Angst, dass ihr ihr Name genommen wird, denn ohne Namen wäre sie einfach nur eine einfache Puppe und nichts mehr Besonderes.
Aber zum Glück gibt es auch hier ein gutes Ende. Wie heißt es so schön: Ende gut – alles gut.

Die Geschichte soll zeigen, wie wertvoll Freundschaft ist und wichtig es ist, „Jemand“ zu sein, um Bedeutung zu haben. Außerdem wird gezeigt, dass, in einem Leben zu zweit auch jemand Drittes Platz hat. Freude kann und soll man nicht austauschen – man kann Platz für neue schaffen und gewinnen!

Die Geschichte ist gruselig erzählt, man merkt richtig, wie viel Angst die Puppe Celina hat. Sie verzweifelt gibt aber die Hoffnung nicht auf, dass sie wieder zu ihrer Mutter kommt. Das Buch wird von kurzen Sätzen geprägt, welche aber oftmals recht abstrakt wirken. Es ist manchmal nicht leicht nachvollziehbar. Der Strandwärter wird gekonnt als extrem unsympathische Person dargestellt.

Die vielen – meist eine Buchseite einnehmenden - Zeichnungen von Mara Cerri unterstreichen exzellent und eindrucksvoll die grausigen Erlebnisse von Celina.
Diese an Herz gehende Gruselgeschichte ist meines Erachtens zum Vorlesen für Kinder ab 5-6 Jahre geeignet, da die Sprache doch recht komplex ist und der Stoff nicht ganz einfach. Ab 10 Jahren sollten Kinder dieses Buch auch alleine lesen können.
Aber diese kurze Geschichte ist natürlich auch für Erwachsene geeignet, da gezeigt wird, dass Dinge, die einem anvertraut werden, einen eigenen und besonderen Wert haben.

Veröffentlicht am 10.06.2019

Auf die Brote, fertig, los

Kunstgeschichte als Brotbelag
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Ein Buch, das Kunst mit Brotgenuss verbindet. Kunst mit Biss, die man mit gutem Gewissen vernichten darf, weil sie zum Genießen is(s)t...
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Wie aus der Sommerlaune #KunstGeschichteAlsBrotbelag ...

Ein Buch, das Kunst mit Brotgenuss verbindet. Kunst mit Biss, die man mit gutem Gewissen vernichten darf, weil sie zum Genießen is(s)t...
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Wie aus der Sommerlaune #KunstGeschichteAlsBrotbelag der Autorin Hingst ein geschmackvolles kleines BrotKunstBilderBuch wurde.......

„Unser tägliches Brot gib uns heute....“, heißt es im Vaterunser-Gebet, und es zeigt die Bedeutung dieses Grundnahrungsmittel in unserem Speiseplan. Aber auch wenn es alltäglich ist, ist Brot dennoch was Besonderes. Dies erweist sich dadurch, dass es hierzulande über 3200 Brotsorten gibt.
Vor einem knappen Jahr – Juli 2018 – hatte Hingst die Idee, Brot künstlerisch zu huldigen und stellte eine Scheibe Brot ins Internet, die belegt war wie ein Bild des Künstlers Piet Mondrian (klassische Moderne). Die Resonanz war unerwartet groß. Und innerhalb kürzester Zeit stellten viele User ihre essbaren, farbenfrohe Brotkunstwerke ins Netz. Nicht nur Bilder, auch Plastiken wurden als vergängliche Kunst präsentiert und immer mehr Hobbykünstler zum Mitmachen animiert.

Animieren, ja das soll dieses kleine, handliche Hardcover-Buch mit seinen gut 100 Seiten. Hier wird auf jeweils einer Doppelseite einem Kunstwerk Platz eingeräumt. Auf der linken Seite sieht man das Original und auf der rechten ist das Brotwerk zu sehen. Manchmal erkennt man sofort am Kunstwerk, wer Pate gestanden ist, manchmal bedarf es viel Fantasie, das Original darin wieder zu erkennen. Aber das ist ja auch die künstlerische Freiheit bei der Interpretation.

Im Buch findet man Kunstwerke aus sämtlichen Epochen und Stilrichtungen, sehr bekannte Künstler mit seinen Meisterwerken (Vincent van Gogh, Joseph Boys, Paul Klee, Leonardo da Vinci, Claude Monet, Albrecht Dürer, Jan Vermeer, Franz Marc, Gabriele Münter etc. ) aber auch eher [mir] unbekannte Werke sind zu sehen und zu bestaunen.

Mir hat das Buch – aber vor allem die Idee die dahinter steckt – gut gefallen. Man erfährt im Vorwort einiges zur Brotgeschichte und die Bedeutung des Brotes sowie zu Entstehungsgeschichte dieses Büchleins. Ich hätte mir einerseits vielleicht etwas mehr Infos zu den „Kunst-Stullen“ gewünscht, aber andererseits Seite hätte mehr Text die Wirkung der Bilder ge- oder sogar zerstört.

Das Buch ist ein gelungenes Bilderbuch - einfach nur zum Anschauen, Entspannen und Staunen. Es ist auch ein ideales Verschenk-Buch, da es in meinen Augen etwas Außergewöhnliches und Innovatives hat. Man kann viel sehen, muss aber nicht alles verstehen! Bei soviel Kreativität kann man sich echt eine Scheibe abschneiden – und vielleicht mal sich selber oder einem lieben Menschen eine schmieren.
Das Auge isst ja mit - Guten Appetit!

4 Sterne ★ ★ ★ ★

Veröffentlicht am 31.05.2019

Approve, delete, delete, delete...

Berlin Prepper
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Approve, delete, delete...; das ist das, was Walter Noack, Content Moderator bei einer großen Berliner Tageszeitung täglich acht Stunden lang mit eingehenden Online-Kommentaren macht. Er muss tausende ...

Approve, delete, delete...; das ist das, was Walter Noack, Content Moderator bei einer großen Berliner Tageszeitung täglich acht Stunden lang mit eingehenden Online-Kommentaren macht. Er muss tausende von Kommentaren, die von hinter Pseudonymen steckenden Lesern eingehen, in Sekundenschnelle erfassen und zensieren. Der Druck ist groß, da keine extrem-hasserfüllten Kommentare durchrutschen dürfen.
Es ist sein Job. Emotional lässt er nichts an sich ran. Er ist ja auch ein Prepper (abgeleitet vom Englischen „to be prepaired“ [bereit sein]) und ist gewappnet für den Notfall, für sämtliche Katastrophen, die das normale Leben aus den Angeln heben würden. So hortet er Konserven, diverse Werkzeuge und Utensilien um für längere Zeit autark sein zu können. Er hat sogar Verstecke im Wald, die er ständig auf dem Laufenden hält. Eine gute körperliche Fitness ist zudem unabdingbar. Noack bereitet sich ständig auf diese Notsituation vor, er ist allzeit bereit, falls es zum Schlimmsten kommt.
Die Arbeit ist Routine, ist Alltag, bis er eines Abends nach seiner Arbeit – obwohl das Security-Personal in der Nähe ist - brutal niedergeschlagen wird und verletzt im Krankenhaus landet. Er ärgert sich dabei aber mehr über sich selbst, weil er „nicht bereit“ war und diesem Angriff nichts entgegensetzen konnte. Aber wer steckt dahinter? Sind es Leser, die wütend sind, weil ihre Kommentare nicht durchkommen, oder sind es Flüchtlinge aus dem nahegelegenen Flüchtlingscontainern?
Als kurz darauf auch seiner Kollegin Peppa das gleiche passiert, die Polizei auch hier mit den Ermittlungen nicht weiterkommt, beschließen Noack, Peppa und sein Sohn Nick auf eigene Faust die Schläger ausfindig zu machen. Sie wollen sich nicht mehr alles gefallen lassen, und die Bereitschaft, auch härtere Bandagen anzulegen, steigt. So scheuen sie sich auch nicht, sich auf dem Schwarzmarkt Waffen zu besorgen und geraten unvermittelt in die Reichsbürgerszene.

Der Thriller ist in der Ich-Perspektive erzählt. Die Erzählweise ist nüchtern, sachlich, trocken, klar und leicht verständlich. Und dies Einfachheit lässt es fast wie ein 'Tagebuch' erscheinen, in dem der Schreiber – der Protagonist – das Erlebte unzensiert und ungefiltert darlegt. Man kommt so gut in die Geschichte rein, und der Hauptprotagonist Noack wirkt sehr authentisch, sein Handeln und Denken ist nachvollziehbar, auch wenn man als Leser diesem nicht unbedingt zustimmen wird. Ebenso finden die anderen verschiedensten Protagonisten mit ihren eigenen teils auch abgehobenen Charakteren und Eigenheiten ihren Platz in der Geschichte. Berlin ist Multi-Kulti, und so hat auch Noack eine gute kumpelhafte Beziehung zu seinem türkischen Stammbäcker Ahmad, der ihm auch bei der ein oder anderen Sache mit Rat und Tat zur Seite steht und immer ein Auge auf ihn hat.

Gelungen bei dem Thriller ist vor allem, dass man beim Lesen die Berliner Atmosphäre richtig spürt, man merkt, dass der Autor mit der Stadt sehr vertraut ist. Außerdem hat sich der Autor intensiv mit dem Thema Internet-Kommentare auseinandergesetzt. Die Story ist fiktiv, aber die Hass-Kommentare sind echt und nicht erfunden! Und das alles lässt einem die Geschichte sehr 'nah' und nahezu real erscheinen. Die dystopische und apokalyptische Perspektive machen ein wenig Angst, ist aber gleichzeitig auch ein mahnender Fingerzeig, sich mit der heutigen verrohenden, respektschwindenden gesellschaftlichen Entwicklung auseinanderzusetzen.

Dieser Thriller steht meines Erachtens - als einer von 12 nominierten Titeln - zu Recht auf der Longlist des diesjährigen „Crime Cologne Award“ (September 2019), da er eine aktuelle Thematik zum Inhalt hat und zudem psychologisch raffiniert aufgebaut ist.
Bis jetzt habe ich noch nichts von Johannes Groschupf gelesen, aber seine Fähigkeit, den Leser mit einer speziellen Spannung und einem eigenen Stil zu fesseln, hat mich überzeugt.
Überzeugen Sie sich doch auch! ✶ ✶ ✶ ✶ ✶

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Ein dystopisches, apokalyptisches Szenario, das packend sowie beklemmend ist, wachrüttelt und zum Nachdenken anregt. Lesen!

Veröffentlicht am 19.05.2019

Ikosaeder

10 Stunden tot
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Die Würfel fallen! Und der der Zufall bestimmt, wer, wann, wo und wie dem Mörder zum Opfer fällt. Es könnte jeden treffen!

Ein Ikosaeder ist ein vielflächiger Körper (Polyeder). Er hat zwanzig Flächen ...

Die Würfel fallen! Und der der Zufall bestimmt, wer, wann, wo und wie dem Mörder zum Opfer fällt. Es könnte jeden treffen!



Ein Ikosaeder ist ein vielflächiger Körper (Polyeder). Er hat zwanzig Flächen (Seiten), die aus gleichseitigen Dreiecken gebildet werden. Mich hat es in diesem Buch beeindruckt, dass ein Täter – neben 'normalen' sechsseitigen Würfeln - einen solchen platonischen Körper als Hilfsmittel nimmt, um seine perfiden Mordgelüste auszuleben. Aber dieses abartige Würfelspiel ist nur ein kleiner Aspekt in diesem vom schwedischen Autor Stefan Ahnhem geschriebenen Thriller „10 Stunden tot“ aus der Thriller-Reihe um den Ermittler Fabian Risk.
Und genau diese Würfelidee, auf die im Klappentext hingewiesen wird, hat mich bei diesem Thriller besonders neugierig gemacht und zum Lesen animiert. Ebenso hat mich das düstere Cover mit der etwas mit Gras zugewachsenen Eisenbahnschienen-Weichen gefangen genommen.

Helsingborg, ein kleiner schwedischer Küstenort wird in kurzer Zeit von einer Reihe von Morden, Verbrechen und Anschlägen überschattet, die teils von hoher Grausamkeit zeugen. Doch wer steckt dahinter? Bald stellen Fabian Risk und sein Team fest, dass sie nach mehreren Tätern suchen müssen. Eine aufreibende Ermittlungsarbeit hält das Team nahezu Tag und Nacht Trab. Dies geht auch an die Belastungsgrenze im privaten Bereich – vor allem bei Fabian Risk, dessen Familie auseinanderzubrechen droht. Während Fabian Risk mit diversen Fällen mit seinem gesamten Team beschäftigt ist, zweifelt er am Selbstmord seines Kollegen Hugo Elvin und vermutet, dass einer seiner Kollegen, Ingvar Molander, Elvin auf dem Gewissen haben könnte, da Elvin – nicht unbegründet – Molander beschattet hatte.
Im Buch werden viele aktuelle und brisante Themen wie Fremdenhass, Rechtsradikalität, Pädophilie, Stalken mit krankhafter Sexbesessenheit aufgegriffen und gekonnt in den Kriminalfällen zu Schwerpunkten verarbeitet, die packend und aufreibend erzählt werden. Und wie muss es sein, wenn man feststellt, dass sein eigener Partner eine politische Gesinnung hat, die man selber nicht gutheißt. Diesem Konflikt muss sich beispielsweise die Polizistin Irene Lilja stellen und lösen.

Der Thriller ist aufgrund der vielen Fälle durch eine hohe Komplexität gekennzeichnet, was auch eine gewisse Aufmerksamkeit erfordert, wodurch aber auch eine hohe Fesselung an die Story erreicht wird. Aber wenn man einmal den Einstieg gefunden hat, dann bleibt man in und von der Geschichte gefangen.

Ahnhem schafft es durch kurze Kapitel, kombiniert mit einem ständigen Perspektivenwechsel, eine konstante Spannung aufrecht zu erhalten, was zudem Speed und Dynamik in die Handlung bringt.
Besonders gut gelungen ist, dass, bei einzelnen Kapiteln, je nachdem, welchen Protagonisten er ins Zentrum eines Kapitels stellt, dass er den Sprachstil und Satzbau dem Charakter anpasst, sei es beispielsweise kindlich-subtil oder auch hasserfüllt und vergrämt. Diese Authentizität bringt einen diese Personen besonders nahe und man kann sie sich extrem gut vorstellen.

Etwas enttäuschend fand ich, dass das „Würfelthema“ nicht so viel Raum im Thriller eingenommen hat, wie ich es mir gewünscht habe. Aber so eine perfide – wenn nicht so grausam, würde ich schon sagen: geniale und ausgeklügelte– Idee, ist mir noch nie in einem Krimi/Thriller untergekommen.

Das Ende ist offen, und man schließt den Thriller mit einem Fragezeichen. Auf der einen Seite ist es unbefriedigend, die Geschichte nicht mit einem zufriedenen Gefühl der Fallaufklärung schließen zu können, auf der anderen Seite hat es aber auch den Vorteil, da der Leser dazu möglicherweise motiviert werden soll, sich „sein“ Ende zu erdenken. Also, es liegt an Dir!

Ich habe lange keinen Thriller mehr gelesen, aber diese kurzweilige Story konnte mich überzeugen und hat auch des öfteren meinen Atem stocken lassen, da die Schilderungen der Straftaten teilweise sehr schockierend und auch barbarisch waren. Leider kam die „Würfel-Geschichte“ etwas zu kurz und die Fälle sind nicht richtig abgeschlossen. Außerdem konnte ich keinen Bezug vom Titel „10 Stunden tot“ zum Inhalt feststellen. Er ist zwar spannend aber irgendwie isoliert. Auch wenn ich zwischen 3 und 4 Sternen schwanke, gebe ich 4 Sterne, da mich die Vielseitigkeit und Verstrickung der einzelnen Plots der Geschichte fasziniert haben.