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Veröffentlicht am 15.01.2024

Dumm

Die Insel der Tausend Leuchttürme
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Hildegunst von Mythenmetz, seines Zeichens gefeierter Schriftsteller und Bibliophiler, hat ein großes Problem: Bücherstauballergie. Damit diese nicht sein (Arbeits-)Leben ruiniert, begibt er sich zur Kur ...

Hildegunst von Mythenmetz, seines Zeichens gefeierter Schriftsteller und Bibliophiler, hat ein großes Problem: Bücherstauballergie. Damit diese nicht sein (Arbeits-)Leben ruiniert, begibt er sich zur Kur nach Eydernorn. Eydernorn ist eine Insel mitten im Ozean, mit der besten Luft, den besten Ärzten und - wie der Titel verrät - jeder Menge Leuchttürme. Doch die sind nicht das einzige Kuriosum, das es zu entdecken gilt...



Ich bin sehr zerrissen, was ich von diesem Buch halten soll.

Was ich erwartet habe: Einen Briefroman. Doch die Briefe wurden nur von Hildegunst geschrieben und nie abgeschickt, weil die Postschiffe in einem Sturm beschädigt wurden. Somit fällt eine Seite der Geschichte sozusagen weg. (Randnotiz: Ich liebe Briefromane. Bin ich die einzige, die "Der Club der nackten Wahrheiten" gelesen hat?)

Nachteil Briefroman: Superspannende Szenen können völlig entspannt gelesen werden, weil er sie ja hinterher im Brief aufschreibt und folglich überlebt haben muss.

Es ist also eher ein Kurtagebuch oder ein Reisebericht. Insgesamt erwarten uns 19 Briefe, ein Abschnitt mit Notizen aus Hildegunsts Notizbuch, weil er nicht zum Briefschreiben kam, sowie ein Anhang mit Skizzen, die Moers angefügt hat.



Einerseits konnte ich kein Ziel oder Plot entdecken, was mich immer kolossal nervt, andererseits gab es ständig seltsame Andeutungen und Anspielungen. Er soll zur Stadt ohne Türen gehen, weil er der Auserwählte ist (wofür?), dann wieder nicht, dann wird er aus Dummheit Schneckenzüchter (erfährt, dass sie im Wasser leben, hält sie aber weiter im Terrarium), dann wird er aus Versehen Golfprofi (und liest ein sehr verstörendes und schrecksenfeindliches Regelwerk, protestiert aber nicht dagegen), dann verliebt er sich plötzlich in Leuchttürme und wird Pharologe. Natürlich sind das keine Schnecken, sondern flötende Hummdudel und er spielt auch kein Golf, sondern Kraakenfieken, sonst wäre es ja nicht Zamonien.

Noch etwas, das mich gestört hat: Immer wieder misst er die Bodentemperatur, die stetig steigt, weiß, dass er sich auf einer aktiven Vulkaninsel befindet und bemerkt die zunehmenden Erdbeben - macht sich aber keinerlei Gedanken darüber, weil er kein Geologe ist. Dass alle Uhren auf fünf vor zwölf stehen, hat damit bestimmt auch nix zu tun.

Wann ist Hildegunst so ignorant geworden? Er kriegt zahllose Hinweise, teils sagt man es ihm direkt ins Gesicht und er kapiert trotzdem nichts. Betrüblich und nervig.



In der Werbung sagten sie, Moers habe zwei veraltete Kunstformen wiederbelebt: Bleistiftzeichnungen & Briefroman. Das ist nur zur Hälfte richtig, wie bereits bemängelt. Die Zeichnungen hingegen sind im gewohnten Stil gut gelungen, ich weiß gar nicht, wieso sie ausgestorben sein sollen. Fangen nicht alle Kunstschaffenden mit Bleistift und Block an?



Fazit: Falls ihr Lust habt, einen weiteren bisher unbekannten Bereich Zamoniens in allen Einzelheiten kennenzulernen, dann sei euch die Reise nach Eydernorn wärmstens ans Herz gelegt. Ich habe jedenfalls beschlossen, vorerst keine weiteren Zamonien-Romane zu lesen. Sie nerven mich nur noch, weil sie nicht in Buchheim spielen und auch wenn sie genauso irre und kreativ und ideenreich sind, vermisse ich alle bibliophilen Aspekte Zamoniens zu sehr. Ich habe schon befürchtet, er bleibt auf der Insel und wir bekommen nie den dritten Buchheim-Band. Ich bin halt ein Buchling.



"Am Fuße des Leuchtturms herrscht die Dunkelheit - aber in seiner Spitze brennt immer ein Licht."





Von Druckfrisch/Denis Scheck gibt es ein tolles Interview mit Walter Moers - da Moers aber die mediale Aufmerksamkeit scheut, wird er durch eine Augsburger-Puppenkiste-Figur repräsentiert. Witzig!



Noch eine Notiz zum Preis, der für Kontroversen sorgte (42 €): Die Buchpreise haben sich seit den 90ern kaum verändert, obwohl alle anderen Lebenskosten gestiegen sind. Wie soll die Buchbranche davon überleben? Außerdem haben sicher alle letztes Jahr mitbekommen, dass nach Corona extreme Papierknappheit herrschte, Druckereien mussten härter kalkulieren und Erscheinungstermine wurden verschoben, weil kein Drucktermin frei oder Papier vorhanden war. Hier bekommt ihr 650 Seiten im Großformat, durchgängig illustriert mit Schutzumschlag, Lesebändchen, Landkarte als Vorsatz und das nackte Hardcover ist auch gestaltet. Achja, und in der Erstauflage natürlich wieder mit farbigem Kopfschnitt. Hier bekommt man wenigstens was für sein Geld!

Veröffentlicht am 15.01.2024

Cancelled

Mord im Christmas Express
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TW: Geburt, Vergewaltigung, Armut, häusliche Gewalt, PTSD, Drogenmissbrauch, Social-Media-Sucht



Roz, ihres Zeichens pensionierte Polizistin, befindet sich auf dem Weg nach Fort William, um ihrer hochschwangeren ...

TW: Geburt, Vergewaltigung, Armut, häusliche Gewalt, PTSD, Drogenmissbrauch, Social-Media-Sucht



Roz, ihres Zeichens pensionierte Polizistin, befindet sich auf dem Weg nach Fort William, um ihrer hochschwangeren Tochter beizustehen. Doch der Zug hat Verspätung, der Schnee und ein umgefallener Baum sorgen für Chaos und dann taucht die erste Leiche auf...



Weihnachten! Schottland! Ein kuschliger Zug! Schnee! Die Prämisse klang vielversprechend, doch leider konnte das Versprechen nicht gehalten werden.

Die Kapitel sind aus der Sicht von Roz geschrieben. Das ist etwas verwirrend, wenn man davor "Die Queen ermittelt" gelesen hat, wo die Hauptperson auch Roz heißt und die Autorin bei diesem Krimi eine Empfehlung im Klappentext ausspricht. Das will ich aber natürlich niemandem vorwerfen, ich habe mir eingeredet, das spielt einfach nach Roz' Zeit mit der Queen.

Was mich mehr gestört hat, waren die Kapitel, die aus der Sicht von "Killa" geschrieben wurden und bereits im vierten Kapitel klar ist, wer dahintersteckt. Ich lasse mich gerne überraschen und versuche, nicht zu viel mitzudenken, aber bei einem Krimi achtet man auf Details und hier waren sie einfach unübersehbar.

Dann die Sache mit dem Atropa. Jeder, der den Namen kennt, weiß sofort, was los war und daher war auch diese Auflösung nur ein weiteres "Na endlich!" für mich.

Wegen des Untertitels "18 Passagiere, 7 Stopps, 1 Killer" hatte ich etwas Sorge, ob es auch 18 Hauptcharaktere geben würde. Da nur aus Sicht von Roz und Meg erzählt wird, wird das etwas aufgefangen, aber es gibt tatsächlich 22 wichtige Charaktere (2 Influencer, 4 Nerds, 5-köpfige Familie, 3 schäbig Bekleidete, eine bekloppte Alte und ihr Sohn sowie ein blinder Passagier und "Killa"). Überhaupt ist der Untertitel furchtbar irreführend - es gibt erheblich mehr Passagiere und es gibt nur einen Halt in Edinburgh, bevor der Zug entgleist und das Chaos ausbricht (danach hält er an einem Kaff, das nicht auf dem ursprünglichen Plan stand und endet in Fort William). Der erste Mord passiert übrigens auch erst nach der Hälfte des Buches, man bekommt also immerhin ausreichend Zeit, alle Beteiligten kennenzulernen, bevor es ernst wird.



Falls ihr euch, wie ich, auf einen schottischen winterlichen Cozy Krimi im Stile Christies gefreut habt, muss ich euch enttäuschen. Ja, es gibt viele Anspielungen auf das schottische Leben und sogar Gälisch und ja, sie sind eingeschneit und alles ist kalt und weiß, aber cozy ist daran nichts. Roz hat immer wieder Flashbacks wegen einer 30 Jahre alten Vergewaltigung und der traumatischen Geburt ihrer Tochter. Weitere traumatische Themen sind Gewalt in der Ehe, Nahrungsarmut und Präeklampsie. Harter Tobak. Im Gegensatz dazu ist das Ende ziemlich kitschig geworden.



Schön war dafür das Cover, mit den glänzenden Schienen und der tropfenden Schrift ist das gut gelungen. Auch Mary, eine ältere Dame, die kein Blatt vor den Mund nimmt, hat mich sehr amüsiert. Die nebensächliche Erwähnung von Bisexualität und Diversität sowie die akkurate Erwähnung von BDSM-Fakten und die deutliche Abgrenzung zu häuslicher Gewalt war angenehm unaufdringlich. Auch die schottischen Aspekte haben mir zugesagt, es gibt Scots und Gaidhlig und ich glaube, ich würde gern mal ins Original reinlesen, ob manche Passagiere auch Akzente haben - in der Leseprobe war das nicht ersichtlich. Dann wiederum bedankt sich die Autorin bei Val McDermid für die netten Zitate über das Buch, die aber im Deutschen fehlen.



Alexandra Benedict scheint sich auf Weihnachtskrimis spezialisiert zu haben, dies ist schon ihr zweiter, der dritte erscheint im November auf Englisch.



Wer also gern einen winterlichen Krimi mit schottischem Flair lesen möchte, dem sei dazu geraten, aber nur, wenn er mit den schweren Themen klarkommt.



"#Christmasiscancelled"

Veröffentlicht am 15.01.2024

3

Ein höchst royaler Mord
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Diesmal befinden wir uns über Weihnachten und Neujahr in Sandringham Castle, als am Strand eine Hand angespült wird - eine Hand, die die Queen sofort identifizieren kann, weil sie sie kennt...

Neben ...

Diesmal befinden wir uns über Weihnachten und Neujahr in Sandringham Castle, als am Strand eine Hand angespült wird - eine Hand, die die Queen sofort identifizieren kann, weil sie sie kennt...

Neben dem Hauptfall gibt es außerdem noch den Fall einer engagierten Mitbewohnerin im Dorf, die von einem Auto angefahren und liegengelassen wurde. Schockierend!



Rozie und die Queen sind wieder voll auf Touren, yeah! Und diesmal ohne, dass Simon sie aufhält, weil er im Winterurlaub ist.



Die vielen Namen der Familie St Cyr waren etwas verwirrend und ich habe eine Weile gebraucht, um durchzublicken, aber wie mit der Verwandtschaft eines neuen Freundes gewöhnt man sich dran.

Obwohl es um Weihnachten spielt, kam bei mir nur wenig Weihnachtsstimmung auf - ja, es kommt die ganze Familie und alle essen lecker, aber es gab keinen Schnee oder andere festliche Aktivitäten, es ging primär um den Mord, Puzzles und die Versöhnung der St Cyrs. Das halloweenfarbene Cover und der Erscheinungstermin ließen mich ebenfalls mit anderem Inhalt rechnen. Dass die Queen und Philip diesmal kränkeln hat mich natürlich direkt beunruhigt, aber sie berappeln sich wieder und kabbeln sich in altbekannter Manier, herrlich.



Ein schöner geistiger Ausflug nach Norfolk, mit dem ich mich noch gar nicht beschäftigt habe und auf das ich jetzt sehr neugierig bin. Diesmal begibt sich die Queen selbst in Gefahr, eine ganz neue Wendung! Am Ende zieht sie aber natürlich unauffällig aus dem Hintergrund die Fäden - da hätte ich mich wieder kringeln können, wie sie Realität und Klatsch verdreht.



"Frauen verstanden einander, fand die Queen. Sie wussten um die gegenseitigen Stärken und Schwächen und unterschätzten sich nicht."

Veröffentlicht am 15.01.2024

2

Die unhöfliche Tote
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Die Queen und ihr Hofstaat kommen gerade aus dem Sommerurlaub in Balmoral zurück, als im Poolhaus eine tote Mitarbeiterin gefunden wird. Alles deutet auf einen unglücklichen Unfall hin, doch natürlich ...

Die Queen und ihr Hofstaat kommen gerade aus dem Sommerurlaub in Balmoral zurück, als im Poolhaus eine tote Mitarbeiterin gefunden wird. Alles deutet auf einen unglücklichen Unfall hin, doch natürlich ist nichts so einfach, wie es in einem königlichen Haushalt scheint. Als wäre das nicht dramatisch genug, entdeckt die Queen eins ihrer Lieblingsbilder bei einer Ausstellung - dabei sollte es vor ihrem Schlafzimmer hängen! Bis in die 80er gehen die Recherchen dieses großangelegten Komplotts, dem sich die Queen und ihre Privatsekretärin Rozie stellen müssen.



"Sich dieses Leben vorstellen zu wollen, hatte keinen Sinn, wie sie begriff. Man wusste nie, was es bereithielt, es war unmöglich vorauszusehen."


Ist es nicht faszinierend, wie, wenn man sich mit einem Thema beschäftigt, es einem ständig überall begegnet? Mir geht es momentan so mit Artemisia Gentileschi, einer Barockmalerin. Sie begegnete uns das erste Mal in "The Art of Crime", einer französischen Krimiserie über Kunstdiebstähle. Die Folge über Artemisia hinterließ bleibenden Eindruck bei mir und nun begegnet mir dieser großartige Name überall - nun auch hier, im Haus der Queen! Herrlich.



Außerdem ist mir einmal mehr aufgefallen, wie wunderbar SJ Bennett die üblichen Cozy-Crime-Schemata durchbricht. Ist normalerweise die Hauptperson gerne mal unbeholfen und findet Hinweise durch puren Zufall, schreiten Rozie und die Queen als toughe Frauen voranschreiten (Rozie war immerhin Captain!), keine Mühen und Gefahren scheuen und es eine Pracht ist, ihnen bei ihrer Jagd und Recherche zuzulesen.



Am allermeisten an diesem Band hat mich allerdings der Klappentext erfreut, denn unerwarteterweise befindet sich dort ein Zitat von mir zu Band 1! Wie irre ist das denn!



Aber zurück zum Thema: Erneut super spannend und erstaunlich vielschichtig und verworren bietet auch Band 2 uneingeschränkten Lesegenuss - besonders, weil es mehrmals um Schottland geht.



"Dort oben gab es gute, saubere schottische Luft zu atmen, man konnte ein wenig mehr »Lilibet« und weniger »Ma'am« sein..."

Veröffentlicht am 15.01.2024

Königlich

Das Windsor-Komplott
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Eine Katastrophe: Im geliebten Windsor Castle wurde nach einer Abendveranstaltung eine Leiche gefunden. Die Queen und die Familie müssen unbedingt vor der Presse geschützt werden und so ermittelt die Polizei ...

Eine Katastrophe: Im geliebten Windsor Castle wurde nach einer Abendveranstaltung eine Leiche gefunden. Die Queen und die Familie müssen unbedingt vor der Presse geschützt werden und so ermittelt die Polizei mehr im Geheimen. Als die Queen allerdings merkt, dass sich die Beamten etwas verrennen, stellt sie ihre eigenen Ermittlungen an...





Das Buch ist aus mehreren Perspektiven geschrieben: der Queen, natürlich, ihrer Assistentin Rozie und am Ende auch der Ermittler. Ich hatte mich gefragt, ob die Queen dann in ihren schicken Kostümen durch die City wetzt und Verbrecher jagt, aber ganz stilvoll zieht sie "nur" die Fäden im Hintergrund - ihre Assistentin übernimmt größtenteils die Ermittlungen außer Haus.

Zwischendurch waren die Beschreibungen etwas langatmig und sporadisch hatte ich das Gefühl, dass es nur zum Infodump dient, aber dennoch war es interessant zu erfahren, was den ganzen Tag so im Schloss getrieben wird. Wir befinden uns übrigens im Jahr 2016, sodass es einen Besuch der Obamas, aber nicht des orangen Horrors gibt.

Gewöhnlich bezeichnet man Agatha Christie als Queen of Crime, das wird hier jedoch verdreht - sehr zum Amüsement der Leserschaft. Und was für ein grandioser Spaß, dabei zuzulesen, wie die Ermittler am Ende alles erklären und die Queen sitzt da und nickt und weiß in Wirklichkeit schon alles. Zum Schreien!

Schönes Detail: Die Corgis, die überall in und auf dem Buch herumtollen. Wenn man das Buch auf den Nachttisch legt, wird man morgens von einem auf dem Rücken begrüßt!



Fazit: So (ent-)spannend wie drei Folgen "The Crown" - und tatsächlich habe ich die Stimmen mehrmals direkt hören können, so passend sind sie geschrieben! Ich habe mich köstlich amüsiert und kann den nächsten Band kaum erwarten - am Ende gab es nämlich eine Leseprobe.



"Man tat, was man konnte. Und jetzt war unbedingt die Zeit für einen kleinen Gin."