Starke Frauenfiguren, aber leider klischeehaft, oberflächlich und insgesamt enttäuschend
Belle Morte - Rot wie Blut Spoilerfreie Rezension!
Inhalt
Renies Schwester ist spurlos verschwunden – und zwar nicht irgendwo, sondern in einem der berühmten Vampir-Häuser namens „Belle Morte“, deren Bewohner:innen wie Stars ...
Spoilerfreie Rezension!
Inhalt
Renies Schwester ist spurlos verschwunden – und zwar nicht irgendwo, sondern in einem der berühmten Vampir-Häuser namens „Belle Morte“, deren Bewohner:innen wie Stars gefeiert und bewundert werden. Kurz entschlossen bewirbt sie sich selbst als Blutspenderin -auch wenn sie Vampire eigentlich verabscheut. Doch um ihre geliebte Schwester zu finden, würde Renie alles tun…
Übersicht
Einzelband oder Reihe: Band 1/3
Erzählweise: Ich-Erzählweise und figurale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche und männliche Perspektive im Wechsel
Kapitellänge: mittel
Inhaltswarnung: Blut, Gewalt, s+xualiserte Gewalt gegen Frauen, Trauer, Verlust, Krieg, Alkoholmissbrauch, Tod, Tierquälerei, Tod von Tieren
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: n+ttig (Kleidung)
Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:
- Romantasy mit Vampiren
- Leben als Teil der High Society (Reichtum, Bälle, Kleider im Überfluss)
- verbotene Liebe
- starke Frauen
- Insta-Love (= Liebe auf den ersten Blick)
- Geheimnisse
- Geschwisterliebe
- Freundschaft
Lieblingszitate
„Ich blickte in seine Augen und war verloren.“ Seite 272
„[Seine Stimme] hatte etwas beinahe Intimes an sich, ein einlullendes Schnurren, das mich an Geflüster im Dunkeln erinnerte, an raunende Stimmen unter zerwühlten Decken.“ Seite 26
„Da war dieses seltsame Gefühl der Enge in meiner Brust, ein Schrei oder ein Schluchzen, das feststeckte und sich anfühlte, als hätte ich einen Stein verschluckt.“ Seite 133
Meine Rezension
Wenn es um Vampirbücher geht, kann ich einfach nicht nein sagen – jedes Mal ist da die Hoffnung, dass mir etwas richtig Gutes in die Hände fällt, das mich begeistert und fasziniert wie damals (auch heute noch mein Guilty Pleasure, bitte verurteilt mich nicht!) „Twilight“. „Belle Morte“ klang modern und vielversprechend, daher musste ich es haben! Aber konnte es mich auch begeistern?
Lasst es uns kurz und schmerzlos machen: nein. Für mich war „Belle Morte“ leider eine ziemliche Enttäuschung. Das Romantasy-Buch ist mir über weite Strecken echt auf die Nerven gegangen und ich habe mehrmals überlegt, ob ich es abbrechen soll! Nicht überzeugt haben mich zum Beispiel der oberflächliche, uninspirierte Schreibstil (gefühlt beginnt jeder zweite Satz mit „Ich…“) und die „Insta-Love“ zwischen Renie und Edmond. Von Anfang an sind da scheinbar heftige Gefühle da – für mich (als Fan von sich ganz langsam entwickelnden Liebesgeschichten) überhaupt nicht nachvollziehbar… Dazu kommt, dass ich die meisten Figuren ziemlich blass und wenig greifbar fand – auch wenn sie von der Autorin teilweise eine Vorgeschichte bekommen, die hunderte von Jahre in die Vergangenheit zurückreicht. Sie fühlten sich für mich trotzdem nie wie echte Personen mit einer Persönlichkeit und Ecken und Kanten an (bis auf wenige Ausnahmen). Gestört hat mich auch, dass die Protagonistin Renie sich stellenweise wenig nachvollziehbar (manche würden es leichtsinnig nennen, andere dumm) verhält und sich mehrmals ohne guten Grund in große Gefahr bringt bzw. ohne Sinn und Verstand rebelliert.
Auch beim Pacing (= Erzähldichte und Erzähltempo) gibt es noch viel Luft nach oben, da im Mittelteil wirklich nicht viel passiert (außer sehr, sehr langweiligen Modenschauen, Bällen und für ein Jugendbuch ab 14 etwas problematischen Saufgelagen), dann gegen Ende aber zu viel in zu kurzer Zeit (gemeiner Cliffhanger inklusive). Der Aufbau des Spannungsbogens hat also nur punktuell, aber nicht szenenübergreifend geklappt.
Mein größtes Problem waren aber die vielen Klischees, von denen das (recht vorhersehbare) Buch durchzogen ist und die mich quasi ständig die Augen überdrehen lassen haben. Einige Beispiele: uralter, wunderschöner Vampir verliebt sich in Teenager-Mädchen, die sein „versteinertes Herz“ erweicht, Protagonistin ist „anders als die anderen“, Love Interest rettet heldenhaft weibliche Hauptfigur vor s_xualisierter Gewalt durch einen anderen Mann usw. Gegen Ende wird es stellenweise auch noch einmal richtig schnulzig und kitschig – auch hiervon bin ich (gelinde gesagt) kein Fan. Diese Geschichte war ursprünglich eine Wattpad-Story (die Werke der Autorin wurden immerhin über 12 Millionen Mal gelesen) – und diese Herkunft merkt man ihr leider auch an (sowohl sprachlich als auch inhaltlich).
Dabei gab es durchaus gute Ansätze: Die Grundidee mit den modernen, gehypten Vampir:innen, den von Kameras begleiteten Events in den Häusern und dem vertraglich geregelten Blutspender:innen-System fand ich richtig cool und ich mochte auch den Humor und die eine oder andere gelungene Formulierung. Ebenfalls erwähnen sollte ich, dass sich dieses recht dialoglastige Romantasy-Buch trotz meiner Kritikpunkte unglaublich flüssig und schnell lesen lässt, was ein großer Pluspunkt ist. Außerdem bemüht sich die Autorin zumindest sichtlich, den Figuren vor allem in der weiten Hälfte der Geschichte mehr Tiefe zu verleihen (auch wenn dieses Vorhaben meiner Meinung nach nicht von Erfolg gekrönt ist).
Richtig gefeiert habe ich hingegen, dass „Belle Morte“ aus feministischer Sicht wirklich abliefert: Es gibt keinerlei frauenfeindliche Beleidigungen, dafür aber viele mächtige weibliche Figuren (z. B. wird das Vampirhaus von einer respekteinflößenden Herrin geleitet), eine unaufgeregte Einbindung von Diversität (z. B. LGBT-Repräsentation, verschiedene Hautfarben) und einen Love Interest, der Grenzen zu jeder Zeit respektiert und dem Consent sogar in Momenten größter Gefahr noch unglaublich wichtig ist. Dafür gibt es von mir natürlich einen Daumen nach oben! Mir hat es ebenfalls sehr gut gefallen, dass sowohl die Vampir:innen (= die Mächtigen im Buch) als auch die Blutspender:innen (= die Schutzbefohlenen) aus Männern UND Frauen bestehen – es ist also eine sehr gleichberechtigte Fantasy-Welt, bei dem zumindest kein Geschlecht benachteiligt oder unterdrückt oder ausgebeutet wird (Hinweis: Consent beim Bluttrinken ist im Buch stellenweise allerdings schon frag- bzw. diskussionswürdig). Auch bei den (übrigens ziemlich blutigen, brutalen) Kämpfen unter den Vampiren wird auf das Geschlecht keine Rücksicht genommen, weil Vampirinnen und Vampire schlicht gleich stark sind. Das fand ich sehr erfrischend! Einen halben Stern Abzug gibt es von mir hier nur für zwei bis drei Kleinigkeiten (vereinzelt leichter Male Gaze, Verwendung des Wortes „n+ttig“).
Mein Fazit
„Belle Morte“ ist ein Vampir-Jugendbuch, an das ich keine allzu hohen Erwartungen hatte, das mich aber leider trotzdem ziemlich enttäuscht hat (fehlende Tiefe bei Schreibstil und Figuren, sich zu schnell entwickelnde Liebesgeschichte, langsames Erzähltempo, viele Klischees, zu wenig Spannung) und mir über weite Strecken auch auf die Nerven gegangen ist. Eine Empfehlung gibt es LEDIGLICH aus feministischer Sicht – hier gibt es nämlich so gut wie gar nichts auszusetzen!
Bewertung (Note)
Cover / Aufmachung: 3
Idee: 1+ ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 3
Umsetzung: 3-4
Worldbuilding: 2
Einstieg: 3
Ende: 3
Schreibstil: 3-4
Protagonist:innen: 3
Love Interest: 3
Liebesgeschichte: 4
Figuren: 3-4
Spannung: 4
Pacing/Tempo: 3-4
Wendungen: 3
Atmosphäre: 3
Emotionale Involviertheit: 3-4
Feministischer Blickwinkel: 1-
Einzigartigkeit: 4
Insgesamt:
Note 3-4