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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.08.2022

Vielschichtiger, tiefgründiger Literaturklassiker, der zum Nachdenken anregt!

Der Vorleser
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Als Michael sich krankheitsbedingt übergeben muss, kommt ihm eine fremde Frau zu Hilfe. Von der Familie wird er zu ihr geschickt, um sich mit Blumen zu bedanken. Er ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Als Michael sich krankheitsbedingt übergeben muss, kommt ihm eine fremde Frau zu Hilfe. Von der Familie wird er zu ihr geschickt, um sich mit Blumen zu bedanken. Er ist 15 Jahre alt, sie ist 36 und wird seine erste Liebe / Affäre. Da sie selbst nicht lesen kann, liest er ihr jeden Tag aus Klassikern vor. Doch eines Tages verschwindet sie plötzlich. Jahre später sieht sie Michael sie unter unerwarteten Umständen wieder und erfährt, dass sie die ganze Zeit ein schreckliches Geheimnis hatte…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präteritum
Perspektive: männliche Perspektive
Kapitellänge: sehr kurz

Tiere im Buch: + Im Buch werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Triggerwarnung: NS-Zeit, Holocaust, Tod von Menschen, Beziehung zwischen einem Minderjährigen und einer Erwachsenen, toxische Beziehung, Gewalt
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): nicht bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: ---

Kurzrezension

„Warum? Warum wird uns, was schön war, im Rückblick dadurch brüchig, dass es hässliche Wahrheiten verbarg?“ Seite 38

„Der Vorleser“ gilt als literarischer Klassiker, den man gelesen haben muss, und als beliebte Schullektüre. Pflichtbewusst gekauft, verstaubte das Buch aber zuerst einmal 2 Jahre in meinem Regal, bis ich in den Sommerferien dieses Jahres endlich Lust darauf hatte.

Zuerst: Hat mir das Buch gefallen? Ja, durchaus! Aber ist es auch so großartig wie angepriesen? Da bin ich mir nicht so sicher. Auf meine hohen Erwartungen folgten zwar ein paar unterhaltsame, interessante und tiefgründige Lesestunden, aber leider auch Ernüchterung. Den ruhigen, unaufgeregten Schreibstil mochte ich, die philosophischen und moralischen Fragen, die immer wieder gestellt werden, haben mich zum Nachdenken angeregt, was mir ebenfalls gefallen hat. Aber Achtung: „Der Vorleser“ ist ein Literaturklassiker, der zwar viele (und vor allem: die richtigen) Fragen stellt, der aber keine klaren, einfachen Antworten liefert!

Die ernsten Themen (NS-Vergangenheit, Literatur, Schuld, Erwachsenwerden, erste Liebe, Analphabetismus) und ihre tiefgründige Ausarbeitung haben mich ebenso überzeugt wie die komplexen, glaubwürdigen Figuren (besonders Hanna ist sehr gut gelungen) und der sympathische, selbstkritische, nachdenkliche Protagonist. Teilweise ist diese Mischung aus Liebesgeschichte, Roman und Justizkrimi wirklich spannend geschrieben und es gibt einige unerwartete Wendungen. Aus feministischer Sicht fallen die starken, intelligenten, beruflich erfolgreichen Frauenfiguren positiv auf (besonders da der Roman 1995 erstmals erschienen ist), auch die Darstellung von Frauen als Täter·innen ist außergewöhnlich und bemerkenswert. Die Verfilmung, für die Kate Winslet sogar einen Oscar erhalten hat, werde ich mir auf jeden Fall noch anschauen!

Leider enthält das vielschichtige Buch aber auch sehr langatmige, zähe, handlungsarme Passagen, bei denen ich nur im Schneckentempo vorangekommen bin. Ich kann mir gut vorstellen, dass Schüler·innen hier die Geduld verlieren und das Buch abbrechen könnten. Außerdem könnten ihnen die teilweise recht expliziten sexuellen Beschreibungen unangenehm oder peinlich sein.

Doch wenn man sich die Frage stellt, ob dieses Buch als Schullektüre (für die Oberstufe, früher würde ich das Buch mit einer Klasse nicht lesen) geeignet ist, muss noch ein Punkt angesprochen werden: Hochproblematisch ist natürlich die toxische, teilweise sogar gewalttätige Beziehung / Affäre zwischen dem Minderjährigen Michael (15 Jahre alt) und der Erwachsenen Hanna (Mitte 30). Gesetzlich wäre so eine Beziehung zumindest in Österreich erlaubt, moralisch bleibt sie trotzdem mehr als fragwürdig, ist in meinen Augen sehr problematisch und grenzt für mich an sexuellen Missbrauch wegen der unterschiedlichen Lebenserfahrung und des Machtgefälles (das Hanna bewusst ausnutzt). Wenn das Buch in der Schule besprochen wird, sollte dieser Aspekt auf jeden Fall nicht ignoriert, sondern klar angesprochen und diskutiert werden.

Mein Fazit

„Der Vorleser“ ist ein unterhaltsamer, tiefgründiger, interessanter Literaturklassiker, der zum Nachdenken anregt und mir trotz seiner langatmigen Passagen insgesamt gut gefallen hat. Wird das Buch als Schullektüre verwendet, sollte darauf geachtet werden, die ernsten Themen (NS-Vergangenheit, Schuld) altersgerecht aufzubereiten und auch die problematischen Aspekte der Geschichte (Altersunterschied in der Beziehung) nicht unter den Teppich zu kehren, sondern klar anzusprechen. Von mir gibt es jedenfalls eine Leseempfehlung!

Bewertung

Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Tiefe: 5 Sterne ♥
Umsetzung: 3,5 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Ende: 4 Sterne
Schreibstil: 4 Sterne
Protagonist: 4 Sterne
Figuren: 5 Sterne ♥
Spannung: 3 Sterne
Tempo: 3 Sterne
Wendungen: 4 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 4 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 4 Sterne
Einzigartigkeit: 5 Sterne ♥

Insgesamt:

❀❀❀,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir 3,5 Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.08.2022

Atemlos spannend, fesselnd und atmosphärisch – ein Thriller, der Spaß macht!

Meine beste Freundin
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Achtung: Die Rezension enthält Spoiler! Vor diesen wird aber im Text noch einmal gewarnt.

Inhalt

Nach einem schrecklichen Unfall bei einer Büro-Party ist Lizzies ehrgeizige Kollegin Becca ganz von ...

Achtung: Die Rezension enthält Spoiler! Vor diesen wird aber im Text noch einmal gewarnt.

Inhalt

Nach einem schrecklichen Unfall bei einer Büro-Party ist Lizzies ehrgeizige Kollegin Becca ganz von der Bildfläche verschwunden. Eines Tages findet Lizzie eine Instagram-Seite: Anscheinend hat Becca ein neues Leben begonnen, ist verheiratet und hat ein Kind. In einer Nachricht an ihre beste Freundin lästert Lizzie über das Baby ab – doch sie schickt die Nachricht versehentlich an Becca selbst. Ein folgenschwerer Fehler. Wozu ist Becca fähig?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählerin, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel bis lang

Tiere im Buch: + / - Eine Katze wird einzeln gehalten (das ist Tierquälerei, Katzen bitte immer mindestens zu zweit halten!) und vernachlässigt und eine Katze und ein Hund werden getreten. Es wird kurz beschrieben, wie eine Ratte getötet wird.
Triggerwarnung: Tod von Menschen, Blut, Gewalt (auch gegen Frauen), Fehlgeburt, Tierquälerei, Alkohol, psychische Krankheiten
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Zicke, Tussi, Miststück, Fo+++, Hu++

Warum dieses Buch?

Ich habe immer nur positive Rezensionen zum Buch gesehen, wodurch ich auch immer neugieriger wurde. Besonders das Fazit von @wiener_buchwurm (Instagram) ist mir da in Erinnerung geblieben, denn ihre Begeisterung ist sehr ansteckend! :)

Kurzrezension

Das mochte ich…

+ den starken, extrem spannenden, mitreißenden Anfang. Selten zuvor hat mich ein Thriller schon so früh gefesselt wie „Meine beste Freundin“! Ich konnte das Buch kaum weglegen.
+ den unglaublich angenehmen, flüssigen, anschaulichen Schreibstil, durch den man nur so durch die Seiten fliegt! Unglaublich, dass die Autorin dieses Buch in nur 6 Wochen geschrieben hat!
+ die authentische, durchaus charmante, , liebevoll ausgearbeitete Protagonistin, mit der ich trotz ihrer Schwächen und Fehler durchgehend mitgefühlt und mitgefiebert habe.
+ die unheilvolle, ja, fast schon unheimliche Grundstimmung, die das ganze Buch durchzieht und für Gänsehaut sorgt.
+ die anderen Figuren, die auch als dreidimensional und echt empfand.
+ das alltägliche Setting dieses „Domestic Thrillers“ (Haus, Arbeit, Alltag), aus dem die Autorin aber sehr viel gemacht hat.
+ den wendungsreichen Plot und die Themen (Eifersucht, Liebe, Ehrgeiz, Freundschaft, Geheimnisse, Rache), die die Autorin auch mit angemessener Tiefe behandelt.

„Ich werde das Gefühl nicht los, dass etwas Schlimmes passieren wird, etwas Schlimmeres als ohnehin schon.“ Seite 105

Das lässt mich zwiegespalten zurück…

~ der Spannungsbogen. Nach der atemlosen Spannung in der ersten Hälfte, kommt es zu einem Spannungseinbruch im Mittelteil, von dem sich die Geschichte aber später wieder erholt.
~ der Feminismus. Das Buch enthält zwar viele starke, intelligente Frauenfiguren und besteht den Bechdel-Test, leider gibt es aber auch einige gegenderte Beleidigungen, Stutenbissigkeit und ein paar Genderstereotype. Außerdem hat die Protagonistin ziemlich toxische, sexistische Vorstellungen von Dating (weil sie einfach zu viele „Frauenmagazine“ über dieses Thema gelesen hat).

„Die Schlaftablette verlangsamt mein Denkvermögen, als würde mein Gehirn mit einem veralteten Betriebssystem arbeiten, das dringend aktualisiert werden müsste.“ Seite 100

Das hat mir nicht gefallen…


Achtung: Spoiler!

- die Wendungen und die Auflösung am Schluss, die ich unglaubwürdig fand und die mir einfach „too much“ (= zu übertrieben) war. Zum Beispiel wird eine Figur von einem auf den anderen Moment so dermaßen comic-haft böse und „verrückt“, dass ich es ihr nicht abnehmen konnte. Außerdem verhält sich die Polizei derart unprofessionell und dilettantisch, dass es zum Haareraufen war. Warum wird Lizzie plötzlich alles (jede noch so unwahrscheinlich klingende Aussage) geglaubt, obwohl sie vorher schon als verdächtig galt? Warum wird die Polizei nicht misstrauisch, als sie die riesigen Urinpfützen im Obergeschoss findet und den Zustand bemerkt, in dem das Opfer ist (dehydriert, ältere Verletzungen, Spuren der Handschellen)? Warum werden keine DNA-Spuren und Urinproben genommen, obwohl alles darauf hindeutet, dass das Opfer längere Zeit in diesem Raum eingesperrt war? Warum wird Lizzie einfach geglaubt, dass die Urinpfützen von der Katze stammen (auch dann hätte die Polizei doch zumindest wegen Tierquälerei ermitteln müssen)? Fragen über Fragen! Doch auch wenn mich das Ende mit seinen Logiklöchern ziemlich enttäuscht hat, konnte es den Lesespaß, den ich davor hatte, natürlich nicht auslöschen. Deshalb ziehe ich auch nur einen Stern ab!

Spoiler-Ende!


Mein Fazit

„Meine beste Freundin“ ist in meinen Augen ein kleiner, aber feiner, atemlos spannender, sehr atmosphärischer und mitreißender „Domestic Thriller“, der wirklich Spaß macht! Besonders gut gefallen haben mir der fesselnde Schreibstil und die unheilvolle Grundstimmung. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen – und ihr werdet das auch nicht können. Von mir gibt es deshalb eine Leseempfehlung!

Bewertung

Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Tiefe: 4 Sterne
Umsetzung: 4 Sterne
Worldbuilding: 5 Sterne ♥
Einstieg: 5 Sterne ♥
Ende: 2 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 5 Sterne
Figuren: 4 Sterne
Spannung: 4 Sterne
Tempo: 4 Sterne
Wendungen: 3,5 Sterne
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne ♥
Feministischer Blickwinkel: 3 Sterne
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

❀❀❀❀ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir 4 zufriedene Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.07.2022

Vielversprechendes Setting und gute Grundidee, aber leider schwache Umsetzung (Logiklöcher, wenig Spannung, zu frühe Auflösung)!

Als das Böse kam
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Achtung: Die Rezension enthält Spoiler! Vor diesen wird aber im Text noch einmal gewarnt.

Inhalt

Die 16-jährige Juno wohnt mit ihrem Bruder und ihren Eltern isoliert und bescheiden auf einer Insel. ...

Achtung: Die Rezension enthält Spoiler! Vor diesen wird aber im Text noch einmal gewarnt.

Inhalt

Die 16-jährige Juno wohnt mit ihrem Bruder und ihren Eltern isoliert und bescheiden auf einer Insel. Die Familie lebt in ständiger Alarmbereitschaft und Angst vor den „Fremdlingen“. Doch Juno ist kein Kind mehr – sie beginnt, Fragen zu stellen und auf eigene Faust gefährliche Nachforschungen anzustellen…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählerin, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel

Tiere im Buch: + / - Im Buch werden Fische für Nahrung getötet. Ansonsten werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Triggerwarnung: Tod von Menschen, Tod von Tieren, Gewalt (auch gegen Kinder), Blut, psychische Krankheiten
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: ---

Warum dieses Buch?

Ich habe diesen Thriller bei der diesjährigen Netgalley-Challenge entdeckt und wollte ihn unbedingt lesen, weil der Klappentext spannend klang. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Rezensionen dazu.

Kurzrezension

Das mochte ich…

+ den spannenden, mysteriösen Einstieg in die Geschichte, der neugierig und Lust auf mehr macht.
+ die Kürze des Thrillers, wodurch er sich sehr gut als Buchsnack für zwischendurch eignet.
+ die interessante Grundidee (aus der man allerdings mehr hätte machen können).

„Man muss die richtigen Entscheidungen treffen, wenn man angegriffen wird.“ Ich komme in Fahrt. „Falls die Fremdlinge auf unserer Insel auftauchen. Vater will, dass wir uns verteidigen können.“ E-Book, Position 38

Das lässt mich zwiegespalten zurück…

~ der einfache Schreibstil, der sich zwar flüssig und angenehm lesen lässt, der mir aber in manchen Momenten zu abgehackt war und zu oberflächlich blieb.
~ die jugendliche Protagonistin, die zwar mutig und stark, gleichzeitig aber auch sehr naiv ist und sich irrational verhält. Einerseits finde ich es wunderbar, dass immer mehr männliche Autoren sich an weibliche Hauptfiguren herantrauen, andererseits sollte man sich nur als Mann für eine so junge, weibliche Protagonistin entscheiden, wenn man sich auch gut in eine Person hineinversetzen kann, die von der eigenen Lebensrealität weit weg ist. Das ist Ivar Leon Menger leider nur bedingt gelungen. Sobald Juno auf einen anderen Menschen trifft, drehen sich ihre Gedanken zu oft um ihre Schönheit und ihre Wirkung auf Männer. Bei einer jungen Frau, die ohne soziale Medien, Zeitschriften und TV aufgewachsen ist – und damit ohne toxische Körperbilder - bezweifle ich, dass sie SO oberflächlich denken würde.
~ das vielversprechende Setting (isolierte Insel, Angst vor einer unbekannten Bedrohung, ständige Alarmbereitschaft), das unglaublich viel Potential hatte, aus dem man aber auch viel mehr herausholen hätte können.
~ die gelungene Wahl der Themen (Erwachsenwerden, Emanzipation von den Eltern, Familie, erste Liebe), die jedoch leider nicht tiefgründig genug ausgearbeitet wurden.
~ die Atmosphäre, die ich zumindest in den ersten Kapiteln (später leider nicht mehr) als sehr dicht und rätselhaft empfand.
~ den Feminismus. Wir haben zwar einerseits eine mutige, starke Hauptfigur und keinerlei gegenderte Beleidigungen (dafür ein Lob!), andererseits gibt es leider auch ein paar Geschlechterstereotype (Junge lernt fischen, Mädchen stricken, Gedanken des Mädchens kreisen um ihr Aussehen) und die Periode wird als etwas ganz Schlimmes, Peinliches, Ekelhaftes dargestellt, das unbedingt vor dem Bruder (der immerhin auch schon 12 Jahre alt ist) verborgen werden muss. 3 Sterne kann ich in diesem Bereich deshalb guten Gewissens vergeben, mehr aber nicht.

„Noch bis vor wenigen Tagen hätte ich genauso verängstigt reagiert wie Boy. Wie ein kleines Kind. Doch das bin ich nicht mehr. Ich stelle Fragen und finde Lösungen.“ E-Book, Position 492

Das hat mir nicht gefallen…

- die viel zu frühe Auflösung (schon im ersten Drittel!), durch die der Spaß am Miträtseln ein allzu frühes, jähes Ende fand. Es folgen dann auch keine unerwarteten Wendungen mehr – das Pulver ist an diesem Punkt schon verschossen, die Luft ist raus.
- der Spannungsabfall nach der Auflösung. Da habe ich dann leider nicht mehr so mitgefiebert wie noch am Anfang der Geschichte.
- die Vorhersehbarkeit, die sich nach der Auflösung ebenfalls einstellt.
- die Tatsache, dass das Printbuch den Leser·innen eine offene Frage beantwortet, die den E-Book-Leser·innen aber vorenthalten wird (Zettel). Hier hätte es doch sicher eine (wenn auch nicht ganz so elegante) Möglichkeit gegeben, diese Gruppe auch teilhaben zu lassen!
- die Nebenfiguren, die leider relativ eindimensional und blass bleiben.


Achtung: Spoiler ab hier!


- die großen Logiklöcher, die mir die Lektüre ab einem gewissen Punkt leider vermiest haben. Mit jeder Seite verhalten sich die Figuren dümmer und weniger nachvollziehbar – es war kaum auszuhalten! Dabei bin ich wirklich keine Person, der jeder Logikfehler sofort auffällt. Juno und ihr Bruder bringen sich so oft mit ihrem irrationalen Verhalten in Lebensgefahr, dass man meinen könnte, die zwei hätten einen Todeswunsch. Zum Beispiel sind beide in einer Szene im unterirdischen Bunker eingesperrt; sie schweben in Lebensgefahr und sind sich darüber bewusst, dass das Handy ihre einzige Rettung ist, trotzdem streiten sie darum, bis es runterfällt und kaputtgeht. Am schlimmsten fand ich aber das Verhalten der Polizei: Wenn sich die Polizei (es handelt sich sogar um eine Spezialeinheit der Interpol) wirklich in der Realität so derart dilettantisch und inkompetent verhalten würde, dann GUTE NACHT! Besonders unglaubwürdig fand ich den Polizisten Luca (Mitte 20), der hinter dem Rücken seines Chefs eigene Pläne macht und dadurch nicht nur die ganze Operation in Gefahr, sondern zwei Kinder mehrfach in Lebensgefahr bringt.

Beispiele: Er fährt zur Insel (unklug!), lässt sich vom Entführungsopfer, das gerettet werden soll, dabei sehen, flirtet mit dieser naiven 16-Jährigen (seiner Schutzbefohlenen!) (ekelhaft!) und erzählt ihr auch noch von den Rettungsplänen (ganz dumme Idee!), sodass sie überhaupt erst auf die Idee kommt, Nachforschungen anzustellen, und sich dadurch in Lebensgefahr begibt, weil die Eltern natürlich misstrauisch werden. Er gibt Juno ständig vollkommen unverantwortliche, lebensmüde Aufträge (besorg ein wichtiges Beweisstück, trag deinen kranken Bruder nachts ans Ufer, triff dich nachts heimlich mit mir) und bringt dadurch beide Kinder mehrmals in große Gefahr! Eines Tages beschließt er dann, die zwei Opfer auf eigene Faust zu retten (angeblich wird die Insel überwacht, wieso bemerken seine Kolleg·innen seine Alleingänge eigentlich nie?). Als sie endlich beide in seinem Boot sitzen – Luca weiß, dass sich gerade alle in absoluter Lebensgefahr befinden – beschließt er, anscheinend von allen guten Geistern verlassen, zum Haus zurückzulaufen und ein Beweismittel vor dem Regen zu retten, wodurch er das Leben aller 3 Menschen im Boot unnötigerweise riskiert (was dann auch entsprechend endet)! Luca verliert zwar irgendwann im Laufe dieser Vorkommnisse seinen Job, aber ich finde es einfach absolut unrealistisch, dass sich ein Interpol-Polizist überhaupt je so unprofessionell, inkompetent und stümperhaft verhalten würde. Wie ist der an seinen Job gekommen? Hat er den im Lotto gewonnen? Ich konnte an vielen Stellen nur den Kopf schütteln und frustriert aufseufzen. Die Logikfehler waren so zentral und groß, dass ich sie leider beim Lesen nicht mehr ausblenden konnte. Schade!

Spoiler-Ende!


„Aber Mutter versteht das nicht. Für sie zählen nur Gehorsam und Strafe, in ihrer Nähe fühle ich mich einsam und unverstanden.“ E-Book, Position 530

Mein Fazit

Nach einem mysteriösen, starken Beginn geht es leider nur noch bergab. Dieser Thriller hat mich leider sehr enttäuscht, denn aus dem vielversprechenden Setting und der guten Grundidee hätte man so viel mehr machen können! Besonders gestört haben mich die großen Logiklöcher, die viel zu frühe Auflösung, der daraus resultierende Spannungsabfall und die blass bleibenden Figuren. Von mir gibt es deshalb leider keine Leseempfehlung!

Bewertung

Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 2 Sterne
Tiefe: 2 Sterne
Umsetzung: 2 Sterne
Worldbuilding: 2 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Ende: 1 Stern
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonistin: 3 Sterne
Figuren: 2 Sterne
Spannung: 2 Sterne
Tempo: 2 Sterne
Wendungen: 2 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 2 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 3 Sterne
Einzigartigkeit: 3 Sterne

Insgesamt:

❀❀ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir 2 Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.07.2022

Ich bereue es, dieses Buch gelesen zu haben!

Der Kuss der Lüge
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Prinzessin Lia soll aus politischen Gründen einen Prinzen heiraten, den sie noch nie gesehen hat. Im letzten Moment zieht sie die Reißleine und flüchtet. In der Taverne, ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Prinzessin Lia soll aus politischen Gründen einen Prinzen heiraten, den sie noch nie gesehen hat. Im letzten Moment zieht sie die Reißleine und flüchtet. In der Taverne, in der sie daraufhin als Schankmädchen arbeitet, lernt sie 2 Männer kennen, die sie sofort faszinieren. Was sie nicht weiß: Einer davon ist der abgewiesene Prinz, der seine Braut sucht, der andere ist ein Assassine, der ausgeschickt wurde, um sie zu töten…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1 von 3
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Ich-Erzählerin, Präteritum
Perspektive: weibliche und männliche Perspektive
Kapitellänge: mittel

Tiere im Buch: - Fische werden gefangen, Würmer werden gegessen, Pferde werden gequält, schwer verletzt und getötet.
Content Note / Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Tod von Tieren, Blut, Erbrechen, (sexualisierte) Gewalt (gegen Frauen), Misogynie, Sexismus
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Hu++, M+ststück, Schabracke, Dirne, Weib

Warum dieses Buch?

Ich habe mir das Buch vor einigen Jahren gekauft, weil ich den Klappentext einfach genial fand und nur Gutes darüber gehört hatte! Dann verstaubte es lange in meinem Regal – und im April wurde dann in meiner Instagram-Story für dieses Werk als Leserunden-Buch (gemeinsam mit @miss.pageturner.de) abgestimmt.


Rezension


Das hat mir gefallen…

Feminismus (4 Sterne)

Eine feministische Analyse lässt mich insgesamt zufrieden zurück. Die Geschichte besteht den Bechdel-Test und im Buch gibt es viele starke, intelligente, kompetente Frauen, die sich nichts gefallen lassen – was in dieser patriarchalisch geprägten Welt nicht immer leicht ist. Einen Punkt Abzug gibt es für die toxische Männlichkeit, also dafür, dass der Großteil der Männer grob, ungehobelt, aggressiv und klischeehaft „männlich“ ist und dass Frauen (auch Lia) ständig von ihnen belästigt und bedroht werden.

„Sie hatte Angst. Ich habe gesehen, wie die Krüge in ihrer Hand zitterten, aber ihre Angst konnte sie nicht aufhalten.“ Seite 116


Das lässt mich zwiegespalten zurück…

Atmosphäre (3 Sterne)

Gut gefallen haben mir die atmosphärischen Beschreibungen der Natur und Umgebung – auch wenn sie mir oft zu sehr ausuferten.

„Man wird uns jagen“, sagte ich. „Man wird ein Kopfgeld auf mich aussetzen.“ Seite 38


Das hat mir nicht gefallen:

Schreibstil (2 Sterne)

Eigentlich begrüße ich es, wenn Jugendliteratur etwas komplexer geschrieben ist und ihrem Zielpublikum etwas zutraut. Leider nehmen die vielen unnötigen Beschreibungen von Banalitäten und unwichtige Details so viel Tempo raus und machen den Schreibstil sooo zäh und träge, dass es kaum auszuhalten war! Bei Reisen wird fast jeder Tag einzeln beschrieben – und wenn noch so wenig passiert. In Momenten größter Spannung ist noch genug Zeit für ein paar Nebensätze über die Natur oder dafür, zu schildern, was alle anwesenden Leute gerade im Hintergrund so treiben. Ich wundere mich nur, dass nicht auch noch jeder einzelne Toilettengang beschrieben wurde – hoffentlich haben wir da jetzt nichts Wichtiges verpasst…

„Es kann Jahre dauern, bis ein Traum Gestalt annimmt. Es dauert nur einen Sekundenbruchteil, um ihn zu zerschmettern.“ Seite 327

Idee / Geschichte / Themen / Umsetzung (1 Stern für die Grundidee)

Konnte das Buch halten, was der geniale Klappentext und der Hype versprechen? Nein! Aber hat das Lesen wenigstens trotzdem Spaß gemacht? Auch nein! Aber hat es sich wenigstens gelohnt, dass ich mich bis zum bitteren Ende durchgequält habe? Ebenfalls nein! Ich habe dieses Buch nicht genossen, sondern durchgearbeitet wie ein Lehrbuch, damit ich endlich mitreden kann, denn Lesen ist ja eine Kulturtechnik und hat damit auch eine soziale Komponente.

Kurz: Ich bereue es, dieses Buch gelesen zu haben und kann den Hype leider überhaupt nicht nachvollziehen! Habe ich vielleicht ein anderes Buch als alle anderen gelesen? Das wäre die einzige Erklärung, die mir einfällt. Doch was war an „Der Kuss der Lüge“ überhaupt so schlimm?

1. Das Worldbuilding ist quasi nicht vorhanden, denn die erfundene Welt bleibt vage, nicht greifbar und „generisch“, wirkt lieblos hingeklatscht und so uninspiriert, dass auch ein Bot sie erschaffen haben könnte – aus Elementen, die scheinbar aus anderen Büchern (mit besseren Weltenentwürfen) entnommen (um nicht zu sagen zusammengeklaut) wurden. Entweder, der Autorin selbst fehlten beim Schreiben jegliche Begeisterung und Leidenschaft für ihre fiktionale Welt oder es ist ihr einfach nicht gelungen, diese an uns lesende Menschen weiterzugeben. Der Lesespaß hielt sich jedenfalls ins Grenzen.

2. Der Plot ist ebenfalls so dünn und fadenscheinig, dass er ohne Lupe kaum erkennbar ist. Es ist nicht nur so, dass die Geschichte einfach langsam ins Rollen käme (damit könnte ich umgehen), sondern eher so, dass sie ÜBERHAUPT NIE ins Rollen kommt! Dieses Buch ist so voller irrelevanter Details und Schilderungen des Alltags als Schankmädchen, dass man es fast schon als Fachbuch fürs Kellnern betrachten könnte. Die schockierendsten Wendungen werden in den Händen dieser Autorin zu den lahmsten Nicht-Ereignissen, was – zugegebenermaßen – auch eine besondere Gabe ist. Jedenfalls wurde auf diese Weise jeder Ansatz von Spannung erfolgreich im Keim erstickt.

3. Thematisch stehen Erwachsenwerden, die Emanzipation von den Eltern, der Konflikt zwischen Gesellschaft (und ihren Erwartungen) und Individuum, Magie, Freundschaft und Liebe im Mittelpunkt, aber alles davon wird so oberflächlich abgehandelt, dass es mich nicht gefesselt, ja, ab einem gewissen Punkt nicht einmal mehr interessiert hat. Dieses Buch, seine Geschichte, seine Magie, seine Welt, seine Figuren – das alles war und ist mir absolut egal.

4. Besonders schmerzhaft und enttäuschend ist für mich, wie mit dem großen Potential der grandiosen Grundidee umgegangen wurde: Das Potential wurde nämlich genommen, in eine Küchenmaschine gegeben, kleingehäckselt und dann den Abfluss runtergespült. Autsch!

Alles, was ich jetzt noch tun kann, ist, euch zu warnen: Wenn ihr nach den ersten 100 Seiten abbrechen wollt, dann BITTE tut es einfach und quält euch nicht (wie ich) bis zum Ende durch. Es lohnt sich einfach nicht und eure Lebenszeit ist ja auch begrenzt – und ihr solltet sie nicht an dieses langweilige Buch verschwenden! Ob ich noch einmal ein Buch von der Autorin lesen würde? Unter gewissen Umständen bestimmt! Zum Beispiel, wenn mir jemand sehr viel Geld bietet, ich plötzlich meine masochistische Seite entdecke oder mir jemand eine Pistole an die Schläfe hält.

Protagonistin & Figuren (2 Sterne)

Die gesamte Persönlichkeit der Protagonistin ist „starke Jugendbuchheldin“ und passt bequem auf einen Teelöffel. Lia ist so nichtssagend, so austauschbar, so ohne Ecken und Kanten, dass es unmöglich ist, mit ihr mitzufiebern und mitzuleiden. Im Gegenteil, ihr Schicksal war mir egal. Ein paar der Nebenfiguren fand ich gelungen, aber auch hier bleiben die meisten Charaktere blass. Besonders schlimm war das bei den zwei Männern, von denen sich Lia angezogen fühlt. Beide sind genau gleich gutaussehend und gleich mysteriös; ich konnte sie nur an der Haarfarbe auseinanderhalten – und das ist wirklich traurig.

Liebesgeschichte (1 Stern)

Dementsprechend distanziert stand ich auch der Liebesgeschichte gegenüber, die mich überhaupt nicht erreichen und berühren konnte, sondern die ich nüchtern und emotionslos verfolgte. Schlussendlich war es mir egal, mit wem Lia zusammenkam, weil für mich beide Männer gänzlich uninteressant und kaum unterscheidbar waren.

Spannung (0 Sterne)

Das Spannung im Buch ist wie eine Sternschnuppe: Zuerst wartet man stundenlang vergeblich, dann zeigt sie sich 2 Sekunden lang – und bevor man es richtig realisiert, ist sie auch schon wieder verschwunden. In der ganzen langatmigen, stinklangweiligen Geschichte war kein Spannungsbogen erkennbar. Zum Glück kann man nicht an Langeweile sterben, sonst wäre ich wohl nicht mehr da.


Mein Fazit

„Der Kuss der Lüge“ hat mich auf ganzer Linie enttäuscht. Dieses Werk (= seine Welt, sein Plot, seine Figuren, seine Lovestory, sein Spannungsbogen) ist zu schlecht, um es zu lieben (oder auch nur zu mögen), aber gleichzeitig war es mir zu egal und ließ mich zu kalt, um es leidenschaftlich zu hassen – weswegen ich sehr unbefriedigt zurückbleibe. Dieser Fantasyroman eignet sich sehr gut als Gewicht (z. B. wenn man Blätter pressen möchte), als passiv-aggressives Geschenk für insgeheim verhasste Arbeitskolleg·innen, als nicht verschreibungspflichtiges Schlafmittel und als Folterinstrument – eine Leseempfehlung gibt es von mir aber nicht!


Bewertung

Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 1 Stern
Umsetzung: 1 Stern
Worldbuilding: 0 Sterne
Einstieg: 2 Sterne
Ende: 1 Stern
Schreibstil: 2 Sterne
Dialoge: 2 Sterne
Figuren: 2 Sterne
Spannung: 0 Sterne
Wendungen: 2 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 0 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 4 Sterne
Einzigartigkeit: 0 Sterne

Insgesamt:

❀ Stern

Dieses Buch bekommt von einen enttäuschten Stern!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.07.2022

Gerade noch 3 Sterne: Starker Beginn, aber dann leider langatmig, unlogisch und oberflächlich!

Allein durch die Sterne
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Eben war der Sportverein noch voller Geplauder, Lachen und Leben, doch plötzlich ist es still. Die Menschheit ist verschwunden, Ariadne bleibt alleine in Lille, Frankreich, ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Eben war der Sportverein noch voller Geplauder, Lachen und Leben, doch plötzlich ist es still. Die Menschheit ist verschwunden, Ariadne bleibt alleine in Lille, Frankreich, zurück. Jetzt hat sie nur noch ihre Katze. In ihrer Verzweiflung postet Ariadne jeden Tag kurze Beiträge auf Instagram und Twitter. Eines Tages erhält sie eine Antwort – von einem jungen Mann, der in Shanghai lebt, Tausende Kilometer von ihr entfernt…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel

Tiere im Buch: +/- Im Buch werden Tiere verletzt und sie sterben, viele davon in ihren Käfigen / Ställen, nachdem die Menschheit verschwunden ist (keine Beschreibungen des Todes, aber die Leichen werden beschrieben). Dafür kümmert sich die Protagonistin liebevoll um ihre Haustiere und rettet so viele eingesperrte Tiere wie möglich.
Triggerwarnung: Tod von Tieren, Trauer
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Tussi, Weib

Warum dieses Buch?

Tatsächlich habe ich mir vor der Lektüre dieser Dystopie weder Rezensionen noch die Leseprobe angeschaut, sondern das Buch nur aufgrund des interessanten Klappentexts ausgewählt.

Kurzrezension

Das mochte ich…

+ den angenehmen, flüssigen, locker-leichten Schreibstil, der perfekt für die Zielgruppe geeignet ist.
+ den Beginn, den ich sehr stark geschrieben fand.
+ die Grundidee, die zwar nicht innovativ, aber doch interessant ist.
+ den liebevollen, verantwortungsbewussten Umgang der Protagonistin mit ihren Tieren und ihre Rettungsversuche. Ich hätte genau gleich gehandelt!
+ den Feminismus. Die Protagonistin kritisiert und spricht Sexismus und veraltete Rollenvorstellungen immer wieder an. Ein paar Rollenklischees und problematische Formulierungen (z. B. „n+ttiges Rotkäppchen“) gibt es dennoch, dafür ziehe ich einen Punkt in diesem Bereich ab.

„Und dann fiel mir die eigentümliche Stille auf, die über der Stadt lag. Niemand war da.“ E-Book, Position 127

Das lässt mich zwiegespalten zurück…

~ der Spannungseinbruch im Mittelteil. Das Buch beginnt spannend und interessant mit dem Verschwinden der Menschheit. An diesem Punkt ist man natürlich neugierig, wie die Protagonistin damit umgeht. Gleich danach gibt es allerdings eine ziemlich lange, langatmige Durststrecke, während der nicht viel passiert.
~ die Oberflächlichkeit. Ja, mir ist bewusst, dass es sich hier um ein Jugendbuch handelt, trotzdem habe ich mir etwas mehr Tiefe bei der Behandlung von Themen wie Selbstfindung, Überleben, Freundschaft, Einsamkeit und Emanzipation vom Einfluss der Eltern erhofft. Gegen Ende wird es dann kurz etwas tiefgründiger und emotionaler (dieser Teil hat mich auch berührt), doch insgesamt wurde mir die Geschichte einfach zu oberflächlich abgehandelt.
~ die ausgelassenen Worte und vereinzelten Fehler, die ich zwar nicht so schlimm fand, die andere Leser·innen aber stören könnten.
~ die zwar sympathische, aber etwas blass bleibende Protagonistin. Hier hätte ich mir mehr Ecken und Kanten – einfach mehr Persönlichkeit – gewünscht, dann hätte ich bestimmt auch besser mit ihr mitfühlen und mitleiden können.

„Was, wenn ich krank wurde? Oder Katze? Oder Tobi? Was sollte ich dann tun? [...] Verdrängen. Schnell verdrängen.“ E-Book, Position 683

Das hat mir nicht gefallen:

- die unangenehme Liebesgeschichte. Dazu kam, dass ich den Love Interest irgendwie unsympathisch fand und mit ihm überhaupt nicht auf einer Wellenlänge war. Die Lovestory entwickelt sich eigentlich recht langsam, trotzdem ging mir alles viel zu schnell – wahrscheinlich, weil ich den Humor der beiden, ihr Flirten und ihre Gefühlsbekundungen eher „cringe“ fand als romantisch und ihre Liebe überhaupt nicht „gefühlt“ habe.
- die Atmosphäre. Vor allem den Beginn, dieses plötzliche Verschwinden der Menschheit und Ariadnes Leben in einer leeren Welt, fand ich stark und stimmungsvoll beschrieben, aber danach hätte ich mir oft mehr Details und Beschreibungen (besonders was die Städte in den verschiedenen Ländern betrifft) gewünscht. Mehr wäre in diesem Fall tatsächlich auch mehr gewesen!
- das unverschämte Glück, das nicht immer nachvollziehbare Verhalten der Figuren und die Logiklöcher. Generell hatte ich das Gefühl, dass die Protagonistin ein bisschen zu viel Glück auf ihrer Reise hatte, dass alles ein bisschen zu sehr am Schnürchen lief. Die Protagonistin braucht ein Motorrad? Wie praktisch, im nächsten Haus steht perfekte Gefährt! Außerdem kommt sie extrem schnell und problemlos voran, bringt pro Tag teilweise Hunderte von Kilometern hinter sich. Aus meiner Sicht war das alles etwas unglaubwürdig. Das Verhalten der Figuren konnte ich auch nicht immer nachvollziehen. Feuer legen in der Stadt, in der man wohnt? Vermutlich nicht ganz so eine gute Idee in einer Welt ohne Feuerwehr! Ein paar große Logiklöcher sind mir auch aufgefallen: Zum Beispiel sprießen bereits wenige Wochen oder Monate nach dem Verschwinden der Menschheit Blumen und Gras aus den Motorhauben verlassener Autos, aber Strom, Wasserleitungen, Handyempfang und Internet funktionieren immer noch einwandfrei (zumindest meistens), obwohl nichts mehr davon gewartet wird? Ich bezweifle es!
- den Mangel an Erklärungen. Für die mysteriösen Vorkommnisse gibt es keinerlei Erklärungen (die Figuren rätseln selbst auch eher halbherzig herum) und die lieblos wirkende Auflösung am Ende konnte mich leider gar nicht überzeugen. Da hat es sich jemand aber sehr einfach – um nicht zu sagen ZU einfach – gemacht!

„Irgendwelchen Macho-Scheiß kannst du dir sparen. Ich fahre dir entgegen. Ob es dir passt oder nicht. Ich bin doch kein hilfloses Frauchen.“ E-Book Position 877

Mein Fazit

Nach einem starken, stimmungsvollen Beginn folgen leider Spannungseinbrüche, Oberflächlichkeit, Logiklöcher, zu viele glückliche Zufälle und eine Liebesgeschichte, die mich nicht überzeugen konnte. Es gab einige gute Ansätze und gelungene Momente und ich mochte den Schreibstil und die Tierliebe, insgesamt habe ich mir aber von dieser Dystopie in vielen Bereichen (Figurenzeichnung, Spannung, Plot, Tiefe) einfach mehr erhofft! Eventuell könnte das Buch etwas für Jugendliche sein (auch für sie gibt es allerdings bessere Dystopien dort draußen), eine klare Leseempfehlung gibt es von mir dieses Mal aber nicht.

Bewertung

Idee: 4 Lilien
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Lilien
Tiefe: 2 Lilien
Umsetzung: 3 Lilien
Worldbuilding: 2 Lilien
Einstieg: 5 Lilien
Ende: 3 Lilien
Schreibstil: 4 Lilien
Figuren: 3 Lilien
Spannung: 2 Lilien
Tempo: 3 Lilien
Wendungen: 3 Lilien
Atmosphäre: 2 Lilien
Emotionale Involviertheit: 3 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 4 Lilien
Einzigartigkeit: 3 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir knappe 3 Lilien!

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