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Veröffentlicht am 25.03.2022

Wichtiges, feministisches Thema, aber leider enttäuschende, oberflächliche Umsetzung

Nie, nie, nie
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Sie ist Mitte 30, in einer glücklichen Beziehung und will keine Kinder. Weder heute noch morgen, sondern nie, nie, nie. Wie lebt es sich als gewollt kinderlose Frau ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Sie ist Mitte 30, in einer glücklichen Beziehung und will keine Kinder. Weder heute noch morgen, sondern nie, nie, nie. Wie lebt es sich als gewollt kinderlose Frau und welche Auswirkungen hat diese Entscheidung auf die Beziehungen in ihrem Leben (Mutter, Freund·innen, Lebensgefährte)?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählerin, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: lang
Tiere im Buch: + Im Buch werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Triggerwarnung: Sexismus, übergriffiges Verhalten, Abtreibung, Fehlgeburt
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!

Warum dieses Buch?

Über dieses Buch hatte ich im Vorfeld nur Gutes gehört, zudem ist das Thema für mich als Feministin und aktuell kinderlose und sehr wahrscheinlich für immer kinderlos bleibende Frau höchst relevant!

Meine Meinung

Einfach, oberflächlich und etwas lieblos (Schreibstil: 2 Lilien)

Nach all den positiven Rezensionen, die ich zu diesem Buch gelesen hatte, erwartete ich mir richtig gute Literatur. Umso ernüchterter war ich nach den ersten Seiten: Der Schreibstil ist sehr einfach gehalten, es gibt einige Wiederholungen und leider keine sprachliche Abwechslung. Die Sprache wirkt nicht nur oberflächlich und distanziert, sondern auch ein wenig wie lieblos hingeklatscht. Mich konnte sie leider nicht überzeugen!

Wichtiges Thema, enttäuschende Umsetzung (Geschichte, Handlung & Themen: 3 Lilien)

„‘Und wenn ich nicht aus der Stadt ziehen, eine Familie gründen und jemand anderes werden will – bin ich dann nicht erwachsen? Oder kann man auch erwachsen sein, wenn man andere Träume und Wünsche hat als DAS?‘“ E-Book, Position 533

Als gewollt kinderlose Frau hat man leider auch im Jahre 2022 noch mit viel gesellschaftlichem Gegenwind zu kämpfen. Es wird einem so lange eingeredet, dass man in irgendeiner Form „defizitär“ sei, dass etwas nicht mit einem stimme, bis man es irgendwo tief in sich drinnen zu glauben anfängt. Und das finde ich sehr traurig! Warum darf man alles im Leben selbst entscheiden - ob man einen Hund will, welchen Beruf man ausübt, ob man sich ein Auto oder Haus kauft –, aber beim Kinderkriegen hören der Spaß und die Entscheidungsfreiheit auf? Warum?! Das ist inakzeptabel!

Übergriffige Fragen, Ratschläge und hin und wieder auch Beleidigungen sind ab Mitte 20 an der Tagesordnung, sobald man in einem Gespräch sagt, dass man keine Kinder haben möchte (wie ich aus eigener Erfahrung weiß). Mir wurde schon vorgeworfen, dass mein Leben ohne Kinder keinen Sinn hätte, dass ich eine Therapie machen solle, dass irgendetwas mit mir nicht stimme. Mir wurde prophezeit, dass ich meine Meinung sicher, ganz sicher noch ändern werde, sobald ich meinen Traummann treffe (klar, dann werfe ich alle meine Wünsche und Prinzipien über Bord, das klingt nach einer tollen, gesunden Beziehung!). Mir wurde eine Zukunft voller Einsamkeit ganz alleine im Altenheim vorausgesagt. Ein besonders misogynes Exemplar von Mann hat mir sogar verraten: Wenn es nach IHM ginge, müssten alle Frauen mindestens ein Kind bekommen, denn sonst würden wir so schrecklich verbittert werden („Der Report der Magd“ lässt grüßen). Am liebsten mag ich aber immer noch den Egoismus-Vorwurf, dabei ist die Entscheidung für Kinder genauso egoistisch wie die dagegen – das muss endlich mal in den Köpfen ankommen! Denn niemand bekommt (hoffentlich!) nur Kinder, um die zukünftigen Pensionen zu sichern, sondern man bekommt Kinder, weil man im Alter nicht alleine sein will, weil man denkt, dass ein Kind das eigene Leben bereichern wird, weil man etwas in der Welt hinterlassen will, wenn man tot ist. Es gibt allerdings mindestens so viele Gründe gegen Kinder wie dafür – wenn nicht mehr, wenn man ans Klima und den CO2-Fußabdruck denkt.

Doch nun zurück zum Buch: Einer der Hauptgründe der kinderlosen Protagonistin ist die gesellschaftliche Erwartung, dass man sich als Mutter bis zu einem gewissen Grad selbst aufzugeben habe, dass man nicht mehr in erster Linie eine Frau mit Hobbies und Interessen, sondern eine aufopferungsvolle Übermutter sein solle. Die Entscheidung, keine Kinder zu bekommen, die gesellschaftlichen Erwartungen an Mütter und der Gegenwind, wenn man keine sein möchte – diese Themen sind aus feministischer Sicht hoch interessant und relevant und müssen endlich angesprochen und öffentlich diskutiert werden. Deshalb war ich auch Feuer und Flamme, als ich den Klappentext gelesen habe und habe ein revolutionäres Buch erwartet, das den Finger in die Wunde legt. Leider kann die Autorin dieses Potential nicht nutzen, denn ihr Buch bleibt über weite Strecken (das letzte Drittel ist etwas stärker) sehr oberflächlich, geht nicht in die Tiefe, bringt kaum neue Erkenntnisse, ja, ist schlicht langweilig und behandelt das wichtige Thema nicht so, wie ich mir das gewünscht hätte. Das Buch hat mich deshalb leider enttäuscht.

Wer sich für das Thema Kinderkriegen in einer patriarchalischen Welt (in der wir immer noch leben) interessiert, sollte besser zu Tanja Raichs kritischem, beklemmendem und großartigem Buch „Jesolo“ greifen, das eine Frau begleitet, die sich zu Kindern überreden lässt und mit dieser Entscheidung dann sehr unglücklich ist.

Langweilig, belanglos, deprimierend (Atmosphäre & Spannung: 2 Lilien)

„Eltern warten auf ein Danke, Kinder auf eine Entschuldigung. Keiner kriegt, was er sich wünscht.“ E-Book, Position 1943

Ich hatte gehofft, dass mich das Buch fesseln und berühren würde, empfand es dann aber leider stellenweise als sehr langweilig und viele der geschilderten Alltagsszenen als belanglos. Wäre das Buch nicht so kurz gewesen, hätte ich es bestimmt abgebrochen. Ich dachte, dass wir hier auf eine starke Frau treffen würden, die mit ihrer Entscheidung gegen Kinder im Reinen ist (vielleicht sogar auf ein feministisches Vorbild), aber sie scheint ihr Leben nicht wirklich zu genießen, wirkt unentschlossen, unzufrieden und irgendwie unglücklich und wie paralysiert, weshalb ich das Buch derart deprimierend fand, dass ich ernsthaft überlegt habe, ob ich nicht vielleicht doch Kinder bekommen sollte, einfach nur, um nicht so zu enden wie sie – und das kann doch nicht die intendierte Wirkung gewesen sein!

Distanz & Austauschbarkeit (Protagonistin: 3 Lilien, Figuren: 2 Lilien)

Mir war die Protagonistin nicht unsympathisch – mich mit ihr identifizieren und eine richtige Verbindung zur ihr aufbauen konnte ich trotzdem nicht. Dazu war einfach zu viel Distanz zu ihr da; ich hatte den Eindruck, dass sie die Leser·innen nicht so richtig an sich heranlässt. Die Charakterzeichnung lässt zudem zu wünschen übrig, denn der Heldin fehlen Ecken und Kanten und eine interessante Persönlichkeit, was sie und die anderen Figuren leider sehr blass und austauschbar macht. Wäre dieses Buch eine Suppe, dann würde hier eine große Prise Gewürze und Salz fehlen. Hier habe ich mir wirklich viel mehr erhofft!

Vorbildlich (Feminismus: 5 Lilien ♥)

„Ich denke immer noch an […] Mütter, die am Bett ihres Kinds stehen, das nicht schlafen will, sie reden auf es ein, erst streng, dann sanft und leise und schließlich mit tränenerstickter Stimme, kannst du nicht wenigstens kurz die Augen zumachen, Mama muss auch ein bisschen schlafen […]“ E-Book, Position 839

Zumindest aus feministischer Sicht gibt es hier nichts zu meckern. Die Autorin spricht ein wichtiges Thema an, das viele Frauen beschäftigt und kritisiert starre Rollenbilder. Zudem trifft die Hauptfigur kompromisslos ihre eigenen Entscheidungen und lässt sich von niemandem zu Dingen überreden oder drängen, die sie nicht möchte. Dafür gibt es ein großes Lob und einen Extrapunkt – den dieses Buch allerdings auch dringend benötigt!

Mein Fazit

„Nie, nie, nie“ ist ein feministisches Buch, das zwar ein wichtiges Thema anspricht, das sein großes Potential aber leider nicht nutzen kann. Besonders enttäuscht haben mich der lieblos wirkende Schreibstil, die blassen, austauschbaren Figuren und die Oberflächlichkeit. Wer sich noch nie zuvor mit gewollter Kinderlosigkeit bei Frauen beschäftigt hat, kann diesem Werk vielleicht etwas abgewinnen, aber alle anderen werden mit Tanja Raichs großartigem, thematisch ähnlichem Buch „Jesolo“ vermutlich mehr Freude haben.

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Lilien
Umsetzung: 3 Lilien
Worldbuilding: 2 Lilien
Einstieg: 3 Lilien
Ende: 3 Lilien
Schreibstil: 2 Lilien
Protagonistin: 3 Lilien
Figuren: 2 Lilien
Spannung: 2 Lilien
Atmosphäre: 2 Lilien
Emotionale Involviertheit: 3 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 5 Lilien ♥
Einzigartigkeit / Chance, dass ich das Buch nie vergessen werde: sehr niedrig

Insgesamt:

❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir gut gemeinte 3 Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.02.2022

Philosophischer Horror-Thriller mit unglaublich unheilvoller Atmosphäre! Lieblingsbuch! ♥

The Ending - Du wirst dich fürchten. Und du wirst nicht wissen, warum
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Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Ein junges Paar fährt mit dem Auto durch die winterliche Landschaft Kanadas. Es ist auf dem Weg zu den Schwiegereltern der Protagonistin. Eine unheilvolle Stimmung ...

Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Ein junges Paar fährt mit dem Auto durch die winterliche Landschaft Kanadas. Es ist auf dem Weg zu den Schwiegereltern der Protagonistin. Eine unheilvolle Stimmung überschattet allerdings die Gespräche im Auto. Warum verheimlicht sie ihm, dass sie seit Wochen einen Stalker hat, der ihr Angst macht? Warum erzählt er so gut wie nichts über seine Eltern? Und warum hat man als Leser·in das Gefühl, dass alles auf eine Katastrophe hinauslaufen wird?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählerin, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: keine Einteilung in klassische Kapitel
Tiere im Buch: - Im Buch kommen verletzte, leidende, kranke und tote Tiere vor. Detaillierte Beschreibungen von kranken Schweinen; Schlachtungen und der Tod von Schweinen und Schafen werden erwähnt.
Triggerwarnung: Tod von Tieren, Krankheit, psychische Erkrankungen, Gewalt, Blut, Suizid, Depressionen
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): NICHT bestanden!

Warum dieses Buch?

Gekauft habe ich mir dieses Buch vor Jahren, weil es so polarisiert hat und viele Leute von den unerwarteten Wendungen geschwärmt haben. Dann wurde es erst einmal ein paar Jahre auf den SUB (= Stapel ungelesener Bücher) verbannt, was mir im Nachhinein echt leidtut. Im November hatte ich dann plötzlich total Lust drauf – und es hat mich tatsächlich aus meiner Leseflaute geholt. ♥

Meine Meinung

Einfach, aber nicht oberflächlich (Schreibstil: 5 Lilien ♥)

„Ich trage mich mit dem Gedanken, Schluss zu machen. Ist der Gedanke erst einmal da, bleibt er haften. Krallt sich fest.“ Seite 7

Iain Reids anschaulicher Schreibstil enthält viele kurze Hauptsätze und lässt sich sehr schnell und flüssig lesen. Wer deshalb aber annimmt, dass er oberflächlich wäre, der irrt gewaltig. Ganz im Gegenteil: In den Dialogen und auch thematisch wird es überraschend tiefgründig.

Wenig Handlung, viele Gespräche & eine Prise Philosophie (Geschichte, Handlung & Themen: 5 Lilien♥)

„Wir können nicht erraten, was der andere denkt, dabei ist das Denken entscheidend. Das Denken ist die Realität, unser Handeln kann nur vorgetäuscht sein.“

Es gibt Bücher, die sind handlungsarm und dabei unglaublich langweilig. Zum Glück gehört „The Ending“ nicht dazu – und das, obwohl es sich handlungstechnisch lange Zeit nicht vom Fleck bewegt. Stattdessen bekommt man eine lange winterliche Autofahrt voller interessanter Anekdoten, philosophischer Fragen und tiefgründiger Dialoge zwischen zwei Liebenden, von denen die eine allerdings gerade heimlich über ein Beziehungsende nachdenkt. Unterbrochen wird der Text durch kursive Gespräche namenloser Leute über eine rätselhafte Katastrophe. Gelangweilt habe ich mich beim Lesen tatsächlich keine einzige Sekunde lang – im Gegenteil, ich habe förmlich an den Seiten geklebt! Die unerwartete Wendung, von der so viele Leute schwärmen, habe ich (als erfahrene Thriller-Leserin) allerdings irgendwie geahnt, trotzdem fand ich die Auflösung sehr gut gemacht.

Unheilvoll, unheilvoller, „The Ending“ (Atmosphäre & Spannung: 5 Lilien ♥)

„Woher wissen wir, dass etwas bedrohlich ist? Woher kommt dieses Gefühl, dass etwas nicht harmlos ist? Der Instinkt siegt immer über den Verstand.“ Seite 21

Auf dem Cover wird damit geworben, dass man sich bei der Lektüre angeblich fürchten würde, aber nicht wüsste, warum. Kurz: Besser kann man meine Gefühle beim Lesen nicht beschreiben. Das ganze Buch durchzieht eine einzigartig bedrohliche, unheilvolle Atmosphäre, wie ich sie bisher noch in keinem Buch hatte. Und das, obwohl es an der Oberfläche eigentlich nur ein paar Gespräche im Auto und einen Besuch bei den Schwiegereltern gibt. Aber wie so oft spielt sich die Magie zwischen den Zeilen ab! Und da entsteht beim Lesen ganz viel innere Anspannung, Grauen und die immer größer werdende Befürchtung, dass die Geschichte schicksalhaft auf eine große Katastrophe zusteuert, die sich nicht mehr abwenden lässt. Teilweise traut man sich fast nicht umzublättern! Deshalb würde ich „The Ending“ auch als sehr gelungene Genremischung aus Thriller und Horror beschreiben, die mich auf ganzer Linie begeistern konnte!

Interessant & eigenwillig (Protagonistin: 5 Lilien ♥, Figuren: 4 Lilien)

Ich möchte hier nicht zu viel verraten, deshalb nur so viel: Ich fand die nachdenkliche, intelligente Protagonistin sympathisch, konnte ihre Gedankengänge nachvollziehen und habe sie gerne durch die Geschichte begleitet. Auch die anderen Figuren sind eigenwillig und interessant – auch wenn man die meisten davon nur oberflächlich kennenlernt.

Buch > Netflix-Film (Verfilmung: 2 Lilien)

Nur durch Zufall habe ich herausgefunden, dass es sich beim Netflix-Film „I’m Thinking of Ending Things“ um eine Verfilmung des vorliegenden Buches handelt. Gedreht wurde sie von Charlie Kaufman, der für seine künstlerischen, ungewöhnlichen Filme bekannt ist, das Drehbuch wurde zusammen mit dem Autor geschrieben. Das alles klang auf den ersten Blick sehr vielversprechend. Leider folgte dann die große Enttäuschung: Der Film ist abstrus, verwirrend, prätentiös und die extrem bedrohliche Atmosphäre des Ausgangsmaterials geht leider verloren. Ich hatte nur deshalb noch eine ungefähre Ahnung, was vor sich ging, weil ich kurz vorher das Buch gelesen hatte; besonders gegen Ende wird sehr viel verändert. Kurz: Wer das Buch nicht kennt, wird verwirrt sein und wer es kennt, wird verwirrt UND enttäuscht sein. Deshalb gibt es von mir zwar eine große Leseempfehlung für die Buchvorlage, aber leider keine für den Netflix-Film.

Passt schon (Feminismus: 3,5 Lilien)

Aus feministischer Sicht fällt „The Ending“ weder positiv noch negativ auf. Es gibt zum Beispiel eine intelligente, sympathische Hauptfigur, den Bechdel-Test besteht das Buch allerdings leider nicht, was seiner besonderen Erzählweise geschuldet ist. Insgesamt gibt es nichts, was man hier besonders loben oder kritisieren könnte.

Mein Fazit

„The Ending“ ist eine ungewöhnliche, tiefgründige Mischung aus Thriller und Horror mit einem Hauch Philosophie und einer einzigartig intensiven unheilvollen Grundstimmung. Mich hat das Buch deshalb von der ersten Seite bis zur letzten gefesselt und auf ganzer Linie überzeugt! Unbedingt lesen!

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Lilien ♥
Umsetzung: 5 Lilien ♥
Worldbuilding: 5 Lilien ♥
Einstieg: 4 Lilien
Ende: 5 Lilien ♥
Schreibstil: 5 Lilien ♥
Protagonistin: 5 Lilien ♥
Figuren: 4 Lilien
Spannung: 5 Lilien ♥
Wendungen: 5 Lilien ♥
Atmosphäre: 5 Lilien ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Lilien ♥
Feministischer Blickwinkel: 3,5 Lilien
Einzigartigkeit / Chance, dass ich das Buch nie vergessen werde: sehr hoch

Insgesamt:

❀❀❀❀❀♥ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir fünf Lilien und ein Herz – und somit den Lieblingsbuchstatus!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.12.2021

Düstere, atmosphärische, ergreifende Graphic Novel – mit liebenswürdigen Figuren, die einem schnell ans Herz wachsen! ♥

Sweet Tooth Deluxe Edition
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Eine tödliche Seuche bricht aus und rafft den Großteil der Menschheit dahin – gleichzeitig werden plötzlich Hybriden geboren, Mischwesen aus Mensch und Tier. Gus bekommt ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Eine tödliche Seuche bricht aus und rafft den Großteil der Menschheit dahin – gleichzeitig werden plötzlich Hybriden geboren, Mischwesen aus Mensch und Tier. Gus bekommt von diesem Chaos nichts mit. Behütet und abgeschirmt wächst der Hirsch-Hybride mit seinem Vater in einem Wald auf. Dieser warnt ihn immer wieder vor den Gefahren, die außerhalb des Waldes lauern und beschwört ihn, diesen unter keinen Umständen zu verlassen.

Doch als auch der Vater erkrankt und stirbt, bleibt Gus alleine zurück. Nur wenig später dringen Hybriden-Jäger in den Wald ein und verfolgen Gus. Im letzten Moment wird er von einem brutalen und geheimnisvollen Mann gerettet, der ihm verspricht, ihn an einen sicheren Ort zu bringen. Aber kann Gus ihm wirklich vertrauen? Er muss es riskieren und verlässt zum ersten Mal in seinem Leben den Wald. Eine Reise voller Gefahren beginnt…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1 einer dreibändigen Comic-Reihe
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präsens
Perspektive: männliche Perspektive
Kapitellänge: keine Einteilung in Kapitel, sondern in die einzelnen Comic-Hefte, die in diesem Band enthalten sind
Tiere im Buch: - Tiere und Tiermenschen werden im Buch verletzt, gequält und getötet. Teilweise sogar auf sehr grausame Weise.
Triggerwarnung: Tod von Tieren, Tod von Menschen, Gewalt, Gewalt gegen Frauen, Gewalt gegen Kinder, sexualisierte Gewalt, Alkohol, Blut, Verletzungen, Trauer, psychische Krankheiten, Suizid, Trauma, Folter;
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): NICHT bestanden!

Warum dieses Buch?

Ich hatte gerade die erste Folge der neuen Netflix-Serie begonnen, als ich herausfand, dass es dazu eine Comic-Vorlage gibt. Als vorbildliche Vielleserin wollte ich mir die natürlich pflichtbewusst noch schnell vorher zu Gemüte führen.

Meine Meinung

Fesselnd, emotional & ergreifend (Geschichte: 5 Lilien ♥)

Am Anfang hielten sich sowohl meine Begeisterung als auch meine Erwartungen in Grenzen, was wohl vor allem an den gewöhnungsbedürftigen Illustrationen lag. Mit jeder weiteren Seite wurde ich allerdings mehr in Gus‘ Endzeit-Welt hineingezogen. Die spannende, wendungsreiche Geschichte hat mich nach einer Weile emotional nicht länger kaltgelassen und begann, einen starken Sog auf mich auszuüben, sodass ich den ersten Band schon am ersten Abend fast ganz durchgelesen hatte. Überraschend tiefgründig behandelt der Autor Themen wie Trauer, Verlust, Freundschaft, den oft hohe Preis fürs Überleben und die Frage, was überhaupt noch zählt, wenn man alles verloren hat. „Sweet Tooth 1“ enthält sowohl schockierende Horror-Szenen und trostlose, bittere Augenblicke als auch herzergreifende, stille Momente voller Wärme, Liebe und Zuversicht – und somit alles, was ein grandioser Endzeit-Roman braucht! Für mich ist das Buch daher ein absolutes Jahreshighlight und ein neues Lieblingsbuch, das für immer einen Platz in meinem Regal und Herz haben wird.

Gib mir mein Herz zurück! (Protagonist: 5 Lilien ♥, Figuren: 5 Lilien ♥)

Ich konnte das Buch irgendwann nicht mehr zur Seite legen, und zwar weil ich wissen MUSSTE, wie es den liebevoll ausgearbeiteten Figuren, die sich mit jeder Seite mehr in mein Herz geschlichen haben, weiter ergeht. Ich habe mit ihnen mitgefühlt, mitgefiebert und mitgelitten wie selten zuvor mit fiktionalen Menschen, hätte sie oft am liebsten durch die Buchseiten umarmt. Jeder ihrer Verluste wurde zu meinem Schmerz, jeder ihrer Triumphe löste innere Jubelschreie in mir aus! Besonders der liebenswürdige Protagonist Gus und der kleine, süße Bobby, der nicht richtig sprechen kann, weil es ihm aufgrund seines Aussehens niemand je richtig gelernt hat, haben es mir total angetan. Mein Herz, Leute, mein Herz! Kurz: So geht Charakterentwicklung! Da könnten sich einige Autor·innen eine große Scheibe von Jeff Lemire abschneiden.

Düsterer, blutiger, besser als die Netflix-Serie (Atmosphäre & Spannung: 5 Lilien ♥)

Seit ich die Comic-Vorlage gelesen habe, wirkt die Netflix-Serie auf mich wie ein fader, langweiliger, harmloser Abklatsch der großartigen Originalgeschichte. Die Graphic Novel ist düsterer, blutiger, brutaler, trostloser und enthält mehr Horror-Elemente – und genau das macht die dichte Atmosphäre, den Charme und die Besonderheit dieser Comic-Serie aus! Man hat die Geschichte bei der Adaption kindgerechter gemacht, viel Gewalt gestrichen und Zuversicht addiert. Bekommen hat man ein modernes Märchen, das zwar ein größeres Publikum erreicht, der bedrohliche Charakter des Originals ging dabei allerdings irgendwo auf dem Weg verloren, was ich sehr traurig und schade finde. Ich habe die Netflix-Serie daher nach 5 Folgen abgebrochen und werde mich stattdessen weiterhin an Jeff Lemires Comics halten. Fans der Serie „The Walking Dead“ (die bedrohliche Atmosphäre ist ähnlich) und allen, denen die Serie auch nur ein wenig beeindrucktes „Naja“ entlockte, kann ich nur raten, dasselbe zu tun.

Gewöhnungsbedürftig, aber wirkungsvoll (Illustrationen: 4 Lilien)

Den Zeichenstil des Autors fand ich am Anfang sehr gewöhnungsbedürftig, weil die Einzelbilder (auch wegen der gedeckten und düsteren Farbpalette) sehr trostlos, teilweise leer und auf den ersten Blick vielleicht sogar lieblos wirkten. Nach wenigen Seiten habe ich jedoch erkannt, dass genau diese Illustrationen perfekt zur ebenfalls oft hoffnungslosen Welt passen und es Jeff Lemire gerade damit perfekt gelingt, diese bedrohliche Grundstimmung zu erzeugen. Besonders gut gefallen hat mir, dass oft ganz nah an die Gesichter herangezoomt wird, um den Leser·innen die intensiven Gefühle darin zu zeigen. Sehr gerne mochte ich auch die vereinzelten ganzseitigen Bilder mit vielen Details, die die Struktur etwas auflockern.

Männerüberschuss (Feminismus: 2 Lilien)

In „Sweet Tooth“ gibt es durchaus ein paar starke weibliche Figuren (und auch Geschlechterstereotype werden teilweise gebrochen). Das Problem: Sie sind nur in den Nebenrollen zu finden und bekommen viel weniger „Screentime“ als die männlichen (= Zeit auf der Leinwand / im Buch). Fast alle wichtigen Charaktere (auch die Antagonisten) sind männlich und reden dementsprechend die meiste Zeit miteinander, wodurch die Frauen oft außen vor sind. Dieser „Männerüberschuss“ führt auch dazu, dass Band 1 den Bechdel-Test leider nicht besteht. Hoffentlich wird das im zweiten Band besser, da muss sich im Comic-Genre wirklich noch viel tun! Auch viel Gewalt gegen Frauen gibt es im Buch – diese wird allerdings (immerhin) ausnahmslos kritisiert und verurteilt. Da mich das Buch in allen anderen Aspekten auf ganzer Linie überzeugt hat, drücke ich dieses Mal ausnahmsweise ein Auge zu und ziehe keine Sterne ab.

Mein Fazit

„Sweet Tooth 1“ ist eine düstere, atmosphärische, herzergreifende Endzeit-Graphic-Novel, die auch euch fesseln und berühren wird und deren liebenswürdige Figuren sich auch schnell in euer Herz schleichen werden. Für mich ist „Sweet Tooth 1“ jedenfalls ein absolutes Jahreshighlight und Herzensbuch! Daher gibt es von mir eine große Leseempfehlung für alle Fans von „The Walking Dead“, Endzeit-Romanen und generell guten Geschichten! Unbedingt lesen!

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Lilien ♥
Umsetzung: 5 Lilien ♥
Worldbuilding: 5 Lilien ♥
Einstieg: 4 Lilien
Ende: 5 Lilien ♥
Schreibstil: 5 Lilien ♥
Illustrationen: 4 Lilien
Protagonist: 5 Lilien ♥
Figuren: 5 Lilien ♥
Spannung: 5 Lilien ♥
Wendungen: 5 Lilien ♥
Atmosphäre: 5 Lilien ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Lilien ♥
Feministischer Blickwinkel: 2 Lilien
Einzigartigkeit / Chance, dass ich das Buch nie vergessen werde: sehr hoch

Insgesamt:

❀❀❀❀❀♥ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir fünf Lilien und ein Herz – und somit den Lieblingsbuchstatus!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.12.2021

Beklemmende, emotional mitreißende Jugenddystopie am Puls der Zeit! Jahreshighlight! ♥

All that's left
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Beklemmende, emotional mitreißende Jugenddystopie am Puls der Zeit! Jahreshighlight! ♥

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Hitze, Orkane, Seuchen. Im Jahr 2059 ist die Erde kaum noch bewohnbar. Alleine ...

Beklemmende, emotional mitreißende Jugenddystopie am Puls der Zeit! Jahreshighlight! ♥

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Hitze, Orkane, Seuchen. Im Jahr 2059 ist die Erde kaum noch bewohnbar. Alleine und einsam lebt die 15-jährige Mariana seit dem Verschwinden ihrer Eltern vor 3 Wochen in einem sicheren Haus. Als ein Gleichaltriger einbricht, freundet sie sich mit ihm an – bis er plötzlich verschwindet, um nach weiteren Überlebenden zu suchen. Für Mariana steht fest: Sie muss ihn finden – auch wenn sie dafür ihr sicheres Zuhause verlassen und sich der gefährlichen Außenwelt stellen muss…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband (aktueller Stand)
Erzählweise: Ich-Erzählerin, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: lang bis sehr lang
Tiere im Buch: - Im Buch sterben einige Tiere oder werden verletzt: Heuschrecken fressen sich gegenseitig auf, Schnecken werden getötet, um sie zu essen, ein Vogel fliegt gegen eine Scheibe und stirbt, Zootiere werden für Nahrung geschlachtet. Ein Gorilla wird aus einem Fenster geworfen (16. Stock) und stirbt. Ein Hund wird gequält und verletzt, aber überlebt.
Triggerwarnung: Tod von Tieren, Tod von Menschen, Gewalt, Gewalt gegen Frauen, sexualisierte Gewalt, Alkohol, Drogen, Blut, Verletzungen, Trauer, psychische Krankheiten, Suizid, Trauma;
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Miststück, Schla+++, Hu++

Warum dieses Buch?

Dieses Mal waren es das wunderbare Cover und der spannende Klappentext (ich liebe ja Dystopien), die in mir den Wunsch geweckt haben, dieses Buch zu lesen. Außerdem gab es zur Zeit der Lektüre noch so gut wie keine Rezensionen dazu – das machte mich natürlich zusätzlich neugierig.

Meine Meinung

Das hat mir gefallen…

… der Schreibstil. Zugegeben: Am Anfang hatte ich meine Probleme mit dem ungewöhnlichen Schreibstil. Sarah Raich verwendet hauptsächlich kurze Hauptsätze, die mich eine oberflächliche Geschichte erwarten ließen, und Jugendsprache, die ich zu Beginn nervig fand. Mit der Zeit habe ich aber gemerkt, dass „All That’s Left“ eine Dystopie mit Tiefgang ist und dass diese Rastlosigkeit, die der Schreibstil beim Lesen in einem auslöst, perfekt zur innerlich ruhelosen Protagonistin passt, die wie ein einsamer, flatternder Vogel in einem sicheren „goldenen Käfig“ eingesperrt ist. Auch an die Jugendsprache habe ich mich gewöhnt, sodass sie mich später nicht mehr gestört hat. Mit ihrer anschaulichen Sprache, mit den lebendigen Dialogen, den authentischen inneren Monologen der Heldin, dem Humor und den toll geschriebenen, kreativen Metaphern und Vergleichen hat mich die Autorin mit jeder Seite mehr in ihren Bann gezogen, bis ich am Ende begeistert war! (5 Lilien ♥)

„Justus zwei Klassen über mir hat mal ‚killer‘ benutzt. Zwei Tage später kam er heulend vom Klo. Auf seiner Stirn und den Wangen stand mit Edding: ‚Ich bin killer scheiße.‘“ E-Book, Position 38

… die Unvorhersehbarkeit und Spannung. Marianas Wanderung durch diese leere, vertrocknete dystopische Welt wird spannend, temporeich und (emotional) mitreißend beschrieben. GERADE weil man nicht weiß, was hinter der nächsten Ecke auf die unerfahrene Heldin, die seit Jahren das Haus nicht mehr verlassen hat, wartet, kann man das Buch kaum zur Seite legen! (5 Lilien ♥)

„Meine Beine kann ich bewegen. Aber sie sind so schwach. […] Als hätte jemand alle Muskeln herausgesaugt und die leere Hülle zurückgelassen.“ E-Book, Position 908

… die Atmosphäre. Sarah Raich gelingt es, in ihrer Geschichte eine beunruhigende Grundstimmung zu erzeugen. Die verdorrte Flora, die unerträgliche Hitze und die permanente Lebensgefahr, der Mariane ausgesetzt ist, lässt uns die Autorin mit allen Sinnen erleben, wodurch eine dichte Atmosphäre entsteht, man ganz in die Geschichte eintaucht und bald alles um sich herum vergisst. (5 Lilien ♥)

„Ich weiß nichts über den Rest der Welt. Ich weiß eigentlich nur, dass ich hier in diesem Haus sitze und keinen dran kriege an dieses blöde Funkgerät. Und meine Eltern sind seit drei Wochen verschwunden. […] Seitdem habe ich keinen lebenden Menschen mehr gesehen. Es könnte also auch sein, dass genau niemand mehr da ist.“ E-Book, Position 56

… die brandaktuellen Themen. Noch vor ein paar Jahren war der Klimawandel für viele Menschen eine vage, nicht richtig greifbare Gefahr in der Zukunft. Heute spüren wir bereits die ersten Auswirkungen der Klimakrise am eigenen Leib: Unkontrollierbare Waldbrände, Jahrhunderthochwasser und Ernteausfälle geben uns einen ersten Vorgeschmack darauf, was uns blühen könnte, wenn wir nicht sofort Gegenmaßnahmen ergreifen. Genau in dieser möglichen dystopischen Zukunft ist „All That’s Left“ angesiedelt; das Buch füttert unsere Ängste, rüttelt auf und will uns warnen. Damit hat Sarah Raich ein Jugendbuch am Puls der Zeit erschaffen, das ich sowohl Jugendlichen als auch Erwachsenen empfehlen kann. Neben den Auswirkungen des Klimawandels stehen auch Themen wie Erwachsenwerden, Emanzipation von den Eltern, Trauma, Überleben (und wie weit man dafür geht), Freundschaft, Depression und Einsamkeit im Fokus und werden mit Feingefühl und angemessener Tiefe behandelt. Das eine oder andere kleinere Logikloch verzeihe ich da gern. Ein interessantes Nachwort mit dem Appell, endlich aktiv zu werden, steuert die Klimaaktivistin Clara Mayer am Ende des Buches bei. Erinnert hat mich das Buch übrigens vage an die deutsche Dystopie „Wir Verlorenen“ von Jana Taysen – den ersten Band kann ich euch ebenfalls nur wärmstens ans Herz legen! (5 Lilien ♥)

„Mir läuft die Zeit weg. Oder sie bleibt stehen. […] Das Licht verändert sich von einem Moment zum anderen. Auf einmal ist es dämmrig. Ich kann nicht mehr. Ich kann einfach nicht mehr.“ E-Book, Position 390

… die Protagonistin. Im Zentrum der Geschichte steht eine jugendliche Heldin, die in ihrem goldenen Käfig zwar satt, sicher und versorgt ist, die aber seit dem Verschwinden ihrer Eltern einsam und auf sich gestellt ist. Nach und nach gibt sie ihre wichtigen Routinen (verschiedene Sicherheitssysteme überprüfen, Essen kochen) auf, verfällt in eine Depression und verliert ihren Lebenswillen. Mit ihren eindringlichen, anfangs noch fröhlichen, später dann deprimierten inneren Monologen (die manchmal sogar in einen Bewusstseinsstrom übergehen) hat Mariana schon auf den ersten Seiten mein Herz und mein Mitgefühl gewonnen. Man feuert sie innerlich an und fiebert mit der anfänglich naiven, aber liebenswerten Mariana mit, die zum ersten Mal seit Jahren das sichere Haus verlässt und sich den Anweisungen ihrer Eltern widersetzt – in der Hoffnung, wieder einen Sinn im Leben zu finden. Langsam erkennt sie auf ihrer Reise, wie stark sie eigentlich ist. Ich habe Mariana sehr gerne durch das Buch begleitet und sie ist mir sehr ans Herz gewachsen! (5 Lilien ♥)

… die anderen Figuren. Auch die anderen Figuren sind liebevoll ausgearbeitet und sehr gut gelungen, auch wenn nicht alle sympathisch sind. Auf ihrer Reise begegnet Mariana einigen seltsamen, schrulligen, interessanten und unvergesslichen Überlebenden und muss immer wieder entscheiden, ob sie ihnen vertrauen kann oder nicht. Schließlich hat es einen Grund, warum gerade DIESE Menschen überlebt haben – manche waren oder sind noch immer bereit, für ihr Überleben weit zu gehen und einen hohen Preis zu zahlen. Beim Lesen war ich ständig neugierig, auf wen Mariana wohl als Nächstes treffen würde. (4 Lilien)

… der Feminismus. Einerseits gibt es einige starke, intelligente weibliche Figuren in diesem Jugendbuch, andererseits gibt es auch sexualisierte Gewalt und gegenderte Beleidigungen (z. B. Schla+++). Das ist vielleicht realistisch, aber ich frage mich, muss das in einem Jugendbuch wirklich sein? (4 Lilien)

Das lässt mich zwiegespalten zurück:

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Das hat mir nicht gefallen:

… die Fake-Rezensionen. Da die Geschichte so gut ist, verstehe ich nun noch weniger, warum hier irgendjemand Fake-Rezensionen auf Lovelybooks geschrieben oder bestellt hat – das wäre nicht nötig gewesen, sondern war eher kontraproduktiv und hat in mir (und sicher auch einigen anderen Leser·innen) Skepsis und Misstrauen ausgelöst. Ich mag es gar nicht, wenn Bewertungen mit offensichtlichen Fake-Rezensionen manipuliert werden, weil es doch so wichtig ist, dass man als Leser·in Bewertungen vertrauen kann! Dieser leider immer noch weitverbreitete Glaube, dass gefälschte Rezensionen besser sind als gar keine, muss endlich aus den Köpfen raus! Bei einer Umfrage, die ich auf Instagram durchgeführt habe (@seitenseglerin), haben übrigens 100% der Lesenden angegeben, dass Rezensionen, mit denen etwas nicht zu stimmen scheint (= Fake-Rezensionen) sie eher vom Buchkauf abhalten, als wenn es zu einem Werk noch gar keine Bewertungen gibt. (0 Lilien)

Mein Fazit

„All That’s Left“ ist eine aufrüttelnde, (emotional) mitreißende, spannende, unvorhersehbare deutsche Jugenddystopie am Puls der Zeit, die ich euch nur wärmstens ans Herz legen kann. Das beklemmende Buch überzeugt auf ganzer Linie mit seinem ungewöhnlichen, aber eindringlichen Schreibstil, seiner liebenswürdigen Heldin, seinen schrulligen, interessanten Nebenfiguren, der dichten Atmosphäre und den brandaktuellen Themen. Jede Zeile ist ein wirkungsvolles (innerlichen Stress auslösendes) „Ticktack“ und ein Appell, dass wir dringend Gegenmaßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen müssen – und zwar nicht in einem Jahr, in einem Monat oder nächste Woche, sondern jetzt sofort, bevor es zu spät ist. Unbedingt lesen!

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Lilien ♥
Umsetzung: 5 Lilien ♥
Worldbuilding: 5 Lilien ♥
Einstieg: 4 Lilien
Ende: 4 Lilien
Schreibstil: 5 Lilien ♥
Protagonistin: 5 Lilien ♥
Figuren: 4 Lilien
Spannung: 4 Lilien
Wendungen: 5 Lilien ♥
Atmosphäre: 5 Lilien ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Lilien ♥
Feministischer Blickwinkel: 4 Lilien
Einzigartigkeit / Chance, dass ich das Buch nie vergessen werde: hoch

Insgesamt:

❀❀❀❀❀♥ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir fünf Lilien und ein Herz – und somit den Lieblingsbuchstatus!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.11.2021

4,5 Sterne: Rundum gelungener, mitreißender, brandaktueller Jugendthriller!

Seeing what you see, feeling what you feel
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Die Schülerin Lydia macht gerade eine schwere Zeit durch: Bei einem Autounfall ist ihr kleiner Bruder gestorben, ihre Mutter versinkt in ihrer eigenen Trauer, ihr Vater ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Die Schülerin Lydia macht gerade eine schwere Zeit durch: Bei einem Autounfall ist ihr kleiner Bruder gestorben, ihre Mutter versinkt in ihrer eigenen Trauer, ihr Vater hat die Familie verlassen und ihre ehemals beste Freundin mobbt sie. Nur auf einen kann sie immer zählen: auf Henry, ihre selbst entwickelte künstliche Intelligenz. Henry lernt unglaublich schnell und beginnt, sich eigenständig weiterzuentwickeln und eigene Entscheidungen zu treffen. Doch wie weit würde er gehen, um Lydia zu beschützen?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählerin, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: bis auf wenige (sehr lange) Kapitel kurz
Tiere im Buch: + Es werden im Buch keine Tiere verletzt, gequält oder getötet. Jedoch werden Tierversuche als normal und notwendig präsentiert – was nicht der Wahrheit entspricht. Für mehr Informationen zum Thema schaut unbedingt beim tollen Verein „Ärzte gegen Tierversuche“ vorbei!
Triggerwarnung: sexualisierte Gewalt, Mobbing, Tod von Kindern (detaillierte Beschreibung), Tod von Menschen, Trauer, Blut, Trauma (PTBS);
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Miststück, Schla+++

Warum dieses Buch?

Hier hat mich tatsächlich einmal einfach nur der Klappentext neugierig gemacht. Dieses Mal habe ich mir vor dem Lesen gar keine Rezensionen angeschaut, weil ich mich überraschen lassen wollte.

Meine Meinung

Das hat mir gefallen…

„Ganz am Anfang war er nicht mehr als eine einzige Zeile Code. Eine schlichte Sequenz, die für sich allein genommen nichts bedeutete. Dafür brauchte es Tausende weiterer solcher Zeilen. Nun, drei Jahre später, ist er ein komplexes Gespinst aus Gleichungen und Algorithmen.“ E-Book, Position 41

… der Schreibstil. Dass der vorliegende Jugendthriller das Debüt von Naomi Gibson sein soll, kann man fast nicht glauben, wenn man ihre fesselnde Geschichte liest. Die Autorin schreibt sehr flüssig und anschaulich, für ein Jugendbuch überraschend komplex (aber nicht zu kompliziert!) und verwendet vereinzelt auch gelungene, kreative Vergleiche. Auch die dynamischen Dialoge konnten mich auf ganzer Linie überzeugen. Da ist es kein Wunder, dass sich das Buch (das übrigens auch gut von Erwachsenen gelesen werden kann) unheimlich schnell weglesen und kaum zur Seite legen lässt. (5 Lilien ♥)

„Meine Mum hat sich geweigert, unser Haus zu verkaufen, nachdem Henry gestorben ist und Dad uns verlassen hat. Und so klappern wir in dem viel zu großen Gebäude herum wie die letzten beiden Tabletten in einem einstmals vollen Röhrchen.“ E-Book, Position 366

… die Unvorhersehbarkeit. Die Autorin konnte mich mit ihrer mitreißenden Geschichte und ihren unvorhersehbaren, unerwarteten Wendungen immer wieder überraschen. Dass manche Vorkommnisse nicht ganz realistisch waren, hat mich dabei nicht weiter gestört – das verbuche ich unter „künstlerischer Freiheit“. (5 Lilien ♥)

… die Spannung. Das Spannungslevel war während der Lektüre fast durchgehend sehr hoch – obwohl die Geschichte am Anfang ein paar Kapitel braucht, bis sie ins Rollen kommt. Aber spätestens ab der zweiten Hälfte konnte ich das Buch (bis zum aus meiner Sicht gelungenen Schluss) nur mehr schwer aus der Hand legen, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht. (4 Lilien)

„‘Dieser Chip ist mein neues Format. Ich kann mein gesamtes Programm darauf speichern.‘ […]
‚Und den stecken wir dann in mein Handy?‘
‚Nein, den stecken wir in dich.‘“ E-Book, Position 495

… die Themen und ihre Verarbeitung. Naomi Gibson behandelt in ihrem Jugendthriller ernste Themen wie Schuld, Machtmissbrauch, Trauer, Mobbing, Einsamkeit und Rache erstaunlich tiefgründig und traut ihrem jungen Zielpublikum einiges zu, was ich sehr schätze. Auch philosophische Fragen werden altersgerecht diskutiert. Zum Beispiel: Kann eine KI Gefühle entwickeln und moralisch handeln? Welche Möglichkeiten, aber auch Gefahren bringen KIs mit sich? Und wie gefährlich ist eine KI, die beinahe allmächtig ist und von niemandem mehr gestoppt werden kann? Meiner Meinung nach würde sich das Buch auch hervorragend als Schullektüre eignen und sicher spannende Diskussionen auslösen (z. B. über Lydias Verhalten, mit dem sie immer wieder moralische Grenzen überschreitet). Doch Achtung: Der Tod von Lydias Bruder wird unerwartet detailliert, albtraumhaft und blutig beschrieben, was jüngere Leser·innen verstören könnte. Deswegen und wegen Lydias oft unmoralischem Handeln sollte die Altersempfehlung von mindestens 13 Jahren auf jeden Fall ernst genommen werden! (5 Lilien ♥)

… die Figuren. Die Figuren sind dreidimensional und liebevoll ausgearbeitet. So wird zum Beispiel aufgezeigt, wie unterschiedlich 4 Menschen mit ihrer Trauer umgehen und sogar eine Mobberin zeigt ihre verletzliche Seite, was mir sehr gut gefallen hat. (4 Lilien)

Das lässt mich zwiegespalten zurück:

… die Protagonistin. Es hat etwas gedauert, bis ich mit Lydia warm geworden bin. Das lag daran, dass sie teilweise moralisch sehr fragwürdig handelt und im Laufe des Buches immer mehr zur Bösewichtin wird. Zum Beispiel hackt sie Banken, stiehlt Geld und ändert ihre Noten in der Schuldatenbank – und das alles (zumindest am Anfang) ganz ohne schlechtes Gewissen. Trotzdem ist sie mir nach einer Weile sympathisch geworden, weil ich begonnen habe, ihre Verzweiflung, Einsamkeit, Wut und Trauer (nach dem Tod ihres Bruder und dem Auszug des Vaters) zu verstehen. Ich mochte ihre Intelligenz und ihren Erfindergeist sehr und konnte ihr schlechtes Gewissen und ihre Zweifel, die sich im Laufe des Buches zum Glück immer stärker melden, sehr gut nachvollziehen. (3,5 Lilien)

… der Feminismus. Naomi Gibson hat einige intelligente und starke weibliche Figuren in ihre Geschichte geschrieben. Allen voran natürlich die hoch begabte Programmiererin Lydia und ihre Mutter, die als Wissenschaftlerin in einem Labor arbeitet. Dass es auch vereinzelt Geschlechterstereotypen und -klischees gibt, kann ich verzeihen. Sehr problematisch finde ich hingegen das Verhalten eines Freundes von Lydia, der die Grenze zur sexualisierten Gewalt klar überschreitet, was mich beim Lesen sehr wütend gemacht hat. Zum Beispiel versucht er die Protagonistin gezielt mit Alkohol abzufüllen und so ins Bett zu bekommen (zu diesem toxischen Verhalten kann ich euch den großartigen Film „Promising Young Woman“ nur wärmstens ans Herz legen ♥) und als sie sich weigert, mit ihm zu schlafen, baut er Druck auf, bedrängt sie und wirft ihr vor, dass sie ihn zuerst „heiß gemacht“ hätte und fragt, warum sie dann überhaupt hergekommen sei. Solche Vorfälle beinahe unkommentiert stehen zu lassen, finde ich bei einem Jugendbuch extrem gefährlich! Hier wäre es wichtig gewesen, dass dieses Verhalten klar als sexualisierte Gewalt benannt und kritisiert wird! Ich kann nur hoffen, dass die Autorin inzwischen mehr Sensibilität für das Thema entwickelt hat. (3 Lilien)

Das hat mir nicht gefallen:

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Mein Fazit

Mit ihrem Debüt „Seeing What You See, Feeling What You Feel” hat Naomi Gibson einen rundum gelungenen, brandaktuellen, tiefgründigen und mitreißenden Jugendthriller vorgelegt, der auch als Schullektüre sehr gut geeignet ist und spannende Diskussionen auslösen wird. Punkten kann das Jugendbuch mit seinem angenehmen, überraschend komplexen Schreibstil, seiner Unvorhersehbarkeit, seiner Spannung, den ernsten Themen, den philosophischen Fragen und den dreidimensionalen Figuren. Zwiegespalten stand ich lediglich der oft moralisch fragwürdig handelnden Protagonistin gegenüber, und problematisch fand ich die im Buch vorkommende sexualisierte Gewalt, die nicht klar genug benannt und kritisiert wird, wofür es auch einen halben Stern Abzug gibt. Insgesamt kann ich euch (und euren jugendlichen Nichten, Söhnen und Schwestern) „Seeing What You See, Feeling What You Feel” aber guten Gewissens empfehlen – zumindest wenn ihr euch für das Thema „künstliche Intelligenz“ interessiert und beim Thema „Realitätsnähe“ ein Auge zudrücken könnt!

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Lilien ♥
Umsetzung: 4,5 Lilien
Worldbuilding: 5 Lilien
Einstieg: 4 Lilien
Ende: 4 Lilien
Schreibstil: 5 Lilien ♥
Protagonistin: 3,5 Lilien
Figuren: 4 Lilien
Spannung: 4 Lilien
Wendungen: 5 Lilien ♥
Atmosphäre: 4 Lilien
Emotionale Involviertheit: 4 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 3 Lilien
Einzigartigkeit / Chance, dass ich das Buch nie vergessen werde: mittel

Insgesamt:

❀❀❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir viereinhalb Lilien!

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  • Handlung
  • Charaktere