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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.09.2021

Enttäuschender 08/15-Thriller mit unsympathischem Protagonisten, wenig Spannung und (zu) viel weiblichem Leid!

Der Blutkünstler (Tom-Bachmann-Serie 1)
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Ein Mörder geht in Deutschland um und inszeniert seine weiblichen Opfer als Kunstobjekte. Tom Bachmann, ein berühmter Profiler, soll dem BKA helfen, den Killer so schnell ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Ein Mörder geht in Deutschland um und inszeniert seine weiblichen Opfer als Kunstobjekte. Tom Bachmann, ein berühmter Profiler, soll dem BKA helfen, den Killer so schnell wie möglich zu fassen, denn die Abstände zwischen den Morden werden immer kürzer…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1 einer Reihe
Erzählweise: Figuraler Erzähler
Perspektive: männliche Perspektive
Kapitellänge: kurz
Tiere im Buch: - Eine tote Katze wird beschrieben, die vor ihrem Tod gequält wurde.
Triggerwarnung: Mord von Menschen, Femizid, Blut, Gewalt, Folter, Tierquälerei, Gewalt gegen Frauen, Missbrauch, sexualisierte Gewalt, Tierquälerei, Jagd, Tod von Tieren
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schla+++, Hu++, Nu++, M+ststück

Warum dieses Buch?

Ich fand das Cover echt toll und hatte im Vorfeld nur Gutes über diesen Thriller aus Deutschland (auch was Besonderes!) gehört.

Meine Meinung

Das hat mir gefallen…

… der Schreibstil. Chris Meyers flüssiger, schnörkelloser und anschaulicher Schreibstil ist optimal für einen Thriller geeignet und führt dazu, dass sich das Buch sehr schnell und angenehm lesen lässt. (4 Lilien)

Coole Beschreibung der Pathologin: „Die rötlichen Haare hatte sie zu einem kurzen Zopf zusammengebunden, aus dem einzelne Strähnen herausgefallen waren. Sanft wiegte sie ihren Kopf zur Musik […] Ihr rechter Zeigefinger zuckte, als dirigierte sie ein imaginäres Orchester. In der linken Hand hielt sie eine menschliche Leber.“ E-Book, Position 515

… die Vergangenheit des Protagonisten. Tom Bachmann hat eine schmerzhafte, schlimme Vergangenheit, die ihn geprägt hat und die relativ tiefgründig besprochen wird. Hier hat sich der Autor etwas Kreatives und Düsteres ausgedacht, das ich so noch nirgends sonst gelesen habe! Die besondere Beziehung zu seinem alten Freund Aaron fand ich zudem sehr glaubhaft und berührend dargestellt. (4 Lilien)

… die Dialoge. Die lebendigen, temporeichen Dialoge zwischen den Polizist:innen habe ich sehr gerne gelesen. (4 Lilien)

Das lässt mich zwiegespalten zurück:

… die Atmosphäre. Manche Szenen fand ich sehr atmosphärisch und gruselig beschrieben, wie zum Beispiel den Moment, in dem eine Angestellte ihre ermordete Chefin auffindet. In anderen Momenten war dafür noch Luft nach oben, was die Atmosphäre betrifft. (3 Lilien)

„Töte Sie.“ E-Book, Position 69

Das hat mir nicht gefallen:

… der Spannungseinbruch. Im ersten Drittel steigt das Spannungsniveau noch kontinuierlich an – sobald man aber merkt, dass man hier nichts Besonderes und keine Überraschungen mehr erwarten darf, setzt Ernüchterung ein und die Spannung bricht im Mittelteil ein und kann sich bis zum Ende nicht mehr erholen. (2 Lilien)

… der Plot und die Themen. In ihrer Rezension schreibt @archer (Lovelybooks), der Thriller wirke „wie von einem Bot geschrieben“. Nach der Lektüre verstehe ich nun, wie die Person das meinte und kann ihr nur zustimmen. Dieses Buch wirkt so, als hätte jemand (der das Genre aber weder kennt noch liebt) einen Thriller nach amerikanischem Vorbild und nach strenger Anleitung geschrieben. Das Buch enthält an der Oberfläche eigentlich alles, was ein typischer Thriller braucht: grausame Morde, einen intelligenten Mörder, Ermittler mit eigenen Problemen, Ermittlungsarbeit, Wendungen und einen Showdown. Insgesamt wirkt die Geschichte aber lieblos und (für eine erfahrene Thrillerleserin) wie der Inbegriff eines 08/15-Thrillers – er ist (zumindest meiner Meinung nach) ein fader Abklatsch der tollen Krimis und Thriller aus dem amerikanischen und englischen Raum, die ich so geliebt habe. Dem „Blutkünstler“ fehlt der besondere Funke, wodurch er sich von der Flut an Krimis abhebt und im Gedächtnis bleibt. Die Lektüre ist nicht einmal zwei Wochen her und trotzdem habe ich das Gefühl, die halbe Geschichte schon wieder vergessen zu haben. Für mich ist jedenfalls definitiv nach diesem ersten Band Schluss – die Fortsetzung werde ich nicht mehr lesen. Wer einen richtig guten Thriller mit Aufsehen erregenden Morden, viel Spannung und liebevoll ausgearbeiteten Figuren lesen möchte, der sollte sich besser an Daniel Coles Thrillerreihe halten (Band 1: Ragdoll), für die gibt es von mir eine große Leseempfehlung! (2 Lilien)

„Rein statistisch ist die überwiegende Mehrheit der Serienmörder in der Altersgruppe von sechzehn bis sechsunddreißig anzutreffen.“ E-Book, Position 1380

… die Wendungen. Einer Thrillerveteranin, die schon viele großartige unerwartete Wendungen geschockt und erschüttert haben, entlocken die mittelmäßigen Twists in diesem Buch leider nur ein müdes Gähnen. Das geht besser! (1 Lilie)

… die Klischees. Ich kann einem Buch viel verzeihen, wenn es mich fesselt – Logiklöcher, fehlende Tiefe, Kitsch – aber bei Klischees hört der Spaß wirklich auf. Gegen vereinzelte Klischees habe ich ja nichts (das lässt sich auch nur schwer vermeiden), aber hier waren es für meinen Geschmack einfach zu viele. Der Profiler ist ein Frauenheld mit möchtegerncoolen Sprüchen, einer dunklen Seite und einer Leere, die nur die Mörderjagd füllen kann. Der Informatiker des BKA ist ein übergewichtiger Nerd, der den ganzen Tag Red Bull trinkt, der Mörder derart eindimensional böse, dass er genauso gut ein Bösewicht in einem Comic sein könnte. Da bin ich leider raus! (2 Lilien)

… die fehlende Tiefe. Obwohl man durchaus merkt, dass der Autor versucht, seiner Geschichte Tiefe zu verleihen (was auch in vereinzelten Momenten von Erfolg gekrönt ist), gelingt das leider über weite Strecken nicht. (2 Lilien)

… der Protagonist und die Figuren. Tom Bachmann ist einfach so ein „Unsympathler“, dass ich 90% der Zeit nur genervt von ihm war. Er verhält unempathisch und grob den Angehörigen der Toten gegenüber (absolutes No-Go!), fühlt sich allen überlegen und zeigt das mit möchtegerncoolen Sprüchen. Die Frauen, mit denen er schläft, sind ihm dermaßen egal, dass ihn nicht einmal deren Name interessiert und von einem berühmten Profiler hätte ich mir auch mehr erwartet. Viel mehr oder anderes als die anderen Ermittler:innen macht er auch nicht – ernüchternd. Die anderen Figuren blieben leider bis auf wenige Ausnahmen sehr blass und eindimensional, wodurch mir ihr Schicksal ziemlich egal war. (1 Lilie)

… das Leid der Frauen und die Misogynie. Ich bin zwar eine Feministin, aber auch eine Thrillerliebhaberin, was ohnehin oft zu einem Zwiespalt führt. Dass es in Thrillern meist um grausame Frauenmorde geht, ist mir bewusst (auch wenn ich es nicht gutheiße!) und auch gegen einzelne Kapitel aus Mördersicht habe ich nichts, wenn sie gut geschrieben sind. Aber muss man wirklich seitenlang die Folter, die Morde und das Leid der Frauen aus Sicht des Killers beschreiben? Auf mich machte das den Eindruck, als würde man sich am Leid der Frauen regelrecht ergötzen und hätte ein bisschen zu viel Spaß daran gehabt, das weibliche Leid zu schildern – nichts für ungut! Für mich war das etwas zu viel des „Guten“ – und das liegt sicher nicht daran, dass ich kein Blut oder keine Brutalität in Büchern ertragen kann. Aus feministischer Sicht finde das (und den Sexismus, der vereinzelt auftaucht) trotz einiger Pluspunkte (viele weibliche Figuren, Sexismus wird angesprochen, Geschlechterstereotypen werden gebrochen) sehr problematisch. Sehr gestört hat mich zudem, dass sich ein weibliches Opfer in einer Szene vornimmt, im Falle einer Vergewaltigung nicht zu weinen oder zu „jammern“ (was ist denn das für eine Wortwahl, bitte?), um dem Täter keine Genugtuung zu geben – ich finde, hier merkt man leider den männlichen Blickwinkel des Autors, denn ich finde das höchst unrealistisch, dass eine Frau, die Angst um Leib und Leben hat, in einem solchem Moment so denkt! (2 Lilien)

Mein Fazit

„Der Blutkünstler“ hat mich leider auf ganzer Linie enttäuscht mit seinem 08/15-Plot, seinen mittelmäßigen Wendungen, seinem unsympathischen Protagonisten, den blassen Figuren, den ausufernden Schilderungen des weiblichen Leids, den Klischees und der fehlenden Spannung. Der flüssige Schreibstil, die kreative Vergangenheit des Helden und die lebendigen Dialoge können da leider nichts mehr retten. Für Einsteiger:innen ist dieser Thriller wohl zu blutig und brutal, erfahrene Leser:innen des Genres haben schon deutlich Besseres gelesen und werden wie ich enttäuscht sein – deshalb gibt es für dieses Buch keine Leseempfehlung von mir.

Bewertung

Idee: 3 Lilien
Inhalt, Themen, Botschaft: 2 Lilien
Umsetzung: 2 Lilien
Worldbuilding: 3 Lilien
Einstieg: 4 Lilien
Ende: 3 Lilien
Schreibstil: 4 Lilien
Protagonist: 1 Lilie
Figuren: 2 Lilien
Spannung: 2 Lilien
Wendungen: 1 Lilie
Atmosphäre: 3 Lilien
Emotionale Involviertheit: 2 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 2 Lilien
Einzigartigkeit / Chance, dass ich das Buch nie vergessen werde: sehr niedrig

Insgesamt:

❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir zwei Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.08.2021

Brandaktuell, mit wichtiger Botschaft, aber langatmig und unkreativ erzählt – „Wild“ bleibt insgesamt leider hinter den Erwartungen zurück!

Wild
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Nur knapp überlebt die Wildtierbiologin Dr. Alex Carter einen Amoklauf: Der Schuss eines unbekannten Schützen rettet ihr im letzten Moment das Leben. Nach diesem traumatischen ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Nur knapp überlebt die Wildtierbiologin Dr. Alex Carter einen Amoklauf: Der Schuss eines unbekannten Schützen rettet ihr im letzten Moment das Leben. Nach diesem traumatischen Erlebnis, wegen der Trennung von ihrem langjährigen Freund und weil sie sich schon lange nach den Bergen sehnt, nimmt sie kurzerhand eine einsame Forschungsstelle in Montana an, wo sie die Population des Vielfraßes, einer Marderart, überwachen soll. Doch die konservative Bevölkerung vor Ort macht ihr das Leben schwer. Wie weit sind diese Leute bereit zu gehen, um die Tierschützerin loszuwerden?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1 einer Reihe
Erzählweise: Figuraler Erzähler
Perspektive: hauptsächlich weibliche Perspektive, einzelne Kapitel aus männlicher Sicht
Kapitellänge: mittel
Tiere im Buch: +/- Im Buch werden Tiere verletzt und gequält. Tote Tiere werden beschrieben, aber der Sterbeprozess selbst nicht. Positiv: Die Protagonistin ist sehr tierlieb und Vegetarierin.
Triggerwarnung: Tod von Menschen, Blut, Gewalt, Folter, Tierquälerei, Jagd, Tod von Tieren
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: keine ♥

Warum dieses Buch?

Bei diesem Buch waren es das wunderschöne Cover und der Titel, die mich neugierig gemacht haben. Da ich den Klappentext auch interessant fand (erfrischend anderes Setting!), wollte ich mir dieses Buch nicht entgehen lassen.

Meine Meinung

Das hat mir gefallen…

… der hochspannende Prolog, der neugierig macht. Leider schürt er auch Erwartungen, die schlussendlich nicht erfüllt werden können. (4 Lilien)

„Allein in den USA sterben jährlich bis zu einer Milliarde Vögel durch Kollisionen mit Glasscherben.“ E-Book, Position 70

… die Protagonistin. Mit Alex Carter hat Alice Henderson eine starke, empathische und tierliebe Protagonistin geschaffen, die ich sehr mochte. Mutig, uneitel und pragmatisch tritt sie diese Forschungsstelle an und lässt sich auch von der lokalen Bevölkerung, die ihr viel Hass entgegenbringt, nicht so schnell einschüchtern. Alex versucht jedes Tier und jeden Menschen in Not zu retten und bringt sich dabei oft selbst in Gefahr – daher fiel es mir sehr leicht, mit dieser coolen Vegetarierin mitzufühlen und mitzufiebern! (5 Lilien ♥)

„Von schmerzhaften Trennungen einmal abgesehen, hatte sie zeit ihres Lebens ein vages Gefühl des Schmerzes verspürt, das diffuse Gefühl, dass etwas nicht stimmte oder fehlte oder dass etwas aus ihrem Leben gerissen worden war, doch sie hatte nicht gewusst, was es war. Es hatte Jahre gedauert, bis sie darauf gekommen war, dass es die Natur war, die ihr fehlte.“ E-Book, Position 1249

… das Setting und die Atmosphäre. Hoch oben in den Rocky Mountains, mitten in der Wildnis, in einer baufälligen Ski-Resort-Lodge mit grausiger Vorgeschichte, in verlassenen Liftgebäuden, in dichten Wäldern und auf steilen Berghängen entspinnt sich die Handlung dieses Thrillers. Die Autorin punktet hier mit einem erfrischend anderen Schauplatz und einer dichten Atmosphäre. (4 Lilien)

… die Themen. Brandaktuelle Themen wie Umweltschutz, Tierschutz, Trophäenjagd, das Artensterben und die Folgen des Klimawandels stehen im Mittelpunkt dieses Thrillers und werden tiefgründig behandelt, wodurch man als Leserin einiges dazulernt. Dadurch regt dieses Buch nicht nur zum Nachdenken an, sondern löst unweigerlich auch Sorge und Wut in einem aus, wenn man sieht, wie engstirnig, kurzsichtig und egoistisch die Menschheit oft ist, wenn es um den Schutz der Um- und Tierwelt geht. Da wird rücksichtslos gejagt, bebaut und die Natur ausgebeutet, was ich sehr traurig finde. (5 Lilien ♥)

„Vielfraße galten als äußerst kampflustig, hatten einen furchterregenden Ruf. Obwohl sie im Durchschnitt nur 15 Kilo wogen, waren sie imstande, Grizzlybären abzuwehren […] “ E-Book, Position 769

… die Botschaft. Am Ende des Buches findet sich zudem eine weitere wichtige Botschaft: Die Autorin, die selbst als Rangerin in einem Wildtierreservat arbeitet, will mit diesem Buch darauf aufmerksam machen, dass die Population des Vielfraßes in Amerika aktuell stark zurückgeht, dass er aber trotzdem noch immer nicht auf die Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere aufgenommen wurde – was sich dringend ändern muss. Zudem macht Alice Henderson konkrete Vorschläge, wie man dem Popularionsrückgang entgegenwirken könnte. Auch hilfreiche Literaturtipps und Links zu Vielfraß-Projekten, an denen man ehrenamtlich mitwirken kann, stellt die Autorin für Interessierte bereit. (5 Lilien ♥)

„Menschliche Jäger erlegen zumeist die gesündesten und prächtigsten Exemplare. Die traurige Wahrheit ist, dass es Ihnen Spaß macht, Tiere zu töten. […] Wäre Ihnen wirklich an der Gesundheit des Waldes gelegen, würden Sie ihr Möglichstes tun, um für eine gesunde Raubtierpopulation zu sorgen, und nicht bei jeder Gelegenheit auf Raubtiere schießen.“ E-Book, Position 1412

… die überraschenden Wendungen. „Wild“ kann bis zu seinem gelungenen Ende mit einigen unerwarteten Wendungen punkten, die mich überzeugen konnten. (4 Lilien)

… der Feminismus. Ein großes Lob gibt es dafür, dass es im Buch überhaupt keine gegenderten Beleidigungen gibt, was leider (!) eine absolute Seltenheit ist. Immer wieder werden zudem Geschlechterstereotype gebrochen, z. B. durch die Protagonistin Alex Carter, die sich mit Autos, Waffen und dem Überleben in der Wildnis auskennt und sich immer wieder selbst rettet, anstatt gerettet zu werden. Nicht so gut gefallen hat mir allerdings das unausgeglichene Geschlechterverhältnis. Mehr weibliche Figuren wären hier wünschenswert gewesen. (4 Lilien)

Das lässt mich zwiegespalten zurück:

… die Vernachlässigung mancher Aspekte. Manche Aspekte erscheinen am Beginn der Geschichte sehr wichtig, spielen dann aber bis zum Ende des Buches keine Rolle mehr – als wäre darauf vergessen worden. Möglicherweise werden diese Dinge ja in den Folgebänden (die ich aber nicht lesen werde) ja wieder zentraler, aber in diesem Auftaktband hätte man sie genauso gut auch weglassen können. (3 Lilien)

… die Dialoge. Die oft hölzernen, konstruiert wirkenden Dialoge ließen mich leider nie vergessen, dass ich hier gerade ein Buch lese. Jedoch schienen sie im Laufe der Geschichte besser zu werden (oder habe ich mich einfach nur daran gewöhnt?). (3 Lilien)

… die Übersetzung. Ich werde es nie verstehen, warum man bei der Übersetzung wahllos englische Begriffe nicht übersetzt (z. B. High Tops). Ein deutsches Buch sollte jede und jeder ohne zu googeln verstehen, auch Leute, die im Englischen nicht so bewandert sind – sonst könnten sie den Thriller ja gleich auf Englisch lesen. Zudem ist eine Frau kein Vegetarier, sondern eine VegetarierIN, was mir als Feministin sehr wichtig ist. (3 Lilien)

Das hat mir nicht gefallen:

… der Schreibstil. Nicht überzeugen konnte mich hingegen der Schreibstil, der durch die vielen gleichen Satzanfänge (teilweise beginnen 5 Sätze oder mehr hintereinander mit „sie“, was man so leicht vermeiden hätte können!) etwas lieblos wirkt. Hier hätte ich mir mehr Bemühen um sprachliche Abwechslung und mehr Kreativität gewünscht. Gut gefallen haben mir hingegen die anschaulichen und atmosphärischen Naturbeschreibungen, die genau im richtigen Maß eingesetzt wurden, und die faszinierenden Tierbegegnungen. Übrigens wird es bei den Beschreibungen von Verletzungen und Tod stellenweise überraschend blutig und brutal – deshalb gibt es von mir an dieser Stelle eine Triggerwarnung. (2 Lilien)

… die Figuren. Bis auf die Protagonistin und wenige andere Ausnahmen sind gefühlt 90% der Figuren in diesem Thriller furchtbar unsympathisch. Alex kam mir manchmal vor wie die einzige rationale, normal denkende Person mit Gewissen in einem Haufen von Idioten (und das ist noch nett formuliert). Sie tat mir stellenweise echt leid, dass sie sich mit solchen Leuten herumschlagen muss. Am allerschlimmsten fand ich jedoch ihren sexistischen, arroganten und egozentrischen (Ex-)Freund. Nicht nur einmal wollte ich Alex schütteln und ihr zuschreien: Lass dir das doch nicht gefallen, sondern sag ihm mal ordentlich die Meinung und trenn dich endlich von ihm! (2 Lilien)

… die Spannung. Leider konnte das Potential einer starken Idee nicht ausgeschöpft werden, denn es dauert lange, bis die Handlung nach dem Prolog in Schwung kommt. Obwohl der Plot eigentlich interessant ist, empfand ich diesen Thriller aufgrund der ausufernden Erklärungen der Protagonistin (z. B. zum Fallenbau) stellenweise als unheimlich zäh und langatmig – auch in objektiv spannenden Momenten. Es gab nur wenige Stellen, die ich als tatsächlich als spannend geschrieben empfand – doch die können den Gesamteindruck leider nicht retten. (2 Lilien)

Mein Fazit

Brandaktuell, mit wichtiger Botschaft, aber auch langatmig und mit wenig Kreativität (viele gleiche Satzanfänge!) erzählt - meine hohen Erwartungen konnte dieser Thriller leider nicht erfüllen. Die Stärken des Buches (Protagonistin, Setting, Themen) und seine Schwächen (Schreibstil, Spannung, Figuren) halten sich die Waage, daher gibt es von mir nur eine bedingte Leseempfehlung. Wer die Wildnis und die Natur liebt, aber keinen großen Wert auf den Spannungsbogen legt, kann diesem Thriller aber durchaus eine Chance geben und wird vermutlich Gefallen daran finden, gemeinsam mit Alex durch die Berge zu streifen.

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Lilien
Umsetzung: 3 Lilien
Worldbuilding: 5 Lilien ♥
Einstieg: 5 Lilien
Ende: 4 Lilien
Schreibstil: 2 Lilien
Protagonistin: 5 Lilien ♥
Figuren: 2 Lilien
Spannung: 2 Lilien
Atmosphäre: 4 Lilien
Emotionale Involviertheit: 4 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 3 Lilien
Einzigartigkeit / Chance, dass ich das Buch nie vergessen werde: niedrig

Insgesamt:

❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir drei Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.08.2021

Unterhaltsamer, diverser, feministischer Thriller mit kleinen Schwächen, den ich sehr gerne gelesen habe!

Der Countdown-Killer - Nur du kannst ihn finden
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Vor 20 Jahren erstellte er einen Countdown aus Leichen, jedes Opfer ein Jahr jünger als das andere. Doch dann brach die Mordserie überraschend ab – der Countdown-Killer ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Vor 20 Jahren erstellte er einen Countdown aus Leichen, jedes Opfer ein Jahr jünger als das andere. Doch dann brach die Mordserie überraschend ab – der Countdown-Killer konnte nie gefasst werden. In ihrem True-Crime-Podcast versucht Elle den Cold Case zu lösen- und plötzlich verschwindet jemand, der genau in SEIN Beuteschema passt. Ist ein Nachahmer unterwegs oder ist der Mörder von damals zurück, um sein Werk doch noch zu vollenden?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figuraler Erzähler
Perspektive: hauptsächlich weibliche Perspektive, einzelne Kapitel aus männlicher Sicht
Kapitellänge: kurz
Tiere im Buch: - Im Buch werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Triggerwarnung: Tod von Menschen, Gewalt gegen Frauen, Erbrechen, Trauma
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: keine schlimmen; Weib, Zicke

Warum dieses Buch?

Seit ich „Sadie“ von Courtney Summers gelesen habe, liebe ich diese ungewöhnliche Podcast-Erzählweise in Büchern – deshalb führte an diesem Thriller für mich natürlich kein Weg vorbei.

Meine Meinung

Das hat mir gefallen…

„Es gibt mehr als zweihunderttausend ungeklärte Morde in den USA.“ E-Book, Position 1644

… der Schreibstil. Amy Suiter Clarke schreibt sehr flüssig und anschaulich, sodass sich das Buch unheimlich angenehm und schnell lesen lässt. Sowohl in spannungsgeladenen als auch in ruhigen Momenten weiß der Schreibstil zu überzeugen. (5 Lilien)

… die Figuren. Die Charaktere sind bis in die Nebenfiguren liebevoll ausgearbeitet und wirken echt und dreidimensional. Besonders Elles Ehemann mochte ich sehr. (4 Lilien)

… die Protagonistin. In einigen anderen Rezensionen habe ich gelesen, dass manche Elle als Hauptfigur nicht sympathisch fanden. Das kann ich nicht unterschreiben: Ich mochte sie sehr. Elle ist eine starke, empathische, feministische Frau, die für ihre Arbeit brennt (und sich gerne mal darin verliert), die aber auch Probleme hat, mit denen sie kämpft. Der Autorin gelingt es, Elles Gedankenwelt und Innenleben sehr intensiv zu beschreiben, wodurch es leicht ist, mit ihr mitzufühlen und mit ihr mitzufiebern. Elle ist genau der Typ von starker Protagonistin (mit Schwächen), den ich in Thrillern sehen möchte. (5 Lilien ♥)

„Trauer kann wie ein chronischer Schmerz sein – was zunächst unerträglich erscheint, wird mit der Zeit zu einem Teil deiner selbst, bis du irgendwann vergessen hast, wie das Leben davor war.“ E-Book, Position 3801

… der Plot und die Themen. Themen wie Trauma, (private) Ermittlungen, Podcast-Erstellung Obsession und Schuldgefühle werden mit für einen Thriller angemessener Tiefe behandelt. „Der Countdown-Killer“ erfindet das Rad nicht neu, aber er hat mich trotzdem von der ersten bis zur letzten Seite gut unterhalten und ich habe das Buch sehr gern gelesen. (5 Lilien ♥)

„Niemand denkt gern über sowas nach, Sandy, aber manchmal sind die, denen wir am meisten vertrauen, wenn es um unsere Kinder geht, genau die, die sie am meisten in Gefahr bringen. Wir sehen nicht, dass unsere Kinder Angst vor ihnen haben und dass sie auch Grund dazu haben.“ E-Book, Position 2135

… die Podcast-Elemente. Seit ich vor einigen Jahren das Jugendbuch „Sadie“ von Courney Summers gelesen und abgöttisch geliebt habe (Leseempfehlung! ♥), bin ich ein Fan von Thrillern, die teilweise aus einem verschriftlichten Podcast bestehen. Auch Amy Suiter Clarke gelingt der Genre-Mix. Besonders cool: Alle Podcast-Folgen kann man sich gratis auf der Verlagsseite oder auf Spotify anhören – so macht das Buch gleich noch mehr Spaß! (5 Lilien ♥)

… die Spannung und die Atmosphäre. Auch wenn das Buch nicht durchgehend atemlos spannend ist, kann ein gewisser Spannungsbogen doch von Anfang bis zum gelungenen Ende gehalten werden. Ich wollte jedenfalls immer wissen, wie es weitergeht und fand Elles gefährliche Recherchen sehr atmosphärisch beschrieben. (4 Lilien)

… die Diversität und den Feminismus. Dieses Buch (und vor allem Elles Ehemann) ist wohl der Traum der meisten Feministinnen. Schon während des zweiten Kapitels hätte ich eine Liste mit feministischen Anforderungen neben dem Buch liegen haben können – ich hätte nach und nach fast alle abhaken können. Es wurde einfach immer besser! Ein sensibler, liebevoller Freund, der Elle gerne bekocht, eine asexuelle erfolgreiche alleinerziehende Anwältin, eine Protagonistin, die sich von niemandem reinreden lässt – für mich deshalb (trotz der Frauenmorde) ein richtig feministischer und diverser Thriller, für den es von mir ein großes Lob gibt! (5 Lilien ♥)

Das lässt mich zwiegespalten zurück:

Dass der Thriller manchmal vorhersehbar ist und dass mich nicht alle Wendungen überzeugt haben, fällt da nicht wirklich ins Gewicht. Eine Fortsetzung würde ich auf jeden Fall lesen. (3 Lilien)

Das hat mir nicht gefallen:

… die Perspektivwechsel. Nicht gebraucht hätte ich die Kapitel aus der Sicht des Mörders, der im letzten Drittel des Buches aus seiner Kindheit berichtet – ich finde, das hat eher Spannung rausgenommen als sie gesteigert und ihn weniger furchteinflößend wirken lassen. (2 Lilien)

Mein Fazit

Unterhaltsam, spannend, divers, feministisch – von mir gibt es für diesen gelungenen Thriller, den ich sehr gerne gelesen habe, auf jeden Fall eine Leseempfehlung! Wer Podcasts, Thriller oder Feminismus und Diversität in Geschichten liebt, kann mit diesem Buch definitiv nichts falsch machen.

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Lilien
Umsetzung: 4 Lilien
Worldbuilding: 4 Lilien
Einstieg: 4 Lilien
Ende: 4 Lilien
Schreibstil: 5 Lilien ♥
Protagonistin: 5 Lilien ♥
Figuren: 4 Lilien
Spannung: 4 Lilien
Atmosphäre: 4 Lilien
Emotionale Involviertheit: 5 Lilien ♥
Feministischer Blickwinkel: 5 Lilien ♥
Diversität: 5 Lilien ♥
Einzigartigkeit / Chance, dass ich das Buch nie vergessen werde: niedrig

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir vier Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.06.2021

Enttäuschend, ich hatte mir mehr Emotionen, mehr Tiefe und mehr Lyrik erhofft!

milk and honey - milch und honig
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Inhalt

In diesem Gedichtband geht es um verschiedene Arten von Schmerz, Feminismus und die Erfahrungen einer Frau mit Gewalt und Liebe.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband (Gedichtband)
Tiere ...

Inhalt

In diesem Gedichtband geht es um verschiedene Arten von Schmerz, Feminismus und die Erfahrungen einer Frau mit Gewalt und Liebe.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband (Gedichtband)
Tiere im Buch: ♥ Es werden im Buch keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Triggerwarnung: sexualisierte Gewalt, häusliche Gewalt, Trauma, toxische Beziehungen

Warum dieses Buch?

Ich lese zwar selten Gedichtbände, aber hier haben mich der Titel und der Klappentext neugierig gemacht. Das Buch ist zudem ein Mega- Bestseller im englischsprachigen Raum und hat auch bei uns fast nur positive Rezensionen erhalten!

Meine Meinung

Themen, Umsetzung & Sprache (3 Lilien)

wenn ich
einen satz so in seine
einzelteile zerlege
und über viele Zeilen
ausbreite
sieht es schön aus
ja
und es wirkt sehr
bedeutsam
aber ist es auch
wirklich
poesie?
- über dieses Buch

Dieses Gedicht könnte direkt dem Buch entsprungen sein – ist es aber nicht, ich habe es nämlich selbst geschrieben, denn diese Frage ist mir beim Lesen oft durch den Kopf gegangen. Man könnte sogar sagen, sie hat den ganzen Leseprozess überschattet. Es fällt schwer, ein solches Buch überhaupt zu bewerten, sind doch sehr persönliche und intime Erlebnisse in die Gedichte über Liebe, Schmerz, Feminismus und Trauma eingeflossen, da die Autorin diese als eine Art Tagebuch aufgeschrieben hat.

„der erste Junge der mich küsste
packte mich bei den schultern
wie die lenkstange des ersten fahrrads“ E-Book, Position 44

Es gibt ohne Frage sehr gelungene Texte in diesem Buch, einzelne Gedichte, die ich als intensiv empfunden habe und die mich schockiert oder berührt haben. Insgesamt habe ich mir nach den vielen begeisterten Rezensionen aber einfach viel mehr erhofft! „Milch und Honig“ hat mich zwiegespalten und insgesamt enttäuscht zurückgelassen. Es ist diesem Buch leider nicht gelungen, mich nachhaltig zu erschüttern, mich tief zu berühren, sich mir ins Gedächtnis einzubrennen. Dafür waren mir viele der Aussagen und der Botschaften (obwohl ich ihnen zustimmte!) schlicht zu generisch und banal. Oft fehlten mir leider auch Originalität und Tiefe.

„wenn meine mutter beim essen
den mund aufmacht um etwas zu sagen
stopft ihr mein vater das wort sei still
zwischen die lippen schärft ihr ein
nie mit vollem mund zu sprechen
so lernen die frauen in meiner familie
das mundhalten im leben“ E-Book, Position 174

Viele Gedichte sind banale Sätze, die lediglich mit vielen Zeilenumbrüchen versehen wurden und dadurch lyrisch anmuten – aber wenn man sie in einer Zeile lesen würde, würde nicht mehr viel von ihrer Wirkung übrig bleiben. Immer wieder habe ich mir beim Lesen die Frage gestellt, ob ich da wirklich Lyrik vor mir habe – denn es gibt ja Prosagedichte und freie Rhythmen. Aber diese Gedichte beinhalten keine Stilmittel, keine besondere Struktur – ich habe daher für mich beschlossen, dass für mich mehr dazugehört, damit man Worte als Lyrik bezeichnen kann.

Ich freue mich für jede Person, die diese Zeilen tief berühren, über jede, der sie Kraft und Trost spenden – nur für mich war dieses Buch nicht das Richtige. Ich habe mir etwas anderes erwartet und erhofft.

Illustrationen (4 Lilien)

Alle paar Seiten enthält das Buch minimalistische Schwarzweiß-Skizzen, die mir aufgrund ihrer Schlichtheit sehr zugesagt haben, da ich diesen Zeichenstil sehr mag. Ich habe die Zeichnungen als passend und gelungen empfunden, aber auch sie konnten die Schwächen des Gedichtbandes nicht aufwiegen.

Feministischer Blickwinkel (5 Lilien ♥)

Es tut mir immer besonders weh, wenn mich ein feministisches Buch nicht überzeugen kann. Das ist auch dieses Mal der Fall. Die feministischen Botschaften, die dieser Gedichtband vermittelt, sind wichtig und richtig – und dafür gibt es von mir auf jeden Fall ein großes Lob!

Mein Fazit

Einzelne Gedichte haben es geschafft mich zu berühren und zu schockieren, ich mochte die Zeichnungen und finde den Feminismus im Buch wichtig und lobenswert. Insgesamt habe ich mir aber viel mehr Emotionen erwartet, der Gedichtband lässt mich daher enttäuscht zurück. Mir waren viele Sätze zu banal, zu wenig tiefgründig, zu wenig originell, zu wenig lyrisch. Eine Leseempfehlung gibt es daher nicht von mir, dafür habe ich einen Tipp für euch: Schaut euch unbedingt die Leseprobe an, bevor ihr diesen Gedichtband kauft! So merkt ihr früh genug (und vor allem vor dem Kauf), ob euch die Sprache liegt/gefällt oder nicht.

Bewertung

Themen: 4 Lilien
Umsetzung: 3 Lilien
Sprache: 2 Lilien
Illustrationen: 4 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 5 Lilien ♥

Insgesamt:

❀❀❀ Lilien

Dieses Buch erhält von mir drei Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.05.2021

Kalt erwischt, aber nicht kaltgelassen! Atemlos spannender, von gegenseitigem Misstrauen geprägter Thriller in einmaligem Setting!

Frostgrab
0

Achtung! Diese Rezension enthält Spoiler, vor denen aber im Text noch einmal gewarnt wird!

Inhalt

Eine einsame Aussichtsplattform in den französischen Alpen. Ein Treffen mit der Snowboard-Clique von ...

Achtung! Diese Rezension enthält Spoiler, vor denen aber im Text noch einmal gewarnt wird!

Inhalt

Eine einsame Aussichtsplattform in den französischen Alpen. Ein Treffen mit der Snowboard-Clique von früher. Damals ist eine Tragödie passiert, die Gegenwart wird zum Psychospiel. Denn: Die Handys verschwinden, der Strom fällt aus, jemand verschwindet. Was wird hier gespielt – und vor allem: WER verbirgt hier WAS?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel
Tiere im Buch: + Es werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Triggerwarnung: Tod von Menschen, Blut, Gewalt, Alkohol, Verletzungen, Suizid, psychische Krankheiten, Sexismus;
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Miststück (3x), Schlam---

Warum dieses Buch?

Das Setting und der Klappentext klangen für mich einfach unwiderstehlich – auch weil mich das Buch an das gruselige Videospiel „Until Dawn“ erinnert hat. Das habe ich mich bis jetzt noch nicht fertigspielen getraut – ich dachte mir, dass ich bei einem Buch mit ähnlicher Ausgangssituation sicher weniger Angst habe…

Meine Meinung

Das hat mir gefallen…

… der gelungene Prolog. „Frostgrab“ hat einen der einprägsamsten, atmosphärischsten und besten Buchanfänge, die ich je gelesen habe! Schon auf den ersten Seiten hatte ich eine Gänsehaut und dachte sofort: Das wird gut! (5 Lilien ♥)

„Es ist wieder diese Jahreszeit. Die Zeit, in der der Gletscher Leichen freigibt […] also habe ich jeden Morgen die lokalen Nachrichten überflogen.
Es gibt eine spezielle Leiche, auf die ich warte.“ E-Book, Position 11

… das unverwechselbare Setting. Allie Reynolds (ihres Zeichen selbst eine ehemalige Snowboarderin) Debüt spielt weit oben in den französischen Alpen in einer von Schnee umgebenen, vom Wind umwehten hochmodern gebauten Aussichtsplattform, in der sich in der Hochsaison unzählige Tourist·innen tummeln. Außerhalb der Saison ist das riesige Gebäude jedoch verwaist, leer und still. Es gibt viele verschlossene Räume, in denen sich jemand verstecken könnte. Zudem ist es von gefährlichen Gletscherspalten umgeben. Wenn dann auch noch der Lift abgeschaltet wird und man dort oben festsitzt, dann steigt natürlich die Nervosität – der perfekte Startpunkt für einen Thriller! (5 Lilien ♥)

„Ich wusste, es würde problematisch sein, wenn ich hierher zurückkomme. Zu viele Türen, die ich besser nicht öffnen sollte.“ E-Book, Position 143

… die Themen. Mit der Auswahl seiner Themen – Nostalgie, Jugend, Sport, Leidenschaft, Freundschaft, Selbstzweifel, Liebe (auch LGBT), Ehrgeiz, Schuld – hat mich dieses Buch auf ganzer Linie überzeugt! Für einen Thriller ist die Verarbeitung zudem überraschend tiefgründig, was ich sehr schätze. (5 Lilien ♥)

„Wie kann es sein, dass wir uns so unglaublich lebendig fühlen, wenn wir mit unserem Leben spielen?“ E-Book, Position 1287

… die dichte Atmosphäre. Noch nie zuvor habe ich einen Thriller gelesen, der so von gegenseitigem Misstrauen geprägt war. Zehn Jahre sind vergangen, seit sich alle zum letzten Mal gesehen haben, in der Zwischenzeit hatte man keinen Kontakt. Immer wieder stellt sich die Hauptfigur deshalb auch die Frage, wie gut sie ihre ehemaligen Freunde überhaupt noch kennt. Einsame Flure, nächtliche Geräusche, Menschen, die verschwinden – dieses Buch steckt voller Gänsehautmomente, die auch euch eiskalt erwischen werden! Kein Wunder, dass dieser Thriller auch verfilmt werden soll – ich freue mich jetzt schon darauf, diese Geschichte auf der Leinwand zu sehen! (5 Lilien ♥)

„Irgendwas hat dieser Ort. Es ist fast, also ob die Wildheit dieser Berge in uns hineinkriecht.“ E-Book, Position 1933

… der Schreibstil. Für einen Thriller finde ich Allie Reynolds Schreibstil sehr passend: Sie schreibt relativ einfach, flüssig, schnörkellos und anschaulich. Dadurch fliegt man nur so durch das Buch! Auch die Innenwelt und Emotionen der Hauptfigur hat sie sehr gut eingefangen. An manchen Stellen hätte ich mir allerdings noch etwas mehr Details und Tiefe gewünscht. In vielen Rezensionen wurden zudem die vielen Snowboard-Fachausdrücke kritisiert. Ich finde auch, man hätte manche Figuren besser erklären müssen (so war es manchmal mühsam, sie sich vorzustellen), trotzdem wurde mein Lesefluss dadurch nicht gestört. (4 Lilien)

… die dramatischen Wendungen und die Spannung. Obwohl ich schon viele Thriller gelesen habe, konnte mich „Frostgrab“ immer wieder mit seinen unerwarteten und oft auch dramatischen Wendungen überraschen und begeistern. Bis auf einen kleineren Spannungsabfall im Mittelteil war das Buch wirklich bis zum Ende atemlos spannend (was auch an den unheilvollen Andeutungen liegt, die Milla immer wieder macht) – im letzten Fünftel konnte ich es dann gar nicht mehr zur Seite legen, sondern musste es in einem Rutsch fertiglesen! (5 Lilien ♥)

… die Figuren. Am Anfang dachte ich noch: „Diese Leute (vor allem die Männer) werde ich niemals auseinanderhalten können!“ Doch mit jeder Seite lernt man sie besser kennen und kann sie irgendwann auch problemlos unterscheiden. Bis auf wenige Ausnahmen (die etwas blass bleiben) sind die Figuren sehr liebevoll ausgearbeitet, haben alle auf ihre Weise mit der Vergangenheit zu kämpfen. Manche sind mir sogar richtig ans Herz gewachsen, wodurch ich bis zum Ende um ihr Leben gebangt habe – bei manchen von ihnen leider vergeblich! Deshalb bin ich auch immer noch ein bisschen sauer auf die Autorin – aber was gibt es Schöneres, als wenn einen ein Figurentod trifft? Immerhin heißt das doch, dass einen ein Buch nicht kaltgelassen hat – und das hat mich „Frostgrab“ definitiv nicht!

Achtung: Spoiler!



… das Ende. Dieser Thriller endet definitiv mit einem Knall! Die Auflösung und der Showdown waren atemlos spannend und unerwartet dramatisch und emotional. Ich hätte mit so einem Ende nicht gerechnet und fühlte mich ein wenig an Shakespeares Dramenenden erinnert (haha) … Am meisten getroffen hat mich, dass Brent sich für Milla geopfert hat! Bis zum Ende habe ich gehofft, dass er es schafft! Wie Milla bin auch ich zusammengezuckt, als man die Schüsse gehört hat. Dieser sanfte und liebe Mensch hat das alles nicht verdient! Da es meine Lieblingsfigur leider nicht geschafft hat, hasse und liebe ich das Ende zugleich: Ich hasse es, dass die Autorin mir das angetan hat, und liebe es gleichzeitig, dass mich das Buch so packen und emotional mitreißen konnte! Danke dafür!



Spoiler-Ende!



Das lässt mich zwiegespalten zurück:


… der Spannungseinbruch im Mittelteil. Obwohl mich das Buch von Anfang bis Ende gut unterhalten konnte, gab es einen Punkt beim Lesen, an dem mir der Mittelteil etwas zu langgezogen erschien. Hier hätte man besonders bei den Kapiteln in der Vergangenheit (das Buch besteht zur Hälfte daraus) kürzen können, was zu einem höheren Erzähltempo geführt und das Buch perfekt gemacht hätte!

Das hat mir nicht gefallen:

… die Geschlechterstereotypen. „Frostgrab“ besteht den Bechdel-Test und enthält viele starke, mutige und erfolgreiche Sportlerinnen, was mir gefallen hat. Aber Millas klischeehaftes Frauen- und Männerbild (dieses „Männer sind so, Frauen sind so“) hat mich stellenweise echt genervt. Das ist nicht mehr zeitgemäß! Die Darstellung von Frauen (die in diesem Buch generell schlechter wegkommen als Männer) als entweder zickig und stutenbissig oder aber hysterisch hat mir ebenfalls nicht gefallen. Auch das vage Framing von gewalttätigem Verhalten einer Frau gegenüber als gerechtfertigt, weil sie „mit einem Mann spielt“ und ihn „zappeln lässt“, hat mich gestört. Gewalt gegen Frauen ist niemals gerechtfertigt und niemals Schuld des Opfers! Und noch etwas: Nur weil eine Frau mit jemandem flirtet und sich Sporttipps geben lässt, heißt das noch lange nicht, dass sie es ihm schuldig ist, mit ihm zu schlafen! So ein Denken ist hochgradig toxisch! Ich würde mir sehr wünschen, dass die Autorin bei ihrem nächsten Buch mehr Bewusstsein für das Thema entwickelt und damit aufhört, Genderstereotypen zu reproduzieren! (2 Lilien)

Beispiel aus dem Buch für Genderstereotypen und Toxic Masculinity: „Interessant zu sehen, wie unterschiedlich die zwei mit der Anspannung umgehen. Brent, indem er sich einen antrinkt, Curtis, indem er wütend wird.“ E-Book, Position 694

Mein Fazit

Für mich ist „Frostgrab“ ein atemlos spannender, rundum gelungener Thriller, der mich von der ersten Seite an begeistern konnte! Allie Reynolds Debüt überzeugt auf ganzer Linie mit einem Gänsehaut-Prolog, einem einmaligen Setting, interessanten Themen (die tiefgründig verarbeitet werden), dichter, von gegenseitigem Misstrauen geprägter Atmosphäre, einem schnörkellosen, flüssigen Schreibstil, überraschenden Wendungen, atemloser Spannung und einem dramatischen Ende. Auch die Figuren sind liebevoll ausgearbeitet, wodurch ich mit manchen echt mitgefiebert habe! Kritikpunkte wie der kleine Spannungseinbruch im Mittelteil, Millas stereotypes Frauen- und Männerbild und die nicht immer gut erklärten Snowboard-Fachausdrücke fallen da nicht ins Gewicht. Mir bleibt nur zu sagen: Wenn ihr tiefgründige Thriller mögt, bei denen man nicht weiß, wem man vertrauen kann, dann lest dieses Buch! Es wird auch euch kalt erwischen, aber sicher nicht kaltlassen!

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Lilien ♥
Umsetzung: 5 Lilien ♥
Worldbuilding: 5 Lilien ♥
Einstieg: 5 Lilien ♥
Ende: 5 Lilien ♥
Schreibstil: 4 Lilien
Protagonistin: 4,5 Lilien
Figuren: 5 Lilien
Spannung: 5 Lilien
Atmosphäre: 5 Lilien ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Lilien ♥
Feministischer Blickwinkel: 3 Lilien
Einzigartigkeit / Chance, dass ich das Buch nie vergessen werde: hoch

Insgesamt:

❀❀❀❀❀♥ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir fünf Lilien und ein Herz und damit den Lieblingsbuchstatus!

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