Poetisch-zarter literarischer Ausflug nach Japan - lesenswert!
Das Geschenk eines Regentages"Das Geschenk eines Regentages" von dem japanischen Autorenduo Shinkai/Nagakawa erscheint am 28.04.2021 im Verlag S. Fischer, Frankfurt (HC, gebunden). Das ansprechende, in zarten Farben gehaltene Cover ...
"Das Geschenk eines Regentages" von dem japanischen Autorenduo Shinkai/Nagakawa erscheint am 28.04.2021 im Verlag S. Fischer, Frankfurt (HC, gebunden). Das ansprechende, in zarten Farben gehaltene Cover korrespondiert auf wundersame Weise mit dem bezaubernd-poetischen; auch typisch japanischen Romaninhalt:
Als Leser taucht man auf 255 Seiten in eine andere literarische Welt ein: Der japanischen und sollte sich auf den verspielt-poetischen, zuweilen weisen Charakter des Schreibstils japanischer AutorInnen einlassen. Dafür erhält er im Gegenzug einige einerseits verträumt-schöne, andererseits realistische Blicke und Eindrücke in die japanische Gesellschaft und deren Werte, die den unseren gar nicht so unähnlich sind.
Die Geschichte beginnt im Regen, wo ein kleiner Kater fast schon dem Ende seines jungen Katzenlebens entgegensieht, wäre da nicht Miyu, eine junge Frau, die Chobi, wie er später heißen soll, kurzentschlossen mit nach Hause nimmt und fortan für ihn sorgt. Miyu arbeitet in einer Kunsthochschule, an der Reina studiert, die wir später treffen werden. Miyu wohnt nach dem Auszug im Elternhaus erstmals alleine und fühlt sich zuweilen einsam; mit Chobi jedoch hat sie einen neuen Mitbewohner gewonnen und eine Aufgabe sowie Verantwortung übernommen. Sie ist nicht sehr redegewandt, mag aber Menschen, die viel erzählen - wie z.B. ihre Freunde Nobu und Tamaki.
Sowohl Chobi als auch Miyu erzählen aus ihrer Perspektive aus ihrem Leben und Chobi unternimmt Ausflüge in die Nachbarschaft, wo er die Katze Mimi kennenlernt: Ebenso wie er hat sie ein weißes Fell und die beiden freunden sich an, unternehmen Streifzüge. Mimi wird von Reina, jener Kunststudentin versorgt und erzählt ihrerseits von ihrer menschlichen Gefährtin, die ihrerseits sehr introvertiert ist, andererseits jedoch auch willensstark sein kann und an ihr Talent glaubt. Während Mimi nun während eines Streifgangs Schlüsselschwanz, einen streunenden Kater, kennenlernt und gerne eine Familie gründen will, muss Reina gegenüber dem "Chef" einer Design-Agentur, in der sie ein Praktikum absolviert, gehörig die "Krallen ausfahren", als sie erkennen muss, dass er sie noch attraktiver findet als ihre Bilder, die er sich eigentlich anschauen wollte.
Mimi steht Reina nach dieser Erfahrung tröstend zur Seite und wird gar von ihr zu einer Tierklinik gebracht, als die Geburt ihrer Jungen ansteht. Sie zieht mit ihren 5 Katzenkindern nun vollends bei Reina ein, die zwar "in Lumpen gekleidet ist, aber ein Herz aus Gold hat" (Zitat S.90).
Während alle Kätzchen vermittelt werden können, bleibt das jüngste und schwächste zurück, das auf den Namen Cookie hört, da es Keksflecken auf seinem Fell trägt: Eines Tages kommt jedoch eine Nachbarin und nimmt Cookie mit, um ihr ein neues Zuhause zu geben: Nun lernen wir die junge Aoi kennen, eine weitere Protagonistin, die nach dem Tode ihrer besten Freundin seit einem Jahr das Haus nicht mehr verlassen hat; traurig und depressiv zu Hause lebt bei ihren Eltern. Da die Tür nur angelehnt ist zu Aois Zimmer, freundet sich Cookie mit dem traurigen jungen Mädchen an und wird mehr und mehr zum "Türöffner" auf dem Weg nach draußen - und aus der Krise, in der sich Aoi befunden hat.
Ein alter und weiser Hund namens John, der mit dem Boss aller Katzenstreuner, Kuro sein Fressen teilt und sich Sorgen um sein Frauchen macht, spielen in diesem zauberhaften Roman ebenfalls keine unwichtige Rolle: Im letzten Kapitel geht es um Shino, eine ältere Japanerin, die ihre Schwiegereltern bis zu deren Tod pflegte, während ihr Mann (im Gesundheitswesen tätig), als Gastredner in Sachen Kranken- und Altenpflege durch ganz Japan reist - und sie wegen einer anderen Frau verlässt....
Die beiden "Tierbosse" treffen eine Vereinbarung, die Shino nach dem Ableben des alten John das Leben erleichtern soll - und halten dies auch ein.
Der Roman greift Themen wie soziale Isolation und Einsamkeit, Schuldgefühle und Depressionen, die Grenzen der Kommunikation und die Fragilität von Liebe und Freundschaft auf. Im Epilog, der während des japanischen Kirschblütenfestes stattfindet, geschehen wundersame positive Entwicklungen bei jeder Protagonistin, während die Kirschblüten tanzen - also ein sehr positiver Ausgang der geschilderten Probleme, mit denen sich die Romanfiguren herumschlagen müssen (es gibt auch einen Ausflug in die harte, zuweilen krankmachende Arbeitswelt in Japan in Form der Geschichte von Ryota, der zur Erholung zu seiner Tante Shinto fährt). Hierbei wird deutlich, dass in der japanischen Tradition und Kultur die "Ehre" ganz weit oben steht und unantastbar ist; ähnlich wie im arabischen Kulturraum. Auch wenn Gefühle unsichtbar sind, so zeigt dieser Roman in einer zärtlich-poetischen Weise, die den Schreibstil am ehesten beschreibt, dass Gefühle von Mensch und Tier mitunter doch womöglich in Einklang schwingen können .
Fazit:
Ein bezaubernd-poetischer, zuweilen auch weiser Roman, der viele menschliche Themen aus der Perspektive der Betroffenen (und, für manche vielleicht befremdlich, auch aus der Sichtweise der jeweiligen Katze) anspricht und aufzeigt, wie wichtig Verbundenheit mit anderen sowie Freundschaft und Zugewandtheit sind. Für jene, die Probleme haben sollten, die "Tierstimmen" zu lesen (wer weiß schon, was im Kopf einer Katze vor sich geht?), empfehle ich, den Roman als eine Art "japanische Fabel" zu lesen: Ich fand ihn sehr lesenswert und empfehle ihn gerne weiter!