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Veröffentlicht am 27.01.2021

2. Strick- und Lesereise nach Schottland und Wales!

Wintertee im kleinen Strickladen in den Highlands
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"Wintertee im kleinen Strickladen in den Highlands" von Susanne Oswald ist der Nachfolgeband zu "Der kleine Strickladen in den Highlands" und erschien 2020 als TB im Verlag HarperCollins. Dieser Roman ...

"Wintertee im kleinen Strickladen in den Highlands" von Susanne Oswald ist der Nachfolgeband zu "Der kleine Strickladen in den Highlands" und erschien 2020 als TB im Verlag HarperCollins. Dieser Roman kann jedoch unabhängig vom ersten gelesen werden, da er in sich abgeschlossen ist.

Hat mich der Vorgänger vollends "verzaubern" können; sowohl von der Handlung, den ProtagonistInnen als auch vom Setting her, geht es auch in diesem Roman um den Strickladen "Wolle und Zeit", der sich im fiktiven Ort Calwell am Loch Lomond/Schottland befindet. Dieser wundervolle Strickladen wurde vor einem Jahr von Maighread von deren Grandma übernommen und läuft seither sehr erfolgreich, was vornehmlich damit zu tun hat, dass die junge Inhaberin zum Einen strickbegeistert ist (was sie durchaus mit der Autorin teilt) und zum anderen ihr Herzblut in diesen Strickladen steckt.

Im vorliegenden Buch geht es um die Freundin von Maighread, Chloe. Sie hat ein großes Kräuterwissen und verkauft im kleinen ihre kreativen Teesorten und auch Kräutersalben und -cremes, die sie selbst herstellt. Beruflich ist sie als Psychologin an einem Scheidepunkt, entscheidet sich jedoch auf Anraten ihrer besten Freundin und Scotts, ihrem Freund, in einem Frauenhaus in Glasgow in Teilzeit zu arbeiten: Scott und Chloe sind sehr glücklich und verliebt, jedoch ist die Frage absehbar, dass die Zukunft der beiden Fragen aufwerfen wird: Wird Chloe nach Glasgow ziehen, da Scott als junger Arzt eine nächste Sprosse der Karriereleiter erklimmen könnte - oder wird sie der Natur, die sie sehr liebt und ihren Freunden am Loch Lomond den Vorzug geben?
In diese schwierigen Überlegungen und Entscheidungen erreicht sie die Nachricht ihrer Großmutter aus Wales: Gwendolyn möchte den letzten Wunsch von Padraig, dem schwer erkrankten Großvater Chloes erfüllen und fragt ihre Enkelin, ob sie nach Wales kommen könnte. Hier zeigt sich, welch starke Frau Chloe ist, denn sie stellt die eigenen Bedürfnisse zurück, um ihrer Grandma, mit der sie sich sehr gut versteht, in dieser schweren Zeit nach dem Tod ihres Grandpas beizustehen: Dieser war ebenfalls leidenschaftlicher Kräutersammler und vererbte ihr sein ganzes Wissen..... Es geht thematisch um Liebe und Lebensentscheidungen, auch um Verlust und Trauer sowie um Freundschaft und Hilfsbereitschaft.

Die Geschichte ist also sowohl in Schottland (am schönsten See des Landes) verortet wie auch in Wales, wohin die Reise für Chloe und für den Leser geht: Besonders interessant fand ich hier die Nachbemerkung der Autorin, die auf ihrer Recherchereise von einem SWR-TV-Team begleitet wurde. Das Ergebnis der Reise ("Eisenbahnromantik, Reihe des SWR "Wolken, Wolle, Wales") ist bei youtube zu finden und vergrößert bildhaft noch mehr den Genuss, den dieser ausgesprochene "Wohlfühlroman" dem Leser bereitet, ich kann nur empfehlen, sich diese Reise anzuschauen!

Susanne Oswald hat einen sehr flüssigen, emotional-warmherzigen Schreibstil und die Figuren, die man teils schon aus ihrem ersten "Strickladen"-Roman kennt, sind allesamt Sympathieträger. Hier sicherlich besonders Chloe selbst und Scott. Aber auch Gwendolyn, Eilidh und Elisabeth, die älteren strickenden Frauen sowie Joshua, Peter und besonders Maighread sind allesamt liebenswerte Personen, die hier anzutreffen sind: Allerdings hätte ich mir hier und dort doch eine kleine "Ecke und Kante" des einen oder anderen Protagonisten gewünscht.

Vielleicht finden sich welche im nächsten Roman der strick- und schreibwütigen Autorin, die im Genre Frauen- und Liebesromane anzusiedeln ist: Eigentlich nicht mein Lieblingsgenre, aber Susanne Oswald schreibt in einer Form, die mir persönlich sehr zusagt: Nicht kitschig und mit Zuckerguss "überhäuft", dafür mit liebenswerten Charakteren, mit denen man sich als Leser einfach wohlfühlt. Einige Strickanleitungen hat die Autorin ebenfalls beigefügt und das "Sahnehäubchen" auf den Scones ist für mich die Filmreise zum Buch: Ich teile die Leidenschaft fürs Stricken, für Schottland und Wales sowohl auch für Dampfloks durchaus mit Susanne Oswald und danke ihr für schöne und entspannte sowie interessante Lesestunden:

Wohlfühlromane haben durchaus ihre Berechtigung, besonders in diesen Zeiten, daher empfehle ich den Roman sehr gerne weiter und vergebe 4 * auf der "Wohlfühlskala".

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Veröffentlicht am 27.01.2021

Mystery-Crime in den Highlands

Hinter diesen Türen
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"Hinter diesen Türen" von Ruth Ware erschien (Paperback, 2021) im dtv-premium Verlag und ist für mich eher dem Subgenre Mystery- und Grusel-Crime als ins Genre Thriller einzuordnen. Es handelt sich um ...

"Hinter diesen Türen" von Ruth Ware erschien (Paperback, 2021) im dtv-premium Verlag und ist für mich eher dem Subgenre Mystery- und Grusel-Crime als ins Genre Thriller einzuordnen. Es handelt sich um eine Geschichte, die langsam Spannung aufbaut und zahlreiche unvorhersehbare Wendungen hat. Dennoch konnte sie mich leider nicht gänzlich überzeugen.

Rowan Caine arbeitet in einer Kita in London und wird bei einer Beförderung übergangen. Da fällt ihr eine Anzeige in die Hände, die sie sehr interessiert: Eine sehr wohlhabende Familie in den schottischen Highlands sucht eine Nanny für ihre 4 Kinder im Alter von 18 Monaten, 5 und 8 sowie 14 Jahren. Die Stelle ist gutdotiert - und nach dem Vorstellungsgespräch mit Sandra Elincourt, der Mutter der Kinder, die wie ihr Mann Architektin ist und oftmals beruflich bedingt reisen muss, erhält sie einige Tage später die Zusage: Sie hat die Stelle und tritt als neue Nanny die Fahrt wenig später zur Familie Elincourt an.

Bereits am ersten Arbeitstag wird sie alleine mit den Kindern, die sie betreuen soll, zurechtkommen müssen, da beide Elternteile verreisen müssen: Das Zuhause, im Roman sehr bildhaft beschrieben, ist "ein Haus, dem eine Hälfte amputiert worden war, ersetzt durch eine Prothese aus Glas und Stahl" (S. 287) ist ein Smart Home: Alles wird durch ein Smartphone und Touchpanels gesteuert; eine Herausforderung für Rowan. Sandra Elincourt kann sich abends in die Zimmer der Mädchen einloggen, um mit ihnen zu sprechen und es entsteht ein "Überwachungsfeeling", da überall Kameras angebracht sind. Beim ersten Besuch flüstert Rowan eins der Mädchen zu, "sie solle nicht kommen, es sei zu gefährlich; die Geister mögen es nicht...."

Und so muss sich Rowan, die nicht überaus ängstlich ist und z.B. knarzende Schritte hört über ihrem Zimmer, mehr und mehr mit unheimlich anmutenden Ereignissen auseinandersetzen, die ihre Nerven strapazieren. Anvertrauen kann sie sich niemand, da sie ausser mit Jean McKenzie, die für den Haushalt sorgt, sie aber offensichtlich ablehnt und Jack Grant, der als Mädchen für alles fungiert, alleine mit den Kindern ist. Die Ereignisse spitzen sich zu und es herrscht im Haus eine gruselige Atmosphäre, Rowan erhält hasserfüllte Botschaften: Wer steckt hinter diesen Abgründen und weshalb verhalten sich die Kinder immer seltsamer?

Meine Meinung:

Die Idee zum Buch finde ich großartig: Die Geschichte beginnt mit Briefentwürfen und der Brief selbst, den Rowan aus der U-Haft schreibt, ist an einen Mr. Wrexham wie auch an den Leser gerichtet: Ein Krimi in Briefform! Die sehr mysteriösen (und gruseligen, spukhaften) Ereignisse bestimmen den Verlauf auf Heatherbrae House, so der Name des alten viktorianischen Hauses, das hyper modernisiert und zum Smart Home wurde, stark mit und wirken soghaft auf den Leser. Bereits zu Beginn steht fest, dass ein Kind ermordet wurde und Rowan die Geschichte, "wie sie wirklich war", dem Anwalt schreibt, um ihn zu bitten, sie als Strafverteidiger vor Gericht zu verteidigen. Rowan bestreitet jede Schuld und so geht es darum, den wahren Mörder zu finden.
Die Autorin legt hier viele Köder aus und führt in falsche Richtungen; die Rolle Rowans scheint selbst zuweilen etwas ambivalent, da man sich fragt, wer wirklich hinter der adretten, jungen "Supernanny" stecken mag. Die Gruselschock-Elemente sind wohlplatziert und sorgen für reichlich Spannung. Der Stil von Ruth Ware ist sehr eingängig und flüssig zu lesen, besonders hat mir die atmosphärische Dichte gefallen, mit der das Haus selbst beschrieben wurde. Das Buch hat auch Psychothriller-Elemente, da viele Figuren vielschichtig angelegt wurden und man z.B. nicht genau weiß, was man von Sandra, der Mutter der Kinder, zu halten hat oder weshalb Maddie eine derart abwehrende Haltung gegenüber der neuen Nanny hat (allerdings wechselten diese häufig, was Kinder definitiv verunsichert und sich nicht positiv auswirkt).

Das Ende der Geschichte mit vielen Wendungen war einerseits wenig berechenbar und durchaus spannend, andererseits für meinen Geschmack jedoch etwas konstruiert: Unverständlich blieb mir die Rolle eines Familienmitglieds, die sehr wohl hätte erahnen müssen, was sich hinter der "perfekten Fassade" tatsächlich abspielte... So war ich mit der Lösung auch nicht einverstanden, da ich sie für sehr weit hergeholt halte. Erläutern kann ich dies nicht näher, da ich sonst zu viel verraten würde. Rezensionen sind ja immer eine subjektive Buchbesprechung - und ich bin sicher, dass "Hinter diesen Türen" vielen LeserInnen besser gefällt als es bei mir der Fall war. Gute Krimiunterhaltung und ein interessantes Setting in einer der schönsten Gegenden Europas wird jedoch, gepaart mit spannender Unterhaltung, auf jeden Fall geboten. Von mir gibt es 3,5 Sterne und 82° auf der "Krimi-Couch".

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Veröffentlicht am 20.01.2021

Wenn "lahme Gäule" zu wahren Tigern werden....

Real Tigers
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Der 3. Fall Jackson Lamb's - "Real Tigers" von Mick Herron, erschien (TB,2020) im Diogenes-Verlag, Zürich und wurde aus dem Englischen von Stefanie Schäfer übersetzt.
Für mich stellt diese Reihe intelligenter ...

Der 3. Fall Jackson Lamb's - "Real Tigers" von Mick Herron, erschien (TB,2020) im Diogenes-Verlag, Zürich und wurde aus dem Englischen von Stefanie Schäfer übersetzt.
Für mich stellt diese Reihe intelligenter Agentenkrimis etwas Besonderes dar und auf 'Real Tigers' in der deutschen Übersetzung habe ich mich nach dem Genuss der beiden Vorgänger sehr gefreut: Auch hier wurde ich nicht enttäuscht, da Mick Herron einen genialen Schreibstil (und schräge Figuren) hat, die stets ein Schmunzeln und großen Lesegenuss bereithalten.

Dieses Mal stellt uns ein "Geist", der durch Slow House wandert, die "Abservierten" kurz vor. Es gibt also ein Wiedersehen mit Jackson Lamb und seinen Agenten, die allesamt etwas vermurkst haben und als "Lahme Gäule" im Slow House des Regent Park's (Hauptsitz des MI5 und Secret Service, London) outgesourcet wurden, um dort stupide und eintönige Arbeiten zu verrichten. Man hofft darauf, dass jeder Einzelne aufgibt und die Kündigung einreicht, doch davon sind (Gott sei's gedankt) die meisten weit entfernt:
Wir begegnen River Cartwright, dem Enkel des legendären David Cartwright; Catherine Standish, der Assistentin Jackson Lamb's, Roderick Ho, dem IT-Spezialisten, der jedoch kein Glück bei Frauen hat, Louisa Guy, die seit dem Tod von Min (früherer Kollege und auch Partner) einen recht zweifelhaften Lebensstil führt, Marcus Longridge (der sich bemüht, seine Spielsucht in Grenzen zu halten) und die zuweilen koksende Shirley Dander, die beiden Neuzugänge im Slow House.
Wie gewohnt malträtiert Jackson Lamb seine "Untergebenen" gerne, hält ihnen oft den Spiegel des Versagens vor; jedoch mag er es nicht, wenn einer seiner Agenten in Gefahr schwebt - und jemand nicht zum Dienst erscheint.

Was im Falle von Catherine Standish, einer trockenen Ex-Alkoholikerin, eines Morgens der Fall ist. Es sollte sich herausstellen, dass ein Ex-Liebhaber sie kurzerhand entführt hat, um (im Austausch der Agentin) an ein Dossier des Premierministers zu gelangen, das in den heiligen Archiven des Regent Parks vermutet wird: An der Hüterin dieses Archivs (eine alte Fledermaus auf Rädern namens Molly Doran, aus den früheren Krimis bestens bekannt) ist kaum ein Vorbeikommen, doch River versucht dennoch sein Glück und schleicht sich in die Katakomben ein (obwohl es den Agenten des Slow House strengstens verboten ist, den Regents Park zu betreten).
Leider ist das Eindringen Rivers nicht von Erfolg gekrönt und Nick Duffy, ebenfalls ein alter Bekannter der Serie und Chef der "Dogs", wie die Mitarbeiter des Regent Parks genannt werden, knöpft sich River vor....
Eine weitere illustre Gestalt, (die sehr viel äußerliche Ähnlichkeit mit dem derzeitigen Premierminister Englands hat) ist Peter Judd, der amtierende Innenminister sowie Ingrid Tearner (Direktorin des MI5 und aalglatt) wie auch Diana Taverner oder "Lady Di", die ihre eigenen Interessen verfolgt und ebenfalls wie ihre Vorgesetzte mit allen Wassern gewaschen ist.

Weshalb wurde Catherine entführt? Wer sind die maßgeblich Beteiligten? Was geht hinter den Kulissen des Regent Parks vor sich? Sind die Akten im Archiv, bei denen es sich teils um brisante Daten handelt, auch sicher? Wer könnte ein Interesse haben, die Personalakte des Premiers (dessen Vergangenheit mit Sicherheit glattgebügelt wurde) zu entwenden? All diesen Fragen muss sich Jackson Lamb stellen und ist wie immer nicht alleine, den Fall zu lösen: Er hat seine Slow Horses...

Der Leser verfolgt mit Spannung die Aktivitäten Jackson Lambs und seiner Agenten, wobei es in diesem Agentenkrimi um Macht geht und wie die Mächtigen sie sichern; um Verschwörungstheorien und "Graue Bücher"; um die Möglichkeiten, die eigene Position zu sichern (und nach Möglichkeit, dem jeweils Ranghöheren ans Bein zu pissen, am besten erfolgreich) und die Methoden, wie dies (am besten unter Ausschluss der Öffentlichkeit) zu bewerkstelligen ist.

Mick Herron's unvergleichlicher Schreibstil lebt von den bissigen, oft witzigen Dialogen der Slow Horses - ganz besonders von Jackson Lambs - und des alltäglichen Schlagabtauschs untereinander. Auch schwarzer Humor ist keine Seltenheit, der skurrile Handlungen (die oftmals gar nicht so unrealistisch erscheinen) noch betont.

Der spannende Showdown in der stillgelegten Fabrik klärt gegen Ende einiges und der oben erwähnte "Geist" führt den Leser wiederum durch die Büros des Slow House: Resümierend bis zu einem schnarchenden Jackson Lamb, dessen Tür nicht von einem Geist, sondern einer weiß behandschuhten Hand geöffnet wird - wobei allzu oft vergessen wird, dass sich hinter so mancher Tür tatsächlich ein Tiger verstecken kann

Fazit:

Mick Herron vertritt nach meinem Dafürhalten die hohe Kunst der intelligenten Unterhaltung in Form eines weiteren Agentenkrimis, der zum Ende hin durchaus Thrillerelemente in sich trägt, in Reinkultur.
Wer schwarzhumorige, teils sarkastische, pointierte, vor allem aber sehr intelligent geschriebene und tiefgründige Spionagekriminalromane mag, sollte diese Reihe unbedingt lesen! Am allerbesten chronologisch, wie in diesem Genre ratsam. Fans der "Slow Horses" dürften sich (wie ich) gefreut haben, dass sie letztendlich das bessere "Tiger-Team" sind! Von mir gibt es 4,5 * und eine absolute Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 06.01.2021

Schicksalstage am Fjord

Schicksalstage am Fjord
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"Schicksalstage am Fjord" von Sofie Berg erschien (Paperback, 2019) im Gmeiner Verlag, München. Die Autorin, deren Großmutter selbst Norwegerin war, verwebt hier sehr gekonnt und spannend die an ihre eigene ...

"Schicksalstage am Fjord" von Sofie Berg erschien (Paperback, 2019) im Gmeiner Verlag, München. Die Autorin, deren Großmutter selbst Norwegerin war, verwebt hier sehr gekonnt und spannend die an ihre eigene Familiengeschichte angelehnte Geschichte der fiktiven Familie Bakken in Trondheim, Norwegen in einer düstere Zeit: Unter der Besatzung des Nazi-Regimes im 2. Weltkrieg.

"Das Leben in Norwegen unter der deutschen Besatzung ist gefährlich, vor allem für diejenigen, die Widerstand leisten. Nach der Verhaftung von Vater und Schwager wendet sich die junge Norwegerin Ingrid Bakken hilfesuchend an ein Mitglied der norwegischen Nazipartei und wird damit für ihre Familie zur Verräterin. Ingrid bemüht sich, das Verhältnis zu ihrer Familie zu retten - und hat Erfolg. Doch dann begegnet ihr die große Liebe - in Gestalt eines deutschen Soldaten. Wird sie es wagen, ihren Gefühlen nachzugeben?"
(Quelle: Buchrückentext)

Die Besetzung Norwegens durch deutsche Truppen des Nazi-Regimes im 2. Weltkrieg begann am 4. April 1940; in den folgenden Kriegsjahren begleiten wir die Familie Kristine und Nils Bakken aus Trondheim, besonders die Hauptprotagonistin Ingrid Bakken, als 19jähriges Mädchen die Jüngste der Familie: Ihr Bruder Arne ist im Widerstand und überzeugt seinen Schwager Einar, der bereits 1941 verhaftet wurde und erst nach Wochen wieder frei kam, der Gruppe beizutreten: Die Gestapo hat ihr Hauptquartier im früheren "Missionshotel" und verfolgt jede Spur des Widerstands - dazu kommt noch die Gesinnungslage mancher Norweger, die sich in der Nazipartei "Nasjonal Samling" vereint haben und mit denen die "Jossinge", die königstreuen und loyalen, antifaschistischen Norweger nichts zu tun haben wollen, hinzu. Die Bakkens sind allesamt Jossinge - und gehören der Gewerkschaft und teils der kommunistischen Partei an. Daher hat die Familie wenig Verständnis für Ingrid, die durch eine frühere Freundin, deren Eltern der Nasjonal Samling angehören und Feste mit den Deutschen feiern, Hilfe erfährt, um ihren Vater aus der Haft zu entlassen: Ingrid hatte große Angst, dass sie ihrem Vater und auch Schwager etwas antun könnten.
Die Familie interpretiert den Kontakt zu Solveig anders: Ingrid ist von nun an eine Verräterin, die den Kontakt zu Solveig nicht unterbunden hat. Hier spielt der Stolz des Vaters eine Rolle, der von Menschen mit dieser Gesinnung keine Hilfe annehmen will.

Ingrid arbeitet in einer Konservenfabrik und da die Lebensmittelknappheit größer wird, überlegt die Familie, über den Sommer nach Selbu an der Grenze zu Schweden zu reisen, wo sie Verwandte hat und die Versorgungslage entspannter ist. Nur Ingrid soll in Trondheim bleiben - sie wird überhaupt nicht in die Reisepläne der Familie einbezogen. Und damit nimmt das Schicksal seinen Lauf:

Solveig überredet Ingrid, mit zum Tanztee zu kommen, wo auch deutsche Soldaten sind. Ihr Bruder Arne hat Ingrid davor gewarnt, sich mit dem Feind einzulassen und kann sie vor einem Übergriff des Nachbarn, der ihr Avancen macht, retten: Ragnar Mykland. Dieser trägt im weiteren Verlauf Persönlichkeitszüge von Henry Rinnan, dem Anführer der Rinnan-Bande, die als Kollaborateure der Gestapo sich in Widerstandsgruppen einschleusten und diese aufdeckten: Ihre Methoden waren dabei ebenso inhuman wie die der Nazis: Sie folterten und töteten unschuldige Norweger (Rinnan wurde 1946 zum Tode verurteilt und hingerichtet).

Angewidert von Ragnars wiederholten Annäherungsversuchen, findet Ingrid in Georg Reimers einen jungen sympathischen Mann, der sehr sanft ist und sie wiedersehen will: Doch Georg ist gebürtiger Hamburger, ein Soldat der deutschen Wehrmacht - und damit eigentlich ihr Feind!
Es ist mehr als berührend zu lesen, wie tragisch der innere Konflikt von Ingrid ist, die sich darüber bewusst ist, dass es einen Bruch mit der Familie geben würde, wenn sie diese Liebe offen leben würde. Daher blüht sie im Geheimen - und lässt sich dennoch von Krieg und Gewalt nichts befehlen: Sie ist einfach da.

Genau dies versteht Sofie Berg sehr gut, herauszuarbeiten: Aber auch die inneren Konflikte, die in der Familie durch die Verbindung von Ingrid und Georg entstehen, sind sehr bildhaft und authentisch beschrieben. Einzig die Mutter, eine sehr starke Persönlichkeit, deren oberstes Gebot ist, die Familie zusammen zu halten und keines ihrer Kinder (Astrid, die Älteste, die mit Einar verheiratet ist und 2 Söhne hat, Kjell und Per; Arne, ihren Sohn und Ingrid) zu bevorzugen: Auch nach dem "Fehltritt" von Ingrid, der doch eines Tages offenkundig wird, steht sie zu ihr, während Astrid, die durch die Inhaftierung und Deportation nach Deutschland ihres Mannes Einar die Deutschen hasst, ebenso wie ihr Vater Nils und vor allem auch ihr Bruder Arne sich von Ingrid abwenden. Erschüttert muss man lesen, dass Bruder, Schwester und der eigene Vater das Zimmer verlassen, wenn Ingrid hereinkommt. Dass sie kein Wort oder nur das Allernötigste mit ihr sprechen. Dass Ingrid auch keine Erklärungen ihrerseits abgeben kann, die anerkannt werden; etwas, dass Georg nicht dafür verantwortlich ist, dass Einar verhaftet wurde. Im Verlauf des Romans, in dem auch (1942) Hamburg dem Erdboden gleich gemacht wird, stellt sich mehr und mehr heraus, dass Georg kein überzeugter Nationalsozialist ist. Dennoch wird er als Feind von der Familie abgelehnt (ausser von Kristine, ihrer Mutter) und Ingrid wird immer klarer, dass sie sich zwischen beiden entscheiden muss....

Der historische Roman von Sofie Berg gibt einen sehr guten Einblick in eine fiktive norwegische Familie, die exemplarisch für viele stehen könnte, während der deutschen Besatzungszeit: Auch historische Ereignisse und Personen werden genannt, über die man bei Interesse anderenorts noch mehr in Erfahrung bringen kann (Quisling, Rinnan). Auch die Zeit nach der deutschen Kapitulation und das Aufatmen der vom deutschen Joch befreiten norwegischen Bevölkerung erlebt man mit Kristine und den anderen Familienangehörigen mit: Für Menschen, die in deutschen Firmen arbeiteten (Bautruppen z.B.) oder in Fabriken, war es auch nach dem Krieg sehr schwer, eine neue Anstellung zu finden. Frauen, die mit deutschen Soldaten ein Liebesverhältnis eingingen, wurden (ebenso wie in Frankreich) geschoren, verachtet, beschimpft und kamen in ein Lager: Liebe in Kriegszeiten wird von der Gesellschaft hart bestraft und viele dieser Frauen wurden zu Unrecht gedemütigt und drangsaliert. Ingrids Schrecken, als sie eine ihr bekannte Frau so sieht, kann man gut nachvollziehen.

Ingrid selbst fand ich sehr authentisch und sympathisch; die stärkste Frau im Roman ausser Ingrid selbst ist ihre Mutter Kristine, die sich wie eine Löwin vor ihre Tochter stellte und sehr souverän handelte. Weniger sympathisch war mir Astrid, Ingrid's Schwester: Ihren Hass auf die Deutschen übertrug sie gar auf ihre Söhne und ihr Verhalten Ingrid gegenüber empfand ich als bösartig und sehr gehässig. Anders Einar, ihr Mann, der stets ein gutes Verhältnis mit seiner Schwägerin Ingrid hatte! Der Vater, der sich auch sehr hart von seiner jüngsten Tochter abgewandt hatte, bekam einen Pluspunkt am Romanende: Er hatte ein ganz besonderes Geschenk für sie, was mich überaus freute.

Fazit:

Ein sehr lesenswerter, auch spannender und gut geschriebener Roman aus der Zeit der deutschen Besatzung, der sehr berührt und nachdenklich stimmt. Ich hatte eigene, persönliche Gründe, diesen Roman zu lesen und muss sagen, dass es ein erhellender (weiterer) Lichtblick für mich war, diese Zeit aus der Perspektive einer norwegischen Familie (mit)erleben zu können, der sehr authentisch wirkte. Die Großmutter der Autorin war selbst Norwegerin, wie sie im Nachwort schreibt und der Roman basiert teils auf den Aussagen und Erzählungen des Großvaters. Das Glossar, das die norwegischen Begriffe erklärt, rundet zudem diesen außergewöhnlichen Roman positiv ab.
Ich vergebe 4,5 Sterne und empfehle diesen Roman gerne uneingeschränkt weiter!

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Veröffentlicht am 27.12.2020

Die Frau des Winzers

Das letzte Licht des Tages
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"Das letzte Licht des Tages" von Kristin Harmel erschien in Übersetzung (aus dem amerikanischen Englisch) von Veronika Dünninger im Knaur Verlag (Paperback, 2020, ISBN 978-3-426-22712-1).

Frankreich, ...

"Das letzte Licht des Tages" von Kristin Harmel erschien in Übersetzung (aus dem amerikanischen Englisch) von Veronika Dünninger im Knaur Verlag (Paperback, 2020, ISBN 978-3-426-22712-1).

Frankreich, Ville-Dommange, (Champagne), 1940:

Die Deutschen besetzen Frankreich und auch Michel und Inés, seit 2 Jahren ein Ehepaar und Besitzer eines Weinguts in der Champagne, befürchten Schlimmes: Sie produzieren seit Generationen Champagner; unterstützt von Théo, dem Kellermeister und Céline, seiner Ehefrau, die Halbjüdin ist. Céline macht sich große Sorgen um ihre Eltern, von denen sie lange nichts hörte...

Während Michel und Théo alte Freunde sind und sich im Berufsalltag ohne Worte verstehen, tun sich Inès und Céline eher schwer, eine Freundschaft aufzubauen. Der "Winzerführer" Klaibusch und seine Nazi-Kumpanen plündern alle Weingüter und erlegen den Winzern auf, dass sie fortan eine gewisse Menge des edlen Gebräus nach Deutschland zu entsenden haben. Zu dieser Zeit haben sich bereits Widerstandszellen gebildet und auch viele Winzer gehören der Résistance an, die versuchen, die Ziele der Nazis zu durchkreuzen. So erfährt eines Tages auch Inès davon, dass Michel Waffen und auch jüdische Flüchtlinge in den weitverzweigten Kellern des Gutes versteckt und muss sich für eine Seite entscheiden. Sie wirkt, kaum über zwanzig, sehr naiv auf mich und ist nicht glücklich in ihrer Beziehung zu Michel: Daher sucht sie ab und andas Weite, um ihre Freundin in Reims zu besuchen, die dort mit ihrem Mann das"Moulin Rouge", ein Restaurant mit Bar, betreibt. Édith ist ebenfalls dem Widerstand angehörig und gibt wichtige Informationen an die Netze der Résistance weiter, die sie von den betrunkenen deutschen Soldaten erlauscht.

Dort lernt Inès einen Franzosen kennen, der ihr Komplimente macht und sie in ihrem mangelnden Selbstwertgefühl und ihrem Unglück tröstet: Ein fataler Fehler, wie sich später herausstellen sollte....

Liv, die nach einer gescheiterten Ehe Jahrzehnte später ihrer exzentrischen Großmutter zurück nach Frankreich folgt, wundert sich über die Rätsel, die ihre Großmutter verschweigt und die in deren Vergangenheit führen: Als Èdith, die Großmutter Liv's, mit ihr Reims und das frühere Weingut der Familie Chauveau besucht, überschlagen sich die Ereignisse und der junge Anwalt Julien Cohn wird von Èdith beauftragt, ihr "reinen Wein einzuschenken"; ihrer Enkelin das zu sagen, was sie selbst nie konnte....

Meine Meinung:

In diesem Roman, den Kristin Harmel vorlegte, ist gekonnt und auf bewährte Art eine Liebesgeschichte mit Zeitgeschichte verwoben; der Zeit des 2. Weltkrieges, in der Frankreich (abgesehen von der Zone libre im Süden) von Nazideutschland besetzt war. Der zweite Erzählstrang ist in der Gegenwart angesiedelt: Édith Thierry ist inzwischen fast 100 Jahre alt (dabei jedoch sehr agil und trinkfest; was für mich etwas unrealistisch dargestellt war, aber lustig) und möchte ihrer Enkelin sagen, was sie ihrem Sohn zeitlebens verschwieg: Die Wahrheit über die tragische Vergangenheit, die sich in Reims und auf dem Weingut der Familie Chaveau abspielte. Harmel gelingt es, zum Einen die Herstellung von Champagner zu beschreiben, zum anderen die schöne Landschaft der Champagne mit Reims, dessen Kathedrale sich mit Notre Dame de Paris durchaus messen kann. Charaktere wie Édith und Céline waren mir sehr sympathisch; mit Inès und Édith hatte ich meine Probleme, da die Verwandlung einer Hauptprotagonistin auf mich etwas hölzern und nicht authentisch wirkte. Aus einer naiven und wenig selbstbewussten Inès wurde später eine Résistance-Kämpferin, die im Süden gar ein Messer nutzte, um einen Gegner auszuschalten. Letzteres von dem Gefühl abhängig, etwas wieder gut zu machen, was unumkehrbar war.

Themen des Romans sind u.a. Liebe, Freundschaft, Kinderlosigkeit, in Zeiten desKrieges Liebe und Verrat, Denunziantentum, die Verfolgung der Juden auch in Frankreich; tragische Schicksalsverknüpfungen während der Zeit der Résistance, die viele Opfer forderten. Der Schreibstil ist flüssig zu lesen und die Rück- und Einblicke in die französische Geschichte, besonders während der Nazidiktatur, flossen in den Roman ein. Das letzte Romandrittel war berührender als der Beginn und hier klärt sich auch das Rätsel, das Édith enthüllt. An überraschenden Wendungen und einem tragischen Ende fehlt es dem Roman nicht; auch die Beschreibungen der "caves", der Weinkeller und der Kelterei sind interessant, jedoch am Ende, als eine silbergrauhaarige Frau auf die Bühne tritt, war mir dies dann doch ein "zuviel desGuten"; es wirkte konstruiert und weniger wäre hier mehr gewesen, um die Geschichte abzurunden.

Fazit:

Ein flüssig geschriebener und leicht lesbarer Roman, der in zwei Zeitebenen erzählt wird und die tragische Geschichte der französischen Winzerfamilie Chaveau aus der Zeit des 2. Weltkrieges und der Résistance lebendig beschreibt. Leider fand ich trotz recht gutem Unterhaltungswert die Personenzeichnung und zuweilen auch den Romanverlauf nicht ganz überzeugend. Der Hauptprotagonistin konnte ich mich nicht wirklich nähern (am ehesten der 99jährigen Édith und ihr Verhalten wie auch ihre charakterlichen Kontraste und Veränderungen wirkten auf mich etwas konstruiert. Interessant und gelungen fand ich hingegen das Einfließen historischer Fakten der "Grande Nation" in der besetzten Champagne in den Kriegsjahren des 2. Weltkrieges. Von mir erhält der Roman 3* und 85° auf der "Histo-Couch".

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