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Veröffentlicht am 05.12.2016

Sehr lesenswerter Roman über 2 starke Frauen - oder: Mütterchens Koffer....

Im Sommer wieder Fahrrad
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"Im Sommer wieder Fahrrad" von Lea Streisand erschien im Ullstein-Verlag (HC, 2016) und kommt in dunkeltürkisem Cover daher, auf dem das Foto einer jungen, rauchenden Frau (wohl "Mütterchen") abgebildet ...

"Im Sommer wieder Fahrrad" von Lea Streisand erschien im Ullstein-Verlag (HC, 2016) und kommt in dunkeltürkisem Cover daher, auf dem das Foto einer jungen, rauchenden Frau (wohl "Mütterchen") abgebildet ist, das mittels eines 'Schnipsgummis' nicht vom Cover fallen kann ;)
Der Titel selbst spiegelt die positive Sichtweise auf den Inhalt wieder und die Thematik, in dem es in diesem Roman, dem Début von Lea Streisand, geht:

Es handelt sich um eine sehr unterhaltsame, tiefgründige und in ironisch-heiterem Ton verfasste Familiengeschichte mit starken Charakteren: Da ist zum einen die Großmutter Ellis, "Mütterchen" genannt und deren Enkelin Lea, die kurz vor dem Ende des Studiums an Krebs erkrankt. Verortet ist der Roman in Berlin.

Zwei Erzählstränge, die immer wieder ineinandergreifen, kurze Wechsel haben, bestimmen den Stil: Während einerseits das Leben von Mütterchen - seit den 20er Jahren des letzten Jhd. nach und nach aufgerollt oder auch (sie war Schauspielerin) 'zurückgespult' wird, erlebt der Leser gleichzeitig die verschiedenen Stadien der Krebsbehandlung Lea's, vom ersten Schock über die Diagnose bis zu den Zyklen der Chemotherapie.

Der Roman liest sich wie eine Reise durch zwei miteinander verbundene Leben: Mit Mütterchen geht die Reise durch die NS-Vergangenheit, in die Säle und Bühnen des deutschen Theaters in Kriegs- und Nachkriegszeiten und ihre Passion für die Schauspielerei, die sie auf Wanderbühnen und später als Regieassistentin ausübte und dabei sehr viel erlebte. Die andere Reise ist die der Enkelin Lea, die sehr ehrlich und nachvollziehbar von der Behandlung ihrer Krebserkrankung erzählt.. In Rückblicken, auch Mütterchen's Leben betreffend, deren Koffer sie nach deren Tod öffnet, sieht sie vieles analytisch und hat Paul an ihrer Seite, der sich sehr liebevoll und empfindsam um sein "Schätzchen" kümmert; hier werden auch Grenzen der Belastbarkeit aufgezeigt, die Angst der Protagonistin vor dem Tod, die sehr realistisch beschrieben wird....

Mir hat besonders die große Authentizität gefallen, in der sowohl von Lea's eigenem Leben und ihre Erkrankung beschrieben wird, als auch das von Mütterchen, das Lea mit ihrem eigenen Leben vergleicht und aus deren Notizen sie Stärke bezieht, große Liebe zur Großmutter spricht. So spendet Mütterchen postum ihrer Enkelin große Kraft, die Lea selbst für sich nutzen kann.

Aus vielen Sätzen blitzt eine gute Portion Schalk; Humor und Ironie kommen auch trotz oder gerade wegen der Thematik nicht zu kurz, was mir sehr gut gefallen hat. Auch kleinere Seitenhiebe auf das Leben in der früheren DDR sind in dem Roman zu finden, die ich sehr realistisch empfand (ich habe die DDR mehrmals mit meinem Vater Anfang der 80er Jahre bereist).
So ist auch der Bau der Mauer, die lange Zeit Freunde und Familien auseinanderriss und die Tragik für die Betroffenen als ein Stück Berliner Nachkriegsgeschichte sehr gut dargestellt.

Das größte Plus dieses berührenden Romans ist die Ehrlichkeit sich selbst und ihrem Körper gegenüber, die Lea zum Ausdruck bringt wie die Konsequenz, mit der sie alles "Falsche" (Perücke, Schminke) strikt ablehnt. Auch im emotionalen Ausdruck schafft es die Autorin, ihren Figuren sehr viel Leben einzuhauchen, oftmals mit einer ironischen Note. Sie leuchtet die Protagonisten gut aus und macht sie zu Sympathieträgern; sowohl Mütterchen, als auch die Mutter von Lea als auch Lea selbst.

Fazit:

Ein Familienroman, eine sensible, heiter-ironische, zuweilen auch tieftraurige Geschichte über das Leben zweier starker Frauen, die jede auf ihre Art gegen die Anfeindungen des Lebens erfolgreich kämpfen; eine Erzählung, die Einblicke gewährt in die Geschichte des deutschen Theaters und in eine der ärgsten Krankheiten unserer Zeit; nicht zuletzt eine Mutmach-Geschichte, die ich sehr lesens- und empfehlenswert finde. Der Titel ist übrigens von Hoffnung getragen, ebenso wie der Roman selbst! Ich vergebe 4 Sterne am Bücherfirmament.

Veröffentlicht am 26.11.2016

Violins of Hope - und GEGEN das Vergessen! -

Geigen der Hoffnung
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Geigen der Hoffnung (Untertitel: Damit ihr Lied nie verklingt) von Titus Müller und Christa Roth erschien 2016 (HC) im adeo-Verlag (Gerth Medien GmbH), Asslar. Das Cover weist auf die Hauptprotagonisten ...

Geigen der Hoffnung (Untertitel: Damit ihr Lied nie verklingt) von Titus Müller und Christa Roth erschien 2016 (HC) im adeo-Verlag (Gerth Medien GmbH), Asslar. Das Cover weist auf die Hauptprotagonisten in diesem Buch hin, in denen es in diesem Roman geht: Violinen, die einst jüdische Besitzer spielten, die im Holocaust während des Nazi-Regimes ermordet wurden. Die weiße Schrift des Titels auf dunklem Weg, das die Gleise in ein KZ zeigt, wirkt beim 'g' fast fast wie eine Bogensaite, was ich besonders gelungen finde.

"Wenn wir die Instrumente wieder zum Leben erwecken, sie vor Publikum spielen und das vor Rührung weint, dann ist das der größte Beweis, dass die Nazis gescheitert sind."
(Quelle: Klappentext)

Am Romananfang nähert sich CHRISTA ROTH sehr behutsam in Interviews mit Amnon Weinstein, dem Hauptprotagonisten, dem Thema des Holocaust: Amnon führte die Tradition des Geigenbauens seines Vaters Moshe fort, der 1938 mit Ehefrau Golda noch nach Palästina ausreisen konnte. Es hat mich sehr beeindruckt, im Romanverlauf (der immer abwechselnd von zwei Erzählsträngen durchwirkt ist) die vielen Facetten der Persönlichkeit, die Amnon Weinstein darstellt, kennenlernen zu dürfen: Der Vater verdrängte die Vergangenheit, der fragende Sohn hörte auf zu fragen und verdrängte ebenso, dass es keine Verwandten gab, die er in Tel Aviv hätte besuchen können.... Er nimmt jedoch alte Geigen an, die darauf hindeuten, in jüdischem Besitz gewesen zu sein und deren Besitzer in deutschen KZ's ermordet wurden, die Geigen jedoch überlebten.
Amnon restauriert diese fachmännisch und arbeit sie mit großem Können auf, so dass sie fortan wieder spielbar sind.

"Eine Geige erfüllt jede jüdische Melodie mit Leben. Ihr sinnlicher, nobler Klang, der trotz der kleinen Größe in talentierten Händen wunderbar satt tönt, geht einfach schnell zu Herzen". (Textzitat Amnon Weinstein)

Nach dem Mauerfall drängt Daniel Schmidt, ein sächsischer Geigen- und Bogenbauer, Amnon mehrmals, diese Geigen wieder erklingen zu lassen, bis dieser nachgibt. Dies ist der Beginn einer weltweiten Konzertreihe der "Violins of Hope"....
Bewundernswert fand ich die späte Einsicht, den Enthusiasmus, das Engagement und das große Können Amnon Weinsteins, die Geigen und die Konzerte zu seiner Herzenssache zu machen, die Violinen zu "hörbaren, musikalischen Stolpersteinen" überall in der Welt erklingen zu lassen.

Der zweite Erzählstrang stammt aus der Feder von TITUS MÜLLER, der mir und vielen anderen Lesern durch seine historischen Romane bereits bekannt ist.

Der Autor erzählt die Geschichte zweier Brüder und ihren schweren Weg, den Zehntausende Juden im 2. WK erlitten haben: Marek und Stani Król werden aus einem Ghetto in das KZ Dachau deportiert, wo sie dem Grauen von Hunger, Erniedrigung, schwerster Arbeit bei Mangelernährung, mangelnde Hygiene und schließlich dem Sadismus und unmenschlicher Grausamkeit einiger SS-Schergen ausgesetzt sind. Marek gelingt es, ins Lagerorchester aufgenommen zu werden, wo er fortan die Geige spielt und sich dadurch den Übergriffen und dem Hass des SS-Oberscharführers Köcher ein wenig entziehen kann. Dieser hatte seine Geige bei der 'Begrüßung' zertrümmert und der Hass der indoktrinierten Waffen-SS gegenüber den 'Untermenschen' ist deutlich zu spüren und macht fassungslos und beklommen...
Marek hat oftmals ein schlechtes Gewissen gegenüber seinen Mithäftlingen in den Arbeitskolonnen der abgemagerten, oft zum Tode Verurteilten Menschen, was ebenfalls sehr betroffen macht, aber auch die große Menschlichkeit in Mareks Herzen erkennen lässt. Marek und Stani überleben auch unter Mithilfe eines Arztes, der beide kurz vor der Befreiung durch die Amerikaner in seiner Krankenstation aufnimmt, an die sich wegen der Ansteckungsgefahr selbst die Nazis nicht trauen.....

Die Befreiung wurde m.E. etwas sehr kurz abgehandelt und für den Leser schwer nachvollziehbar war, auch wenn ich bereits viele Romane über die NS-Zeit gelesen habe. Auch der kurze Überblick von Christa Roth über die Geschichte Israels seit Staatsgründung (1949) war für mich leider lückenhaft und etwas einseitig dargestellt; das Hauptthema des Romans wurde jedoch brillant umgesetzt:

Über die Zeit des Grauens im KZ gab die Geige, die Musik Marek und vielen Inhaftierten Hoffnung und ein wenig das Gefühl, noch ein Mensch zu sein; die Geige war für Marek stets eine Quelle der Kraft und auch der Hoffnung.

Ein Nachwort der Autoren sowie wunderschöne Fotos der Geigen und Amnon Weinsteins Werkstatt ergänzen den Roman und werten ihn nochmals auf.

Fazit:

Absolut fesselnd, lesenswert, beeindruckend, betroffen machend und als literarische Ermahnung gegen das Vergessen (gerade in heutiger Zeit und dem Erstarken des Rechtspopulismus in ganz Europa!) eine lohnenswerte Lektüre. Eine absolute Leseempfehlung von mir, 4,5 * und ein großes Dankeschön an beide Autoren sowie besonders an Amnon Weinstein, vor dessen Kunst im Geigenbau ich mich - vor allem durch die Vergangenheit dieser Violinen - nur verbeugen kann.

Veröffentlicht am 20.11.2016

"döden, döden, döden" ;)

Whisky für drei alte Damen oder Wer geht hier am Stock?
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"Whisky für drei alte Damen" von Minna Lindgren (die Fortsetzung von "Rotwein für drei alte Damen"); versehen mit einem wunderschönen Cover voller nostalgisch anmutender 'Motive', die dem Alter der drei ...

"Whisky für drei alte Damen" von Minna Lindgren (die Fortsetzung von "Rotwein für drei alte Damen"); versehen mit einem wunderschönen Cover voller nostalgisch anmutender 'Motive', die dem Alter der drei 'alten Damen' Siiri, Irma und Anna-Liisa Respekt zollen und sehr gut zum Roman passen, ist im KiWi-Verlag 2016 (tb, broschiert) erschienen. Er umfasst 38 Kapitel auf 350 Seiten, die vom Finnischen ins Deutsche von Niina und Jan Costin Wagner übersetzt wurden.


Die allesamt noch recht munteren und rüstigen Witwen Irma, Siiri und Anna-Liisa (ihrerseits verheiratet mit dem 'Botschafter' Onni) sind beste Freundinnen im Helsinkier Seniorenheim "Abendhain". Sie nehmen die Unruhe und Belästigung, die die Renovierungsarbeiten in der Seniorenresidenz mit sich bringt, nicht mehr länger hin und ziehen in ein altes Haus in einem aparten Stadtteil von Helsinki, um dort eine Alten-WG auf Zeit zu gründen. Dubios und witzig zugleich ist die Tatsache, dass die Damen nicht wissen können, wer zuvor in der großen Wohnung der Altbau-Villa gewohnt hat, was im Roman immer wieder zu 'Verwicklungen' führt, die natürlich das Interesse der Damen schüren....

Auch Margit ist mit von der Partie, eine zuweilen etwas depressiv und überfordert wirkende ungleich jüngere (87) Seniorin: Die Mitbewohnerin verdüstert immer mal wieder die sonst sehr fröhliche Stimmung der anderen, da ihr Eino in einem Heim für Demenzkranke immer mehr von der Bildfläche der Realität verschwindet, worunter Margit mehr zu leiden scheint als ihr Mann selbst....

Irma erfreut sich der Technik eines iPads und ist trotz ihres hohen Alters (94) eine lebensfrohe alte Frau, die gerne lacht und fröhlich ist; ihre Kinder (die 'Goldstückchen') sind immer im Stress und lassen sich daher nie blicken, was Irma jedoch nichts weiter auszumachen scheint.
Siiri ist umtriebig, versteht sich prächtig mit anderen, besonders mit Irma und liebt es, stundenlang mit sämtlichen Straßenbahnlinien durch Helsinki zu fahren; hierbei lernt auch der Leser die facettenreiche Stadt in Finland kennen, was mir sehr gefiel.
Anna-Liisa, als frühere Lehrerin, wirkt auch im Alter etwas streng und forsch und liebt es, wenn sich der Gesprächspartner sehr gewählt auszudrücken vermag. Sie wird nach einem Klinikaufenthalt von ihrem Mann Onni, den Freundinnen und diversen Pflegekräften wieder 'aufgepäppelt'; Anna-Liisa ist im Besitz (und manchmal nicht) eines Schmuckkästchens aus Mahagoni, das eine rätselhafte Rolle in diesem amüsanten Roman zu spielen scheint....


Einzelne Passagen sind leicht satirisch angehaucht und die Autorin versteht es, dem Leser sehr oft ein Schmunzeln oder Lachen zu entlocken, da vieles sehr realistisch, authentisch wirkt. Trotz aller Fröhlichkeit und ungebremstem Optimismus wird auch mit Kritik nicht ausgespart, die den Leser eher mal schwer schlucken lassen: Das Erreichen der Pflegestufen, die Verwaltungsabläufe, die Stoppuhr, mit der Pflege (wohl auch in Finland ebenso wie hier) stattfindet und die nicht immer drollige Welt der Demenzkranken, die hier von Eino personifiziert wird; bei allen Punkten halten sich jedoch Humor und eine leichte Feder, aus der die Worte fließen, mit außerordentlichem Tiefgang die Waage, was mir persönlich sehr gefallen hat. Dazu kommt, dass man Siiri, Irma und Anna-Liisa und ihren Umgang miteinander einfach nur ins Herz schließen kann, so sympathisch sind diese drei hochbetagten SeniorInnen ;)


In wohl jedem Kapitel dieses herrlich-ironisch geschriebenen Romans begleitet man als Leser das Leben in der Alten-WG (und das des vielbeschäftigten Botschafters sowie Margits) und erlebt sie aktiv, an Schwimmgymnastik-Kursen teilnehmend oder Tram-fahrend; abends gerne bei Rotwein oder Whisky ("Das ist Medizin, die mir mein Arzt verschrieben hat!" - Zitat Irma) gemeinsam herrliche, von Siiri gekochte Gerichte essend und Canasta spielend... Zudem ist da viel Mitmenschlichkeit, in dem sich alle Damen z.B. um schwangere Pflegerinnen bemühen, die unter dem Zeitdruck des Pflegerhythmus zusammenzubrechen drohen....


Obgleich am Romanende Irma's Lieblingsworte ("döden, döden, döden", deren Bedeutung kurz vor Schluss gelüftet wird) im wahrsten Sinne des Wortes sehr zum Tragen kommen, schließt man das Buch, auch wenn die Rätsel des Botschafters nicht vollends ergründet wurden, mit einem Schmunzeln im Gesicht und voller Respekt gegenüber dieser lebensbejahenden, skurrilen und fröhlichen hochbetagten "Damen".

Fazit:

Ein Roman voller Humor und Tiefgang, der auf ironische Weise und mit Seitenhieben auf reale Missstände aufzeigt, wie wichtig es ist, bis ins hohe Alter ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen zu können. Ich habe mich bestens unterhalten gefühlt und vergebe eine klare Leseempfehlung (LeserInnen mit Humor jeden Alters ;) sowie ein Chapeau an Minna Lindgren und 5 Sternen am Lesefirmament.

Veröffentlicht am 09.11.2016

Beste Freundinnen - für immer! - aus der See Saw Lane...

Du und ich und das Meer
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Das Début von Sandy Taylor "Du und ich und das Meer" im (Original:"The Girls from the See Saw Lane")ist 2016 bei HarperCollins Germany, tb broschiert, erschienen. Das Cover mit dem Mädchen aus den "60ies" ...

Das Début von Sandy Taylor "Du und ich und das Meer" im (Original:"The Girls from the See Saw Lane")ist 2016 bei HarperCollins Germany, tb broschiert, erschienen. Das Cover mit dem Mädchen aus den "60ies" des letzten Jahrhunderts, in dem die Beatles und die Rolling Stones ihre ersten Erfolge feierten und sich die Nachkriegswelt im Umbruch befand, ist mit dem Pier im Hintergrund - Symbol für das Seebad Brighton - sehr gelungen und passt zum Inhalt des Romans, der 414 Seiten und 41 Kapitel umfasst und eine Prolog sowie einen Epilog beinhaltet.

Das Lesen dieses Romans ist wie ein Ausflug in die 60er Jahre nach Brighton, England: Dort lernen wir die beiden Hauptprotagonistinnen Dottie Perks und ihre Familie sowie Mary Pickles kennen. Dottie ist Asthmatikerin, eher unscheinbar, in der Schule Opfer von Hänseleien, jedoch stets zu allen freundlich; sie freundet sich mit Mary Pickles an, die als hübsch, aufgeweckt und intelligent beschrieben wird. Beide wachsen in der See Saw Lane auf und werden - trotz oder gerade ob ihrer Unterschiedlichkeit - von Kindestagen an beste Freundinnen, kommen in die Pubertät und während sie in Kindertagen Süßigkeiten tauschten und zusammen ins Kino gingen, gehen sie erstmals im Alter von 17 in einen Club, da sie sich in zwei Bandmitglieder verliebt haben. Mary verliebt sich in den charismatischen, coolen Elton und Dottie in den ruhigen, unscheinbareren Ralph Bennett, mit denen die Mädels einst die Schulbank drückten.

Die Lebensträume von Dottie und Mary sind unterschiedlich; während Dottie mit einem liebevollen Mann und der Gründung einer Familie zufrieden wäre, schwebt Mary vor, auf einer Kunstakademie in Paris zu studieren und Brighton für immer hinter sich zu lassen....

Die Tagebucheintragungen von Mary brachten mich des öfteren zum Schmunzeln; auch der eingängige und leicht zu lesende Stil der Autorin passt zur Geschichte der beiden: Zuweilen denkt man, dem Geplauder von Teenagern zuzuhören und eigene Bilder, die sich durchaus überschneiden konnten in meinem Falle (Kino, Süßigkeiten tauschen; meine beste Freundin war halbe Engländerin mit englischer Mutter ;) haben mir sehr gut gefallen. Die Unbedarftheit, Unbekümmertheit der Pubertät ist sehr gut eingefangen und mit einem zwinkernden Auge humorvoll umgesetzt. Kennt man die Zeit, entstehen stets eigene, witzige und nostalgische Bilder, während man die Freundschaft und erste Liebesbeziehung von Dottie und Mary verfolgt: Während Mary sich in ihrer Zuneigung für Elton auf unsicherem Eis bewegt, wird die Beziehung zwischen Dottie und Ralph immer enger, beide scheinen gut zueinander zu passen. Letztere bewegen sich erstmals Anfang 1964 aus dem Schatten von Mary und Elton heraus und erste dunkle Wolken ziehen auf.....

Nach einem Ereignis, das alles verändert, muss sich Dottie ihren Weg ins eigene Leben bahnen; Mary hingegen ist über ihre Situation deprimiert und ständig müde....

Musste ich mich anfangs erst einmal in den Stil der Autorin 'einlesen', so gefiel mir der Roman, dem es an einer gewissen Leichtigkeit und gleichzeitigem Tiefgang nicht fehlt, gewürzt mit einer Prise des von mir geliebten trockenen britischen Humors, immer besser: Die letzten Romankapitel gehen sehr zu Herzen und haben mich tief berührt - genau wie die nie endende Freundschaft zwischen Dottie (die ich besonders toll fand, ebenso wie ihre Mutter) und Mary, die beiden durch diese schwere Zeit hilft und alles ist, was im Leben wirklich zählt.
Mit Dottie und Mary konnte ich mich recht schnell anfreunden, die Familie Perks fand ich stellenweise köstlich und die Mutter sehr empathisch. Alle Figuren waren sehr detailreich beschrieben und gut ausgeleuchtet, so dass man sie sich plastisch vorstellen konnte; ebenso die Sozialsiedlung im Brighton der 60er Jahre, die sehr gut beschrieben wird. Auch das Meer spielt eine Hauptrolle, daher ist der deutsche Titel ebenfalls gut gewählt.

Fazit:

Eine wundervolle, warmherzige und berührende Erzählung über eine tiefe Freundschaft, die auch Krisen überdauert und fein skizziert, wie aus zwei wundervollen Mädchen Frauen wurden, die loyal zueinander stehen und die nichts trennen kann. Ein sehr ehrlicher und authentischer Roman mit sympathischen Figuren, was auch für die 'Nebenrollen' gilt: Ich würde mich sehr freuen, wenn der zweite Teil auch bei HarperCollins Germany erscheint und zähle mit Sicherheit zu den Lesern! Von mir gibt es 4,5 Sterne und eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 29.10.2016

Wünsche mit Herz

Das Café der guten Wünsche
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"Das Café der guten Wünsche" von Marie Adams erschien 2016 (tb) bei Blanvalet. Cover und Titel ergänzen sich und harmonieren; die bunten Tassen um den Romantitel sind ein farbenfroher Blickfang und machen ...

"Das Café der guten Wünsche" von Marie Adams erschien 2016 (tb) bei Blanvalet. Cover und Titel ergänzen sich und harmonieren; die bunten Tassen um den Romantitel sind ein farbenfroher Blickfang und machen das "Café Juliette", um das dieser Liebesroman kreist, zum Hauptort der Handlung.

Buchbeschreibung/Inhalt:

"Julia führt mit ihren Freundinnen Laura und Bernadette ein kleines Café mit einem ganz besonders charmanten Konzept: Jedem Gast wird heimlich ein guter Wunsch hinterhergeschickt. Julia wundert sich nicht, dass alle Gäste das Café glücklicher verlassen, schließlich glaubt sie an die Macht der guten Gedanken - die auch ihre große Liebe Jean zurückbringen soll. Alle anderen Männer hält sie deshalb auf Abstand - bis Robert sich mit (anfangs) unlauteren Mitteln in ihr Herz schleicht. Ist es seine Schuld, dass auf einmal manches schiefläuft? Oder braucht sie nicht nur Glück, sondern auch eine große Portion Mut, um sich wirklich auf die Liebe einzlassen?"
(Quelle: Buchrückentext)

Meine Meinung:

Wir lernen die Hauptprotagonisten Julia, ihren Bruder Nick, ihre Freundinnen Bernadette und Laura kennen: Das Café ist der Lebensinhalt von Julia, die es von ihrer Großmutter mitsamt einem "Glücksbüchlein" erbte. Sie glaubt an die Kraft guter Gedanken und wird etwas naiver und gutgläubiger dargestellt, als sie es tatsächlich ist; Laura, deren Misstrauen auf schlechte Erfahrungen mit Männern beruht und Bernadette, die als Einzige hervorragend Französisch spricht und die Chance eines Stipendiums in Frankreich ergreift...
Jean, ein Franzose, den Julia vor Jahren kennenlernte, dessen Bild sie seither vor Augen hat, ihn wiedersehen möchte und sich die große Liebe mit ihm vorstellt, spielt ebenfalls eine Rolle in diesem Roman. Julias Bruder, ein BWL-Student, möchte sich als ewige "no. 2" in der Familie Heller endlich etwas Eigenes aufbauen, Julia an Erfolg noch übertrumpfen und neigt zu Skrupellosigkeit und Prunksucht, die seine Schwester und auch das Café in den finanziellen Ruin treiben könnten....
Nick ist mit Robert befreundet, ein Journalist in einem Provinzblatt, eher mürrisch, mit diesem Schicksal hadernd, Macho mit einem Hang zum Zynismus. Als er Julia kennenlernt und beide eine WG auf Zeit beschließen, geht in Robert eine wundersame Wandlung vor und es entwickelt sich eine zarte, aber nicht unverletzbare erste Freundschaft zwischen ihnen. Sowohl Julia als auch Robert wie auch Jean müssen sich letztendlich ihren wahren Gefühlen stellen, die ihre Zukunft verändern sollten.....

Die Hauptthemen dieses Liebesromans, vor allem für Frauen geeignet, zeigen sich in den "Regeln des Glücks", die von den 3 Freundinnen nochmals bekräftigt und manifestiert werden: Es geht um die Macht und auch die Kraft guter, positiver Gedanken, die die Welt besser machen könnten.
Eine sehr schöne Grundidee, wie ich finde, aus der man noch mehr hätte machen können; auch in puncto Humor. Weitere Themen sind Dankbarkeit, Loslassen und auch, um etwas oder jemanden zu kämpfen, das oder der einem wichtig ist. Die Geschichte ist sehr unterhaltsam zu lesen, jedoch finden sich leider einige Klischees in der Handlung. Auch die Nebenfiguren bleiben recht flach und oberflächlich. Gut gefallen hat mir hingegen die Beschreibung wahrer Freundschaft am Beispiel von Robert und Carsten. Der Stil der Autorin, die hier unter Pseudonym scheibt und bereits einige Romane veröffentlichte, ist eingängig, flüssig und klar zu lesen. Auch an einer passenden Emotionalität fehlt es durchaus nicht.

Fazit:

Ein Liebesroman mit hohem Unterhaltungsfaktor, sympathischen Figuren, einer schönen Grundidee, der allerdings zuweilen nach einem Geschmack etwas zu trivial und klischeebehaftet ist. Daher konnte er mich nicht ganz überzeugen, für die Handlung, die in sich stimmig ist und den hohen Unterhaltungswert vergebe ich gerne 3,5 Sterne und bin überzeugt, dass es sicher noch 'Luft nach oben' gibt!