Tolles Buch zu interessantem Thema
Stay away from GretchenFür "Stay away from Gretchen - Eine unmögliche Liebe" von Susanne Abel müsste ich eigentlich zwei Rezensionen schreiben, so unterschiedlich sind die beiden Handlungsstränge von 2015/16 und für den Zeitraum ...
Für "Stay away from Gretchen - Eine unmögliche Liebe" von Susanne Abel müsste ich eigentlich zwei Rezensionen schreiben, so unterschiedlich sind die beiden Handlungsstränge von 2015/16 und für den Zeitraum von 1939 bis 1953.
Klappentext:
Der bekannte Kölner Nachrichtenmoderator Tom Monderath macht sich Sorgen um seine 84-jährige Mutter Greta, die immer mehr vergisst. Was anfangs ärgerlich für sein scheinbar so perfektes Leben ist, wird unerwartet zu einem Geschenk. Nach und nach erzählt Greta aus ihrem Leben – von ihrer Kindheit in Ostpreußen, der Flucht vor den russischen Soldaten im eisigen Winter, der Sehnsucht nach dem verschollenen Vater und ihren Erfolgen auf dem Schwarzmarkt in Heidelberg. Als Tom jedoch auf das Foto eines kleinen Mädchens mit dunkler Haut stößt, verstummt Greta. Zum ersten Mal beginnt Tom, sich eingehender mit der Vergangenheit seiner Mutter zu befassen. Nicht nur, um endlich ihre Traurigkeit zu verstehen. Es geht auch um sein eigenes Glück.
Ich finde diese zunehmend englischen Titel für deutsche Bücher nicht gut, hier aber passt er. "Stay away from Gretchen" war eine Aufforderung an die amerikanischen Besatzungssoldaten. Und wie der Zufall so will, heißt die Hauptfigur dieses Dramas ausgerechnet Greta/Gretchen.
Die Geschichte von Greta hat mich von Beginn an in den Bann gezogen. Susanne Abel schafft es, die Zeit des 2.Weltkrieges und die Nachkriegszeit in ihrer Figur lebendig werden zu lassen. Sie hat keine Schau davor, auch Gretas kindlich-liebevolle Schwärmerei für Adolf Hitler zu zeigen, auch die gesamte Familie ist - bis auf den Großvater - eher regimetreu und nimmt viele Glaubenssätze der Nazis noch mit in die Nachkriegszeit. Dies macht Gretas Geschichte für mich besonders glaubwürdig. Ihre Liebe zu einem schwarzen Soldaten wird so lange akzeptiert, wie sie für die Familie Vorteile bringt, ein farbiges Baby kommt jedoch nicht in Frage.
Greta entwickelt sich in dieser Geschichte, sie wird mutig und stark. Gleichzeitig erleben wir sie im hier und jetzt als zunehmend verwirrte und erfahren von ihrer Verbitterung, ohne dass die Ursachen hierfür zu Beginn der Geschichte klar sind.
In Gretas Geschichte ist Susanne Abel ein ganz besonderes Stück Zeitgeschichte gelungen.
Tom Monderath, Gretas Sohn, ist für mich weniger glaubwürdig. Der arrogante Nachrichtensprecher erscheint auf den ersten Blick überheblich und wenig zugänglich. Sein Frauenbild ist abstoßend. Dazu passt die posttraumatische Belastungsstörung, die er angeblich von seiner Mutter übernommen hat wenig und erscheint konstruiert. Gut gefallen hat mir in diesen Passagen, wie Susanne Abel die politischen Ereignisse von 2015 und 2016 aufgegriffen hat und mit der Geschichte von Greta verbindet.
Am Ende führt Susanne Abel beide Handlungsstränge geschickt zusammen und auch Tom ist nicht mehr so schablonenhaft.
Der Stil ist sehr prägnant, fast journalistisch. Trotzdem gelingen Susanne Abel stellenweise wunderbare Bilder zum Beispiel, wenn es um Gretas Wahrnehmung geht.
Fazit: Ein gut recherchiertes Buch zum wichtigen Thema "Brown Babys", das mich wirklich in seinen Bann gezogen hat. Nachdem ich anfangs etwas mit Tom Monderath gefremdelt habe, möchte ich jetzt wissen, wie es weitergeht und freue mich auf den zweiten Band.