Sehr unterhaltsam, etwas dramatisch
Yours TrulySchreibstil:
Das Buch ließ sich super flüssig und schnell lesen. Der Schreibstil war sehr locker und leicht, sodass die ersten hundert Seiten sich wie zehn anfühlten und ich gar nicht aufhören wollte, ...
Schreibstil:
Das Buch ließ sich super flüssig und schnell lesen. Der Schreibstil war sehr locker und leicht, sodass die ersten hundert Seiten sich wie zehn anfühlten und ich gar nicht aufhören wollte, zu lesen. Ich mochte die große Portion Humor, die auf fast jeder Seite mitschwang und die ernsten Themen der Geschichte etwas abmilderte. Alles in allem werdet ihr aber durch das Buch fliegen!
Zur Geschichte allgemein:
Die Geschichte wird aus zwei Perspektiven erzählt. Erstere ist Briana Ortiz — lebensfrohe Ärztin, die von allen Seiten gemocht wird, aber familiär einiges durchzustehen hat. So wird sie einem jedenfalls gleich zu Anfang vorgestellt. Ich habe mit ihr gut in die Geschichte reingefunden. Die Seiten begannen bereits jetzt durch den lockeren Schreibstil und die zügig voranschreitende Handlung zu fliegen. Was mir allerdings schwer fiel, war, Briana zu durchschauen. Ziemlich lange hatte ich das Gefühl, dass mir zwar gesagt wird, wie sie ist und warum man sie mag, aber es wurde mir nicht begreiflich gemacht. Das Gefühl für sie hat zunächst gefehlt.
Ganz anders war das bei Jacob. Er tappt zunächst etwas sehr unbeholfen durch die Geschichte, aber man kann gar nicht anders, als sich in ihn zu verlieben. Er ist super süß, aufmerksam und lieb und hat im Vergleich zu Briana keine gefestigten Strukturen. Dadurch erlebt man die Handlung aus seiner Sicht nochmal ganz anders und lernt auch Briana ganz anders kennen.
Die Handlung nimmt dann schnell Fahrt dadurch auf, dass die beiden Protagonisten sich durch eine Begegnung auf dem falschen Fuße erstmal nicht so gerne mögen. Bzw. ist Briana abgeneigt, während Jacob eher verzaubert ist;) Das führt dazu, dass sie sich Briefe schreiben. Wer jetzt Angst hat, auf einen Briefroman zu treffen – diese kann ich euch nehmen. Das mit dem Briefeschreiben hört wieder auf, aber so am Anfang war es eine super Abwechslung und hat die Geschichte ganz unkompliziert fix voran gebracht. Das Besondere an den schön und humorvoll geschriebenen Briefen ist nämlich, dass sowohl Jacob als auch Briana darin ausgesprochen ehrlich sind. So lernen sie sich sehr unbefangen näher kennen und können das ursprüngliche Missverständnis schnell hinter sich lassen.
Generell ist die Erzählung lange Zeit sehr ehrlich. Vor allem Briana nimmt kein Blatt vor den Mund und prescht oft genug lieber vor, als zu zögern. Das hat mir super gefallen.
Leider wird es dann nach der Hälfte des Buches circa etwas komplizierter. Die Ehrlichkeit geht verloren und das Drama nimmt Überhand. Teilweise etwas zu viel, was meiner Euphorie über das Buch einen kleinen Dämpfer verpasst hat.
Um das näher zu erklären, muss ich etwas ausholen. Bei der Lovestory hier handelt es sich um Slow Burn mit vielen Faktoren, die sie sehr special machen. Einer davon ist das Thema Fake-Beziehung, aber auch Jacobs antisoziale Störung (das ist definitiv nicht das richtige Wort dafür, aber er kommt auf jeden Fall nicht so gut mit fremden und vielen Menschen klar und fokussiert sich lieber auf gewohntes und kontrollierbares.) spielt da mit rein.
Ich war tatsächlich sehr überrascht darüber, wie lange das mit der Fake-Beziehung andauert. Aber was sie ganz natürlich mitbringt, ist natürlich eine gezwungene Nähe, die zu echter Zuneigung werden kann. So ist es auch bei Jacob und Briana, wobei sie es langsam angehen lassen und auch erst einmal Freunde werden. Beide sind eher unsicher, wenn es um Beziehungen geht, und wollen sichergehen, dass sie nichts falsch verstehen. Das ist teilweise echt süß anzusehen gewesen und es entstehen viele lustige Szenen, in denen man unter anderem auch die wundervollen Nebencharaktere der Geschichte kennenlernt. Sowohl Brianas Freundin Alexa wie auch Jacobs crazy Family inklusive Kettenraucher-Opa und Papagei sind einfach zu cool und haben mir immer wieder ein Lächeln auf die Lippen gezaubert.
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Jacob hat dazu aber noch mit einer anderen Schwierigkeit zu kämpfen, bzw. muss er mit ihr umgehen: er hat eine Störung, die es ihm schwer macht, sich in ungewohnten Situationen und mit fremden Menschen zurechtzufinden. Für mich war es das erste Mal, dass ich von einer Figur mit dieser Störung gelesen habe und deshalb konnte ich es erst auch so gar nicht fassen. Ich konnte mir nichts darunter vorstellen und die Beschreibungen waren dann zunächst etwas gering. Nach und nach fand ich aber, konnte man das immer besser greifen. Es kamen mehr Situationen dazu, in denen die Störung Thema wurde, in denen Briana darauf Rücksicht nahm und letztlich nahm sie dann auch Einfluss auf das Ende. Für mich war das eine runde Sache mit einer schönen persönlichen Entwicklung. Nicht in dem Sinne, dass Jacob am Ende geheilt ist oder so, sondern dass er da völlig offen und vertraut mit Briana und seinem Umfeld mit umgeht und sich dadurch gar nicht mehr so einschränken muss.
Die Beziehung zwischen den beiden war ein Auf und Ab. Mal dachte ich: Okay, auf der nächsten Seite küssen sie sich, fünf Seiten später habe ich mich gefreut, wenn sie nur nett miteinander gesprochen haben. Aber es war ein sehr amüsantes und unterhaltendes Auf und Ab. Es ist süß, wie sie sich kabbeln, unsicher umeinander herumschleichen, gleichzeitig überraschend offen sind und dann wieder in völlig abstrusen Situationen voreinander stehen und plötzlich alles glasklar scheint. Noch besser wurde es, als ich nach und nach mehr Zugang zu beiden erhielt. Durch die unterschiedlichen Perspektiven konnte man den jeweils anderen immer durch die Augen des anderen beobachten und so direkt miterleben, wie sie sich in ihre Eigenarten und Charakterzüge verlieben.
Schade fand ich etwas, dass es relativ wenig Krankenhauscontent gab. Wer hier eine Story a la Greys Anatomy erwartet, der wird enttäuscht. Stattdessen kommt aber noch ein wichtiges medizinisches Thema hinzu, dass definitiv eine Moral der Geschichte bietet und hier in all seinen Facetten beschrieben wird. Es geht um das Thema Organspende. Die Abhängigkeitsbeziehung, die dadurch zwischen Spender:in und Empfänger:in entsteht (und womöglich auch zwischen anderen Angehörigen) hat mir erst ziemlich Bauchschmerzen bereitet. Ich finde sowas als Basis für eine Liebesbeziehung nicht gerade unbedenklich. Zum Glück wurde die Problematik eher umschifft bzw. anders aufgebaut, sodass es nicht so sehr auf diese Weise in den Fokus rückte.
Schön fand ich weiter, dass die Autorin in ihrem Nachwort einen Bezug zu diesem Thema herstellte. Es wirkte dadurch sehr persönlich und authentisch und stößt bestimmt den ein oder anderen Leser:in zum Nachdenken an.
Zum groben Handlungsverlauf möchte ich noch sagen, dass es flott vorwärts ging und die bereits erwähnten positiven Punkte definitiv dem Lesevergnügen beimaßen. Die Geschichte kratzt aber vermehrt in der Mitte und auch später noch manchmal etwas zu sehr an der Überdramatisierung. Da hätte man sich meiner Meinung nach lieber etwas mehr Zeit für einige Szenen nehmen können oder auch die Briefe nochmal wieder zum Gegenstand werden lassen können, um mehr Tiefe zu erzeugen.
Das Ende überzeugt aber dennoch durch seine passende Zusammenführung aller Handlungsstränge und einem Happy End, wie man ihm anfangs entgegenfieberte.
Fazit:
Eine wirklich unterhaltsame Geschichte mit vielen liebevollen Details, humorvollen Szenen und Figuren, die zudem noch wichtige Themen integriert. Mir hat es manchmal etwas an der Tiefe gemangelt, stattdessen wurde dann oft in die Dramatikkiste gegriffen. Das war für mich aber nicht so dramatisch, dass ich deshalb in meinem Lesefluss gestört worden wäre. Es ließ sich super lesen und hat einfach Spaß gemacht!
4 von 5 Sterne von mir.