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Veröffentlicht am 20.02.2022

Interessanter Rückblick in die 1970er und 1980er Jahre!

Unser kostbares Leben
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𝗨𝗻𝘀𝗲𝗿 𝗸𝗼𝘀𝘁𝗯𝗮𝗿𝗲𝘀 𝗟𝗲𝗯𝗲𝗻
Katharina Fuchs erzählt in ihrem neuesten Roman ihre Geschichte, die in den 1970er und 80er-Jahren spielt.

Im Mittelpunkt stehen die gleichaltrigen Caro, Minka und Claire. Als 10jährige ...

𝗨𝗻𝘀𝗲𝗿 𝗸𝗼𝘀𝘁𝗯𝗮𝗿𝗲𝘀 𝗟𝗲𝗯𝗲𝗻
Katharina Fuchs erzählt in ihrem neuesten Roman ihre Geschichte, die in den 1970er und 80er-Jahren spielt.

Im Mittelpunkt stehen die gleichaltrigen Caro, Minka und Claire. Als 10jährige müssen Caro und Minka miterleben wie ihr Schulkamerad Guy im Schwimmbad verunglückt. Der Unfall wird von ihren Vätern und anderen vertuscht. Minkas Vater ist Bürgermeister der fiktiven Stadt Mainheim, Caros Vater Inhaber eine Schokoladenfabrik. Sie können sich einen Skandal nicht leisten und vertuschen die Ursache des Unglücks und schmieden einen über Jahre verheimlichten Pakt im Rahmen gegenseitiger Unterstützung. Über der Stadt hängt je nach Wetterlage entweder Schokoladenduft oder der Geruch von chemischen Produkten der Ruberus AG. Zur gleichen Zeit kommt Claire als Waise aus Vietnam an und wird in ein Kinderheim untergebracht, in dem sie Deutsch lernt und von der Heimleitung sowie von Dr. Karin Lavalette offenbar fürsorglich ärztlich versorgt wird.

In dieser Zeit ticken die Uhren noch anders. Die drei Protagonisten erleben erstmals die unschönen Seiten des Lebens in ihrer Umgebung. Die Luft ist verpestet, die Flüsse mit ungeklärtem Abwasser chemisch belastet, es gibt zahlreiche Tierversuche, die von der Bevölkerung nicht wahrgenommen werden. Ein Umweltbewusstsein ist in Ansätzen greifbar, in der Politik sucht man danach jedoch vergeblich. Erste Demonstrationen gegen die Nutzung von Atomkraft kommen auf. Junge Menschen lehnen sich gegen die althergebrachten Vorstellungen der Vätergeneration auf. Neue Ideen werden verspöttelt. Katharina Fuchs spricht im Vorbeigehen viele Themen und Ereignisse an, an die ich mich selbst wieder erinnert habe: der Vietnamkrieg, Tierversuche, Umweltverschmutzung, Chemieunfälle, Proteste gegen Autobahnausbau, Waldrodung, Startbahn West, Neonazis, Wahlkämpfe zwischen SPD und der Union und auch die Entstehung der Partei Die Grünen. Im Mittelpunkt stehen jedoch zwei zentrale Themen: das wachsende Umweltbewusstsein in Bezug auf Mensch und Natur sowie wie die perfide Medikamentenvergabe an Heimkindern. Seinerzeit gab es keine klaren gesetzlichen Vorgaben dazu und so sagt Dr. Karin Lavette auf Seite 569: „Für Psychopharmaka gibt es kein besseres Studienobjekt als Heimkinder.“ Krass.

Wie immer ist der Schreibstil von Katharina Fuchs sehr vereinnahmend, gefühlvoll und authentisch. Man muss Caro, Minka und Claire einfach mögen. Viele geschichtliche Ereignisse werden kurz angesprochen. Die 1960er-Generation wird sich bestimmt sehr gut daran erinnern. Es ist ein Gefühl der Heimkehr beim Lesen dieses Romans, ja, die gute alte Zeit, die offenbar nicht immer gut war.
Dennoch hat das Buch meiner Meinung nach eine zu große Länge. Vieles wird sehr intensiv und ausführlich beschrieben. Dem Buch hätte es gut getan, wenn es mindestens 100 Seiten kürzer gewesen wäre. Es hat sich dadurch anfangs leider sehr in die Länge gezogen. Das letzte Viertel des Buchs ist hingegen unglaublich gut geschrieben. Hier nimmt die Geschichte um die Aufklärung der Geschehnisse in den Kinderheimen noch einmal richtig Fahrt auf und enthält noch einmal eine Überraschung in Bezug auf Claire, die studiert hatte und in der Forschung tätig ist. Schade, dass dieser Roman mich diesmal nicht so gepackt hatte wie die anderen drei hervorragenden Bücher zuvor.

Insgesamt wäre weniger etwas mehr gewesen. Ich kann das Buch allen empfehlen, die einen Einblick in die Zeit der 1970er und 1980er haben möchten.

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Veröffentlicht am 14.02.2022

Genialer Auftakt!

1793
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1793 von Niklas Natt och Dag ist mein erstes Buch in 2022 und bereits jetzt schon für mich ein Lesehighlight. In Stockholm im Jahr 1793 wird eine sehr stark verstümmelte Leiche gefunden.

Aber Vorsicht ...

1793 von Niklas Natt och Dag ist mein erstes Buch in 2022 und bereits jetzt schon für mich ein Lesehighlight. In Stockholm im Jahr 1793 wird eine sehr stark verstümmelte Leiche gefunden.

Aber Vorsicht – es ist kein Buch für zartbesaitete Personen. Das Stockholm der damaligen Zeit stinkt, es ist dreckig, die Menschen kämpfen ums pure Überleben. Ein Leben zählt nicht. Die Oberschicht kann (fast alles) machen, was es will. In Frankreich tobt die Revolution. Und Schweden hat ein politisches und finanzielles Fiasko im Krieg gegen Russland erlebt. Das ist das Szenario, in dem ein Mord aufgeklärt werden muss. Dabei nimmt der Autor kein Blatt vor den Mund, sondern beschreibt sehr authentisch die Szenen und benennt die Vorgänge beim Namen. Das mag nicht jedermanns Geschmack sein. Das ist jedoch der Kern dieses Buches und außergewöhnlich gut vermittelt. Der Autor beschönigt nichts.

Cecil Winge von der Stockholmer Polizei ist für schwere Verbrechen zuständig. Er leidet an Tuberkulose im Endstadium und hat nicht mehr viel Zeit, dieses scheußliche Verbrechen aufzuklären. Ihm zu Seite steht der Wächter Michael Carrell. Er ist Kriegsveteran, hat eine Armprothese und leidet nachts an den erlebten Kriegsgeschehnissen. Beide raffen sich im Laufe der Zeit gut zusammen und kommen dem Verbrechen so langsam auf die Spur. Doch sie stoßen auf große Hindernisse. Und die Zeit scheint Cecil Winge davon zu laufen.

Das Buch ist in vier unterschiedliche, diverse zeitliche Abschnitte eingeteilt. Während im ersten Teil die Protagonisten und Stockholm dargestellt werden, schließt sich im zweiten Teil eine gänzliche andere Geschichte an. Hier geht es um Kristofer Blix. Er beschreibt das Erlebte in Briefen an seine Schwester. Er landet in Stockholm, treibt sich herum, will Arzt werden und gerät dann in Situationen, die ausweglos zu sein scheinen. Im dritten Abschnitt wird das Schicksal von Anna Stina geschildert, die der angeblichen Hurerei beschuldigt und in eine Spinnerei geschickt wird. Das damals Schlimmste, was einer Frau geschehen kann. Dass hier teils reale Personen mit realen Geschehnissen vorkommen, erfährt man im Nachwort. Schließlich werden im vierten Abschnitt die Fäden zum großen Ganzen zusammengefügt.

Das Buch ist durchgehend spannend, sehr gut durchdacht und hält so manche Überraschungen bereit. Manchmal mag man gar nicht glauben, was der Autor da geschrieben hat, so unwirklich müssen die Zeiten im Vergleich zu heute gewesen sein. Und doch fasziniert es einen beim Lesen von zu Hause aus im sicheren gemütlichen Sessel.

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Veröffentlicht am 14.02.2022

Subtiler Horror!

Später
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Stephen King begeistert seit Jahren schon Millionen Leser auf der ganzen Welt. Mit dem Roman Später aus dem Heyne Verlag legt er einen relativ kurzen Roman von 300 Seiten vor, der mir gut gefallen hatte.

Im ...

Stephen King begeistert seit Jahren schon Millionen Leser auf der ganzen Welt. Mit dem Roman Später aus dem Heyne Verlag legt er einen relativ kurzen Roman von 300 Seiten vor, der mir gut gefallen hatte.

Im Mittelpunkt steht der Ich-Erzähler Jamie Conklin, der rückblickend die Geschichte seiner Jugend erzählt. Zu Beginn ist er 10 Jahre alt. Ein ganz normaler Junge wie andere seines Alters auch. Wohlbehütet wächst er bei seiner Mutter Tia auf, einer erfolgreichen Literaturagentin. Jamie hat jedoch etwas Besonderes – er kann Tote sehen und mit ihnen reden; und die Verstorbenen müssen auf seine Fragen immer wahrheitsgemäß antworten. Als plötzlich ein Autor stirbt, den Tia unter Vertrag hatte, nutzt Tit die Fähigkeiten Jamies, um das letzte noch nicht veröffentliche Buch des Autors zu schreiben. Als dann noch die Lebensgefährtin seiner Mutter, Liz, eine korrupte Polizeibeamtin, Jamie einspannt, einen Serienmörder, der Selbstmord begangen hatte, zu fassen, öffnet sich fast die Büchse der Pandora.

Der Horror in dieser Geschichte ist nicht knallig und laut, sondern sehr subtil, mit eher leisen Tönen und fein dargestellt. Jamie muss sich schwierigen Situationen stellen. Er ist jedoch nicht von ängstlicher Natur, sondern packt den Stier an den Hörnern. Manchmal hat man das Gefühl, Jamie ist älter und reifer als Kinder seines Alters. King hat diesem Jamie einen überaus sympathischen Charakter verschafft. Demgegenüber schildert King die Situation der Erwachsenen sehr drastisch. Tia verliert den finanziellen Boden, nutzt Jamie, um finanziell über Wasser zu bleiben, verliert durch die Beziehung mit Liz fast ebenfalls den Boden. Liz ist auch nicht die korrekte Polizistin. Sie besitzt Drogen, wird von den Kollegen geschnitten und überwacht und zerrt Jamie schließlich zu einem Schwerverbrecher, um ihre eigenen Ziel zu verwirklichen.

Das Buch liest sich fast von ganz allein. Der Text fliest an einen vorbei, leicht, aber detailreich mit kleinen Cliffhangern. Das Buch hat man so sehr schnell gelesen.

Das Ende ist jedoch schon furios. Für hartgesottene Fans ist es aber wohl zu seicht. Nichts destotrotz hat mir diese Geschichte gut gefallen und bekommt 4 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 18.01.2022

Teilen auf die andere Art!

Sharing – Willst du wirklich alles teilen?
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Um es gleich zu sagen: Das war für mich ein Jahreshighlight 2021!

Markus und seine Frau Bettina haben ein Sharing-Unternehmen. Es ist gut für alle, bestimmte Sachen zu teilen. Und so teilen sie Autos ...

Um es gleich zu sagen: Das war für mich ein Jahreshighlight 2021!

Markus und seine Frau Bettina haben ein Sharing-Unternehmen. Es ist gut für alle, bestimmte Sachen zu teilen. Und so teilen sie Autos und eine Wohnung. Eines abends kommt Bettina vom Sportstudio nicht zurück. Nachts erhält er einen merkwürdigen Anruf. Er soll einen Link im Darknet öffnen. Was er sieht, macht ihn fassungslos. Er sieht Bettina, gefesselt an einem Stuhl, mit gespreizten Beinen, völlig verängstigt und nackt. Und nackte Männer stehen vor ihr. Die Entführer beginnen, Bettina mit den Männern zu teilen. Und Tausende schauen anonym zu.

Was für ein Schreckensszenario! Als er tags darauf Bettina findet und die Polizei kommt, gerät er unter Verdacht. Über viele kurze knackige Kapitel musste ich immer mehr verzweifelt mit Markus mitfiebern, wie er versucht die Hintermänner zu finden und der Polizei zu entkommen. Alle Indizien sprechen plötzlich gegen Ihn. Er hatte zwar Unterstützung durch Freunde und Zufallsbekanntschaften, aber ich konnte nicht mehr herausfinden, wer gut oder böse war. Der Fall nahm ständig andere Wendungen. Er war überaus rasant geschrieben, ein Kapitel jagte das Nächste, die Spannung stieg parallel dazu an. Dieser Psychothriller ist aber nichts für schwache Nerven. Mir hat dieser Psychothriller sehr gut gefallen. Die Abwärtsspirale, in die Markus gerät, und die ihn unweigerlich ins Verderben bringen würde, scheint unausweichlich.

Absolute Leseempfehlung und daher volle 5 Sterne!

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Veröffentlicht am 02.12.2021

Gefährliche Geschwisterliebe!

SCHWEIG!
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𝙄𝙣 𝙫𝙞𝙣𝙤 𝙫𝙚𝙧𝙞𝙩𝙖𝙨 - Im Wein liegt die Wahrheit! Vorsicht! Man sagt Dinge, die alles verändern können, manchmal auch Jemanden töten können .....

Mit 𝙎𝙘𝙝𝙬𝙚𝙞𝙜! von 𝙅𝙪𝙙𝙞𝙩𝙝 𝙈𝙚𝙧𝙘𝙝𝙖𝙣𝙩 hatte ich einen riesen Lesespass. ...

𝙄𝙣 𝙫𝙞𝙣𝙤 𝙫𝙚𝙧𝙞𝙩𝙖𝙨 - Im Wein liegt die Wahrheit! Vorsicht! Man sagt Dinge, die alles verändern können, manchmal auch Jemanden töten können .....

Mit 𝙎𝙘𝙝𝙬𝙚𝙞𝙜! von 𝙅𝙪𝙙𝙞𝙩𝙝 𝙈𝙚𝙧𝙘𝙝𝙖𝙣𝙩 hatte ich einen riesen Lesespass. Diesen Psychothriller hatte ich in Rekordzeit verschlungen. Esther will am Tag vor Weihnachten ihre jüngere Schwester Sue nur kurz besuchen, sehen, ob es ihr gut geht, sie auch ihre Tabletten nimmt und ihr ein Geschenk überreichen, ein Buch und eine Flasche Wein, und dann zurück zu ihrem Mann Martin und ihren beiden Kindern fahren. Doch ein Schneesturm verhindert das und Internet gibt es wohl auch nicht. Die beiden sind so unterschiedlich. Esther hatte immer ein Auge auf Sue, wollte sie immer beschützen. Gerade jetzt, wo Sue allein in ihrem Haus ohne Mann und Kinder lebt. Sue dagegen liebt die Ruhe und Einsamkeit. Abwechselnd aus der Ich-Perspektive schildern Esther und Sue ihre Gedanken zum Besuch. Esther möchte, nein sie bedrängt sie, zu ihr zu kommen. Sue hingegen will unbedingt alleine gelassen werden. So geht es hin und her. Es entspannen sich giftige Dialoge zwischen den beiden, die die extrem schlechte Beziehung der beiden Geschwister zueinander widerspiegeln. Jede hat auch eine andere Wahrnehmung der Ereignisse. Man weiß nie, welche der Sichtweisen wohl richtig ist. Und die Situation eskaliert immer mehr. Dazwischen kommt auch Martin ab und an zur Sprache. Und man merkt, die Ehe ist nicht so harmonisch wie es zunächst scheint. Das letztjährige Weihnachtsfest war ein Desaster als Sue bei Esther zu Besuch war. Immer wieder springt man ein Jahr zurück, immer wieder werden die damaligen Ereignisse aus der Sicht einer anderen Person geschildert. Und dann gibt es noch Erzählungen eines kleinen Mädchens, die man so zunächst nicht einordnen kann. Durch diese Rückblenden vervollständigt sich allmählich das gestörte Beziehungsgeflecht der beiden zueinander wie auch das zu Martin. Jedes einzelne Puzzlesstück kommt so allmählich an seinen Platz. Doch die Autorin führt einen immer wieder aufs Glatteis, wenn man meint, alles durchschaut zu haben. Doch gleich zu Beginn des Buchs erfährt man, dass dieser Besuch tödlich enden wird. Wen wird es wohl treffen?

Ein toller Thriller! 5 von 5 Sternen.

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