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Veröffentlicht am 18.03.2022

Spektakuläres Worldbuilding und der Grundstein einer vielversprechenden High-Fantasy-Reihe

Askeria: Die letzte Generation
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Vielen lieben Dank an die Autorin für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Also erstmal: das Buch ist verdammt schwer. ...

Vielen lieben Dank an die Autorin für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Also erstmal: das Buch ist verdammt schwer. xD
Das hat jetzt vielleicht nicht unbedingt was mit der Aufmachung zu tun, aber ich wollte es einmal gesagt haben haha.
Das Cover gefällt mir sehr. Man sieht im Zentrum einen Schmetterling aus einer Art Draht (?) vor einem alten Ziffernblatt, um den Titel herum und unten sind Zahnräder zu sehen. Die einzelnen Elemente harmonieren wunderbar miteinander und auch die farbliche Gestaltung passt gut dazu. Welche Bedeutung das Ganze hat, erfährt man erst relativ spät in der Handlung, und da auch nur ansatzweise, aber ziemlich früh merkt man schon, dass der Schmetterling ein wichtiges Leitmotiv in der Reihe sein wird.
Ähnliches gilt für den Titel. Ohne die Geschichte gelesen zu haben, weiß man nicht, was es mit „Askeria“ oder der „letzten Generation“ auf sich hat, aber ab einem gewissen Punkt beginnt es, Form anzunehmen.
Im Buch befindet sich eine detailreiche Karte, die man sich über einen QR-Code auch auf dem Handy in farbig ansehen kann.


Meine Meinung:
W o w.
Vorab: ich werde in dieser Rezension sehr viel schwärmen, aber ich weiß jetzt schon, dass meine Worte dem nicht ansatzweise gerecht werden, also schon mal so viel: Lest. Dieses. Buch.

Anfangs ist es vielleicht noch etwas kompliziert, das muss ich zugeben. Ich würde mich zwar schon als „geübte“ High-Fantasy-Leserin beschreiben, aber trotzdem merkt man schon auf den ersten paar Seiten, dass „Askeria“ auf eine andere Art komplex ist. Man muss beim Lesen gerade anfangs viel nachdenken, um mitkommen zu können, und auch im Laufe der Handlung wird das Buch nicht zu einem Buch für „nebenbei“ – aber: Gerade das macht so viel Spaß!

Vor allem zu Beginn nimmt sich die Autorin sehr viel Zeit fürs Worldbuilding, und ich kann nur sagen, dass sich das gelohnt hat. Ich habe selten ein Buch gesehen, in dem sich dem Weltenbau mit so viel Liebe zum Detail gewidmet wurde. Juliet May hat hier an wirklich alles gedacht: Ihre Figuren haben eine eigene Umgangssprache, der Planet eine völlig eigene Umlaufbahn in einem neuen Sonnensystem mit zwei Sonnen und mehreren Monden, jede Provinz in Mitaeria ist anders, aber alle gleich liebevoll beschrieben – ich könnte mit dieser Auflistung ewig so weitermachen!
Auch wenn ich auf den ersten ca. 200 Seiten nicht viel verstanden habe, war ich wegen dieses Worldbuildings trotzdem von der ersten Seite an gefesselt. Man merkt auf Anhieb, dass sich die Autorin über ihre Welt viele Gedanken gemacht hat und dass alles miteinander verknüpft ist und irgendwann irgendwo hinführen wird. Zwar muss man erstmal in diese neue Welt reinfinden, aber man ist schlicht deshalb gefesselt, weil man unbedingt mehr von ihr kennenlernen möchte. Es ist ein bisschen so, als hätte die Autorin mit „Askeria“ ein Tor zu einer anderen Welt geöffnet.
Es ist der Wahnsinn, anders kann ich es nicht sagen.

„Den Frieden wiederzufinden ist um ein so Vielfaches schwerer, als einen Krieg zu beginnen – einen Krieg, der auf Unterschiedlichkeiten basiert, in einer Welt, in der nur noch bewertet, verurteilt und Macht angestrebt wird.“ (S. 315)

In Bezug auf die Handlung braucht „Die letzte Generation“, wie gesagt, eine ganze Weile, bis etwas Fahrt aufkommt – in der ersten Hälfte widmet die Autorin sich schwerpunktmäßig dem Worldbuilding, während sie erst in der zweiten Hälfte den Plot vorantreibt –, aber das hat mich überhaupt nicht gestört, im Gegenteil. Dadurch, dass man so lange im Unklaren ist und man mit immer mehr Informationen konfrontiert wird, die man noch nicht so ganz einordnen kann, rätselt man selbst mit und stellt ständig eigene neue Theorien auf und verwirft alte wieder. Auch wenn also zunächst nicht so viel passiert, steigt dadurch natürlich die Spannung.
Im letzten Drittel wird dann Vieles zusammengeführt und aufgeklärt, es geht einem sprichwörtlich ein Licht auf, aber man muss feststellen, dass man mit den Theorien weit danebengelegen hat. Erst da wird einem bewusst, wie komplex „Askeria“ tatsächlich ist und wie weit die Autorin im Voraus geplant haben muss.

Erzählt wird die Geschichte hauptsächlich von Piara und Rigoras, aber es gibt auch einige Kapitel aus anderen Perspektiven, die man erst nach und nach zuordnen kann. Das steigert einerseits natürlich die Verworrenheit der Handlung, da man sich gerade anfangs nicht immer hundertprozentig sicher ist, ob alles zur selben Zeit spielt (irgendwann blickt man da aber durch :D), andererseits trägt auch das natürlich wesentlich dazu bei, dass man nicht anders kann als mitzurätseln.


Piara selbst ist eine wunderbare Protagonistin! Sie ist mit anfangs 14 (im Laufe der Handlung wird sie 15) noch sehr jung, aber man kann sich auch als Erwachsener sehr gut in sie hineinversetzen. Sie ist für ihr Alter sehr reif, trifft wohlüberlegte Entscheidungen und ist auch intellektuell sehr weit. Nichtsdestotrotz handelt sie ihrem Alter entsprechend auch mal impulsiv und ist manchmal etwas naiv. Das macht sie nur noch sympathischer und greifbarer!
Rigoras ist ein tolles Gegenstück zu ihr: Er ist zwar fünf Jahre älter als sie, verhält sich oft aber um einiges kindischer oder verspielter, was auf die unterschiedlichen Ausgangssituationen der beiden zurückzuführen ist. Durch seine zappelige, freche Art schafft auch er es aber, sich schnell ins Leserherz zu schleichen, und man begleitet die beiden auf ihrer Reise sehr gerne.

Besonders positiv sind mir im Übrigen die zwischenmenschlichen Beziehungen hier aufgefallen, insbesondere das Verhältnis von Piara und ihren Brüdern. Die Art, wie sie miteinander umgehen und aufeinander aufpassend ist wirklich herzerwärmend, gleichzeitig sorgen die harmlosen Zankereien der Drei untereinander dafür, dass man zwischendurch auch mal lachen kann.

Einzig hinter der Beziehung zwischen Piara und Rigoras kann ich nicht stehen. Ich habe durchweg gehofft, dass Piaras Schwärmerei für Rigoras eben nur das ist: eine Schwärmerei eines Kindes für einen Freund ihrer älteren Brüder – denn so sehe ich die Beziehung zwischen den beiden. Zwar haben Piara und Rigo durchaus unheimlich viel Chemie, sodass alle Szenen mit ihnen sehr viel Spaß machen und man traurig wird, wenn sich ihre Wege trennen müssen. Aber all das ginge in meinen Augen auch, wenn ihre Beziehung rein freundschaftlicher Natur wäre und nicht romantisch wird. Angesichts des großen Altersunterschiedes zwischen ihnen hätte ich das sogar viel besser gefunden: Mit ihren 14 bzw. 15 Jahren ist Piara eben noch ein Kind, während Rigoras mit fast 20 erwachsen ist – trotz aller geistiger Reife seitens Piara (und Unreife seitens Rigoras xD) bedeutet das für mich ein zu starkes Machtgefälle, dass ich nicht gutheißen kann.
Nach Rücksprache mit der Autorin kann ich gut nachvollziehen, weshalb sie sich dafür entschieden hat, aber mir ist dieser Punkt beim Lesen nicht nur dauerhaft stark negativ aufgefallen, er hat letztlich auch dafür gesorgt, dass ich in meiner Bewertung einen ganzen Punkt abziehen muss. Ohne diesen Aspekt hätte der Auftakt von „Askeria“ leicht ein Highlight werden können, so ist er mit diesem negativen Gefühl hinsichtlich Piaras und Rigos Beziehung belastet.


Fazit:
Das Worldbuilding ist unvergleichlich, die Liebe der Autorin zum Detail spürt man auf jeder Seite, und auch wenn man anfangs noch nicht viel versteht, ist „Askeria“ ab dem ersten Aufschlagen des Buches ein atemberaubendes Leseerlebnis.
Hinzu kommt, dass man unentwegt am Rätseln ist und eigene Theorien aufstellt, nur um dann bei der Auflösung festzustellen, dass man bei Weitem nicht so ein Genie wie Juliet May ist – die Komplexität ihrer Geschichte lässt sich bereits am Anfang erahnen, aber erst am Ende bekommt man eine wirkliche Idee davon, wie sehr sie alles durchdacht haben muss.
Einzig störend fand ich den Altersunterschied zwischen Piara und Rigo: Sie wird im Laufe der Handlung 15, er ist fast 20. Nach Rücksprache mit der Autorin kann ich nachvollziehen, weshalb sie sich für die fast 5 Jahre zwischen den beiden entschieden hat. Trotzdem kann ich nicht hundertprozentig hinter der Liebesbeziehung zwischen Piara und Rigo stehen, auch wenn durchaus sehr viel Chemie da ist, weil sie in meinen Augen eben trotz aller geistiger Reife noch ein Kind und er schon (so gut wie) erwachsen ist. Das ist letztlich der einzige Grund dafür, weshalb „Die letzte Generation“ einen Punkt weniger von mir bekommt und kein Highlight geworden ist.
Auf die Fortsetzung bin ich nämlich super gespannt und ich bin ausgesprochen froh, dass sie hier schon bereit liegt!
4/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 28.11.2021

Extrem langer Einstieg, aber Komplexizität zeichnet sich ab

Die Töchter der Phönixreiter – Crown of Feathers
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Vielen lieben Dank an den cbj-Verlag und das Penguin-Random-House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Das ...

Vielen lieben Dank an den cbj-Verlag und das Penguin-Random-House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Das Cover ist ein absoluter Eyecatcher! Die verschiedenen Brauntöne, das Gold und das Rot harmonieren super miteinander. Wenn man das Buch sieht, weiß man sofort, dass hier epische High Fantasy auf einen wartet! Insgesamt ist das Buch augenscheinlich sehr hochwertig gebunden, unter dem Schutzumschlag auf dem Buchrücken ist der Titel eingeprägt und goldfoliert und eine Karte ist auch vorhanden. Ich kann mich nicht beschweren!


Meine Meinung:
Der Einstieg in das Buch fiel mir alles andere als leicht. Da ich ja relativ viel High Fantasy lese, weiß ich, dass es manchmal ein bisschen dauert, bis man sich in der neuen Welt mit dem unbekannten Magiesystem zurechtgefunden hat, aber „Crown of Feathers“ lässt sich damit besonders viel Zeit.

Die Geschichte wird aus drei Perspektiven erzählt: Hauptsächlich aus Veronykas, aber auch aus der Sicht von Tristan und Sev. Da ist es nicht verwunderlich – zumal bei über 600 Seiten –, dass der rote Faden nicht gleich erkennbar ist. Hier hat es aber, wie gesagt, sehr lange gedauert. Das erste Drittel (fast schon die erste Hälfte) besteht hauptsächlich aus Dialogen und inneren Monologen, die zwar dabei helfen, die Protagonisten ein wenig einzuschätzen, die aber inhaltlich nicht viel beisteuern. Bis auf vereinzelte Szenen passiert hier nicht viel, das einen dazu zwingt weiterzulesen, vielmehr muss man sich fast schon dazu überreden, da es eben schlicht langweilig ist.

Als die Protagonisten dann irgendwann nach und nach zusammenfinden, findet sich auch ein roter Faden und es ist endlich absehbar, wohin das Ganze führen soll. Es kommt ein bisschen Schwung in die Geschichte und auch wenn inhaltlich nach wie vor nicht viel passiert, fängt man endlich an, eigene Theorien aufzustellen und freut sich aufs Weiterlesen und darauf, herauszufinden, ob man recht hat.

Im weiteren Verlauf stellt sich dann leider heraus, dass man mit den meisten Theorien richtigliegt, da Vieles eben doch offensichtlich und die große Auflösung daher nicht sonderlich überraschend ist. Darüber kann ich jedoch hinwegsehen, da im letzten Drittel dann endlich absehbar ist, wie viel Potenzial die Reihe hat und dass die Chancen hochstehen, dass die Autorin dieses im Folgeband auch nutzen wird.
Die Rückblenden zwischendurch, die Geschichtslektionen und alle Konflikte ergeben endlich einen Sinn und man erkennt, wie hochkomplex die Zusammenhänge in „Crown of Feathers“ tatsächlich sind. Wenn der Anfang also auch im Nachhinein für mein Empfinden selbst für politisch angehauchte High Fantasy immer noch viel zu langwierig ist, macht es durchaus Sinn, dass die Autorin sich für den Aufbau so viel Zeit gelassen hat.
Ich denke, in ihren Fortsetzungen kann die Reihe mit Blick auf das äußerst ausgeklügelte Magiesystem, das atemberaubende Setting, die verworrene Politik, Krieg, Spionage, Intrigen und die ganzen, geschickt subtil eingefädelten Gefühle, episch werden.


„Manchmal wird der Titel der Königin gegeben, manchmal muss er genommen werden. Und manchmal ist diese Ehre derart in Blut und Verrat getränkt, dass sie glitschig wird, doch wir stecken trotzdem die Hand danach aus, mit Gift an den Fingern und Rache im Herzen.“ (S. 238)


Ähnlich wie das Worldbuilding brauchen auch die Protagonisten eine Weile, bis sie aus sich herauskommen und erkennbar ist, was alles in ihnen steckt.
Vor allem Veronyka macht eine starke Entwicklung durch. Während sie anfangs noch sehr abhängig von ihrer Schwester ist und sich selbst nicht besonders viel zutraut, kommt sie im Laufe der Handlung immer mehr aus sich heraus, erkennt ihr eigenes Potenzial und fängt an, für sich selbst und das, was sie für richtig hält, einzustehen.
Ähnliches gilt für Tristan und Sev, wobei man von den beiden, insbesondere von Tristan, natürlich nicht ganz so viel mitbekommt wie von Veronyka. Ich hoffe, in den Folgebänden erfährt man noch mehr von ihnen, vor allem Sevs Handlungsstrang kann sich nach dem, was sich am Ende andeutet, in eine sehr spannende Richtung entwickeln!
Gut gefallen hat mir auch die Beziehung zwischen Veronyka und Tristan. Die beiden verbindet eine wunderbar tiefe Freundschaft, die sich (vielleicht?) zu etwas mehr entwickeln könnte. Das alles steht jedoch nicht im Fokus, sondern entwickelt sich eher subtil im Hintergrund und erhält dadurch umso mehr Substanz.


Fazit:
Der Aufbau ist sehr langwierig und zieht sich fast über die erste Hälfte des Buches. Daher würde ich „Crown of Feathers“ auch eher niemandem empfehlen, der High Fantasy noch nicht so gewöhnt ist, da ich mir vorstellen kann, dass man dann schnell gelangweilt ist.
Wenn man diese Phase jedoch erstmal überwunden hat, erkennt man nach und nach, was für eine unglaublich gut durchdachte, hochkomplexe High Fantasy sich hier versteckt. Das Buch hat alles, was ich mir von dem Genre erhoffe: Ein ausgeklügeltes Magiesystem, ein atemberaubendes Setting, verworrene Politik, Krieg, Spionage, Intrigen und ganz viel Gefühl.
Für den zweiten Teil erhoffe ich mir ein etwas schnelleres Erzähltempo und einige nicht ganz so leicht vorhersehbare Twists.
4/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 31.10.2021

Dornröschen-Retelling mit ein paar Schwächen

Die letzte Göttin
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Vielen lieben Dank an den penhaligon-Verlag und das Penguin-Random-House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Ich ...

Vielen lieben Dank an den penhaligon-Verlag und das Penguin-Random-House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Ich bin ganz ehrlich: Der Grund, weshalb ich überhaupt erst auf das Buch aufmerksam geworden bin, ist das Cover – es ist soooo schön!! ♥
Mir gefallen die Farbgebung, die Aquarelloptik, die vielen kleinen Details – einfach alles! Mehr gibt es dazu nicht zu sagen, schaut es euch einfach an.


Meine Meinung:
„Die letzte Göttin“ ist eine Neuerzählung von Dornröschen, was mir ehrlicherweise gar nicht erst sofort aufgefallen ist, sondern erst etwa auf der Hälfte des Buches. Das liegt wohl daran, dass es außer der Tatsache, dass die Protagonistin 1000 Jahre lang schläft, auf dem ersten Blick gar nicht unbedingt so viel mit Dornröschen gemeinsam hat, aber das muss es auch gar nicht. Es hat auf jeden Fall genug Parallelen, dass es sich berechtigterweise ein Dornröschen-Retelling nennen darf, ich sehe einfach manchmal nur den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Leider hat sich der Einstieg für mich als etwas schwierig herausgestellt. Zwar ist der Moment des Aufwachens der Protagonistin durchaus interessant und spannend, aber das hält eben nicht allzu lange an. Relativ schnell entwickelt sich ein „Trott“, aus dem das Buch erstmal eine Weile nicht herauskommt.

Das liegt zum einen am Schreibstil, der an sich eigentlich nicht besonders negativ auffällt und zu dem ich normalerweise auch nicht groß etwas schreiben würde, wenn da nicht diese etwas irritierenden Neologismen bzw. eher Wortverfremdungen wären, die die Weiterentwicklung der Sprache andeuten sollen. Hier muss man natürlich einmal betonen, dass ich in diesem Aspekt nur die deutsche Übersetzung beurteilen kann, weil ich das englische Original nicht gelesen habe – vielleicht wirkt dieses Stilmittel im Original nicht ganz so befremdlich. Das kann ich mir allerdings nicht wirklich vorstellen, da es sich in der Übersetzung hauptsächlich um Wörter gehandelt hat, die es so oder so ähnlich auch im Englischen gibt, sodass der Unterschied zwischen den Sprachen da wohl nicht so groß sein dürften.
Jedenfalls wirkte es auf mich, wie gesagt, etwas befremdlich und teils auch zu sehr gewollt, wie einfach von bekannten Wörtern Silben ausgetauscht (aus „okay“ wurde „kayo“) oder ganz weggelassen wurden („kristall“ wird als Synonym für logisch verwendet, hat sich offenbar aus „kristallklar“ entwickelt), während viele andere Wörter genau gleich geblieben sind. Für mich steckt da kein System hinter, im Gegenteil wirkt es sehr willkürlich, als hätte die Autorin einfach ein paar Wörter ausgewürfelt. Natürlich ist es logisch, dass sich innerhalb von tausend Jahren Sprache weiterentwickelt, aber die Umsetzung war mir persönlich etwas zu konstruiert. Es hätte meiner Meinung nach auch gereicht, wenn die Autorin es dabei belassen hätte, dass die Figuren manche Redewendungen der Protagonistin nicht kennen, um diesen Punkt zu verdeutlichen.
Das beruht aber alles auf sehr stark subjektivem Empfinden, anderen Lesern mag das nicht so krass auffallen. Es ist auch nicht so, dass dieses Stilmittel beim Lesen arg stört oder gar nervt, da die Autorin viele Wörter einfach gleichgelassen und nicht allzu exzessiv Neologismen verwendet hat. Es ist also zwar durchaus irritierend, aber man kann darüber hinwegsehen.


Zum anderen hat mir aber auch der Zugang zu den Figuren gefehlt, allen voran zur Protagonistin Andra.
Ich kann es nicht wirklich an einem bestimmten Punkt festmachen, weshalb ich mich nicht so gut in sie hineinversetzen konnte. Sie ist ein sympathisches Mädchen, das sich zu behaupten weiß und sich nicht herumkommandieren lässt. Gleichzeitig war sie mir ein bisschen zu „glatt“; sie hat nichts an sich, das sie irgendwie hervorhebt und weshalb ich sagen würde: „Die mag ich!“. Sie ist mir nicht negativ aufgefallen, aber eben auch nicht positiv, was dann letztlich wohl der Grund dafür war, weshalb ich nicht so sehr mit ihr mitgefiebert habe.

Zhade dagegen wurde mir zunehmend unsympathischer. Seine „Agenda“, wenn man es so nennen will, ist mir nach wie vor unklar. Ich kann nicht sagen, was seine Ziele sind, oder ob er gut oder böse ist – was an sich ja eigentlich erstmal ein gutes Zeichen ist. Ich mag Figuren, die undurchsichtig und vielleicht auch moralisch eher grau sind. Zhade aber war mir zu heimlichtuerisch und vor allem auch apologetisch Andra gegenüber – er hat Dinge getan, die ich auch nach seiner Rechtfertigung nicht wirklich nachvollziehen konnte, und trotzdem wird er als der Gute dargestellt. Das passte für mich alles nicht so zusammen, weshalb er für mich eben zu nebulös ist. Ich kann mir aber vorstellen, dass sich das alles noch in eine bestimmte Richtung entwickelt und hoffe für die Fortsetzung einfach, dass er da noch ein bisschen mehr Background bekommt, sodass mir endlich klar wird, welche Rolle er in der Reihe spielen soll.

Ähnliches gilt für Maret, wobei seine Charakterisierung mir im Gegensatz zu Zhade positiv aufgefallen ist. In „Die letzte Göttin“ nimmt er die Rolle des Bösewichtes ein, aber man merkt bereits, dass er eine sehr ambivalente Figur ist, hinter der mehr stecken könnte, als es zunächst den Schein hat. Leider bleibt er hier noch sehr im Hintergrund, was ich schade finde, da ich glaube, dass man noch viel mehr aus ihm herausholen könnte. Ich habe so meine Theorien über ihn und hoffe, dass die Autorin das Potenzial, das in ihm steckt, in Band 2 aus ihm herausholen wird.


Inhaltlich hat „Die letzte Göttin“ ebenfalls nicht ganz so viel zu bieten, wie es vielleicht hätte sein können. Es ist, wie gesagt, vor allem zum Anfang hin sehr langatmig und auch über den Rest der Geschichte verteilt, passiert relativ wenig auf sehr weitem Raum, teilweise hätte man das Tempo ruhig etwas anziehen können. Hinzu kommt, dass mich die meisten Wendungen auch nicht sehr überrascht haben, da ich mir Vieles bereits ziemlich schnell zusammenreimen konnte, weshalb ich auch unter diesem Aspekt nicht allzu gefesselt von dem Buch war.
Gegen Ende macht es allerdings noch einmal eine Kehrtwende, mit der ich so überhaupt nicht gerechnet habe. Ab diesem Punkt geht das Buch in jeder Hinsicht in eine ganz andere Richtung und ich war absolut begeistert. Aus diesem Grund freue ich mich jetzt auch sehr auf die Fortsetzung, da ich anders als zuvor mir jetzt sehr gut vorstellen kann, dass sich die Reihe in einer interessanten Weise weiterentwickeln wird.


Fazit:
„Die letzte Göttin“ ist ein Reihenauftakt, der an vielen typischen „Auftaktkrankheiten“ leidet: Die Figuren sind größtenteils alle noch sehr unausgereift oder ihr Potenzial wurde noch nicht völlig ausgeschöpft, und der Plot braucht quasi bis zum Ende, bis er wirklich in Fahrt kommt. Davor ist Vieles vorhersehbar und dadurch auch langatmig. Der Schluss dagegen schafft es durch eine überraschende Wendung trotz allem noch, das Ruder herumzureißen und einen dennoch abzuholen. Aus diesem Grund freue ich mich wider Erwarten auf die Fortsetzung und gebe dem Buch doch noch die 4/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 21.10.2021

Leichte SciFi für Genre-Einsteiger

Erde 0
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Vielen lieben Dank an Knaur Fantasy für das Rezensionsexemplar!
Meine Meinung spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Das Coverdesign ist wieder einmal grandios, ...

Vielen lieben Dank an Knaur Fantasy für das Rezensionsexemplar!
Meine Meinung spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Das Coverdesign ist wieder einmal grandios, aber Anderes sind wir vom Knaur-Verlag ja nicht gewohnt. Man sieht zweimal das Profil einer Person, einmal im gleichen Weiß wie der Rest des Covers, einmal in einem Dunkelblau mit Sternen und Wolken darin. Die Person könnte sowohl die Protagonistin mit ihren Varianten als auch Nyame oder sowohl Nyame als auch die Protagonistin sein, da bleibt dem Betrachter viel Raum für Spekulation. Das (und der Titel) ist alles, was auf dem Cover zu finden ist, und gerade diese Schlichtheit gefällt mir gut. Aufgrund dieses minimalistischen, (durch die Schriftart) futuristisch anmutenden Designs erkennt man außerdem sofort, dass es sich hierbei um Science Fiction handeln muss.
Im Übrigen finde ich es immer wieder vorzüglich, wie resistent die Knaur-Bücher gegen Leserillen sind. Ich bin jedes Mal beeindruckt.


Meine Meinung:
Vorab: Der Titel meiner Rezension ist hier wirklich Programm: „Erde 0“ ist sehr leichte Science Fiction, die überhaupt nicht kompliziert ist und meines Erachtens daher perfekt für all diejenigen unter euch ist, die sich gerne mal an SciFi herantrauen wollen! 😉
„Erde 0“ hat nämlich sehr wenige bis gar keine wissenschaftlichen Elemente, aber durch das Weltenwandeln (Traversen) trotzdem den für das Genre typischen Bezug zum Weltall und zu futuristischer Technologie.

Nichtsdestotrotz liegt genau darin jedoch mein einziger Kritikpunkt an dem Buch: Ich bin eben kein Genre-Einsteiger sondern durchaus geprobte SciFi-Leserin – für meinen Geschmack fehlt es dem Buch in dem wissenschaftlichen Teil also viel zu sehr an Tiefe. So habe ich mich zum Beispiel durchweg gefragt: Wie genau funktioniert das Traversen? Was ist das für ein Serum? Wie hat Adam Bosch das Multiversum nicht nur nachweisen können, sondern es auch noch geschafft, die Reise in andere Welten zu ermöglichen?

Sicherlich sind das wirklich sehr schwierige, sehr spezifische Fragen, die teils genau diejenigen sind, über die sich Wissenschaftler, die an der Multiversumstheorie tüfteln, vermutlich die Köpfe zerbrechen, und NATÜRLICH erwarte ich nicht von einer Autorin, dass sie mit einer Lösung daherkommt, das wäre ja irrsinnig. xD
Aber trotzdem habe ich mir hier irgendetwas gewünscht; der gesamte Hintergrund des Traversens fehlt hier nämlich. Ähnliches gilt im Übrigen für die Entstehungsgeschichte der Stadt und Ashtown, die nur etwas angerissen wird, aber da das nicht so überaus relevant für den Plot ist wie das Weltenwandeln, kann ich darüber noch hinwegsehen.
In Bezug auf den wissenschaftlichen Aspekt jedoch wird ein eingefleischter SciFi-Fan hier wohl kaum auf seine Kosten kommen, was ich sehr schade finde – „Erde 0“ hat so unglaublich viel Potenzial in dieser Hinsicht!


Trotz allem – und das möchte ich besonders betonen! – ist „Erde 0“ aber noch ein sehr gutes Buch, mit dem ich viel Spaß und einige spannende Lesestunden hatte.
Die Idee des Weltenspringens und eines Multiversums an sich ist nämlich unheimlich interessant (das wissen wir ja spätestens seit „Loki“ 😉) und abgesehen von fehlenden Details bei der Wissenschaft dahinter auch großartig umgesetzt. Ich stelle es mir sehr spannend vor, in andere Welten reisen zu können, die meiner eigenen sehr ähnlich, aber doch ein bisschen anders dazu sind. Gleichzeitig finde ich das Risiko, versehentlich auf eine Welt zu gelangen, in der mein anderes Ich noch nicht gestorben ist, was für mich einem Todesurteil gleichkommt, aber natürlich auch beängstigend, ebenso wie die Tatsache, dass man ja eigentlich gar nicht weiß, was einen auf der anderen Welt erwartet. Jedes Mal, wenn Cara zum Weltenreisen aufbricht, fühlt man diese Bedrohung des Unbekannten, was einen beim Lesen durchaus mal zum Schwitzen bringt.


Aber nicht nur dieser Aspekt konnte mich von „Erde 0“ überzeugen: Auch das Zwei-Klassen-System, das auf Erde 0 und all ihren Varianten herrscht, ist sehr gut durchdacht, wobei man beim Lesen merkt, dass die Fehler, die diesem rassistischen System innewohnen, die Folgen der Fehler, die in unseren politischen, aber vor allem auch gesellschaftlichen Systemen herrschen, sind. Auf sehr subtile Weise übt die Autorin so also mit ihrem Debüt gleichzeitig auch Gesellschaftskritik aus, die sich, nebenbei bemerkt, nicht bloß auf den Rassismus beschränkt, sondern auch das Problem der Klimakrise weiterspinnt und Konflikte zwischen Arm und Reich hervorhebt. Bemerkenswert!

„Mit jedem Jahr werden die ummauerten, höher entwickelten Städte reicher, und mit jedem Jahr werden die ländlichen Provinzen ärmer und kränker. Die eine Seite der Waage geht unter, weil die andere nach oben geht, und niemand tut etwas für eine Balance.“ (S. 308)


Hinzu kommt schließlich die Protagonistin Cara selbst, die mir an dem ganzen Buch wohl am besten gefallen hat. Ich fand es äußerst erfrischend, dass sie nicht die typische „Moralapostel“-Protagonistin ist, die unbedingt alles richtig machen und die Welt retten will. Stattdessen ist Cara aufgrund ihrer Vergangenheit jemand, der hauptsächlich auf den eigenen Vorteil und das eigene Überleben bedacht ist. Entsprechend egoistisch und rücksichtslos handelt sie meistens. Das hat mir gut gefallen, denn sie wirkt authentisch!
Trotzdem schleicht sie sich auch mit ihrer Prinzipientreue und Charakterstärke ins Leserherz; Cara lässt sich nicht verbiegen und steht dafür ein, wovon sie überzeugt ist. Sie hat ihre Ecken und Kanten, sie ist eigenwillig und trotzdem kann man sich dadurch nicht weniger mit ihr identifizieren. Ihr Sarkasmus und ihr freches Mundwerk tragen ihren Teil dazu bei.


Fazit:
„Erde 0“ ist also aus der Perspektive einer geübten SciFi-Leserin allenfalls leichte Science Fiction, die aufgrund fehlender Details bezüglich des wissenschaftlichen Hintergrunds des Weltenwandelns eher Genre-Einsteigern zu empfehlen ist.
Blendet man dies jedoch aus, sodass man als Genre-Liebhaber hier nicht enttäuscht wird, erhält man aber nichtsdestotrotz eine mitreißende Geschichte, die vor allem mit einer aneckenden, frechen Protagonistin, einer spannenden Idee aus der Multiversumstheorie sowie einem gesellschaftskritischen Kern punkten kann.
4/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 09.08.2021

Leichtes High-Fantasy-Standalone für Genre-Einsteiger

Kalt wie Schnee, hart wie Eisen
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Vielen lieben Dank an den cbt-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Normalerweise ...

Vielen lieben Dank an den cbt-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Normalerweise bin ich ja kein Fan von Gesichtern auf Covern, aber dieses hier finde ich absolut gelungen! Auf den ersten Blick ist erkennbar, dass es sich hierbei um Elfenfantasy handelt, in denen augenscheinlich Drachen und andere magische Tiere eine große Rolle spielen. Was mir jedoch am besten gefällt: Je länger man hinsieht, desto mehr Details fallen einem auf.
Der Titel gefällt mir ebenfalls gut, da nicht nur aus offensichtlichen Gründen zum Inhalt passt (die Protagonistin verliert ihr Herz), sondern auch im Text selber noch einmal aufgegriffen wird. Das liebe ich ja!


Meine Meinung:
Man sucht ja in der Regel verhältnismäßig lang nach einem High Fantasy-Standalone. Dass man hier ein solches erhält, in dem es noch dazu um Elfen, Drachen und Magie geht, hat mich daher sehr gefreut und umso gespannter war ich auf das Buch.

Der Einstieg in „Kalt wie Schnee, hart wie Eisen“ ist sehr leicht. Das liegt zum einen an dem unkomplizierten, lockeren Schreibstil, der sich gut „weglesen“ lässt, ohne dass er an malerischen Beschreibungen, die für das Genre so typisch sind, geizt. Zwar sind auch hier die Orts- und Figurennamen teils etwas komplizierter (gerade hinsichtlich der Orte hätte ich mir hier durchaus eine Karte gewünscht; ein Figurenverzeichnis gibt es immerhin), aber das hat keine Auswirkungen darauf, dass man sich in dieser Welt sehr gut zurechtfindet.
Insofern würde ich das Buch bereits an dieser Stelle High Fantasy-Einsteigern empfehlen!


Auch hinsichtlich des Inhalts ist der Anfang vielversprechend. Man lernt Kanemô kennen und erfährt, wie es dazu kommen wird, dass sie ihr Herz verliert.
Als ich diesen Teil im Klappentext gelesen habe, war ich sehr gespannt darauf, wie die Autorin das Problem, dass die Protagonistin kein Herz, ergo keine Gefühle besitzt, auf nachvollziehbare Weise lösen würde, denn gerade die Gefühle der Protagonistin sind es ja, die dafür sorgen, dass man auch als Leser mitfiebert.
Die Umsetzung Jenny Mai-Nuyens ist jedoch wunderbar gelungen. Dadurch, dass man Kanemô im Prolog als Kind und zu Beginn der Geschichte noch mit einem Herzen kennenlernt, kann man bereits eine Beziehung zu ihr aufbauen und nachvollziehen, wieso sie sich dazu entscheidet, der Hexe ihr Herz zu übergeben.

Was mir sehr gut gefallen hat: Obwohl Kanemô infolge dessen später zu Gefühlen nicht mehr in der Lage ist, ist sie dennoch nicht gefühlskalt oder „roboterhaft“; vielmehr wirkt es so, als seien ihre Gefühle kurzzeitig wie „unter Wasser“, bevor sie durch den Zauber unterdrückt werden. Man bekommt also einen Eindruck davon, wie Kanemô reagieren würde, hätte sie ihr Herz noch, und kann ihre Handlungen, so kalkuliert und logisch sie auch sein mögen, sehr gut nachempfinden.
Dennoch sollte hier nicht außer Acht bleiben, dass sie, gerade weil sie kein Herz mehr hat, teilweise sehr grausam und brutal handelt. Wenn man mit moralisch grauen Charakteren also nicht so gut klarkommt, kann ich mir gut vorstellen, dass dieses Buch nichts für einen ist. Ich fand es dagegen im Vergleich zur typischen „guten“ YA-Protagonistin sehr interessant und abwechslungsreich!

„‚Schaut‘, befahl Liotan. ‚Das seid Ihr. Das ist eure Macht. Wenn jemand die Rebellen besiegt, dann Ihr. Aber unter eurer zarten Haut müsst Ihr hart sein wie Eisen. Und kalt wie Schnee.‘“ (S. 48)

Das Buch ist in mehrere Teile gegliedert, und während Teil 1 vollständig aus Kanemôs Sicht erzählt wird, findet Teil 2 ausnahmslos aus Lauriens Perspektive statt. Dem stehe ich ein bisschen ambivalent gegenüber.
Einerseits hat mir das insofern gut gefallen, dass man so auch sie, die ebenfalls einen wesentlichen Teil der Handlung trägt, sehr gut kennenlernen und sich auf sie einlassen kann. Auch sie ist, ähnlich wie Kanemô, von schlechten Eigenschaften – bei ihr hauptsächlich Eitelkeit und Feigheit – geprägt, die sie von anderen Protagonistinnen abheben. Wieder: Darauf muss man sich einlassen können! Während ich Laurien nicht durchgängig sympathisch fand und an ihrer Stelle sicherlich nicht so gehandelt hätte wie sie, fand ich die Charakterisierung ihrer Figur doch nachvollziehbar und glaubwürdig, also sehr gut gelungen.

Weshalb mir diese Aufteilung von Teil 1 und 2 allerdings nicht gefallen hat, ist, dass es mich so ziemlich aus Kanemôs Handlungsstrang herausgerissen hat. Das, was Laurien in Teil 2 erlebt, passiert parallel zu Kanemôs Erlebnissen, die durch die Aufteilung jedoch wieder recht weit in den Hintergrund gerät. Das ist natürlich stark Geschmackssache, aber ich hätte es hier besser gefunden, wenn Kanemôs und Lauriens Erzählungen wie in den darauffolgenden Teilen auch parallel stattgefunden hätten.


Dadurch, dass man so aus dem Plot herausgerissen wird, dauert es nämlich relativ lange, bis sich wieder ein wenig Spannung aufbauen kann. Stattdessen wirkt es durch dieses Auseinanderziehen so, als würde auf etwas Großes vorbereitet werden. Daher habe ich mich beim Lesen auch immer wieder gefragt, ob „Kalt wie Schnee, hart wie Eisen“ tatsächlich ein Einzelband ist oder nicht doch ein Auftakt, denn so fühlte es sich zeitweise an.
Bestätigt wurde dieses Gefühl dann zum Schluss auch noch dadurch, dass für die Auflösung der Konflikte am Ende nur noch ca. 70 Seiten übrigbleiben: Die Konflikte werden also im Vergleich zu ihrem Aufbau sehr kurz und „einfach“ abgehandelt; das Große, das man nach der langen Einführung erwartet, bleibt aus.
Insofern konnte mich das Ende nicht völlig zufriedenstellen. Ein paar mehr Seiten mit einigen tiefergehenden Details und Plottwists hätten dem Buch sicherlich gutgetan!

Das soll jedoch nicht heißen, dass „Kalt wie Schnee, hart wie Eisen“ mich gar nicht überraschen konnte, im Gegenteil. Zwar konnte ich manche Twists auch vorher schon erahnen, aber vor allem gegen Ende hat mich die Autorin doch das eine oder andere Mal kalt erwischt.


Abschließend möchte ich nur noch das wunderbare Worldbuilding einmal erwähnt haben. Dazu gibt es eigentlich nicht allzu viel zu sagen, außer, dass ich mir trotz fehlender Karte die Welt um Ivenhall, Magdar Yhs, das Moor und die Schädelstädte sehr gut vorstellen konnte.
Für High Fantasy ist das Buch relativ dünn, zumal es ein Einzelband ist. „Kalt wie Schnee, hart wie Eisen“ kann hinsichtlich des Worldbuildings also nicht so sehr in die Tiefe gehen, wie andere (mehrteilige) High Fantasy-Schinken. Nichtsdestotrotz trifft man hier auf die für einen einnehmenden Weltenbau notwendige Tiefe und Detailverliebtheit; die Kürze des Buches tut dem hier also keinen Abbruch!



Fazit:
„Kalt wie Schnee, hart wie Eisen“ überzeugt vor allem mit seiner Kurzweiligkeit und einem sehr einnehmenden, einfachen, aber dennoch genregerechten Schreibstil, die vor allem einen tollen Einstieg für High-Fantasy-Anfängern bieten!
Etwas schade ist der ein wenig schleppende Mittelteil und das dafür eher ernüchternde Ende, die jedoch nichts daran ändern, dass man zwischendurch durchaus sehr gefesselt ist und insgesamt ein sehr schönes Leseerlebnis erhält.
Ich empfehle das Buch allen, die nach einem leichten High Fantasy-Standalone suchen, weise aber darauf hin, dass es möglicherweise nichts für Leser*innen ist, die Schwierigkeiten haben, sich in moralisch graue Figuren hineinzuversetzen.
4/5 Lesehasen.

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