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Veröffentlicht am 04.02.2023

Emotional, poetisch und einfach schön

The Way You Crumble
1

Vielen lieben Dank an den Penguin-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche ...

Vielen lieben Dank an den Penguin-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
In meiner Rezension zum Auftakt habe ich bereits das schlichte, florale, wunderschöne Coverdesign gelobt und auch hier muss ich natürlich davon schwärmen!
Ich liebe das Zusammenspiel der Komplementärfarben des grünen Titels vor dem pinken Lineart mit den Muscheln und Blüten, die für mich die Stimmung der Küstenstadt Goldbridge ganz wunderbar widerspiegeln. Die Cover der Reihe sehen sich auf den ersten Blick sehr ähnlich, aber unterscheiden sich bei näherem Hinsehen sowohl durch die Farben als auch die Details in der Zeichnung.
Die Bücher haben ein mattes, papiernes Cover, was mit der Zeit durch Sonnenlicht und vermutlich auch das Fett an den Fingern leider leicht vergilbt, aber dennoch finde ich es wunderschön.
Den Titel finde ich im Übrigen ebenso schön und sehr poetisch, und wenn man genau hinsieht, befindet sich darin, angesichts dessen, dass Alexis und Echo beide in der Patisserie arbeiten, ja sogar ein Wortspiel! :D Ob das beabsichtigt war oder ob meine Fantasie da jetzt mit mir durchgeht, kann ich allerdings nicht sagen. xD


Meine Meinung:
„The Way I Break“ habe ich so sehr geliebt! Deshalb und weil ich Echo und Alexis da schon als interessante Figuren wahrgenommen habe, hatte ich natürlich sehr hohe Erwartungen an „The Way You Crumble“. Und die wurden nicht enttäuscht!

Zwar finde ich den zweiten Band ein wenig schwächer als den Auftakt, was aber gar nicht wirklich einen triftigen Grund hat, sondern vielmehr daran liegt, dass hier bei mir der berüchtigte „Funke“ nicht so ganz übergesprungen ist und ich vor allem zu Echo nicht die gleiche Nähe aufbauen konnte wie zu Tori und Julian.

Nichtsdestotrotz hat „The Way You Crumble“ auch genau das, was auch den ersten Band so besonders für mich gemacht hat (und was dann letztlich jetzt auch der Grund dafür ist, weshalb diese Rezension weniger ausführlich als gewohnt wird – mehr gibt es nämlich schlicht nicht zu sagen): Es ist echt, unverblümt, berührend, emotional und ehrlich.

Sowohl Echo als auch Alexis haben beide Traumata zu verarbeiten und Dämonen zu bekämpfen, beide auf unterschiedlichste Art und Weise, aber so, dass sie das perfekte Gegenstück zueinander bilden.
Dabei müssen sie eigentlich erst ihre eigenen Probleme lösen, bevor sie sich aufeinander einlassen, was natürlich zu Schwierigkeiten und Konflikten führt. Die Beziehung der beiden ist anfangs nicht gesund, aber das sind Alexis und Echo auch nicht. Im Laufe der Handlung lernen, wachsen und heilen sie, und das zu beobachten, berührt den Leser tief – und zwar wegen der Sensibilität und Ehrlichkeit, mit der Tramountani mit den Themen Sucht und Gewalt umgeht.

Wie auch im ersten Band schreibt sie an den Stellen, an denen es darauf ankommt, emotional und verletzlich, scheut sich gleichzeitig aber auch nicht davor, ausreichend Humor einzubauen, was vor allem an Echos trockenem Sarkasmus und daran, dass sie immer sagt, was ihr in den Sinn kommt, liegt. Dadurch verliert das Buch trotz der Schwere der Themen nicht an Leichtigkeit, was es nicht nur zu einem gefühlvollen Werk, sondern gleichzeitig auch zu einer poetischen Lektüre zum Wegträumen macht, ohne dass es an Tiefgründigkeit einbüßt.

„Es war kein bisschen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Es fühlte sich an wie ein freier Fall in bodenlose Finsternis, wie Verbrennen und Verglühen. Es war erschreckend und alles verzehrend und schlimm und wunderschön. Ich wollte weinen und schreien und lachen, alles gleichzeitig.“ (S. 215/448)


Was mir am ganzen Buch aber tatsächlich am besten gefallen hat, ist die Beziehung zwischen den Brüdern, vor allem natürlich zwischen Alexis und Julian, aber auch zu Nicolas, die hier bereits angeteasert wird und neugierig auf den Abschluss der Reihe macht.
Im Auftaktband hat man sich zusammen mit Julian die ganze Zeit gefragt, was dazu geführt hat, dass Alexis nicht mehr mit seiner Familie spricht, und jetzt erfährt man natürlich endlich die Hintergründe. Dabei bricht es einem das Herz, was in Alexis vorgeht und wie sehr er sich eigentlich nach seinem großen Bruder sehnt, vor allem, weil man ja auch weiß, wie es in Julian aussieht. Die Heilung, die auch die beiden angehen, hat mich dabei noch mehr berührt als die aufkommende Beziehung zwischen den beiden Protagonisten.
Echo selbst und ihr Schicksal konnten mich dagegen zwar auch mitnehmen, allerdings hat mir zu ihr, wie bereits angesprochen, ein wenig der Draht gefehlt. Das hat keinen besonderen Grund, manchmal ist das ja einfach so. Trotzdem hatte ich nämlich ein paar wunderbare Lesestunden, das Ende konnte mein Herz noch einmal höher schlagen lassen, und jetzt freue ich mich riesig auf Darcys und Nicolas´ Geschichte (und natürlich auf die Zusammenführung der Brüder! ♥)


Fazit:
„The Way You Crumble“ kommt für mich nicht gaaanz an den Auftakt heran, aber ein mitreißendes, herzerwärmendes, emotionales, berührendes, echtes und unverblümtes Leseerlebnis ist es trotzdem!
Bereits mit dem ersten Band konnte Nena Tramountani mich mit ihren ehrlichen Worten überzeugen und hier hat sie ein weiteres Mal bewiesen, dass sie ihr Handwerk beherrscht.
Zu Echo hatte ich aus keinem bestimmten Grund nicht so einen guten Draht wie zu den anderen Figuren und auch insgesamt ist bei mir der letzte Funke nicht übergesprungen, aber an einem Merkmal des Buches kann ich das nicht festmachen – manchmal ist das ja einfach so.
Was diese Reihe vor allem besonders für mich macht, ist dagegen die Beziehung der Brüder untereinander, die hier weiter ausgebaut wird und mich sogar ein kleines bisschen mehr mitnehmen konnte, als die Beziehung der Protagonisten.
Der Inhalt des dritten Teils wird auch hier wieder ein wenig angeteasert und ich bin gespannt auf die Fortsetzung. Vor allem auf das Zusammentreffen mit Nicolas freue ich mich riesig!
4,5/ 5 Lesehasen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.02.2023

Dark Academia at its best! Aber anfangs doch sehr zäh.

The Atlas Six
1

Vielen lieben Dank an NetGalley und Fischer TOR für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Meine Meinung:
Der ...

Vielen lieben Dank an NetGalley und Fischer TOR für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Meine Meinung:
Der Hype auf Bookstagram und BookTok um „The Atlas Six“ ist riesig, vor allem im englischsprachigen Raum. Entsprechend hoch waren auch meine Erwartungen an das Buch – wenn es so viele mögen, muss ja etwas dran sein, oder? Leider bin ich trotz allem jetzt erst dazu gekommen, das Buch zu lesen, und ehrlicherweise würde ich nicht sagen, dass ich es bereue, dass ich nicht früher zu dem Buch gegriffen habe.
Versteht mich nicht falsch! „The Atlas Six“ ist ein intelligenter, cleverer und vor allem in der zweiten Hälfte auch mitreißender Urban Fantasy-Auftakt.
Bis man zu diesem Punkt kommt, braucht man jedoch ein wenig Geduld. Blake braucht sehr lange, bis sie ihre Welt aufgebaut und die Figuren eingeführt hat – das ist bei so einem komplexen Buch wie „The Atlas Six“ natürlich keine Überraschung und grundsätzlich bin ich ja auch ein großer Fan von raffiniertem, kompliziertem Worldbuilding. Der Preis dafür ist eben oft ein etwas zäher Anfang. Dennoch hätte ich mir hier im ersten Drittel und auch im Mittelteil zwischendurch gewünscht, dass sie in ihrer Erzählung etwas anzieht und manche Beschreibungen oder Dialoge, bei denen ich nicht das Gefühl hatte, dass sie die Story irgendwie voranbringen, gestrichen hätte. Hätte ich nicht im Flieger gesessen und viereinhalb Stunden irgendwie totkriegen müssen, hätte ich mich wohl schneller von dem Buch abgewendet und dann auch wesentlich länger hierfür gebraucht.

Sobald man dann aber über diesen Punkt hinaus und in der zweiten Hälfte des Buches angekommen ist, kann „The Atlas Six“ aber überzeugen! Vor allem das Magiesystem hat mich hier tief beeindruckt, was bei jemandem, der hauptsächlich Fantasy liest, und auch schon vielen spannenden Magiesystemen begegnet ist, gar nicht unbedingt oft vorkommt.
Aber die Art und Weise, wie Blake Physik und Magie miteinander verbunden, Raumzeit-Theorien aufgegriffen und in ihrer Story verwoben und nebenbei auch noch Psychologie mit einfließen lassen hat, und das alles vor dem Hintergrund der magischen Bibliothek von Alexandria, ist mir so bisher noch nie untergekommen – und das ist die große Stärke des Buches und auch der Grund, weshalb es mich trotz des Einstiegs letztlich so sehr überzeugen konnte, dass ich mich auf die Fortsetzung sehr freue!

Auch die Figuren konnten mich, nachdem ich sie irgendwann dann mal auseinanderhalten und mich auf sie einlassen konnte, überzeugen, wobei ich Callum und Tristan von den fünf Protagonisten deshalb am interessantesten fand, weil man (gerade bei Callum) nicht so richtig weiß, wie man sie einordnen soll. Vor allem Libby, aber auch Nico und Parisa kann man relativ gut einschätzen, aber meine Meinung über Callum und Tristan hat sich dagegen oft geändert. Dennoch habe ich auch die beiden selbst nach fast 600 Seiten noch nicht so richtig greifen können. Das ist bei so vielen Hauptfiguren neben so einem ausführlichen und komplizierten Worldbuilding aber natürlich auch nicht weiter überraschend, ich hoffe bloß, dass man sie in der Fortsetzung besser kennenlernt.


Fazit:
„The Atlas Six“ hat definitiv seine Stärken, aber so begeistert von dem Buch, dass ich sagen würde, es hätte den Hype verdient, bin ich dann doch nicht. Das liegt hauptsächlich an dem zähen Anfang und den Längen zwischendurch, die meines Erachtens auch vermeidbar gewesen wären.
Kommt man aber über dieses Stellen hinweg, belohnt das Buch mit einem grandiosen, cleveren und sehr komplexen Magiesystem, das mir so noch nicht untergekommen ist, und fünf spannenden Protagonisten, die in der Fortsetzung aber gerne noch mehr Form annehmen dürfen.
4/5 Lesehasen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.01.2023

Nur für Piratenfans mit viel Geduld (3,5 Sterne)

Jack Bannister - Herr der Karibik
1

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Ich bin ein bisschen ...

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Ich bin ein bisschen verliebt in die Aufmachung! Bereits das Cover weist mit den verschiedenen Waffen um den Anker herum im Zentrum zwischen der Zeichnung zweier Schiffe, eins davon durch den Jolly Roger eindeutig als Piratenschiff erkennbar, eindeutig darauf hin, dass es sich hierbei um einen Piratenroman handelt. Auch die beige Farbgebung des Covers mit den schwarzen Rändern wirken wie eine alte Karte, was ebenfalls zur Thematik passt.
Darüber hinaus ist in der vorderen Innenklappe eine Karte der Karibik des 17. Jahrhunderts abgebildet, in der hinteren eine von Europa und Afrika derselben Zeit. So kann man beim Lesen immer nachverfolgen, wo sich Jack Bannister und seine Crew gerade befinden!
Die Abbildung der Segel eines Schiffs im 17. Jahrhunderts sowie das Personenregister vorne und das Glossar hinten helfen dazu beim Verständnis.


Meine Meinung:
Tatsächlich fällt mir diese Rezension viel schwerer, als ich zunächst gedacht hatte.
Ich liebe Piratengeschichten und alles, was auf dem Meer spielt, vor allem, wenn das Ganze noch einen historischen Hintergrund hat. Von daher war klar, dass ich das Buch unbedingt lesen muss!
Als ich mit dem Lesen angefangen habe, wurde mir aber schnell bewusst, dass ich trotz des spannenden Themas vermutlich nicht so schnell durch das Buch kommen würde, was einzig und allein am Schreibstil lag.

Zwar begrüße ich es gerade bei historischen Romanen, wenn sich der Erzählstil des Autors einer etwas altertümlichen Sprechweise der Figuren anpasst. Das hilft mir oftmals dabei, mich fallen- und auf die andere Zeit einzulassen.
Hier muss ich aber doch sagen, dass ich Lornes Stil die meiste Zeit als zu gezwungen empfunden habe. Ich hatte nie wirklich das Gefühl, dass die Figuren im 17. Jahrhundert sich wirklich so ausdrücken würden, sondern dass stattdessen der Autor der Meinung ist, die Figuren würden sich so ausdrücken. Also natürlich gehe ich davon aus, dass Lorne mehr Ahnung von dem Thema hat als ich und seine Ansicht schon richtig sein wird, aber beim Lesen möchte ich natürlich auch davon überzeugt werden und nicht stets das Bewusstsein beibehalten, gerade ein Buch zu lesen. Ich möchte mich eben fallenlassen, und das hat mir der Stil hier schwergemacht.
Das liegt aber nicht nur an der etwas gewöhnungsbedürftigen Ausdrucksweise, über die alleine ich noch hätte hinwegsehen können, sondern vor allem an der Langatmigkeit Lornes Stils und seinem Hang dazu, Alles und Jeden in der größtmöglichen Breite zu erklären und zu beschreiben.

Während ich es noch toll fand, dass man hier unglaublich viel über Galeonen und Schifffahrt im Allgemeinen im 17. Jahrhundert erfährt, dass lang und breit erklärt wird, wie die „Golden Fleece“ aufgebaut ist und all die richtigen Fachbegriffe verwendet werden, sodass man sich schon fast selbst wie ein Seemann fühlt, haben mich alle Beschreibungen, die darüber hinaus gingen, vor allem alles, was bei Marie-Claire und Nicholas Crispe in London passiert, doch eher gelangweilt.
Das lag hauptsächlich daran, dass ich in dem Punkt einfach in meinen Erwartungen enttäuscht wurde. Dabei finde ich nicht, dass man die Kapitel mit den Geschehnissen in London ganz streichen sollte, da sie durchaus Sinn machen und sehr viel zu Lornes Interpretation von Bannisters Entwicklung beitragen.
Allerdings hatte ich bei den Beschreibungen der Bälle, bei Marie-Claires ellenlangen Monologen ihrer Rechtfertigungen ihrer Taten und Crispes Pläneschmiederei oft das Gefühl, der Autor verliere hier ein wenig den Blick für das Wesentliche. Immerhin geht es in dem Buch ja um Jack Bannisters Leben, und natürlich könnte es sich so zugetragen haben, wie Lorne es hier schildert (man weiß ja gerade nicht, weshalb Bannister vom angesehenen Captain der Company zum Piraten geworden ist, der englische Schiffe überfallen hat), allerdings glaube ich, hätte es dem Buch gutgetan, wenn er nicht alles lang und breit erzählt, sondern den Leser ebenso wie Jack ein wenig im Ungewissen gelassen hätte.
So weiß man bereits im Vorfeld ziemlich genau, was wieso passieren wird, und während das bei einem auktorialen Erzähler im Normalfall gerade dafür sorgt, dass sich die Spannung steigert, hatte es hier genau den gegenteiligen Effekt.
Bereits kurz nach Beginn, noch bevor Jack im Buch überhaupt Captain geworden ist, konnte ich nämlich genau vorhersehen, was passieren würde, dass er sich schließlich dazu entscheidet, sich gegen die Company zu wenden und Pirat zu werden.
Das ist aber ja gerade die große Frage seines Lebens, weshalb ich finde, dass der Autor daraus ruhig ein größeres Geheimnis hätte machen können.
Stattdessen verrät er dem Leser viel zu viel und das mit seinen etwas über 600 Seiten ohnehin schon dicke Buch zieht sich unnötig in die Länge, sodass das Lesen anstrengend wird.

Dabei hilft es dann auch nicht, wenn immer mal wieder Dinge oder ganze Phrasen wiederholt werden, die an anderer Stelle bereits aufgetaucht sind und die dem Leser eigentlich nicht noch einmal ins Gedächtnis gerufen werden müssen. Selbst wenn man von Schiffen und den Fachbegriffen nicht groß Ahnung hat, findet man sich doch irgendwann damit zurecht, sodass das Buch nicht großartig komplex ist oder einem das Folgen schwerfallen dürfte.


Ich möchte aber ja nicht nur meckern, denn abgesehen davon fand ich das Buch wirklich gut.
Zwar schadet der Autor mit seinem ausholenden Erzählstil in meinen Augen dem Buch größtenteils, aber gerade in Bezug auf die maritimen Aspekte habe ich mich dann doch darüber gefreut. Man lernt hier praktisch nebenbei unglaublich viel über die Schifffahrt und Piraterie des 17. Jahrhunderts sowie die Dreiecksroute des Sklavenhandels hinzu, wobei gerade bei Letzterem nichts beschönigt wird.

Wer wie ich Schifffahrt und Piraterie unglaublich spannend findet, kommt hier also auf jeden Fall auf seine Kosten; auch die zahlreichen Seegefechte und Kampfszenen liefern genau das, was man bei einem Buch wie diesem erwartet!
Hätte es der Autor mit seinen ausschweifenden Beschreibungen in diesen Bereichen belassen, hätte ich ihn für seinen Schreibstil sogar gelohnt, denn das ist ja gerade das, was ich lesen will, wenn ich zu so einem Buch greife.


Schließlich hat mir auch die Charakterisierung des Piraten Jack Bannister hier sehr gut gefallen. Bei historischer Fiktion, die sich um einen Menschen handelt, der tatsächlich gelebt hat, finde ich es immer interessant, wie der Stempel aussieht, den der Autor ihm aufdrückt. Natürlich muss man sich bei so etwas immer in Erinnerung rufen, dass nicht wenig davon auf die Interpretation des Autors von historischen Quellen und ggf. auch auf seine eigene Fantasie zurückzuführen ist. Hier schafft Lorne es, aus einer historischen Figur eine greifbare Person zu machen.

„Keine der Wachen und vor allem niemand von der ausgelassenen Gesellschaft, die nur ihren Vergnügungen frönte, ahnte, dass soeben ein Mann geboren worden war, vor dem bald die ganze bekannte Welt zittern sollte und der bereit war, selbst einem Königreich und dessen gefürchteter Flotte den Krieg zu erklären.“ (S. 310/624)

Zwar wusste ich im Vorfeld nicht allzu viel über Jack Bannister, sodass ich beim Lesen nicht beurteilen konnte, wie viel von dem Geschilderten sich tatsächlich so zugetragen haben könnte und was der Autor eventuell hinzugedichtet hat, aber die Art und Weise, wie er ihn dargestellt hat, seine Handlungen und Überzeugungen wirkten so realistisch, dass ich ihm geglaubt habe. In seinem Nachwort geht der Autor dann noch einmal darauf ein, was man tatsächlich über Jack Bannister weiß und was er sich ausgedacht hat. Man erfährt auch, wie es mit dem berüchtigten Piraten zuende ging, was aus anderen relevanten Figuren geworden ist und welche anderen Gegebenheiten Lorne zu diesem Roman inspiriert haben.
Insgesamt erweckt sein Werk so einen fundierten, gut recherchierten Eindruck, bei dessen Lesen man an viel Wissen dazu gewinnt und gleichzeitig unterhalten wird. Ich habe während dieser 600+ Seiten richtig Lust bekommen, noch viel mehr über Piraten zu lesen und zu erfahren und mir direkt eine Liste mit Titeln angelegt, die ich mir einmal näher ansehen möchte!


Fazit:
Wer wie ich Schifffahrt und Piraterie unglaublich spannend findet, kommt hier auf jeden Fall auf seine Kosten; auch die zahlreichen Seegefechte und Kampfszenen liefern genau das, was man bei einem Buch wie diesem erwartet!
Die Charakterisierung des Piraten Jack Bannister hat mir hier sehr gut gefallen, der Autor schafft es, aus einer historischen Figur eine greifbare Person zu machen.
Allerdings habe ich den Schreibstil als sehr anstrengend empfunden. Es wird viel wiederholt, der Autor holt sehr weit aus und viele Beschreibungen kann man in meinen Augen auch einfach streichen, ohne dass es dem Buch schaden würde. Das schmälert den Lesespaß dann doch wieder erheblich, sodass ich letztlich 1,5 Punkte abziehen muss und „Jack Bannister: Herr der Karibik“ nur denjenigen unter euch empfehlen kann, die eingefleischte Piratenfans sind und ein wenig Geduld mitbringen. Wer nur oberflächliches Interesse aufbringt, wird hiervon vermutlich schnell gelangweilt sein.
3,5/5 Lesehasen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.01.2023

Was passiert, wenn die Welt auf Träumer aufmerksam wird?

Wie der Falke fliegt
1

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Wie oft muss ich ...

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Wie oft muss ich eigentlich noch sagen, dass ich die Cover von Knaur einfach liebe? Zwar hat der Verlag hier, wie auch bei seiner Neuauflage des Raven Cycles die Originalcover von Scholastic weitestgehend übernommen, aber man kann ja trotzdem mal seiner Begeisterung Ausdruck verleihen!
Im Fokus steht ein Rabe mit einem roten Auge und Flügeln, die in die Baumkronen eines Nadelwaldes übergehen, vor einem rotgelben Hintergrund, der den Eindruck erweckt, der Wald würde brennen.
Der Rabe stellt ganz offensichtlich einen Bezug zu Ronan und Chainsaw her, was jeder sofort erkennt, der die Hauptreihe gelesen hat. Aber auch die Farbwahl des Hintergrunds, sowie dann natürlich auch der Wald und das Zusammenspiel aller Elemente bekommt eine Bedeutung, wenn man den Inhalt kennt. Das Gleiche gilt für den Titel, der optisch eher schlicht gehalten ist, durch die hellblaue Folierung aber trotzdem besonders hervorsticht. Es wird niemanden überraschen, wenn ich sage, dass ich die Aufmachung absolut gelungen finde.


Meine Meinung:
Den Raven Cycle habe ich geliebt, also war es glasklar, dass ich auch das Spin-off so bald wie möglich lesen würde!
Tatsächlich habe ich auch gar nicht allzu viel Konstruktives zu „Wie der Falke fliegt“ zu sagen, außer: Lest einfach die Hauptreihe rund um Blue und die Raven Boys und dann macht direkt mit dem Spin Off weiter!

So habe ich das nämlich auch gemacht, denn der Sogwirkung von Henrietta, Cabeswater, den Träumen und ihren Träumern konnte ich einfach nicht widerstehen. Anfangs war ich zugegebenermaßen ein wenig überrascht davon, dass sich „Wie der Falke fliegt“ in nicht wenigen Punkten von der Hauptreihe unterscheidet, und wenn ich wirklich ganz ehrlich bin, war ich für die ersten gut 50 Seiten ein weeeenig enttäuscht darüber, dass „Wie der Falke fliegt“ nicht in der gleichen Weise magisch ist wie der Raven Cycle. Das drückt sich vor allem in der „Offenheit“ dieser Welt aus, wobei ich hier mit Offenheit nicht Zugänglichkeit oder Aufgeschlossenheit meine, sondern, dass die Welt den Figuren hier buchstäblich mehr oder weniger offensteht, sie also im Großraum D. C. umherreisen und vor allem in den einzelnen Kapiteln immer in den Erzählperspektiven gewechselt wird.
Demgegenüber fand der Raven Cycle ausschließlich in Henrietta statt und es drehte sich alles um Blues kleinen Kosmos. Diese Abgeschiedenheit, die sich auf die Magie der Ley-Linie in Henrietta, Glendower und Cabeswater konzentriert, macht in meinen Augen einen wesentlichen Teil der Magie des Raven Cycles aus – zwar spielt die Reihe in unserer Welt nach unseren Regeln, aber gleichzeitig herrscht dort Traummagie und es ist nichts so, wie es scheint. Dabei hat die Autorin immer wieder auf besonders raffinierte Weise mit diesem Kontrast zwischen Wirklichkeit und Traum gespielt, was wiederum einerseits von ihrem besonderen, mystischen Schreibstil unterstützt wurde, andererseits auch irgendwie zu diesem beigetragen hat.

Aber ich wusste natürlich, dass „Wie der Falke fliegt“ der Auftakt einer neuen Reihe ist, und meine Enttäuschung nur daher herrührte, dass ich noch nicht so ganz mit dem Raven Cycle abgeschlossen hatte. Denn ich habe schnell gemerkt, dass die „Dreamer“-Trilogie zwar inhaltlich und auch erzählerisch erwachsener ist als die Hauptreihe, ihr aber dennoch die gleiche Magie innewohnt wie auch dem Raven Cycle – nur eben ein wenig gereifter, wie auch ihr Protagonist Ronan gewachsen und erwachsen geworden ist.


Ronan war schon im Raven Cycle eine meiner Lieblingsfiguren, nicht nur, weil er der Träumer ist, sondern auch, weil er mit seiner Backstory – dem toten Vater, der erträumten Mutter, dem schwierigen Verhältnis zu seinen Brüdern und natürlich auch zu sich selbst – so viel Potenzial dazu hat, eine facettenreiche, vielschichte, komplexe Figur zu werden, die man nur ins Herz schließen kann. Und dieses Potenzial nutzt Stiefvater hier gnadenlos und lässt ihn sich zu einer Figur entwickeln, die zwar ihre Schwächen hat, Ängste ausstehen muss und Fehler macht, die aber genau daran wächst, selbstbewusster und stärker wird, ohne ihren Charakter wesentlich zu verändern. Im Vergleich zu „Wen der Rabe ruft“ legt Ronan eine unglaublich starke Charakterentwicklung hin, während dieser er sich trotz allem treu bleibt, und das ist eine großartige Leistung der Autorin.
Noch dazu sind sein Zynismus und seine unverblümte, unbedingte Ehrlichkeit Charakterzüge, die in der Hauptreihe in vielen Situationen für Lacher bei mir gesorgt haben oder durch die er genau das ausgesprochen hat, was mir in dem Zeitpunkt beim Lesen auch durch den Kopf gegangen ist, und diese Momente findet man auch hier.

Altbekannte Figuren, allen voran natürlich Ronans Brüder, aber auch Adam und hin und wieder sogar Gansey und Blue tauchen immer mal wieder auf, wobei letztere nur in Form von Telefonaten oder Textnachrichten. Das sowie Hinweise auf die Geschehnisse des Raven Cycles stellt den Zusammenhang zur Hauptreihe her, da aber kein Vorwissen daraus vorausgesetzt wird, kann man „Wie der Falke fliegt“ auch gut lesen, ohne den Raven Cycle vorher gelesen zu haben. Das würde ich natürlich nicht empfehlen, weil die Bücher unglaublich toll sind (sie zählen zu meinen Jahreshighlights 2022) und euch so die Freude über diese Cameos entgeht, aber inhaltlich würde man nicht viel verlieren.
Adam taucht hier sogar ab und zu persönlich auf und es ist schön zu sehen, was aus ihm geworden ist, aber abgesehen davon, dass er Ronans Freund ist, ist er (noch ?) nicht relevant für die Story, was nur wieder unterstreicht, dass Stiefvater mit diesem Spin-Off-Auftakt eine neue Reihe startet.


Ronans Brüder, Declan und Matthew, die im Raven Cycle nur am Rande aufgetaucht sind, zählen hier allerdings zu den Protagonisten. Der erste Satz des Buches lautet „Das hier wird eine Geschichte über die Lynch-Brüder“, und diesen Satz kann man ernst nehmen. Auf ihre ganz eigene Art stellt Stiefvater immer wieder die Unterschiede der Brüder heraus – Ronan ist der Träumer, Matthew der Traum, Declan der Mensch –, wobei gleichzeitig jedes Mal deutlich wird, wie viel die drei verbindet und was sie alles gemeinsam haben.
Dabei lernt man vor allem Declan sehr gut kennen und erkennt, dass sein steifes, strenges Auftreten, das man bereits aus dem Raven Cycle kennt und das ihn nur allzu unsympathisch gemacht hat, doch von etwas Tieferem herrührt. Ähnlich wie bei Ronan schafft es Stiefvater auch ihm, einen noch tieferen Charakter zu geben, ohne dabei sein Wesen zu verändern. Man kann sich lediglich besser in ihn hineinversetzen und seine Beweggründe viel besser nachvollziehen.

Jeder von ihnen geht seinen eigenen Problemen nach, und während es anfangs noch so scheint, als könnte keines davon mit den jeweils anderen zusammenhängen, wird im Laufe der Handlung doch immer deutlicher, dass das Schicksal der drei sie miteinander – auch durch die Machenschaften ihres Vaters – untrennbar verbindet. Wie es die Art der Autorin ist, merkt man das aber nicht sofort beim Lesen, stattdessen wird es einem subtil immer bewusster, bis es einem wie Schuppen von den Augen fällt und man sich fragt, wieso es einem nicht gleich aufgefallen ist.
Auf diese Weise verfährt sie mit allen Aspekten ihres Romans und die Fäden, die anfangs überhaupt nicht zusammen zu passen scheinen, laufen schließlich auf logischste Art zusammen.
Vor allem den Handlungsstrang rund um Hennessey und ihre Kopien habe ich anfangs überhaupt nicht verstanden, aber da ich den Stil von Stiefvater ja nun kenne und mittlerweile weiß, dass man zu Beginn eines ihrer Bücher erstmal keinen Überblick hat, habe ich mich darauf eingelassen und wurde natürlich nicht enttäuscht.


Sowohl mit Hennessey selbst und Jordan als auch mit Farooq-Lane und den Visionären, die hiermit schon ein gutes Fundament erhalten haben, über die ich allesamt aber noch so viel mehr erfahren möchte, wählt Stiefvater einen Weg, mit dem ich zu Beginn dieses Buches niemals gerechnet hätte, der aber ihre Welt der Träumer und Träume nur logisch ausbaut und weiterführt. Um den Kreis zu oben zu schließen: Während es im Raven Cycle nur um Henrietta, um Blue, Gansey, Ronan und Adam ging, richtet Stiefvater hier den Blick ein wenig nach außen und stellt die konsequente Frage: Gibt es noch mehr Menschen wie Ronan? Was bedeutet das für den Rest der Welt und wie reagiert dieser, wenn es von den Träumern und ihren Fähigkeiten erfährt?

Mit diesem Buch bekommt das Universum um die Raven Boys also einen Hauch von Geheimbund-/ Spionage-/ Mafia-Thriller, ohne an seiner ganz eigentümlichen Magie zu verlieren. Die meiste Zeit über liest man dabei mit einem riesigen Fragezeichen über dem Kopf und es sind auch längst nicht alle Fragen geklärt. So wie ich Stiefvater jetzt aber kennengelernt habe, wird sich das auch bis zum Ende der Trilogie nicht ändern. Ich freue mich riesig auf die Fortsetzungen!


Fazit:
Anfangs war ich ein wenig überrascht davon, dass sich „Wie der Falke fliegt“ in nicht wenigen Punkten von der Hauptreihe unterscheidet, aber natürlich ist „Wie der Falke fliegt“ der Auftakt einer neuen Reihe, die noch dazu inhaltlich und auch erzählerisch erwachsener ist als die Hauptreihe, insofern macht das alles Sinn.
Nichtsdestotrotz kann also auch der Spin-off-Auftakt wieder mit einem besonderen Schreibstil, einem unfassbar vielschichtigen, komplexen Magiesystem, einem spannenden Abenteuer, das nach dem Ende noch viele Fragen aufwirft, und nicht zuletzt mit tollen Figuren überzeugen!
4,5/5 Lesehasen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.01.2023

Selten so ein ausgeklügeltes Magiesystem erlebt!

Der Hexenzirkel Ihrer Majestät. Das begabte Kind
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Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Ich liebe das Cover ...

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Ich liebe das Cover und die Liebe zum Detail! Auf den ersten Blick fällt hier der goldfolierte Reihentitel im Zentrum und der Untertitel am unteren Bildrand auf. Wenn man sich das Cover dann genauer ansieht, erkennt man, dass die hellblauen Schnörkeleien auf dem dunkelblauen Hintergrund um den Titel herum nicht bloß Schnörkeleien sind, sondern man findet ein Symbol, das stark an ein Auge erinnert und das auch an jedem Kapitelanfang wieder auftaucht, man findet Monde, Schlangen und eine Sonne – alles „witchy“ Symbole, die damit hervorragend zum Buch passen.


Meine Meinung:
Ein Buch über moderne Hexen in London? War klar, dass ich das lesen würde, hehe. Und es hat Erwartungen vollkommen erfüllt!

Zwar fiel mir der Einstieg ein wenig schwer, allerdings kann ich das gar nicht wirklich an einem bestimmten Aspekt im Buch festmachen. Vermutlich liegt es viel daran, dass ich das Buch im Anschluss an ein Jahreshighlight („The Seven Husbands of Evelyn Hugo“) gelesen habe, das nicht nur aus einem völlig anderen Genre stammt, sondern auch ganz anders geschrieben war.
Unabhängig davon kann ich mir aber vorstellen, dass es auch ein bisschen damit zu tun hatte, dass man hier an einem Punkt in die Geschichte einsteigt, zu dem in ihrer Welt bereits einiges passiert ist: Die Protagonistinnen haben vor wenigen Jahren in einem großen Hexen-Bürgerkrieg gekämpft und nur knapp gewonnen und haben jetzt immer noch an den Auswirkungen zu knabbern. Als Leser kennt man diese Vorgeschichte natürlich zunächst nicht, erst nach und nach wird enthüllt, was in der Vergangenheit passiert ist, wer beteiligt war und was genau die Protagonistinnen währenddessen durchgemacht haben. Das alles ist ein Teil der Geschichte des Auftakts von „Der Hexenzirkel Ihrer Majestät“, da die Vergangenheit natürlich immer noch die Leben der vier Frauen beeinflusst. Insofern ist es also nicht nur logisch und macht durchaus Sinn, dass sich die Autorin dafür entschieden hat, den Leser anfangs im Ungewissen zu lassen, sondern es trägt auch wesentlich zur Spannung bei.
Nichtsdestotrotz muss man sich erstmal darauf einlassen und daran gewöhnen, und das dauert eben seine 50-100 Seiten.


Der Punkt, ab dem mich der Hexenzirkel dann völlig von sich überzeugen konnte, ist der, an dem ich gemerkt habe, wie unfassbar genial, detailliert und grandios ausgearbeitet das Magiesystem ist. Das fällt einem nicht sofort auf, sondern wird einem erst nach und nach bewusst, wenn die verschiedenen Magiearten, die Stärken und vor allem Schwächen der Hexen sowie die Auswirkungen, die ihre eigene Magie und die der anderen auf sie hat, deutlich werden. Dabei webt die Autorin diese Informationen so geschickt in die Handlung ein, dass einem zunächst gar nicht bewusst wird, dass sie dem Leser gerade das Magiesystem erklärt – genau das ist das, was für mich ein guter Schreibstil ausmacht: Show, don´t tell!

„Jede Hexe musste auf die harte Tour lernen, dass ihre Gabe einen riesigen Haken hatte: Orakel lebten außerhalb der Zeit. Für Elementarinnen hielt jeder traurige Tag Regen bereit. Heilerinnen wurden unausweichlich mit Krankheit und Tod konfrontiert. Und Feinfühlerinnen hörten Dinge, die sie lieber nicht hören würden. Keine Gabe funktionierte wie ein Wasserhahn, der sich nach Belieben auf- und zudrehen ließ.“ (S. 327/473)

Ich habe schon viele Hexengeschichten gelesen, aber nur wenige haben es geschafft, die Magie so natürlich und authentisch wirken zu lassen, wie diese hier. Man glaubt Juno Dawson ohne Zweifel, dass es auf der Welt eine magische Parallelgesellschaft gibt, die wir „Profanen“ (die Menschen ohne Magiebegabung) aufgrund zahlreicher Glamour und Verschleierungszauber nicht wahrnehmen können.


Der zweite Aspekt, aufgrund dessen „Der Hexenzirkel Ihrer Majestät“ mich von sich überzeugen konnte, sind die vier wahnsinnig vielschichtigen Protagonistinnen und die ebenso interessanten Nebenfiguren, von denen keine einfach nur „gut“ oder „böse“ ist. Stattdessen folgt jede Figur einfach nur den eigenen Überzeugungen, die dem Leser so plausibel gemacht werden, dass er sich mit Leichtigkeit in jede Figur hineinversetzen kann und versteht, weshalb die Figur sich so entwickelt, wie sie es eben tut. Selbst Helenas Handlungen, die ganz offensichtlich fehlgeleitet ist, auch wenn ihre Motivation, vor allem ihre Tochter, aber auch die anderen Hexen vor dem Tod zu bewahren, ehrenhaft ist, kann man zu einem gewissen Grad nachvollziehen, auch wenn man sie nicht gutheißt. Aber man versteht, weshalb sie handelt, wie sie handelt, und woher ihre Überzeugungen rühren. Vor allem sie ist deshalb ein hervorragendes Beispiel dafür, dass Dawson ihre Figuren kennt und versteht und ihnen den Raum zur Entwicklung gibt, den sie brauchen, um zu greifbaren, lebensnahen Protagonisten zu werden.
Aber auch die anderen drei Hauptfiguren verfolgt man unglaublich gerne, wobei jede einzelne von ihnen sich grundlegend von den anderen dreien unterscheidet. Zwar hatte ich mit Niamh eine eindeutige Favoritin, da die meisten Kapitel aus ihrer Sicht geschrieben sind und der Leser somit leichter eine Bindung zu ihr aufbauen kann als zu den anderen dreien, aber ich konnte mich in jede Hexe gleichermaßen gut hineinversetzen. Das zeigt also, dass Dawson nicht nur ihr Worldbuilding beherrscht, sondern auch weiß, wie sie überzeugende Figuren schafft!


Zuletzt spricht die Autorin sensible und wichtige Themen wie Feminismus und Transsexualität quasi nebenbei, aber dafür nicht weniger lautstark und mit der erforderlichen Eindringlichkeit und Emotionalität an. Sie schneidet politische Diskussionen an, teilt dem Leser ihre eigene Meinung mit und gibt Betroffenen gleichzeitig eine Stimme, die jeder hören kann, der sich diesem Buch widmet.
Allzu viel möchte ich hierzu an dieser Stelle nicht sagen, da es doch ein wenig zu sehr spoilern würde, lasst euch hier einfach selbst überzeugen!
In diesem Zusammenhang finde ich übrigens die kleine Transflagge auf dem Buchrücken ein sehr schönes Detail in der Buchgestaltung!


Das Ende ist allerdings richtig BÖSE??????? Was soll denn das?????? Selbst wenn mich der Rest des Buches nicht so sehr begeistert hätte, wie es der Fall ist, hätte ich nach diesem letzten Satz keine andere Wahl gehabt, als die Fortsetzung zu lesen. Her damit!!!!


Fazit:
Zum Einstieg braucht man ein wenig, um in die Geschichte zu finden, weshalb es einen halben Punkt Abzug gibt. Ansonsten kann „Das begabte Kind“ nur überzeugen!
Vor allem das geniale, bis ins letzte Detail ausgeklügelte, geniale, authentische Magiesystem hat mich begeistert, aber auch die vier wahnsinnig vielschichtigen Protagonistinnen und ebenso interessanten Nebenfiguren, von denen keine nur „gut“ oder „böse“ ist, sondern jede einfach nur ihren eigenen Überzeugungen folgt, konnten mich begeistern.
Als i-Tüpfelchen spricht die Autorin wichtige Themen wie Feminismus, Transsexualität und Akzeptanz auf sensible, emotionale und vor allem lautstarke Weise praktisch nebenbei an.
Das Ende ist aber sehr böööööööööööse.
4,5/5 Lesehasen.

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