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Veröffentlicht am 06.06.2022

Optisch ein Hingucker, inhaltlich sehr persönlich und emotional

Zu Mensch
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Vielen lieben Dank an den Antje Kunstmann-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Vorab: Normalerweise fließt ...

Vielen lieben Dank an den Antje Kunstmann-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Vorab: Normalerweise fließt die Aufmachung eines Buches ja nicht in meine Bewertung mit ein, weil sie im Regelfall vom Verlag stammt und nur wenig zum Inhalt beiträgt. Hier ist es allerdings so, dass „Zu Mensch“ von der Aufmachung wesentlich mitgetragen wird, daher wirkt sie sich ausnahmsweise auf meine Endbewertung aus.

Das ist aber auch gut so, denn das Buch ist ein richtiger Hingucker! Nicht nur, dass die Gestaltung an sich durch das große Format, den Kunststoffeinband und den bunten Druck (und natürlich das Lesebändchen) schon sehr hochwertig ist und alleine deshalb den Preis von 30 € bereits rechtfertigt.
Vor allem aber unterstützen und ergänzen die Illustrationen und Skizzen das Lesen, und sorgen dafür, dass man auch abseits vom Inhalt bereits viel Spaß daran hat, durch das Buch zu blättern!
So findet man hier bspw. viele kleinere Skizzen, die etwa Bühnenbilder wie den Eisbären oder Szenen darstellen, über die Weitholz erzählt, oder einfach nur kleine Doodles sind, die die Seite etwas auflockern.
Darüber hinaus findet man hier auch einige Abbildungen handgeschriebener Songtexte von Herbert Grönemeyer sowie viele größere Illustrationen, die eine ganze Seite oder eine Doppelseite einnehmen, oder die als Hintergrund für den Text dienen, und die die Stimmung der jeweiligen Situation einfangen und sie auf den Betrachter übertragen.

Die Aufmachung des Buches lädt dazu ein, es länger zu betrachten und auf sich wirken zu lassen. Auf diese Art und Weise unterstützt es den Text und erleichtert es der Autorin, beim Leser die Gefühle auszulösen, die sie transportieren möchte. Es lohnt sich also definitiv, 30 € für die Printausgabe auszugeben!


Inhalt:

Aber auch unabhängig von den Illustrationen gelingt es Weitholz ganz wunderbar, die Emotionen einzufangen, die während der Entstehung des Albums „Mensch“ augenscheinlich vorherrschend waren.

„2021 sagt er: ‚Musik ist mein Zuhause. Sie ist mein Hochsicherheitstrakt, mein Geheimnis, das mich überallhin begleitet und das mir keiner nehmen kann. Wenn man Musik macht, wenn man schreibt, dann trägt man sich in eine Welt, auf die man sich verlassen kann. […].‘“ (S. 29)

Als Textdramaturgin war sie vor 20 Jahren dabei und kann daher aus erster Hand von den Schwierigkeiten und Durchbrüchen erzählen, denen sich Herbert und sein Team stellen mussten. Weitholz erhält dabei aber auch Unterstützung von Freunden, Bandmitgliedern, anderen Mitwirkenden und Herbert selbst, die sie mit Zitaten über das ganze Buch verteilt immer wieder zu Wort kommen lässt.
Dadurch fühlt es sich für den Leser an, als sei er selbst mit dabei gewesen; die Erinnerungen Weitholz‘ und aller anderen werden darüber fast schon zu eigenen Erinnerungen. Ich persönlich war bei Erscheinen des Albums 2002 mit drei Jahren zwar noch zu jung, um tatsächlich irgendetwas mitbekommen, geschweige denn eigene Erinnerungen zu haben, aber durch Weitholz´ sehr persönlichen Schreibstil, der zwischendurch fast schon an ein Tagebuch erinnert, verschiedene Anekdoten ihrerseits, von Herbert oder anderen, die Zitate, mit denen sich alle Beteiligten der Entstehung des Albums entsinnen, habe ich hin und wieder durchaus vergessen, dass ich nicht selbst dabei war und mich eigentlich gar nicht erinnern kann.

Sie schafft es also nicht nur, dass man der Erzählung super folgen kann und sich von den Emotionen, der Trauer, dem Spaß mitreißen lässt, und teilweise fast zu Tränen gerührt ist.
Sie schafft es auch, die Persönlichkeit und Verbundenheit, die sie mit Herbert und den Mitwirkenden teilt, zu transportieren, wodurch alle Beteiligten auch dem Leser vertraut und vor allem sehr nahbar und greifbar werden.
Dadurch wird das Buch zu etwas Besonderem. Man denkt beim Lesen gerne an die Musik von Grönemeyer, was sie einem bedeutet oder womit man sie verbindet. Man erinnert sich an vergangene Konzerte, kann das Erlebnis, das ein Konzertbesuch bei Herbert Grönemeyer ist, und von dem hier berichtet wird, nachempfinden, oder sehnt es herbei (mit diesem Buch ist es auch nicht mehr ganz so schade, dass die Jubiläumstour zum Album leider ausgefallen ist).

Zuletzt lernt man quasi als Kirsche auf dem Sahnehäubchen nebenbei einiges über Musik (-theorie) sowie die Entstehung eines Musikalbums, die Planung und Durchführung einer Konzertreihe, wer alles dahintersteht und was alles daran hängt. So ist „Zu Mensch“ also vielleicht nicht nur für Herbert-Fans sondern für alle Musikbegeisterte interessant.


Fazit:
Nicht nur die Aufmachung ist absolut traumhaft, auch der Inhalt ist interessant, spannend, lustig und emotional; dabei kommt man durch die Erzählung Weitholz‘ Herbert und seiner Crew sehr nahe. Große Empfehlung für alle, die Herberts Musik mögen, aber auch für jeden, der gerne mal erfahren möchte, wie so ein Album entsteht.
5/5 Lesehasen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.05.2022

Das war nicht gut lol (0 Sterne)

Heartless Dynasty - Der Erbe
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Vielen lieben Dank an den Lyx-Verlag und die #bloggerjury für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Also, wie ihr vielleicht ...

Vielen lieben Dank an den Lyx-Verlag und die #bloggerjury für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Also, wie ihr vielleicht wisst, bin ich ja kein Fan von Personen auf dem Cover, und dieses hier ist auch das perfekte Beispiel dafür, warum das so ist: Der Blick des Herrn ist soooo unangenehm! xD
Ich bin froh, dass das Buch nur als ebook erhältlich ist, insofern ist das ja nicht weniger schlimm – zumal bei dem Cover auch irgendwie sofort klar ist, dass es sich hier um Adult Romance handelt (auch wenn der Gute angezogen ist – immerhin das!).
Gut gefällt mir allerdings der dunkelrote Hintergrund und die goldenen Schnörkeleien am Rand. Das gibt dem Cover etwas Royales, was ja durchaus zur De Loughrey-Dynastie passt.


Meine Meinung:
Uff. Wo fange ich nur an? Vielleicht mit dem Offensichtlichen: w t f ?!
Das Buch ist schlecht. Keine Leseempfehlung.

Ich habe mich nach Beenden bereits in meiner Instagramstory über all die Gründe ausgelassen, aus denen ihr dem Buch möglichst fernbleiben solltet, dabei fing es gar nicht mal soooo schlecht an.
Gut, der Prolog besteht quasi nur aus einer seitenlangen Sexszene, die noch dazu nicht mal gut und ohne jegliche Emotionalität, Sexiness oder Spannung geschrieben ist und in der eigentlich nur auf alle erdenklichen Weisen geschrieben wird, dass Atticus Ophelia nimmt (nicht wie, dazu gleich noch mehr). Das fand ich schon sehr cringe und etwas bedenklich, eigentlich hätte mir da bereits ein Licht aufgehen müssen.
Allerdings bin ich von vornherein nicht mit sonderlich hohen Erwartungen ans Buch gegangen – ich wollte nur ein bisschen Smut und hätte dafür sogar auf Plot oder Charakterentwicklung verzichtet. Also hatte ich nach diesem seltsamen Prolog noch die Hoffnung, dass meine fast schon unterirdisch niedrigen Erwartungen an „Heartless Dynasty“ noch erfüllt würden.

Tja. Zum einen: Das war die einzige Sexszene im Buch, wenn man mal von einer höchst bedenklichen Situation, die eigentlich keine Sexszene ist, (auch dazu gleich noch mehr) absieht. Also selbst meine einzige, in dem Genre eigentlich wirklich nicht so schwer erfüllbare Erwartung wird hier enttäuscht!
Zum anderen ist der Rest des Buches nicht einfach nur schlecht geschrieben, sondern auch inhaltlich echt nicht gut.


Fangen wir aber mal mit dem Harmlosesten an: dem Schreibstil der Autorin. Ich selbst schreibe keine Geschichten, aber durch die unzähligen Bücher, die ich bereits gelesen habe, sowie Autorentipps-Posts auf Instagram, die ich mir gerne mal durchlese, weiß selbst ich von einer goldenen Regel, die Geschichten um so viel besser machen, wenn man sie einhält, weil der Leser das Geschriebene dann viel leichter nachempfinden kann: Show, don’t tell – also dass man nicht darüber schreiben soll, dass etwas passiert oder eine Figur so ist, sondern beschreiben soll, wie es dazu gekommen ist, wie die Figur sich fühlt, wie andere sie wahrnehmen etc. Das gibt dem Geschehen und den Figuren viel mehr Tiefe und Greifbarkeit, man kann sich als Leser leichter fallenlassen und das wiederum sorgt dafür, dass man beim Lesen vergisst, dass man liest.

Und genau das macht die Autorin nicht.
Sie sagt, dass Atticus der heißeste, begehrteste Junggeselle der Stadt ist, sie sagt, dass er sexy ist usw. Er gibt aber keinen Anlass dafür, dass man der Autorin auch glaubt, dass er wirklich so sexy ist! Im gleichen Stil beschreibt sie auch die Sexszene im Prolog, ohne jegliches Gespür für Sinnlichkeit; trotz der ersten Person kommt man sich dadurch als Leser dabei vor wie ein gruseliger Voyeur, der das Geschehen von oben beobachtet. Show, don’t tell beherrscht Lynn nicht.

Darüber hinaus hätte sie sich bestimmt gut 200 Seiten sparen können (was bei einem 350 Seiten-langem Buch über den restlichen Inhalt auch viel aussagt), wenn sie nicht in gefühlt jedem zweiten Satz gesagt hätte, dass Atticus so heiß und sexy und begehrt ist.
Genauso oft betonen Atticus und Ophelia im Übrigen, dass Ophelia ja ✨ nicht wie alle anderen ✨ ist – warum mich dieser Satz jedes Mal hart genervt hat, müssen wir hier wohl auch nicht weiter ausführen –, und alle möglichen Vorgänge, Gedanken oder Handlungen der Protagonisten beschreibt sie in einem Absatz in gefühlt 467 verschiedenen Formulierungen. Hier ein Beispiel:

„Ich hatte nichts versprochen, hatte meine Gefühle nicht offengelegt, obwohl sie da waren – knospend und neu. Ich würde es nicht wagen, sie ihr zu offenbaren, aber ich konnte nicht leugnen, dass sie vorhanden waren. Ich wollte mehr von ihr, hielt diesen Wunsch aber im Zaum.“ (S. 182/240 im ebook)

Okay, also er findet sie toll, will ihr das aber nicht sagen, und das muss er ganze drei Mal betonen. Das habe ich aber auch schon beim ersten Mal verstanden.
Über solche Stellen bin ich beim Lesen häufiger gestolpert, und während es nach einem oder vielleicht auch nach zwei Malen vielleicht noch durchs Lektorat gerutscht sein könnte, zeugt das bei der Häufigkeit, mit der diese Passagen hier auftreten, von einem schlechten, übertrieben pathetischen Schreibstil, dem ich nichts abgewinnen kann.

So viel also zum bloß nervigen Teil des Buches.


Was mich aber fast schon wütend gemacht hat, ist die Art, wie die Autorin mit der Toxizität der Beziehung zwischen Ophelia und Atticus umgeht, und der Reproduktion von Misogynie.


Zum einen sind alle Frauen neben Ophelia in dieser Geschichte Feindbilder und Konkurrenz für sie, selbst Atticus‘ lesbische Sekretärin, die aus offensichtlichen Gründen ja nun wirklich kein Interesse an Atticus hat (gut für sie) – das weiß Ophelia zwar nicht, aber warum empfindet es die Autorin dann als notwendig, die Sekretärin zu einem solchen Feindbild zu machen?
Es dreht sich ausnahmslos alles um Atticus und seine Sexiness; ständig wird über ihn geredet, getuschelt oder Ophelia dafür niedergemacht, dass sie es (als arme Frau) geschafft hat, den super sexy, reichen Atticus zu heiraten. Keine einzige weibliche Frau in diesem Buch hat darüber hinaus einen weiterreichenden Zweck (weshalb ich auch den Namen der Sekretärin sowie aller anderen weiblichen Figuren vergessen habe).

Ophelia hat im Übrigen auch keine einzige richtige Frauenfreundschaft (oder überhaupt Freundschaften). Allerdings ist Ophelia ja auch ✨ nicht wie alle anderen ✨, sie könnte vermutlich also sowieso nichts mit den typischen girls anfangen.
Man sollte meinen, „Heartless Dynasty“ sei von einem alten, weißen Mann, der normalerweise Drehbücher für US-amerikanische Actionfilme mit einem weißen, männlichen, super sexy Helden und einer Jungfrau in Nöten, die er rettet und später heiratet, und die ihm dann Kinder gebärt (was im Übrigen auch Ophelias Zweck ist), schreibt, so viel Sexismus findet man hier auf den 350 Seiten.


Zum anderen ist Atticus ein gigantischer, frauenfeindlicher Arsch. Und Ophelia hat entweder Entschuldigungen für sein asoziales Verhalten, oder sie findet es doch gar nicht so schlimm, denn so ist er halt, hihihi.
Meine Güte. Ich weiß gar nicht, wie ich euch meine Fassungslosigkeit über die überromantisierende Art, wie die Autorin die Toxizität in ihrem Buch übergeht, begreiflich machen soll!
Grundsätzlich, das sage ich immer wieder, können toxisches Verhalten oder toxische Beziehungen in Büchern sehr unterhaltsam sein, vor allem in einem (quasi-) royalen Setting wie diesem hier mit einer reichen Familie, die viel mehr Macht besitzt als sie sollte, und diese auch gut und gerne missbraucht – siehe L. J. Shen. Auch „Heartless Dynasty“ hätte eine schön trashige, verdrehte und schmutzige Cinderella-Story sein können, wenn die Autorin nicht jedes Mal Entschuldigungen für übergriffiges Verhalten seitens Atticus gefunden hätte. Wirklich jedes. Verdammte. Mal.

Der Typ ist einfach extrem besitzergreifend, herrisch und kommandiert Ophelia ausnahmslos herum. So hat er bspw. über ihren Kopf hinweg einfach ihren Job gekündigt, weil sie als seine Frau ja jetzt nicht mehr arbeiten muss, er ist schließlich super reich und super sexy. Ob sie vielleicht arbeiten will, spielt für ihn keine Rolle.
Er befiehlt ihr, ihre Frisur und ihren kompletten Kleidungsstil zu ändern, weil sie als seine Frau für ihn nicht reich genug aussieht, schließlich muss sie als sein Accessoire zu ihm und seiner Sexiness passen. Hier mal zwei kleine Zitate an dieser Stelle:

„‚Wir müssen dir morgen neue Kleider besorgen. Ich kann nicht zulassen, dass meine Verlobte so Pennerin herumläuft‘“ (S. 121/240 im ebook)

„‚Ich kenne außerdem deine Kreditkartenabrechnung, weiß um deine wachsenden Schulden und sehe, dass du dringend einen guten Haarschnitt brauchst und nicht den Fünf-Dollar-Topfschnitt, den du gegenwärtig zur Schau stellst.‘ […] ‚Und da wir schon mal beim Thema Haare sind, du wirst sie dir, sobald wir jemanden damit beauftragt haben, diesen übertrieben maskulinen Schnitt geziemend zu korrigieren, wachsen lassen‘“ (S. 122f./240 im ebook)

Ich lüge nicht! Das hat er wirklich 1:1 zu Ophelia gesagt! Er hat sie ganz ernsthaft einfach zu arm und zu hässlich genannt, um würdevoll an seiner Seite zu stehen, und ihr darüber hinaus einfach einen Teil ihrer Identität (denn Kleidung und Haarschnitt sind ja nunmal Ausdruck der Identität) abgesprochen. Auf die vielen anderen Punkte, die mir allein im zweiten Zitat sauer aufstoßen, gehe ich einfach mal nicht weiter ein, ihr könnt es euch sicherlich denken.

Hinzu kommt, dass er ihr auch noch verbietet, das Haus ohne einen Bodyguard zu verlassen. Hallo? Das grenzt an Freiheitsentzug?

Und ihre Reaktion auf all das? Sie schimpft ein bisschen mit ihm, woraufhin er seine Sexiness und seine Macht und seinen Reichtum spielen lässt und böse wird. Dann lässt sie das Thema sofort fallen und wehrt sich nicht gegen seine Befehle. Er behandelt sie wie einen Gegenstand oder einen Hund, und sie lässt es mit sich machen. Denn so ist er halt. Er will sie ja ✨nur beschützen✨, von daher ist es okay.

Versteht ihr mein Problem??????? Sie lehnt sich ein kleines bisschen gegen ihn auf, vollführt dann aber beim kleinsten Anzeichen von Gegenwind seitens Atticus‘ eine 180°-Wende; es scheint fast, als sollte ihr Pseudo-Protest das Alibi für Atticus‘ unmögliches, sexistisches, übergriffiges Verhalten sein, denn wenn sie sich dagegen wehrt, dann sind sie ja ebenbürtig, oder? Dass aber genau das gerade nicht der Fall ist, wird immer wieder nur allzu überdeutlich! Sie versucht nicht einmal, standhaft zu bleiben. Es ist aber auf der anderen Seite auch nicht so, als sei sie sich des Machtgefälles bewusst, oder als sollte der Leser darauf hingewiesen werden, dass dem so ist, da sie für sein Verhalten immer wieder Entschuldigungen findet.
Sie bedankt sich bei ihm stattdessen sogar für ganz grundlegenden Anstand, mit dem er ihr eigentlich alleine deshalb schon begegnen sollte, weil sie ein Mensch ist!!! Das sagt sie ihm sogar fast wörtlich:

„‚Ich danke dir.‘
‚Wofür?‘
‚Dafür, dass du es mir erklärt und mich nicht von oben herab behandelt hast.‘“ (S. 144/240 im ebook)

Ich bin ja schon eine Verfechterin für Höflichkeit und man kann sich ruhig hin und wieder für ein paar Nettigkeiten des Gegenübers bedanken, aber man bedankt sich nicht für das Mindestmaß an Respekt, mit dem man allein aus dem Grund, dass man selbst ein Mensch ist, verdient hat, dass andere Menschen einem begegnen! Es liegt in der Würde eines jeden Menschen, mit Respekt behandelt zu werden, und dass es hier so dargestellt wird, als sei Atticus ein Ritter in weißer Rüstung, wenn er sie ihrem naturgegebenen Recht gemäß behandelt, ist einfach falsch, und das wird hier nicht deutlich!


Den Höhepunkt erreicht die ganze Toxizität, als er neben der schlafenden Ophelia liegt, sich nicht im Griff hat, und sich noch während sie schläft auf sie legt und sich zwischen ihre Beine schiebt! Als sie davon wach wird, sagt er Folgendes:

„‚Du wirst mir nachgeben, und verdammt, du wirst es genau jetzt tun‘ […] ‚Gib nach, Ophelia. Ich weiß, dass du es genauso sehr willst wie ich.‘“ (S. 183/240 im ebook).

Während sie schläft, kann sie offensichtlich keinen Consent geben, und sobald sie dazu fähig wäre, drängt er sich ihr auf und gibt ihr gar keine Chance, sich zu weigern! Das ist (versuchte) Vergewaltigung, ffs.
Ophelias Reaktion? Sie tritt ihm zwar zwischen die Beine – das fand ich zuerst gut –, ein paar Seiten später findet sie das dann aber doch ganz heiß. Da war ich dann doch wieder fassungslos und habe mich verarscht gefühlt. Was ist das bitte für eine Aussage!?


Ganz abgesehen davon, dass also Atticus‘ falsches Verhalten jedes Mal relativiert und meistens sogar romantisiert wird (er ist schließlich super sexy), bekommt Ophelia durch ihr ständiges Hin und Her auch einen völlig inkonsistenten Charakter. Sie findet sein Verhalten eigentlich doof, aber dann doch gut. Was denn jetzt? Wieso ändert sie jedes Mal so schnell wieder ihre Meinung? So kann ich ihre Pseudo-Abwehr gar nicht ernstnehmen.
Gekrönt wird das dann vom Ende, als etwas passiert, dass dafür sorgt, dass sie Hals über Kopf wegläuft. Warum so plötzlich? Warum ausgerechnet erst dann? Warum nicht schon vorher, was hat sich jetzt geändert? Das habe ich wirklich nicht verstanden.


Ich habe jetzt gerade viel zu schlechte Laune, da ich schon wieder viel zu viel über dieses Buch nachdenke, also will ich meinen Rant mit wenigen Worten zum Plot abschließen:
Gibt’s nicht. Es gibt keinen Plot, es passiert einfach nix. Zugegeben, das habe ich auch eigentlich nicht anders erwartet, wie ich eingangs ja schon geschrieben hatte. Aber dafür, dass es dann auch keine einzige weitere Sexszene gibt, finde ich die Tatsache, dass Atticus (neben den Verboten, die er gegenüber Ophelia ausspricht) über 350 Seiten erklärt, dass seine Familie mindestens so anstrengend ist wie er sexy, ohne dass man jemals Einblicke in seine Arbeit oder seine Familie bekommt, doch schon sehr mager.
Hier wären wir, um den Kreis zu schließen, auch wieder beim Thema Show, don’t tell: Die Autorin sagt die ganze Zeit, dass es eben so ist, aber warum Atticus solche Schwierigkeiten hat, seine Familie zu kontrollieren (komisch eigentlich, bei Ophelia fällt es ihm doch so leicht), weiß ich bis heute nicht.
Auf der anderen Seite macht er ja auch nix außer sexy aussehen, also vielleicht liegt’s daran.


Fazit:
Das war nicht gut.
Habe noch nicht mal viel erwartet, wollte eigentlich nur ein bisschen Smut. Aber selbst die einzige Sexszene in diesem Buch war cringe. Darüber hinaus ist Atticus einfach nur ein Idiot, Ophelia findet ständig Entschuldigungen für sein übergriffiges, sexistisches und schlicht unmögliches Verhalten und ist darüber hinaus auch noch dankbar dafür, wenn er sie ausnahmsweise mal nicht von oben herab oder wie einen Gegenstand behandelt. Ich habe nicht per se was gegen toxische Geschichten, aber wenn das Ganze wie hier romantisiert oder entschuldigt wird, habe ich daran keinen Spaß 🤷🏻‍♀️
Darüber hinaus hätte sich die Autorin sicherlich gut 200 Seiten sparen können, wenn sie nicht ständig alles hundertmal wiederholt hätte.
Auf allen Plattformen, auf denen ich einen Stern geben muss, bekommt dieses Buch diesen einen Stern, aber eigentlich hat’s halt nix verdient.
0/5 Lesehasen, lasst es einfach sein.

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Veröffentlicht am 29.05.2022

Ein sommerliches Wohlfühlbuch!!!

A Place to Love
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Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Wie wir es vom Knaur-Verlag gewöhnt sind, ...

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Wie wir es vom Knaur-Verlag gewöhnt sind, ist nicht nur das Cover wunderschön, auch die Gestaltung der Innenklappen und Kapitelüberschriften kann überzeugen!
Auf dem Cover sieht man mittig den Titel auf gelben Pinselstrichen auf cremefarbenem Hintergrund und oben links und unten rechts in der Ecke Pfirsichbaumäste. Dadurch sieht das Buch sehr sommerlich aus, was nicht nur zur aktuellen Jahreszeit wunderbar passt, sondern auch zur Grundstimmung der Geschichte und natürlich hat es einen Bezug zur Cherry Hill Farm.
In der vorderen Innenklappe steht die Bedeutung von Junipers Namen, der die englische Bezeichnung für „Wacholder“ ist sowie eine Kurzbeschreibung ihres Charakters neben einer Zeichnung eines Wacholderastes. Die hintere Innenklappe teasert den zweiten Band der Reihe, „A Place to grow“ an.
Die Kapitelüberschriften sind wie der Titel auf einem Pinselstrich geschrieben und auch hier finden sich die Pfirsichbaumäste in den Ecken wieder. Diese süßen Details gefallen mir sehr gut!
Zuletzt ist das Buch auch haptisch toll: Die Pinselstriche vorne und hinten auf dem Cover sowie auf dem Buchrücken sind glänzend bedruckt, der Rest des Covers ist auf mattem Papier gedruckt. Das lässt das Buch gleich hochwertiger wirken!


Meine Meinung:
Die Geschichte rund um June und Henry auf der Cherry Hill Farm in Colorado ist genau das, was ich mir unter einer leichten, sommerlichen Wohlfühllektüre vorstelle!

Das liegt natürlich hauptsächlich am traumhaft schönen Farm-Setting in einer Kleinstadt, in der sich alles um die nächste Pfirsichernte dreht und deren sommerliche Idylle beim Leser Urlaubsgefühle auslöst. Man bekommt beim Lesen sofort Fernweh und träumt sich auf die weiten Pfirsichfelder, hört die Bienen summen und kann nachts die Sterne beobachten. Das Buch liest sich also perfekt im Urlaub oder beim Sonnenbaden!

Neben all der Idylle behandelt „A Place to love“ gleichzeitig aber auch ernstere Themen wie Alltagsstress, Geldsorgen sowie den Tod Angehöriger. Dabei schafft es die Autorin, ausreichend in die Tiefe zu gehen und gleichzeitig die Balance aus Ernsthaftigkeit und Lockerheit zu halten, sodass das Gefühl beim Lesen trotz der Schwere dieser Themen nicht erdrückend wird und das Buch seinen Wohlfühlfaktor nicht verliert. Lilly Lucas trifft hier genau den richtigen Ton, was sicherlich auch mit ihrem lockeren, leichten Schreibstil zusammenhängt, der sehr gut Junes Charakter widerspiegelt und sich gut in die Geschichte einfügt. Das hat mir super gefallen!


June selbst hat mir als Protagonistin gut gefallen. Ich konnte mich vor allem in ihre Rolle als große Schwester sehr gut in sie hineinversetzen und den Druck, den sie sich zum Schutze ihrer Familie aufbürdet, gut nachempfinden. Gerade im Mittelteil habe ich die Gründe hinter ihren Entscheidungen zwar gut nachvollziehen können, aber trotzdem hat es mich doch wenigstens ein bisschen gestört, dass sie vor allem Henry, aber auch ihren Schwestern gegenüber sehr lange braucht, bis sie Tacheles redet.

Fehlende oder Misskommunikation stört mich in Büchern immer enorm; man kann ja auch einfach mal miteinander reden?! Nichtsdestotrotz muss ich „A Place to love“, auch wenn es sich dieses tropes bedient, zugutehalten, dass dieser Aspekt hier nicht ganz so sehr aufgebauscht wird. Zwar hält June sich gerne mal mit allem zurück, aber sowohl ihre Schwestern (vor allem die schlagfertige Poppy, die mich hier am meisten begeistern konnte und oft zum Lachen gebracht hat – ihr Buch wird sicher grandios) als auch Henry sorgen dafür, dass die Protagonistin sich doch relativ schnell aufrappelt und die Misskommunikation keinen allzu großen Teil der Handlung einnimmt.
Dass sie dennoch da ist und mich ein klitzekleines bisschen genervt hat, ist mit der Grund dafür, weshalb ich letztlich einen Punkt abgezogen habe, denn das Drama war mir hier doch ein biiischen zu viel.


Allerdings hat mir vor allem die Beziehung zwischen June und ihren Schwestern sowie, dass diese sehr stark im Fokus steht, obwohl es hauptsächlich um die zwischen Henry und June geht, super gefallen! So können Lilac und Poppy gleich schon Vieles von sich zeigen und den Leser auf ihre Bücher neugierig machen; auch June, die viel für ihre Familie gibt, bekommt dadurch um einiges mehr Tiefe.

Daran knüpft mein zweiter kleiner Kritikpunkt an dem Buch an: Ich schreibe diese Rezension gut zwei Wochen, nachdem ich das Buch beendet habe, und ich kann mich aktuell an kaum etwas erinnern, was Henry ausmacht. Natürlich erfährt man ein bisschen etwas über ihn, aber wirklich Ecken und Kanten hat er nicht. Man weiß, dass er Waliser ist, eine Schwester hat und die Whiskeydestillerie seines Vaters übernehmen soll. Mehr Hintergrund bekommt man von ihm allerdings nicht, vor allem seine Gefühle für June habe ich zwar durchaus nachfühlen können; sie sind definitiv da, aber ich habe von seiner Seite aus, anders als bei June, nicht ganz nachempfinden können, wie das Feuer zwischen ihnen erneut entfacht. Das finde ich sehr schade, da er als Figur dadurch sehr blass bleibt; vielleicht hätte es ihm hier geholfen, wenn er auch eigene Kapitel bekommen hätte.


Mein letzter, diesmal aber wirklich winziger Kritikpunkt liegt in der Beziehung zwischen June und Henry selbst. In der ersten Hälfte des Buches hat Henry zuhause in Wales eine Freundin, trotzdem ist die Spannung zwischen ihm und June unverkennbar. Das gibt der Beziehung zwischen den beiden ein bisschen das Gefühl einer verbotenen Liebe, was sicher für viel Dramatik sorgt, aber trotzdem habe ich persönlich Schwierigkeiten mit diesem erzählerischen Gestaltungsmittel. Es fühlt sich für mich einfach zu sehr nach Fremdgehen an und im echten Leben habe ich für ein solches Hin und Her nur wenig übrig. Das sorgt dann dafür, dass ich trotz aller Chemie die Protagonisten nicht mit ganzem Herzen anfeuern kann, so auch hier. Das ist natürlich nicht ideal, da ich gerade zu Anfang der Beziehung zwischen Henry und June sehr skeptisch gegenüberstand.

Allerdings ist gerade dieser Kritikpunkt wiederum sehr subjektiv, deshalb fließt er auch nur minimal in meine Bewertung mit ein. Es ist eben eine höchstpersönliche Ansichtssache, ob man sich an diesem Stilmittel anstößt, oder ob es dafür sorgt, dass man emotional noch stärker in die Geschichte investiert ist – wie es halt mit tropes so ist.
Denn die Chemie zwischen Henry und June ist eindeutig da, die Spannung ist förmlich mit Händen zu greifen und die Autorin hat den slow burn wunderbar prickelnd umgesetzt. Das, die Hintergründe von Henrys Beziehung und schließlich vor allem die sehr schöne Auflösung des Konflikts sorgen dann schließlich dafür, dass ich mich trotz meiner Abneigung gegenüber diesem Stilmittel im Laufe der Handlung damit abfinden und mich zum Schluss sogar fallenlassen konnte. Während ich zunächst also höchst skeptisch war, konnte dieser Punkt meine Begeisterung am Ende doch nur sehr wenig trüben – daher in der Gesamtbetrachtung auch nur ein wirklich winziger Kritikpunkt, auch wenn ich hier jetzt sehr weit ausgeholt habe.

Fazit:
Zwar habe ich insbesondere an Henrys Farblosigkeit, dem doch etwas übermäßige Drama zwischendrin und dem Fast-Fremdgeh-Trope durchaus etwas auszusetzen. Allerdings ist letzterer Punkt sehr subjektiv, weshalb ich das „A Place to love“ nicht allzu negativ anmarkern kann, und die anderen beiden Punkte fallen angesichts der traumhaften, sommerlichen Wohlfühlatmosphäre, Junes Aufopferungsbereitschaft für ihre Familie sowie ihre Beziehung zu ihren Schwestern, Poppys Schlagfertigkeit und nicht zuletzt auch wegen des lockerleichten Schreibstils kaum ins Gewicht.
Daher gibt es trotz meiner Kritik sehr gute 4/5 Lesehasen, mit Tendenz zu 4,5, und ich freue mich sehr auf die Geschichten von Junes Schwestern (vor allem Poppys xD)!

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Veröffentlicht am 29.05.2022

Kinderbuch mit viel Liebe zum Detail und ernstem Hintergrund

Die Marveller – Magie aus Licht und Dunkelheit - Das gefährliche erste Jahr
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Vielen lieben Dank an den cbj-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Also, ...

Vielen lieben Dank an den cbj-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Also, Freunde. „Die Marveller“ gibt es offensichtlich auch als ebook. Aber bitte, bitte kauft euch das Print!!!!! Es ist einfach so wunderschön!!!!!
Alleine schon die goldenen Highlights auf dem Cover im Titel und den Details sind ein absoluter Blickfang, ganz zu schweigen davon, dass das Cover wirklich ein Glanzstück für sich ist.
Aber auch die Innengestaltung ist die volle Punktzahl wert! Im Buchdeckel findet man den Grundriss des Außengeländes des Instituts, auf den ersten Seiten eine Übersicht über die Paragone mit ihrem jeweiligen Logo, das auch unter die einzelnen Kapitelüberschriften abgedruckt ist.
Zu Beginn der einzelnen Teile, in die das Buch gegliedert ist, ist eine Zeichnung eines Flaschenbaums abgebildet, und nach den Kapiteln finden Ausschnitte aus Ellas „Sternenpost“, sich Zeitungsausschnitte, teilweise kleine oder größere Zeichnungen, wie das Institutsgebäude von vorne oder ein Fahnungsposter.
Das Buch ist mit so viel Liebe aufgemacht, dass es unabhängig vom Inhalt alleine deshalb schon unheimlich viel Spaß macht, es durchzublättern. Dafür, dass das Buch nur 16,00 € kostet, bekommt man hier also mehr, als man verlangen kann.


Meine Meinung:
Meine Meinung zum Inhalt fällt ähnlich begeistert aus. Zwar ist „Die Marveller“ mit einer elfjährigen Protagonistin eindeutig an wesentlich jüngere Leser*innen gerichtet, aber auch ich als Erwachsene hatte beim Lesen unglaublich viel Spaß und war gleichzeitig positiv überrascht davon, wie viel ich hieraus mitnehmen konnte. Falls ihr also skeptisch seid, ob das Buch angesichts der Zielgruppe etwas für euch ist: braucht ihr definitiv nicht. Wenn ihr gerne (Urban) Fantasy lest, werdet ihr auch an „Die Marveller“ viel Freude haben!


Vor allem anfangs sind mir beim Lesen noch einige Parallelen zu Harry Potter aufgefallen, was aber aufgrund der Zauberschule für Kinder als Setting auch nicht weiter verwunderlich ist. So ist die Protagonistin Ella wie Harry in ihrem ersten Jahr elf Jahre alt, die „Zauberer“, hier „Marveller“ genannt, werden in fünf „Paragone“ aufgeteilt, was an die vier Häuser von Hogwarts erinnert, es gibt eine starke Zauberin, die vor einigen Jahren in Ungnade gefallen ist und hier die Rolle des Bösewichts einnimmt, und die Protagonistin stellt sich allen Gefahren zusammen mit ihren beiden Freunden.
Das Grundgerüst ist also sehr ähnlich, je nach Ansicht vielleicht sogar so sehr, dass es schon ins Negative fällt. Mich hat es allerdings gar nicht gestört, denn abgesehen von der gleichen Basis haben Harry Potter und „Die Marveller“ nichts gemeinsam.


Das fängt schon mit dem Magiesystem an, das außer der Aufteilung in die fünf Paragone nichts mit dem aus Harry Potter gemein hat.
So sind die einzelnen Paragone nochmals in gefühlt unendlich viele Unterformen der Magieausprägungen unterteilt, deren Besitzer alle jeweils Unterschiedlichstes können. Daneben gibt es noch die Fabulierer, die anders als die Marveller, die bereits Vorhandenes manipulieren, Dinge zum Wachsen und Entstehen bringen können. So ganz habe ich die Funktionsweise der unterschiedlichen Magiearten noch nicht verstanden, und angesichts der vielen verschiedenen Möglichkeiten ist es auch sehr schwierig, da den Überblick zu behalten, aber der Grundstein ist gelegt und bietet sehr viel Potenzial für die Folgebände, dieses auszuschöpfen.


Darüber hinaus geht auch das gesellschaftliche System, das dem Buch zugrunde liegt, weit über alles hinaus, was man jemals in allen sieben Harry Potter-Bänden jenseits von Hogwarts erfährt. Zum einen, weil es in jeder Hinsicht divers ist, zum anderen, weil damit (auch in der Realität bestehende) soziale Strukturen hinterfragt werden, und man sich im Laufe der Handlung zwangsläufig fragt, ob die Einteilung in „gut“ und „böse“, wie sie vorgenommen wird, wirklich sinnvoll und überhaupt erst möglich ist.

„‚Unsere Welt tut so, als sei sie allem und jedem gegenüber offen, dabei ist sie das in Wahrheit nur für die wenigsten. Für diejenigen, die sich an die Grenzen halten, die ihnen auferlegt werden. Unsere Geschichte ist turbulant. Wir haben nicht immer problemlos zueinandergefunden. Nicht so, wie wir es gerne behaupten. Mit Worten sind wir ganz groß. Aber es ist eine Sache, gesagt zu bekommen, dass man dazugehört, und eine völlig andere, es auch gezeigt zu bekommen. […].‘“ (S. 442)


So haben alle beteiligten Parteien ihre eigenen Motive, die per se vielleicht alle nicht unbedingt schlecht sind. Durch Ellas Aufmerksamkeit und Aufgewecktheit erkennt man schnell, dass die Entscheidungen, die die Marvellergesellschaft getroffen hat und weiterhin trifft, nicht alle so richtig sein können, wie sie es darstellen, und dass das Arkanum möglicherweise vieles verdeckt. Trotzdem muss man anerkennen, dass die dahinterstehenden Motive für sich genommen durchaus berechtigt sind; bloß an der Umsetzung hapert es vielleicht.
Auf der anderen Seite bekommt man durch kurze Kapitel zwischendurch aus der Sicht einer mysteriösen Frau, deren Identität erst mit fortlaufender Handlung klar wird, einen Blick auf die vermeintlich „böse“ Seite. Auch hier stellt man fest, dass sie mit ihren Motiven vielleicht nicht unbedingt so falsch liegt, wie das Arkanum es darstellt, aber die Art, wie dessen Gegenspieler versuchen, ihre Ziele zu erreichen, ebenso wenig „richtig“ ist, wie die Weise der Marveller, ihre Werte zu schützen.
„Die Marveller“ stellt hier die Einordnungen in „schwarz“ und „weiß“ infrage und zeigt auf, dass es eigentlich nur Grautöne gibt und es viel wichtiger ist, miteinander zu kommunizieren und sich in den anderen hineinzuversetzen, als seine Handlungen von vornherein zu verurteilen. Die Autorin hat es dabei geschafft, diese Aussage so subtil in den Konflikt des Buches einzubauen, dass dem Leser zwar deutlich wird, worauf sie hinaus möchte, ohne dabei jedoch den mahnenden Zeigefinger zu heben.

Das hat mir sehr gut gefallen, ebenso die Einarbeitung des Alltagsrassismus in die Geschichte, mit dem die Protagonistin regelmäßig konfrontiert wird. Ella stammt aus einer Fabulierer-Familie, ebenfalls Zauberer, aber nach dem gesellschaftlichen System, in dem die Marveller buchstäblich über den Fabulierern stehen und leben, nicht die „richtige“ Art Magiebegabter. Auch hier findet sich also zum einen die eben angesprochene Gegenüberstellung von „gut“ und „böse“, aber damit werden auch Parallelen zum real existierenden Rassismus gegenüber PoC gezogen; ebenfalls wieder ohne symbolischen Fingerzeig, aber so deutlich, dass der Leser die Ungerechtigkeiten nachempfinden kann.


Das liegt zum Teil auch an der Protagonistin Ella, die für ihre elf Jahre zwar noch sehr jung ist, in die man sich aber trotzdem auch als Erwachsener nicht weniger gut hineinversetzen kann. Zwar verhält sie sich insbesondere in Bezug auf Emotionalität und guten Glauben ihren Mitmenschen gegenüber ihrem Alter entsprechend, dennoch niemals etwa unkontrolliert impulsiv oder naiv.
Natürlich macht sie Fehler, wie jedes andere Kind auch, aber sie ist reflektiert, wächst an ihren Fehltritten und Aufgaben und ist darüber hinaus überaus aufgeweckt, clever und handelt zudem sehr überlegt. Ich denke, vor allem als jüngere Leserin hätte ich in ihr ein großartiges Vorbild gesehen, aber auch jetzt war ich sehr beeindruckt vor allem davon, wie besonnen und reif sie in jede Situation geht und wie viel sie bemerkt, was mir selbst beim Lesen gar nicht aufgefallen ist. Sie stellt Verbindungen her, auf die ich niemals gekommen wäre und die mich jedes Mal überrascht haben. Dabei kann sie vor allem die Art, wie insbesondere die Erwachsenen, aber auch ihre Mitschüler mit ihr umgehen, sehr gut einschätzen und lässt sich nichts weismachen.
Ella ist eine tolle Protagonistin, über die ich gerne noch mehr lesen möchte!


Zuletzt hat mich auch das Erzähltempo der Autorin zu 100 % überzeugt! Sie versteht es, schnellere Szenen, in denen viel passiert und Ella in Gefahr ist, mit langsameren Momenten, in denen Geheimnisse aufgedeckt oder neue Fragen aufgeworfen werden oder die dem Characterbuilding dienen, so abzuwechseln, dass man stets gefesselt ist, mitfiebert und weiterlesen will. Sehr raffiniert fand ich hier die oben bereits erwähnten kurzen Kapitel aus der Sicht der mysteriösen Frau oder die Einschübe zwischendurch in Form von Zeitungsartikeln oder Interviews, in denen dem Leser ein Überblick auf das gewährt wird, was außerhalb von Ellas Wahrnehmung passiert. So wird nicht nur die Gestaltung des Buches in die Geschichte integriert, man hat auch gleich ein größeres Bild von dem Geschehen als die Protagonistin und weiß ein wenig mehr als sie. Dennoch verrät die Autorin damit nicht so viel, dass man sich die großen Twists vorher erschließen kann; im Gegenteil steigert sich die Spannung durch die eigenen Theorien, die von den Zusatzinformationen gefüttert werden, nur weiter.
Insgesamt wird dadurch die Erzählung rund und in sich schlüssig, es wird ein Universum geschaffen, das so tatsächlich existieren könnte. Man glaubt der Autorin jedes Wort, das sie schreibt.
Ich freue mich auf die Fortsetzung!


Fazit:
Wir alle kennen mindestens eine Geschichte über eine Zauberschule für Kinder, und obwohl „Die Marveller“ an einigen Stellen (die fünf Paragone aka Häuser, das verzauberte Gebäude, der magische Unterricht) sehr stark an Harry Potter erinnert, steht diese Geschichte doch fest auf eigenen Beinen!
Das Magiesystem, die gesellschaftlichen Strukturen der Marveller und Fabulierer und die einzelnen Figuren sind mit so viel Liebe zum Detail ausgearbeitet, dass man sich schon nach wenigen Seiten im Arkanum verliert und gar nicht mehr weg möchte.
Darüber hinaus bietet „Die Marveller“ einen ernsten Hintergrund, der zum Nachdenken anregt, ohne den Finger zu erheben, und überzeugt mit einer hohen Plotdichte und vielen Überraschungen, die definitiv auch Erwachsene begeistern können. Ich habe nichts auszusetzen und freue mich auf die Fortsetzung!
5/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 28.05.2022

Highlight mit Suchtfaktor!

Legendborn – Der geheime Bund
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Vielen lieben Dank an den Heyne-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Das ...

Vielen lieben Dank an den Heyne-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Das Cover gefällt mir sehr gut. Ma sieht im Vordergrund den Titel in gold-orangener Schrift, darunter das Schwert Excalibur, das aus einem scheinbar glühenden Stein herausragt. Hinter dem Titel und am Rand ranken sich goldene Äste, von denen Blätter abfallen und die die dunkle Tür im Hintergrund einrahmen. Es wird viel mit Kontrasten gearbeitet, wodurch das Cover eine mystische, geheimnisvolle Grundstimmung erhält, was die Thematik des Geheimbundes rund um die Artussage widerspiegelt.
Der Titel „Legendborn“ wurde aus dem Original übernommen, was ich insofern super finde, als dass diese Bezeichnung in der Geschichte eine relevante Rolle einnimmt.
Man sollte meinen, dass „Legendborn“ mit rund 730 Seiten für ein broschiertes Buch äußerst anfällig für Leserillen ist, aber die Buchrücken ist so flexibel, dass er selbst bei relativ unvorsichtigem Lesen (was irgendwann bei der Dicke gar nicht mehr vermeidbar ist) heile bleibt. 16 € kann man dafür also gerne ausgeben!


Meine Meinung:
„Legendborn“ ist ein großes Highlight! Ich weiß gar nicht, was ich hier sonst noch schreiben sollte. Das Buch ist ein PAGETURNER!!!! Es sollte echt mindestens genauso krass gehyped werden, wie andere Bücher, denn das hat „Legendborn“ alle Male verdient!

„‚Du bist jetzt mein König, cariad.‘“ (S. 715)


Das fängt schon mit der Protagonistin Bree an. Sie hat einen wunderbar trockenen Humor, der einen oft zum Lachen bringt und mit dem sie mehrfach pointiert genau das anspricht, was dem Leser durch den Kopf geht. Man kann sich super in sie hineinversetzen und sie ist einem auf Anhieb sympathisch.
Sehr beeindruckend fand ich es, wie ruhig und ausgeglichen sie in Situationen geblieben ist, in denen ich an ihrer Stelle ganz anders reagiert hätte. Trotzdem lässt sie nichts mit sich machen, was sie nicht will, und zeigt deutlich ihre Grenzen auf.

Auch Nick und Selwyn, die anderen beiden Hauptfiguren, sind toll ausgearbeitet, auch wenn man ehrlicherweise sagen muss, dass von vornherein klar ist, welche Rollen sie jeweils einnehmen werden: Nick ist der blonde Good Guy und Selwyn dunkelhaarig und broody. Need I say more? xD
Wir haben hier also offensichtlich ein Liebesdreieck, und während mich das normalerweise nervt, weil es in den meisten Fällen unweigerlich zu einem unnötigen Hin und Her führt, hat die Autorin das trope hier hervorragend umgesetzt, denn Bree hat, obwohl die beiden charakterlich sehr unterschiedlich sind, sowohl mit Nick als auch Selwyn eine unheimlich starke Chemie. Man kann quasi gar nicht anders, als sie mit beiden zu shippen. Genau diese Funken tragen wesentlich zu der Sogwirkung der Geschichte bei!

„‚Für mich bist du keine holde Maid in Nöten, Bree. Du bist eine Kriegerin. Du bist stark und wunderschön und brillant und mutig.‘ Er presst seine Stirn gegen meine, seine Augen schließen sich, und er holt Luft, flach und gepresst. ‚Und ich würde dich wirklich gern küssen.‘“ (S. 320)


Darüber hinaus haben auch die beiden Jungs eine gemeinsame Vergangenheit, und man fragt sich durchweg, was wohl passiert sein mag, dass die beiden jetzt scheinbar Rivalen sind. Denn auch, wenn sie die meiste Zeit nicht gut aufeinander zu sprechen sind, merkt man deutlich, dass die starke Bindung, die sie als Kinder zusammen aufgebaut haben, sich auch in der Gegenwart auswirkt und sie trotz allem, was passiert ist, einander noch wichtig sind. Die Autorin bedient sich also zwar eines Liebesdreiecks, aber was mir hier so gut gefallen hat, ist dass sie mit den Klischees dieses tropes bricht und das Spannungspotenzial, dass es hat, bestmöglich ausnutzt und ihren Figuren dadurch noch mehr Tiefe gibt.


Inhaltlich ist „Legendborn“ auch noch einmal auf einem ganz anderen Level grandios. Das Buch erzählt die Artussage neu und mit völlig eigenen Regeln, ohne zu stark von den wesentlichen Aspekten der Sage abzuweichen. Die Autorin hat sich hierfür ein ganz eigenes, durchaus sehr komplexes, aber wunderbar erklärtes und gut durchdachtes Magiesystem zusammen mit einer Welt, die parallel zum normalen Leben an der University of North Carolina exisitert und von Dämonen und einem weit verzweigten Geheimbund aus Dämonenjägern dominiert wird, ausgedacht, worüber man zusammen mit der Protagonistin erst nach und nach einen Überblick bekommt. Dabei blickt man anfangs noch nicht wirklich durch, allerdings hindert dies einen nicht daran, sich der Geschichte völlig hinzugeben und sich von ihr komplett vereinnahmen zu lassen.
Denn auch wenn man zunächst vielleicht noch nicht allzu viel versteht, ist man nichtsdestotrotz durch das hohe Pacing und die vielen überraschenden Twists gefesselt. Man rätselt mit und stellt eigene Theorien auf; nach und nach kristallisieren sich dann Zusammenhänge heraus, mit denen man überhaupt nicht gerechnet hätte, was nur dafür sorgt, dass man sich noch weniger von „Legendborn“ lösen kann.

Darüber hinaus arbeitet die Autorin die Trauer und das Trauma Brees durch den Tod ihrer Mutter hervorragend aus. Man bekommt einen guten Blick in ihre Gefühlswelt und kann sich sehr gut in ihre Wut, ihre Einsamkeit und ihre Traurigkeit hineinversetzen. Auch den Alltagsrassismus, mit dem Bree ständig konfrontiert ist, sowie das Generationentrauma vieler Schwarzer Amerikaner*innen vor allem in den Südstaaten hat die Autorin sehr gut in die Geschichte integriert!


Zuletzt kann ich nur noch den Schreibstil Deonns loben. Sie schafft es stets, den richtigen Farbe aus Ernsthaftigkeit, Romantik oder gut und gerne auch mal viel Sarkasmus zu treffen und damit die passende Grundstimmung zu erzeugen. Sie gibt ihren eigenen großartigen, subtilen Humor an ihre Protagonistin weiter und sorgt für einen Erzählton, der einen mitreißt und mitfühlen lässt.


Fazit:
„Legendborn: Der Geheimbund“ ist ein riesengroßes Highlight, das einen viel größeren Hype verdient hat und dessen Fortsetzung ich kaum abwarten kann!
Alle drei Protagonisten wachsen einem sehr schnell ans Herz, man fiebert mit ihnen mit und vor allem Bree entpuppt sich früh als Lieblingsfigur. Die Liebesgeschichte zwischen Bree, Nick und Selwyn ist mit vielen Funken, ein bisschen Slow Burn und toller Chemie zwischen den einzelnen Figuren großartig aufgebaut.
Die Autorin arbeitet die Trauer und das Trauma der Protagonistin hervorragend aus und macht deutlich, wie sich Alltagsrassismus und Generationentrauma auf PoC auswirkt. Dabei trifft sie stets den richtigen Ton und sorgt mit subtilem Humor darüber hinaus auch für viele Lacher.
Zuletzt hat mir auch das Magiesystem und die Neuerzählung der Artussage super gefallen, und ich bin gespannt, wie es weitergeht!
Uneingeschränkte Leseempfehlung und natürlich 5/5 Lesehasen!

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