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SofieWalden

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.09.2019

Jung und alt, ein bewegendes Leben und Familienprobleme im Heute

Ein neues Blau
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Im Hier und Jetzt, das ist in den 1980er Jahren in Berlin. Eine erste Begegnung zwischen der alten Dame, Lili Kuhn, und der 18-jährigen Anja Hermann, führt zu der Vereinbarung, dass die aus guten Hause ...

Im Hier und Jetzt, das ist in den 1980er Jahren in Berlin. Eine erste Begegnung zwischen der alten Dame, Lili Kuhn, und der 18-jährigen Anja Hermann, führt zu der Vereinbarung, dass die aus guten Hause stammende, aber mit allerlei Problemen beladene Schülerin als eine Art Gesellschafterin fungieren und Lili mehrere Nachmittage in der Woche besuchen soll. Schnell stellt sich heraus, dass die beiden trotz des Altersunterschieds 'einen Draht zueinander haben' und Anja, die ihre Gedanken in eher gradliniger und etwas derber Sprache zum Besten gibt, lässt sich sehr schnell und mit zunehmender Faszination von den Lebenserinnerungen, die die Halbjüdin Lili, geborene Cohen, an sie weitergibt, in den Bann ziehen. Man erhält tiefe Einblicke in die Zeit von Lilis Kindheit in den 1920er Jahren, dem frühen Tod ihrer Mutter und der rührenden Fürsorge ihres Vaters, der mit Tee handelt, und dessen japanischem Geschäftsfreund Takeshi, die ihr zusammen eine besondere und schöne Kindheit bescheren. Als Lili später den Direktor der Königlichen Porzellan Manufaktur, Günther von Pechmann, kennenlernt, entdeckt sie die Welt der Porzellanherstellung für sich und geht in dieser auf. Und dann, dann wird alles anders. Der Nationalsozialismus verändert Deutschland vollkommen.
Auf der anderen Seite öffnet sich auch Anja mit ihren Problemen der alten Dame, die sich dieser durchaus warmherzig und geprägt durch die Erfahrungen ihres langen harten Lebens, annimmt. Die Geschichte spielt also sozusagen auf zwei zeitlichen Ebenen, die durch entsprechende Wechsel für den Leser bzgl. beider Protagonisten sehr lebendig gehalten wird, wenn auch der Anteil von Lilis Geschichte naturgegeben einen größeren Raum einnimmt.
Der Roman ist sehr facettenreich gestaltet, gehalten in einer sehr ruhigen, den beiden Hauptpersonen aber durchaus angemessen zuordenbarer Sprache. Harte Zeiten bleiben harte Zeiten, da wird nichts beschönigt und der Einbezug realer Fakten und Personen, gerade zur Zeit des Nationalsozialismus, gibt dieser fiktiven Geschichte zusätzliche Echtheit und Tiefe. Mich hat dieses Buch bzw. dessen Hörbuchfassung sehr beeindruckt. Es erzählt eine Geschichte, die man nicht so schnell vergisst. Hier passt einfach alles, durchdacht bis ins kleinste Detail und mit einem wirklich gelungenen Ende.
Absolut zu empfehlen.

Veröffentlicht am 09.09.2019

Britisch sarkastisch, spannend und so gar nicht slow

Dead Lions
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Das Slough House mit ihrem Chef Jackson Lamb ist eine Art Abstellkammer für in Ungnade gefallene MI5-Agenten. Sie werden hier mit Aktenstudien beschäftigt und man versucht, sie so mürbe zu machen, damit ...

Das Slough House mit ihrem Chef Jackson Lamb ist eine Art Abstellkammer für in Ungnade gefallene MI5-Agenten. Sie werden hier mit Aktenstudien beschäftigt und man versucht, sie so mürbe zu machen, damit sie schließlich aufgeben und von sich aus kündigen. Doch wie schon im ersten Buch dieser Thrillerreihe können diese 'Slow Horses' durchaus mit der ersten Garde ihrer Zunft mithalten. Diesmal ist es ein angeblich auf natürliche Weise gestorbener ehemaliger Kollege von Jackson Lamb, der die Kugel ins Rollen bringt. Denn da gibt es augenscheinlich doch einige Ungereimtheiten, die Lamb keine Ruhe lassen und so macht sich dieser daran, die Hintergründe der Sache zu untersuchen. Aber nicht nur dadurch kommt richtig Leben in die Truppe. Zwei der Mitarbeiter werden für den Schutz eines russischen Oligarchen abgestellt und als einer der Horses dabei getötet wird, ist es endgültig vorbei mit der erzwungenen 'Inaktivität'. Vom dem, was dann passiert, an Ermittlung, Erkenntnis und durchaus überraschendem Erleben dazu, davon können sich die so von sich eingenommene MI5-Agenten im Hauptquartier aber mal eine ganz große Scheibe abschneiden.
Jeder der Slow House Mitglieder ist ein echtes Original, authentisch, mit echter Vita und sehr sympathisch dazu, was man von Geheimagenten ja auch nicht so oft sagen kann. Der Fall ist sehr stimmig und spannend bis zu seinem überraschenden, aber passenden Ende. Was hier aus einem guten soliden Thriller einen richtig tollen Lesestoff macht, ist der britisch ironisch untermalte sarkastische Unterton, der Verzicht auf zu blutrünstige Action und, ungewöhnlich, die wenn auch eher leise gehaltene Kritik am System. Das Alles ergibt letztendlich ein verdammt gutes Ganzes. So machen Thriller richtig Spaß und ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Fall dieses ungewöhnlichen Haufens, den Slow Horses, die geduldig in ihrem Slough House sitzen, bis ihre nächste große Stunde schlägt.

Veröffentlicht am 08.09.2019

Schräg, skurril und irrsinnig 'lustig'

Letzte Rettung: Paris
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Frances Price ist eine vom Luxus verwöhnte Witwe eines, wie sollte es auch anders sein, sehr reichen Mannes und so sieht ihr Leben nach dessen Ableben genauso Gelddurchsetzt und versehen mit allem 'vom ...

Frances Price ist eine vom Luxus verwöhnte Witwe eines, wie sollte es auch anders sein, sehr reichen Mannes und so sieht ihr Leben nach dessen Ableben genauso Gelddurchsetzt und versehen mit allem 'vom feinsten' aus. Doch irgendwann kommt für sie und ihren inzwischen erwachsenen, noch bei ihr lebenden Sohn Malcom die Nachricht; das Geld ist aufgebraucht. Und was nun. Frances, Malcom und Kater Kleiner Frank, die angebliche Reinkarnation des dahingeschiedenen Ehemanns, bekommen das Angebot einer Freundin, kostenlos in deren Apartement zu leben und das befindet sich in Paris. Per Schiff machen sich die drei auf, um sich in der Stadt der Liebe ein neues Leben aufzubauen. Dort angekommen, ist plötzlich der Kater weg. War die Geschichte bisher schon schräg, so erblüht vor unseren Augen nun ein absolut skurriles und von schwarzem Humor durchzogenes Treiben, denn natürlich muss 'Kleiner Frank' wieder her. Und dafür kann man einfach nicht genug Hilfe bekommen und so sammeln Mutter und Sohn auf ihrer Suche jede Menge echt komische Menschen auf, die meistens weit entfernt von Logik und Normalität, aber extrem unterhaltsam und lebendig agieren. Das Ganze ist total verrückt und beschreiben hilft nicht wirklich. Hier muss man einfach loslesen. Bücher, die skurril und schräg sein wollen, gibt es viele, aber meistens läuft sich die Sache dann doch irgendwie tot, bzw. der Story geht die Luft aus. Hier ist das nicht so und genau deshalb ist 'Letzte Rettung Paris' wahrscheinlich auch ein solcher Überraschungserfolg geworden. Hier kann man Spaß haben, ohne das man irgendwann die Lust daran verliert und dann ist da ja noch der Gedanke, dass die Geschichte ja eigentlich durchaus ernste eher tragische Züge mit sich führt. Aber das nur so am Rande. Ich wünsche auf jeden Fall skurril gute Unterhaltung und viel Spaß. Mit Garantie.

Veröffentlicht am 05.09.2019

Das Sagen hat eine kleine mächtige Gruppe hier in der Stadt

Verratenes Land
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Der Journalist Marshall McEwan, unter anderem mit dem Pulitzerpreisausgezeichnet, kehrt in seine Heimatstadt Bienville, Mississippi, zurück. 26 Jahre ist es her, seit er dieses Südstaatenstädtchen verlassen ...

Der Journalist Marshall McEwan, unter anderem mit dem Pulitzerpreisausgezeichnet, kehrt in seine Heimatstadt Bienville, Mississippi, zurück. 26 Jahre ist es her, seit er dieses Südstaatenstädtchen verlassen hat und, wie sich bald herausstellt, es ist irgendwie vieles beim alten geblieben. Die Strippenzieher, die hier den Abläufen des wirtschafltlichen und politischen Lebens ihren Stempel aufdrücken, getragen von Machtstreben und Profit, es sind immer noch dieselben, versteckt unter dem Deckmäntelchen eines kleinen Pokerclubs. Eigentlich wollte McEwan nur einen Versuch unternehmen, sich mit seinem im Sterben liegenden Vater, der ihm als Junge keinerlei Beachtung geschenkt hat, auszusprechen, aber als dann der Archäologe Buch Ferris, sein Ziehvater, umkommt, macht er sich an die Aufklärung des Falls. Ferris stand mit seinen Funden der Ansiedlung einer Papierfabrik im Weg, die neuen Aufschwung und Arbeitsplätze verspricht. Der Journalist stößt bei seinen Nachforschungen auf das korrupte Dickicht einer intreganten kleinen Gesellschaft, tief verwurzelt in den Strukturen der 'Südstaaten'-Welt, aber auch seine bitteren, fast schon traumatischen Erinnerungen an die Zeit der Kindheit brechen wieder auf und zwingen ihn dazu, sich den Trümmern seines eigenen Erwachsenenlebens, die mit einer zerbrochenen Ehe und dem Ertrinken seines zweijährigen Sohns vor ihm liegen, auseinander zu setzen.
Die Geschichte, die hier in gut 800 Seiten erzählt wird, gleicht einem gesellschaftlichen und persönlichen Sittengemälde einer USA und speziell ihrer Südstaatenwelt, absolut echt, präsent und aktuell und doch, welch erschreckende Erkenntnis, unter den selben Strukturen leidend, wie das schon sehr sehr lange der Fall ist.
Ich fand das Buch äußerst packend, sowohl im persönlichen wie auch auf der übergeordneten Ebene, da beides in einer ausgeglichenen Balance zum Tragen kommt. Am Schlußteil musste ich etwas 'knabbern, aber letztendlich hat auch das gepasst. Und so ist 'Verratenes Land' ein beachtenswertes Romanwerk geworden. Sehr zu empfehlen, denn an 'diesem Land' kommt niemand vorbei.

Veröffentlicht am 04.09.2019

Zwei kleine norwegische Helden in den Zeiten von Krieg

Über die Grenze
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Die 10-jährige Gerda und ihr älterer Bruder, der 12-jährige Otto, leben in Norwegen. Es ist das Jahr 1942 und richtig schlimmer Krieg in einigen Ländern. In Norwegen wird nicht so richtig gekämpft, aber ...

Die 10-jährige Gerda und ihr älterer Bruder, der 12-jährige Otto, leben in Norwegen. Es ist das Jahr 1942 und richtig schlimmer Krieg in einigen Ländern. In Norwegen wird nicht so richtig gekämpft, aber die entscheidende Macht, die Deutschen, sind hier eingezogen und bestimmen jetzt, was die Menschen zu tun haben und wer in 'Lager' gebracht wird, weil die Chefs aus Deutschland beschlossen haben, das z.B. Menschen mit jüdischer Religion, böse sind und man sie einsperren muss und mehr. Der Vater von Gerda und Otto ist der Arzt des Ortes und er und die Mutter der beiden verstecken zwei Geschwister, die eben Juden sind, in ihrem Keller. Sie sollen bald über die Grenze nach Schweden fliehen, denn dort wartet ihr Vater auf sie und dort ist es für sie sicher. Gerda und Otto wissen erst nichts von den beiden. Doch dann passiert etwas unvorhergesehenes. Die Eltern werden von der Polizei mitgenommen und nun ist an den Geschwistern, all ihren Mut zusammen zu nehmen und Sarah und Daniel, so heißen die beiden jüdischen Kinder nämlich, zu retten, indem sie versuchen, Erwachsene zu finden, die ihnen über die Grenze zu helfen. Oder vielleicht müssen sie es sogar selbst tun, wenn es gar nicht anders geht.
Es ist ein aufregendes Abenteuer, das die vier Kinder hier erwartet und es geht um sehr viel, um die Sicherheit von Gerdas und Ottos neuen jüdischen Freunden. Was sonst auf diese wartet, wissen sie nicht so genau, aber es kann etwas richtig schlimmes sein. Die Geschichte ist sehr realistisch, sozusagen auf Augenhöhe dessen, was die Kinder empfinden, geschrieben. Im Hintergrund schwingen stets die sehr gefährlichen Gegebenheiten der Verfolgung der durch die, von den Deutschen gesteuerten, Polizei mit, aber auch das Gefühl eines sehr spannenden Abenteuers aus Kindersicht bekommt hier genug Raum. Das Buch, für Kinder ab 9 Jahren gedacht, ist sehr passend auf diese Zielgruppe abgestimmt und ein guter Einstieg in das Thema Krieg und nationalistische Ideologien rund um die Zeit des zweiten Weltkriegs. Aber ganz vorne weg, die Geschichte bietet richtig gute spannende Unterhaltung und auch der Spaß kommt keinesfalls zu kurz.
Und die Fragen, die ja, durchaus auch gewünscht, bei den Kindern aufkommen, dafür sind Eltern oder Schule ja sicherlich nicht weit.