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SofieWalden

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Veröffentlicht am 08.07.2019

Die schockierende Rassendiskriminierung in den USA der 1960er Jahre, hautnah

Die Nickel Boys
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Elwood lebt in einer kleinen US-amerikanischen Stadt in den 1960er Jahren. Er wächst bei seiner Großumtter auf, die ihn umsorgt und aufpasst, dass er nur 'guten Umgang' hat. In der Schule ist er der Beste ...

Elwood lebt in einer kleinen US-amerikanischen Stadt in den 1960er Jahren. Er wächst bei seiner Großumtter auf, die ihn umsorgt und aufpasst, dass er nur 'guten Umgang' hat. In der Schule ist er der Beste und erhält so die Chance, bald Kurse am College besuchen zu dürfen. Das ist etwas besonderes, denn Elwood ist schwarz und die Rassendiskriminierung in dieser Zeit ist immer noch stark ausgeprägt. Doch dann lässt Elwood sich von einem Auto ein Stück mitnehmen, dessen Fahrer ein Autodieb ist und dieser wird zusammen mit dem Jungen auf dem Beifahrersitz erwischt. Elwood landet in einer Jungenbesserungsanstalt, der Nickel Academy. Als er dort eintrifft, hofft er, dieses ungute Kapitel deines Lebens bald hinter sich gebracht zu haben und sein altes Leben wieder aufnehmen zu können. Doch sehr bald merkt er, wo er hier gelandet ist. Die Trennung und die unterschiedliche Behandlung von Schwarzen und Weißen ist hier genauso gegeben und spiegelt die Welt 'da draußen' wieder, nur weitaus krasser, brutal, willkürlich bis zu Auswüchsen, die das Töten und Verschwinden lassen von einigen dieser Jungen zur Folge habt. Elwoods Schicksal in dieser Einrichtung, wie er sich nach anfänglichem Aufbäumen gegen die absolute Rechtlosigkeit und Ungerechtigkeit einfindet in dieses System, sich aber 'insgeheim' doch nicht brechen lässt, das wird hier erzählt auf eine trotz allem ruhige, nur bedingt emotionale Weise. Es ist einfach so, aber so ist es dann auch sehr wirklich.
Der Autor Colson Whitehead, Pulitzerpreisträger von 2017, nimmt sich dieses Themas an, ausgehend von den tatsächlich in dieser Zeit vorhandenen Academies, deren ganzes Ausmaß an menschlicher Entwürdigung erst viele Jahre später aufgedeckt und öffentlich gemacht wird. Hier wurden Menschen gebrochen fürs Leben, wenn sie denn überlebt haben. Whiteheads Geschichte ist, wie nicht anders zu erwarten, absolut gut, packend in seiner Realität, für die einzelnen Personen und auch für das Gesamte Konstrukt. Und dann, als sich das Buch schon dem Ende nähert und man als Leser sozusagen 'schon ein bisschen die Deckung runter genommen hat', da passiert es. Die Wendung, die Whitehead der Geschichte hier in nur wenigen Sätzen gibt, nimmt einem regelrecht den Atem und ist wie ein Schlag in die Magengrube. Und Unfassbar gut! Aus einem sehr guten Buch wird ein kleines Meisterwerk, das noch lange nachwirkt, zumindest bei mir.

Veröffentlicht am 03.07.2019

Peruanische Tradition mit ganz viel Kultur und Geschichte

Ceviche. Das Kochbuch
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Ceviche in seiner Einfachheit aus Fisch, Salz und Säure kreiert, hat in Peru einen langen tief verwurzelten Werdegang bis hin zu der bunten Vielfalt an Varianten, die seit einiger Zeit hinausziehen in ...

Ceviche in seiner Einfachheit aus Fisch, Salz und Säure kreiert, hat in Peru einen langen tief verwurzelten Werdegang bis hin zu der bunten Vielfalt an Varianten, die seit einiger Zeit hinausziehen in die Welt und hier begeistert aufgenommen werden von den Menschen aller Kontinente. Und hier ist es nun, das ultimative Kochbuch dazu, mit der ganzen wunderbaren Ceviche-Vielfalt, die dieses Land geprägt durch seine Einwohner und die etwas später zugewanderte asiatische Bevölkerung, hervorgebracht hat und dargeboten durch den Deutsch-peruanischen Spitzenkoch Juan Danilo. Toll illustriert und mit jeder Menge begleitender Geschichte versehen, erfährt man hier eine herrliche Bilderpracht und natürlich einfach absolut originelle Ceviche-Gerichte für jeden Geschmack. Die Zubereitung ist zudem denkbar einfach und Adressen für die spezielleren Zutaten sind natürlich auch dabei.
Mich hat dieses wohl durchdachte wunderbare 'Kochbuch' in jeder Beziehung überzeugt. Hier wurde mit ganz viel Liebe und Sorgfalt für eine würdige Darbietung dieses Peruanischen Nationalgerichts gearbeitet und dabei seine tief verwurzelte Tradition in der gesamten Bevölkerung ihres Landes hochgehalten.

Veröffentlicht am 05.06.2019

Eine junge Zarin und der historische Weg Russlands in den folgenden 15 Jahren

Die Zarin und der Philosoph (Sankt-Petersburg-Roman 2)
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Nach einem Putsch ruft sich die junge Katharina selbst zur Zarin aus. Sie will dafür sorgen, dass sich Russland zu einem modernen, kulturell und wissenschaftlich führenden Staatsgebilde entwickelt. Sie ...

Nach einem Putsch ruft sich die junge Katharina selbst zur Zarin aus. Sie will dafür sorgen, dass sich Russland zu einem modernen, kulturell und wissenschaftlich führenden Staatsgebilde entwickelt. Sie steht Europa eher positiv gegenüber und will mit seinen Machthabern 'offen' in Kontakt treten. Diese sind jedoch misstrauisch und durchaus beunruhigt über die junge Herrscherin. Und so beschließt Preußenkönig Friedrich der Große, einen 'Kundschafter' in Form des jungen Philosophen Stephan an den russischen Hof zu schicken, um sich so hinsichtlich der politischen Entwicklungen und der sonstigen Machtkonstellationen auf dem Laufenden zu halten. Denn trotz Katharinas Zurschaustellung einer Öffnung gen Westen, bleibt doch alles sehr abgeschottet und geheim und dies ganz bewusst. Der Unmut, der sich bei der russischen Bevölkerung mit den Jahren einstellt, führt zur Planung einer Rebellion, mit dem Ziel Katharina zu stürzen. Und Stephan, von dem Zauber der Stadt Petersburg berührt, gerät mitten hinein in diese machtpolitischen Intrigen, gefangen in der Beziehung zu einer der Rebellinnen, die eine enge Vertraute der Zarin ist und seiner durchaus vorhandenen Achtung und Ehrerbietung Katharina gegenüber.
Den Hauptaugenmerk dieses Buches würde ich auf die historisch politisch sehr präzise und ausführliche Beschreibung der Geschichte Russlands in der Zeit von 1762-1775 richten, aufgelockert und unterhaltsam gestaltet durch die Menschen, die hier versuchen, ihre Vorstellungen von ihrem Russland zu gestalten und dabei durchaus ihre menschlichen Belange und Gefühle nicht außen vor lassen. Aber dies ist dann auch die schwächere Seite dieses Romans. Es fehlen die großen Emotionen, die so wirklich auch beim Leser ankommen. Und so würde ich sagen, dies ist ein tolles Buch, wenn man sich auf nicht zu trockene Weise der Geschichte Russlands zu dieser Zeit nähern will. Sollte man vorwiegend von Emotion und Leidenschaft, gemischt mit der russischen Mentalität, angezogen werden, dann ist man wahrscheinlich doch eher etwas enttäuscht.
Für mich war es genau richtig. Dieses Russland wird mir in Erinnerung bleiben und die Hilfestellung durch die Karten und eine Aufstellung der handelnden Personen war sehr gut gewählt und passend.

Veröffentlicht am 04.06.2019

Eine Frau im Sog ihrer eigenen Verzweiflung am Leben

All das zu verlieren
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Adèle lebt mit ihrem Mann, einem Chirurgen, und ihrem kleinen Sohn in Paris. Sie selbst arbeitet als Journalistin bei einer Zeitung. Ihr Leben scheint nahezu perfekt. Ihr Mann verdient gut und ist bestrebt, ...

Adèle lebt mit ihrem Mann, einem Chirurgen, und ihrem kleinen Sohn in Paris. Sie selbst arbeitet als Journalistin bei einer Zeitung. Ihr Leben scheint nahezu perfekt. Ihr Mann verdient gut und ist bestrebt, seiner Frau alles zu ermöglichen, was seiner Meinung nach zu einem guten Leben gehört. Eine sehr komfortable Wohnung in einem angesagten Viertel, Essen gehen, edle Urlaube und das sich Bewegen in besten Greisen, das bringt ihm Befriedigung und Glück. Seine Frau müsste und sollte eigentlich nicht arbeiten, denn er kann sie ja gut versorgen und schon bald will er in eine eher ländliche Gegend ziehen und einen guten Posten in einer Privatklinik annehmen. Dann muss er sich nicht mehr so schinden, Adèle kann sich voll und ganz Haus und Familie widmen und seine Idealvorstellung vom Leben ist erfüllt. Adèle jedoch ist ruhelos und unbefriedigt. Und sie schreit ihre Verzweiflung hinaus in die Welt, indem sie wie ein wildes Tier durch die Straßen der Stadt rennt und versucht, sich durch Sexualität mit Männern, wo immer sich die Gelegenheit ergibt, etwas Ruhe und Glück zu verschaffen. Doch dies gelingt immer nur für kurze Zeit oder gar nicht. Ihr Mann weiß von all dem nichts. Für ihn ist die Welt an der Seite seiner schönen Frau, auf die er so stolz ist, in Ordnung. Bis zu dem Tag, der kommen musste.
Mich hat dieses Buch sofort gepackt. Von der ersten Seite an erfährt man die verzweifelte Intensität der Gefühle, die Adèle umtreibt. In kurzen oft nur ein- oder zweiseitigen Kapiteln ist man ganz nah dran am Denken und der geradezu animalischen Umtriebigkeit dieser Frau, die einfach nicht damit aufhören kann und die dieses 'jederzeit entdeckt werden' ängstigt, die es aber gleichzeitig auch genießt. Wird sie einen Weg für sich finden, der ihre Seele zurück zu ihrer Familie führt. Oder endet alles in einer Katastrophe, die weder ein Zurück noch einen Neuanfang möglich macht, für alle, die sie mit hineinzieht in diesen Sog, ohne Hoffnung auf was auch immer. Viele Fragen, und wie sieht die Antwort aus.
Ein intensiver faszinierender Roman. Und irgendwann ziemlich am Ende reißt auch 'das Korsett' des eher emotionslosen 'normalen' Ehemanns auf. Und es ist nicht zu Ende, noch lange nicht.

Veröffentlicht am 29.05.2019

Wenn ein junges Leben so schwer ist, ist diese sensible Hilfe ein Segen

Wie man bei Regen einen Berg in Flip-Flops erklimmt
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Die 14-jährige Sofie fühlt ihre Welt dunkel und ohne Freude. Ihre Mutter ist vor einigen Monaten völlig überraschend gestorben, ihr Vater ist mit seiner eigenen Trauer beschäftigt und ihre beste Freundin ...

Die 14-jährige Sofie fühlt ihre Welt dunkel und ohne Freude. Ihre Mutter ist vor einigen Monaten völlig überraschend gestorben, ihr Vater ist mit seiner eigenen Trauer beschäftigt und ihre beste Freundin ist zwar immer für sie da und sehr geduldig im Umgang mit ihr, aber so ganz kann sie sich in Sofies so lange andauernde Verzweiflung und Trauer doch nicht einfühlen. Und dann kommt Hilfe, von einer Seite, die man eigentlich nicht so wirklich ernst genommen hätte, einer Ratgeberseite im Internet mit Namen 'Frag Kate'. Aber Sofie versucht es einfach mal und Kate, denn so heißt die Dame, die sich der Anfragen annimmt, tatsächlich, schreibt zurück. Und sie geht wirklich auf Sofies Fragen und ihre Situation ein und mit ihrer zugewandten klugen, aber glücklicherweise auch sehr objektiven Sichtweise der Dinge, kann sie tatsächlich helfen, helfen beim Trauern, beim Entscheidungen treffen und bei all dem, was ein junges Mädchen trotz allem so bewegt, Jungs inbegriffen. Aber nicht nur in diesem Briefwechsel tut sich mit der Zeit etwas, auch im realen Leben gibt es Veränderungen, die manchmal sogar richtig schön sein können.
Es geht in dieser Geschichte um eine große Trauer, aber auch um Annäherung, Liebe, Freundschaft und die Entdeckung, das es weitergeht und das auch das Gefühl der Freude und des Glücks wieder fühlbar werden, mit der Zeit. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, vom ersten Augenblick direkt mitten hinein in Sofies Leben mit genug Einblicken, um mit dabei zu sein in dieser ihrer eigenen Gefühlswelt. Aneinandergereiht ist dies in den Ablauf eines Jahres, in zwölf Monate mit ganz viel zwischen den Buchseiten, über das, was in Sofies zusammengebrochener Welt so passiert, um dann ganz langsam auf eine ganz neue Art 'wieder heil' zu werden.
Eine wunderbare Geschichte bietet dieser Roman, der sich tief einfühlt in junge Menschen dieses Alters und absolut authentisch und überzeugend 'rüberkommt' und das nicht nur für Sofies Altersgruppe, sondern auch für Erwachsene.

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