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Veröffentlicht am 26.03.2022

Mysteriös, spannend, unheimlich

Der unsichtbare Freund
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Die alleinerziehende Mutter Kate flieht zusammen mit ihrem Sohn Christopher vor ihrem gewalttätigen Partner in ein verschlafenes Nest im Großraum von Pittsburgh. Kurz nach ihrer Ankunft beginnt der siebenjährige ...

Die alleinerziehende Mutter Kate flieht zusammen mit ihrem Sohn Christopher vor ihrem gewalttätigen Partner in ein verschlafenes Nest im Großraum von Pittsburgh. Kurz nach ihrer Ankunft beginnt der siebenjährige plötzlich Stimmen zu hören, verschwindet kurz danach für 6 Tage im Wald, kann sich allerdings bei seinem Auftauchen an nichts mehr erinnern. Dennoch hat er plötzlich besondere Fähigkeiten, beginnt sich mehr und mehr zu verändern. Fanatisch verfolgt er sein Projekt, im Wald ein Baumhaus zu errichten. Eine Aufgabe, die ihm von der mysteriösen Stimme aufgetragen wurde, und sollte er es nicht rechtzeitig schaffen, würde der ganze Ort dem Untergang geweiht sein.

Ich habe unwahrscheinlich schnell in die Geschichte hineingefunden und war wirklich beinahe von Seite eins an gefesselt und begeistert. So ist da zunächst einmal der sprachliche Stil des Autors, der genau meinen Geschmack trifft. Ein wenig ausschweifend, bunt, ein grandioses Setting beschreibend, ohne dabei zu langatmig zu werden und der Geschichte den Wind aus den Segeln zu nehmen. Weiters ist es auch das Setting, Mill Grove als typisches amerikanisches Vorstadtmillieu, das mich begeistern konnte. Denn dieses ist stimmig und grandios beschrieben, sodass man ein wirklich tolles Gefühl für die Umgebung der Handlung bekommt. Auch hinsichtlich der Charaktere hat der Autor ganze Arbeit geleistet. Diese sind spannend und facettenreich, trotzdem bedient er sich bei ihrer Gestalt dem klassischen Modell von Antihelden und deren Gegenspielern, sodass bei mir ein wenig ein nostalgisches Gefühl aufkam. Wie dem auch sei, lösen diese bei der Leserschaft wahre Feuerwerke der Emotionen aus, positive, wie auch negative Emotionen. Zuguterletzt konnte mich vor allem die Spannung der Geschichte abholen. Der Spannungsbogen steigert sich immer weiter, an den Momenten, an denen man denkt, dass es nicht mehr spannender werden kann, wird man von einem komplett überraschenden Plottwist überrannt. Top Voraussetzungen für einen Pageturner.

Dementsprechend, bin ich nur so durch die Seiten geflogen und auch wenn ich an und für sich kein großer Fan dieses Genres bin und sehr wenig aus dieser Ecke lesen, bin ich dennoch begeistert.

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Veröffentlicht am 20.03.2022

Thomas Bernhard von hinten bis vorne

Die Ursache
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Die Ursache ist der erste Teil der autobiografischen Bücherreihe von Thomas Bernhard. Hier wird seine Kindheit und Jugend in der Zeit des Nationalsozialismus und den unmittelbaren Nachkriegsjahren in typischer ...

Die Ursache ist der erste Teil der autobiografischen Bücherreihe von Thomas Bernhard. Hier wird seine Kindheit und Jugend in der Zeit des Nationalsozialismus und den unmittelbaren Nachkriegsjahren in typischer Bernhard-Manier behandelt: düster, traumatisch und eindringlich. So findet eine kritische Auseinandersetzung mit der damaligen Mehrheitsgesellschaft, dem Schulsystem und der fehlgeschlagenen Trennung von Kirche zum Rest des Lebens aus Sicht eines Schülers statt.

Sprachlich war der Einstieg in das Buch recht anspruchsvoll. Die ersten 10 Seiten waren für mich sehr verwirrend und anstrengend zu lesen, was sicherlich den komplexen Satzkonstruktionen Bernhards geschuldet ist, die sich oft über ganze Seiten erstrecken. Mittlerweile ist es aber so, dass nach wenigen Seiten mit dem Einstieg und dem Lesefluss auch der Genuss kam. Sprachlich wird man beim Lesen von Thomas Bernhards Übertreibungen, der scharfen Kritik und den turmhaften Sätzen, die einen in schwindelerregende Höhen tragen, verzaubert, sodass man immer mehr möchte, das Buch nicht mehr weglegt, und nach wenigen intensiven Stunden auch schon wieder zu Ende damit ist.

Definitiv ein intensives Leseerlebnis, allerdings nicht uneingeschränkt weiterempfehlbar, Intellekt und Lesegeschmack müssen stimmen.

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Veröffentlicht am 14.03.2022

Universalität des Theaters

Die Feuer
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Während das Umland des australische Melbourne von Buschfeuern verwüstet wird, findet in der Stadt eine Theateraufführung zu einem Werk Samuel Becketts statt. Im Zuschauerraum befindet sich die Literaturprofessorin ...

Während das Umland des australische Melbourne von Buschfeuern verwüstet wird, findet in der Stadt eine Theateraufführung zu einem Werk Samuel Becketts statt. Im Zuschauerraum befindet sich die Literaturprofessorin Margot, die mit ihrer familiären Situation versucht klarzukommen, und Ivy, eine scheinbar starke Persönlichkeit, die dennoch ihre Vergangenheit nicht abschütteln kann. Verfolgt wird die Aufführung aber auch noch von der jungen Platzanweiserin Summer, die immer noch auf der Suche nach ihrer eigenen Identität ist und Tag für Tag aufs Neue mit dieser Konfrontiert wird, mit den Gedanken aber auch bei ihrer Lebensgefährtin ist, die sich durch die Buschfeuer kämpft. Und so reflektieren die drei während dieser Theatervorstellung nicht nur ihr jeweils eigenes Leben, sondern auch den Zustand der Erde und der Gesellschaft.

Stilistisch konnte mich die Autorin schon ganz zu Beginn der Geschichte mit dem ungewohnten Aufbau der direkten Rede überraschen. Meine Neugierde wurde geweckt, was sich sonst noch so im Buch an Überraschungen in dieser Hinsicht verborgen hält. Auch wenn ich dabei nicht enttäuscht wurde, war es vor allem der Schreibstil, der mich durch die Geschichte gezogen hat. Denn sprachlich entsteht eine Sogwirkung, die gepaart mit der linearen, geradlinigen und durchaus drängenden Handlung, aber auch der einzigartigen Einfachheit und Universalität des Settings und des zeitlichen Rahmens - hier entstand für mich durchaus der Eindruck eines Theaterstückes - Potential für einen Pageturner hat. Als solcher hat sich für mich das Buch dann auch herausgestellt. Denn auch die Handlung, vor allem die Reflexion des eigenen Lebens, aber auch der gesamtgesellschaftlichen Situation im Rahmen eines wenige Stunden andauernden Theaterstückes, hat mich wirklich fasziniert. Der mehr oder weniger kritische Umgang mit Identität, Klimapolitik, Familienbildern und Feminismus hat einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen und mich dazu angeregt, das eigene Leben anhand dieser Filter und der im Buch aufgegriffenen Ideen und Gedanken zu reflektieren.

Kurzum hat mich das Buch von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt und ich kann dieses literarische Experiment von Herzen weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 13.03.2022

radikaler Vegetarismus in den Kinderschuhen

Vegetarianer
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Karl Wilhelm Diefenbach hat ein Werte- und Lebensbild, das von dem seiner Lebenszeit, dem späten 19. Jahrhundert, sehr stark abweicht. Er predigt den Vegetarismus, setzt auf Licht, Luft und Wasser als ...

Karl Wilhelm Diefenbach hat ein Werte- und Lebensbild, das von dem seiner Lebenszeit, dem späten 19. Jahrhundert, sehr stark abweicht. Er predigt den Vegetarismus, setzt auf Licht, Luft und Wasser als Naturheilmethoden, lehnt Schulmedizin, Impfungen und Medikamente radikal ab und meint nur durch den Nudismus sei der Körper gesund. Mit diesen Ideen zum gesunden, perfekten Leben, aus dem sich eine neue Menschenrasse herausbilden wird, beginnt Diefenbach Anhänger:innen um sich zu scharren und gründet vor den Augen der entsetzten Münchner Gesellschaft eine Gruppe, die die Theorie seines idealen Lebensstils lebt. Doch dabei gibt es nicht nur emotionale und finanzielle Probleme, auch der Staat wird Diefenbach mehr und mehr zur unüberwindbaren Hürde.

Ich habe mich wirklich auf das Buch gefreut, da ich darin eine Möglichkeit gesehen habe, den heutigen Vegetarismus mit dem rebellischen Anfängen in Zeiten der industriellen Revolution zu vergleichen. Dafür eignet sich das Buch auch wirklich hervorragend. Man bekommt wirklich einen sehr guten Einblick in Vorstellungen der damaligen Vegetarier, wie sich durch ihren Einsatz die Weltverändern könnte. Auch der Blick auf die Naturheilmethoden sind interessant, gleichzeitig aber auch durchaus amüsant, da viele von ihnen aus dem heutigen Standpunkt betrachtet so absurd sind, dass man es sich schwer vorstellen kann, dass es im 19. Jahrhundert Menschen gegeben hat, die darin die Heilung aller Krankheiten und Leiden sahen. So ist der historische Aspekt des Buches wirklich enorm wertvoll, auch wenn ich sagen muss, dass für mich der Versuch einer literarischen Romanbiografie teilweise gescheitert ist. Zwar ist Diefenbach wie gesagt ein durchaus interessanter Charakter und auch sprachlich konnte das Buch mich auf weiten Teilen von sich überzeugen, zwar nicht immer begeistern, aber das habe ich keineswegs erwartet. Allerdings fehlte mir im Buch einerseits die Spannung. Irgendwann war einfach die Luft raus, da sich die Geldprobleme Diefenbachs und sein Konflikt mit dem Gesetz, aber auch das Auf und Ab der Vegetarianer-Gruppe, in einem periodischen Kreislauf ständig wiederholten. Dazu kommt noch, dass mich die Protagonist:innen auf emotionaler Ebene überhaupt nicht an sich binden konnten. Vor allem Diefenbach ging mir mit seinem Gejammere und Gesudere in der zweiten Hälfte des Buches ziemlich auf die Nerven.

Dennoch ist das Buch wirklich lesenswert und bietet einen interessanten Ausblick in die Zeit, in der der Vegetarismus noch in den Kinderschuhen steckte, vor allem für Menschen, die sich mit alternativen Ernährungsmethoden auseinandersetzen also durchaus spannend.

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Veröffentlicht am 06.03.2022

intensives Bild einer tragischen Liebe

Blinder Spiegel
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Der Fluglotse Lui und Elle, die Gattin eines Geschäftsmannes, der in die Politik gehen will, treffen sich durch Zufall in einem Pariser Café. Diese Begegnung fesselt die beiden aneinander, reißt sie in ...

Der Fluglotse Lui und Elle, die Gattin eines Geschäftsmannes, der in die Politik gehen will, treffen sich durch Zufall in einem Pariser Café. Diese Begegnung fesselt die beiden aneinander, reißt sie in einen Sog der intensiven Gefühle, aus dem sie sich nicht mehr befreien können, auch wenn beide wissen, dass es für die Liebe keine Zukunft gibt. Zu kaputt sind die beiden, zu irreparabel die Schäden, die das Leben an den beiden angerichtet hat. Und so leben Lui und Elle den Rausch, der sie unweigerlich an die Grenzen ihres Daseins bringt.

Auf knappen 110 Seiten entsteht so ein anonymes, wenn auch durchaus intensives und vor allem sprachgewaltiges Porträt einer verzweifelten Liebe. Sprachlich wird hier ein Paris an einem grauen verregneten Tag erzeugt, das dennoch nicht von Farblosigkeit, Melancholie und Trauer geprägt ist, auch wenn diese unweigerlich Begleiterscheinungen der Geschichte sind. Fasziniert hat mich dabei vor allem, dass Lui und Elle scheinbar Stellvertreterpositionen für all die verlorenen Seelen dieser Welt einnehmen, die nur darauf warten, jemanden zu finden, um in dessen bzw. deren Armen Rettung zu finden, ebenso, wie es Lui und Elle hier tun, auch wenn der Ausgang meist tragisch ist.

Kurz und knapp handelt es sich bei diesem kurzen Buch um ein vor allem sprachlich spannendes und nachdenkliches Buch, das zum Nachdenken über das eigene Glück anregt.

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