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Veröffentlicht am 02.11.2021

Ein Buch mit gewaltiger Message

Felix Ever After
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Felix hat eine große Sorge: sich niemals in jemanden zu verlieben und dass seine Liebe erwidert wird. Denn Felix ist trans, queer und PoC, Aspekte seiner Identität, die ihm es schwerer machen, ein normales ...

Felix hat eine große Sorge: sich niemals in jemanden zu verlieben und dass seine Liebe erwidert wird. Denn Felix ist trans, queer und PoC, Aspekte seiner Identität, die ihm es schwerer machen, ein normales Leben zu führen, als andere Menschen. Doch nicht nur seine Liebe bzw. deren nicht-vorhanden-sein macht ihm zu schaffen, sondern auch, dass sein Vater sich noch immer nicht ganz an seine neue Identität gewöhnt hat und er immer wieder gedeadnamed wird. Als ein anonymer Täter dann auch noch Bilder von der Person in der Schule aufhängt, die Felix einmal war, und er sich online mit Hassbotschaften konfrontiert sieht, platzt ihm der Kragen und er macht sich auf einen Rachefeldzug gegen die Ignoranten von New York.

Ich bin mit wirklich hohen Erwartungen an das Buch herangetreten, da ich seit dem Erscheinen der englischen Ausgabe darauf gewartet habe, dass es nun endlich auch auf deutsch erscheint. Schon der Klappentext versprach ein sprach- und bildgewaltiges Buch, das eine Botschaft von fundamentaler Bedeutung in die Welt hinausträgt. Das hat es dann auch getan, wobei die Umsetzung bei mir leider ein wenig zu Wünschen über ließ. Dennoch steht außer Frage, dass die Geschichte rund um Felix und seine Freunde ein großer Akt der Aufklärung hinsichtlich der trans-Community, aber auch vieler anderer Bereiche der Queer-Community ist. Aber auch Rassismus, typische Probleme von Jugendlichen und der Generationenkonflikt kommen nicht zu kurz. An dieser Stelle möchte ich auch ein großes Lob hingehend dessen aussprechen, wie they Autorin in ihrem Buch mit Drogen und Alkohol umgeht. In einem Buch, das seinen Schwerpunkt auf atheistische, urbane Jugendkultur und das Ausbrechenden aus alten Strukturen setzt, wäre es meiner Meinung nach komplett fehl am Platz, einen mahnenden und belehrenden Ton aufzusetzen, wenn Protagonist:innen Gras oder Alkohol - und das nicht zu knapp - konsumieren. In diesen Aspekt fühlt sich die Geschichte wirklich natürlich an. Die thematischen Hintergründe des Buches sind also außer Frage gut gelungen, allerdings bin ich mit der Umsetzung der Protagonist:innen nicht ganz glücklich. zwar wirken Felix und seine Freund:innen auf den ersten Blick recht sympathisch und die Figuren sind von ihren Gefühlen, Sorgen und verhalten her sehr authentisch geraten, allerdings haben sie für mich im Laufe der Geschichte immer mehr an Sympathie verloren. So ist Felix beispielsweise teilweise sehr herrisch, störrisch, egoistisch und legt ein sehr toxischen Verhalten an den Tag. In manchen Streitfragen wirke er wirklich unbedacht oder trampelte auf den Gefühlen der anderen herum. Auch fand ich sein Vorgehen wegen der Ausstellung mit den alten Bildern, seinen Rachefeldzug wirklich beängstigend intensiv. Zwar steht außer Frage, dass das, was ihm angetan wurde, unterste Schublade ist, doch gleich das Leben der Täter:in zu zerstören und von diesem einzigen Gedanken besessen zu sein, empfand ich dann doch als recht krass. Im Generellen kam es mir auch so vor, als habe die Queer-Community in Felix Umfeld ein massives Problem mit Hass und fehlendem Verständnis, dass mich - selbst ein Queer - stellenweise wirklich schockiert hat. Ein weiterer Punkt, der mich nicht ganz überzeugen konnte, war die Übersetzung. Stellenweise wirkte diese altbacken und holprig, manche wurden fehlerhaft Übersetzt. So wurde sehr schnell beispielsweise Eifersucht zu Neid. Gendern war auch so etwas, dass meinen Lesefluss stellenweise unterbrochen hat. Ich persönlich habe keinerlei Probleme damit, zu gendern, und aufgrund der Thematik des Buches und der Hintergrundgeschichte von they Autor, schreit die deutsche Übersetzung geradezu danach, das gegendert wird. Aber der Einsatz des Doppelpunktes in gesprochener Sprache hat sich für mich nicht immer natürlich angefühlt, da man beim Sprechen ja viel mehr mit Hilfe der Ausformulierung (z.B.: Lehrerinnen und Lehrer) gendert. So hatte diese Stellen in Monologen und Dialogen oft den steifen Charakter eines wissenschaftlichen oder erklärenden Textes. Allerdings weiß ich auch, dass diese Ausformulierung sich nur auf die binären Geschlechterformen bezieht, was wiederum der Thematik des Buches nicht gerecht werden würde. Unglücklicherweise ein Dilemma, das dem Fehlen einer geschlechtsneutralen Form in der deutschen Sprache geschuldet ist. Was mir dafür wiederum sehr gut gefallen hat, ist, wie im Text und auch mit Hilfe eines Glossars die Leserschaft sehr viel Hintergrundwissen zum Thema LGBTIAQ+ bekommt.

Letztendlich hat das Buch einen sehr großen Mehrwert, allerdings hielt sich bei mir der Lesegenuss leider in Grenzen.

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Veröffentlicht am 28.10.2021

Berlin Friedrichstraße, leider mit etwas wenig Friedrichstraße

Berlin Friedrichstraße: Novembersturm
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Deutschland befindet sich nach dem Ersten Weltkrieg noch in Startschwierigkeiten. Auch für Robert, Louise und Johannes war der Krieg ein einschneidendes Erlebnis. Die Freunschaftsgruppe aus Kindertagen ...

Deutschland befindet sich nach dem Ersten Weltkrieg noch in Startschwierigkeiten. Auch für Robert, Louise und Johannes war der Krieg ein einschneidendes Erlebnis. Die Freunschaftsgruppe aus Kindertagen existiert nicht mehr: Johannes ist irgendwo in Frankreich verschollen und Robert macht Louise einen Heiratsantrag, auch wenn ihre Gefühle für ihn mehr freundschaftlicher Natur sind und ihr Herz immer noch für Johannes schlägt. Am Tag der Hochzeit, dem Tag, an dem ich Robert und Louise für immer aneinander binden, taucht plötzlich der totgeglaubte Johannes wieder auf und stürzt alle in ein Chaos der Schuldgefühle. Und dann ist da noch Ella, das Mädchen, das zu Kinderzeiten eine treue Begleiterin der drei Freunde war.

Der Einstieg in die Geschichte - etwa die ersten 50 Seiten lang - viel mir erstaunlicherweise etwas schwer. Ich musste mich erst an den Schreibstil gewöhnen, der anfangs auf mich abgehackt und holprig wirkte. Ich fand nicht wirklich in die Geschichte hinein. Mit Voranschreiten des Buches wurde dies aber besser. Das Buch lässt sich flott lesen, treibt die Geschichte voran, allerdings ist der Schreibstil in meinen Augen trotzdem nicht herausragend. Der Spannungsbogen der Geschichte ist an und für sich sehr gut ausgearbeitet, hochtrabend durch die Ereignisse der Weimarer Republik, politische Spannungen und wirtschaftliche Probleme. Teilweise gab es dann auch wieder einzelne kurze Stellen, die mir etwas langatmig vorkamen, meist nicht, weil die Handlung unglaublich langweilig war, sondern viel mehr, weil sich diese teilweise im Kreis drehte. Immer wieder ähnliche Szenen und gleiche bzw. ähnliche Satzphrasen. Die Protagonist:innen sind dafür wieder sehr gut ausgearbeitet. Man hat Diversität, die es einerseits leichter macht, sich selbst in irgendeiner der handelnden Personen wiederzufinden, und andererseits die damalige Berliner Gesellschaft sehr gut widerspiegelt. Diverse Gesellschaft ist hier auch schon ein sehr gutes Stichwort dazu, was mich am Buch wirklich beeindrucken und begeistern konnte. Man bekommt beim Lesen ständig interessante Fakten zu Gesellschaft, Prominenz, Politik und wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen eingestreut, sodass sich ein komplexes Bild der Hauptstadt der Weimarer Republik ergibt. Hier muss man definitiv die herausragende Recherchearbeit der Autorin hervorheben und loben. Was mich nach dem Beenden des Buches aber aufgefallen ist, dass der Bahnhof Friedrichstraße nur eine untergeordnete Rolle spielt. Leider ist er nur immer wieder Handlungsstandort, aber Roberts Arbeit, der ja als Architekt am Umbau des Bahnhofs beteiligt ist, geht komplett unter. Meiner Meinung nach wirklich schade, da ich mir mehr zur Geschichte des Bahnhofs und dem damit verbundenen ÖPNV erhofft hatte.

Kurz gesagt bietet das Buch einen soliden und guten Einblick in das Berlin der 20er Jahre, auch wenn es stellenweise ein wenig holprig war.

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Veröffentlicht am 26.10.2021

Kindliche Liebe wächst zu einem Wahn heran

Brief einer Unbekannten
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Ein Romanschriftsteller, erfolgreich in Beruf und mit den Frauen, kommt aus dem Urlaub zurück und findet einen Brief vor, ohne Namen, Absender oder Unterschrift. In ihm schüttet seine vermeintliche ehemalige ...

Ein Romanschriftsteller, erfolgreich in Beruf und mit den Frauen, kommt aus dem Urlaub zurück und findet einen Brief vor, ohne Namen, Absender oder Unterschrift. In ihm schüttet seine vermeintliche ehemalige Nachbarin ihm sein Herz aus, klagt ihn an, beschuldigt ihn als herzloses Monster.

Stefan Zweig hat mich auch hier weder von Sprache, noch von seinen eigentlich recht banalen Geschichten, die sich zu einem reißenden Strom verwandeln. Ich habe die Erzählung dann innerhalb weniger Stunden weggelesen und war von Seite zu Seite mehr gefesselt. Kurzum: sprachlich top, spannend und psychologisch wieder extrem interessant.

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Veröffentlicht am 21.10.2021

koreanische Gesellschaftskritik in holpriger Verpackung

Vertraute Welt
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Jede große Stadt hat irgendwo an ihren Ausläufern eine Mülldeponie. So auch Seoul. Und so ist die sogenannte "Blumeninsel" Lebensgrundlage tausender Menschen, ausgestoßen von der der Wohlstandsgesellschaft ...

Jede große Stadt hat irgendwo an ihren Ausläufern eine Mülldeponie. So auch Seoul. Und so ist die sogenannte "Blumeninsel" Lebensgrundlage tausender Menschen, ausgestoßen von der der Wohlstandsgesellschaft der Hauptstadt. Unter ihnen auch der dreizehnjährige Glubschaug, der hier zusammen mit seiner Mutter angespült wird. Zuvor hatten die beiden noch in den städtischen Slums gewohnt, doch nachdem der Vater des Jungen in ein staatliches Umerziehungsprogramm gesteckt wurde, kommt für die beiden der soziale Abstieg. Nun bestimmt das Durchkämmen des Mülles nach widerverwertbaren Gegenständen das Leben des Jungen und zusammen mit glatzfleck, seinem neuen besten Freund, versucht Glubschaug nun das beste aus dem zu machen, was ihm geblieben ist.

Als ich von Slum und Elend in Südkorea gelesen habe, hatte ich eigentlich viel mehr eine städtische Armut, ein Elendsviertel erwartet, und nicht eine Pappkartonsiedlung am Rande einer Mülldeponie, wie man sie niemals in Südkorea, einem Land des Wohlstandes mit weltweitem Ansehen, erwarten würde, sondern viel mehr in südasiatischen Staaten. Nach meiner ersten Überraschung kam allerdings Interesse, da diese Form der Armut für mich in einem Land mit solch hohen Lebensstandards eigentlich komplett unbekannt und undenkbar war. Jedenfalls erweitert das Buch den eigenen Horizont und das Wissen über das Leben auf einer Mülldeponie unheimlich. Probleme hatte ich allerdings mit dem sprachlichen Stil de Autors, bzw. was der Übersetzer daraus gemacht hat. So wirkt die Geschichte auf mich trotz der berührenden Thematik sehr nüchtern und erzeugte kaum Emotionen bei mir, die über Interesse hinausgingen. Ich hatte beim Lesen stellenweise wirklich das Gefühl, dass ich mir einen mittelklassigen Dokumentarfilm über die Blumeninsel ansehen würde, bei dem man von den beiden Kindern durch ihren Lebensalltag begleitet wird. Sehr oft passierte es mir dann aber auch, dass ich über wirklich altbackene Formulierungen stolperte, ich immer wieder innehalten musste, und mich wunderte, was ich gerade gelesen habe. Die Arbeit des Übersetzers kann ich leider hier wenig wertschätzen.

Das Buch bietet zwar einen enorm wichtigen Beitrag auf eine Parallelgesellschaft am Rande des ertragbaren Lebens und zeigt Probleme des südkoreanischen Sozialstaates auf, kann mich allerdings weder emotional mitnehmen oder mit seiner teils grotesken Übersetzung überzeugen.

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Veröffentlicht am 20.10.2021

Robert Koch, eine Seuche und die störrischen Politiker

Arzt der Hoffnung
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Im heißen Sommer von 1892 häufen sich in Hamburg immer mehr mysteriöse Todesfälle. Schnell ist Klar: die Cholera ist ausgebrochen. Und so entsendet die Reichsregierung ihren besten Seuchenspezialisten, ...

Im heißen Sommer von 1892 häufen sich in Hamburg immer mehr mysteriöse Todesfälle. Schnell ist Klar: die Cholera ist ausgebrochen. Und so entsendet die Reichsregierung ihren besten Seuchenspezialisten, Dr. Robert Koch. Dieser soll untersuchen, wie es in der Stadt zum Ausbruch der Seuche kam, und weiters diese eindämmen und bekämpfen. Doch der Arzt wird in Hamburg von der dortigen Regierung eher missmutig willkommen geheißen. Für Robert Koch beginnt jetzt nicht nur der Kampf gegen die tödliche Seuche, sondern auch gegen die Ignoranz und Inkompetenz der Hamburger Behörden. Zu allem Überfluss kommt auch noch Hedwig, Robert Kochs Geliebte, in die Stadt, bevor diese abgeriegelt werden kann. Doch die Freude über das Wiedersehen ist getrübt von Robert Kochs Furcht, sie könne sich an der Krankheit anstecken und dem Unmut der Gesellschaft, den das Paar auf sich zieht.


Thematisch ist das Buch in der aktuellen Coronasituation aktueller den jäh. Der Kampf gegen Unwissen und Vorurteile und der Unwillen mancher Leute Menschenleben zu schützen spielt auch in diesem Buch eine Rolle. Vor allem bekommt man aber ein sehr schönes Porträt der Cholera-Epidemie im Hamburg des Jahres 1892 und erfährt einiges über das Leben und die Arbeit des großen Robert Koch. Der sprachliche Stil des Autors trägt die Leserschaft dann auch ganz angenehm leicht, gleichzeitig aber auch wunderbar atmosphärisch und mit einem Blick fürs Detail, durch die Geschichte. immer wieder bekommt man beim Lesen Stellen und Textpassagen präsentiert, die gerade dazu einladen, bei den wunderbaren Beschreibungen zu verweilen, und sich diese zu markieren. Wo der Schreibstil sanft und wunderbar schön ist, wird die Geschichte kontinuierlich weitergetrieben, ein starker Spannungsbogen aufgebaut, der an Anfang und Ende sehr schön abgerundet ist, den Rest des Buches über aber immer weiter steigt und die Geschichte vorantreibt. So lädt das Buch schon direkt dazu ein, die Geschichte in einem Rutsch durchzulesen. Dazu tragen sicherlich auch die wunderbar ausgearbeiteten Charaktere bei. Robert Koch ist unangefochten der Hauptprotagonist, doch auch andere Figuren, wie beispielsweise Hedwig spielen im Buch eine tragende Rolle. Schön ist hierbei, dass nicht nur der Hauptcharakter durch Facettenreichtum und eine individuelle Gestaltung glänzt, sondern auch die anderen Protagonist:innen durch ihr vielschichtiges Wesen überzeugen können. Ein wichtiger Aspekt, der dem Buch eine sehr schöne Note gibt, ist aber das Wissen an historischen Hintergründe, die der Autor mit in die Geschichte einbezieht. Fakten zum historischen Hamburg, über die Cholera und seine Verbreitung oder aber auch über die politischen Zwiste zwischen Hamburg und der Reichsregierung, die mir so nicht bewusst waren. Vollkommen für mich einnehmen konnten aber die Beschreibungen davon, welche Rolle die Wasseraufbereitung und die Abwasserentsorgung in dieser Epidemie spielten.


Kurzum gesagt konnte mich das Buch auf voller Länge begeistern. Ein historischer Roman, bei dem wirklich alle Komponenten stimmen. Und so kann ich sagen, dass Ralf Günther definitiv ein Autor ist, den ich zukünftig auf dem Schirm haben werde.

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