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Veröffentlicht am 28.10.2021

Berlin Friedrichstraße, leider mit etwas wenig Friedrichstraße

Berlin Friedrichstraße: Novembersturm
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Deutschland befindet sich nach dem Ersten Weltkrieg noch in Startschwierigkeiten. Auch für Robert, Louise und Johannes war der Krieg ein einschneidendes Erlebnis. Die Freunschaftsgruppe aus Kindertagen ...

Deutschland befindet sich nach dem Ersten Weltkrieg noch in Startschwierigkeiten. Auch für Robert, Louise und Johannes war der Krieg ein einschneidendes Erlebnis. Die Freunschaftsgruppe aus Kindertagen existiert nicht mehr: Johannes ist irgendwo in Frankreich verschollen und Robert macht Louise einen Heiratsantrag, auch wenn ihre Gefühle für ihn mehr freundschaftlicher Natur sind und ihr Herz immer noch für Johannes schlägt. Am Tag der Hochzeit, dem Tag, an dem ich Robert und Louise für immer aneinander binden, taucht plötzlich der totgeglaubte Johannes wieder auf und stürzt alle in ein Chaos der Schuldgefühle. Und dann ist da noch Ella, das Mädchen, das zu Kinderzeiten eine treue Begleiterin der drei Freunde war.

Der Einstieg in die Geschichte - etwa die ersten 50 Seiten lang - viel mir erstaunlicherweise etwas schwer. Ich musste mich erst an den Schreibstil gewöhnen, der anfangs auf mich abgehackt und holprig wirkte. Ich fand nicht wirklich in die Geschichte hinein. Mit Voranschreiten des Buches wurde dies aber besser. Das Buch lässt sich flott lesen, treibt die Geschichte voran, allerdings ist der Schreibstil in meinen Augen trotzdem nicht herausragend. Der Spannungsbogen der Geschichte ist an und für sich sehr gut ausgearbeitet, hochtrabend durch die Ereignisse der Weimarer Republik, politische Spannungen und wirtschaftliche Probleme. Teilweise gab es dann auch wieder einzelne kurze Stellen, die mir etwas langatmig vorkamen, meist nicht, weil die Handlung unglaublich langweilig war, sondern viel mehr, weil sich diese teilweise im Kreis drehte. Immer wieder ähnliche Szenen und gleiche bzw. ähnliche Satzphrasen. Die Protagonist:innen sind dafür wieder sehr gut ausgearbeitet. Man hat Diversität, die es einerseits leichter macht, sich selbst in irgendeiner der handelnden Personen wiederzufinden, und andererseits die damalige Berliner Gesellschaft sehr gut widerspiegelt. Diverse Gesellschaft ist hier auch schon ein sehr gutes Stichwort dazu, was mich am Buch wirklich beeindrucken und begeistern konnte. Man bekommt beim Lesen ständig interessante Fakten zu Gesellschaft, Prominenz, Politik und wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen eingestreut, sodass sich ein komplexes Bild der Hauptstadt der Weimarer Republik ergibt. Hier muss man definitiv die herausragende Recherchearbeit der Autorin hervorheben und loben. Was mich nach dem Beenden des Buches aber aufgefallen ist, dass der Bahnhof Friedrichstraße nur eine untergeordnete Rolle spielt. Leider ist er nur immer wieder Handlungsstandort, aber Roberts Arbeit, der ja als Architekt am Umbau des Bahnhofs beteiligt ist, geht komplett unter. Meiner Meinung nach wirklich schade, da ich mir mehr zur Geschichte des Bahnhofs und dem damit verbundenen ÖPNV erhofft hatte.

Kurz gesagt bietet das Buch einen soliden und guten Einblick in das Berlin der 20er Jahre, auch wenn es stellenweise ein wenig holprig war.

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Veröffentlicht am 26.10.2021

Kindliche Liebe wächst zu einem Wahn heran

Brief einer Unbekannten
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Ein Romanschriftsteller, erfolgreich in Beruf und mit den Frauen, kommt aus dem Urlaub zurück und findet einen Brief vor, ohne Namen, Absender oder Unterschrift. In ihm schüttet seine vermeintliche ehemalige ...

Ein Romanschriftsteller, erfolgreich in Beruf und mit den Frauen, kommt aus dem Urlaub zurück und findet einen Brief vor, ohne Namen, Absender oder Unterschrift. In ihm schüttet seine vermeintliche ehemalige Nachbarin ihm sein Herz aus, klagt ihn an, beschuldigt ihn als herzloses Monster.

Stefan Zweig hat mich auch hier weder von Sprache, noch von seinen eigentlich recht banalen Geschichten, die sich zu einem reißenden Strom verwandeln. Ich habe die Erzählung dann innerhalb weniger Stunden weggelesen und war von Seite zu Seite mehr gefesselt. Kurzum: sprachlich top, spannend und psychologisch wieder extrem interessant.

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Veröffentlicht am 21.10.2021

koreanische Gesellschaftskritik in holpriger Verpackung

Vertraute Welt
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Jede große Stadt hat irgendwo an ihren Ausläufern eine Mülldeponie. So auch Seoul. Und so ist die sogenannte "Blumeninsel" Lebensgrundlage tausender Menschen, ausgestoßen von der der Wohlstandsgesellschaft ...

Jede große Stadt hat irgendwo an ihren Ausläufern eine Mülldeponie. So auch Seoul. Und so ist die sogenannte "Blumeninsel" Lebensgrundlage tausender Menschen, ausgestoßen von der der Wohlstandsgesellschaft der Hauptstadt. Unter ihnen auch der dreizehnjährige Glubschaug, der hier zusammen mit seiner Mutter angespült wird. Zuvor hatten die beiden noch in den städtischen Slums gewohnt, doch nachdem der Vater des Jungen in ein staatliches Umerziehungsprogramm gesteckt wurde, kommt für die beiden der soziale Abstieg. Nun bestimmt das Durchkämmen des Mülles nach widerverwertbaren Gegenständen das Leben des Jungen und zusammen mit glatzfleck, seinem neuen besten Freund, versucht Glubschaug nun das beste aus dem zu machen, was ihm geblieben ist.

Als ich von Slum und Elend in Südkorea gelesen habe, hatte ich eigentlich viel mehr eine städtische Armut, ein Elendsviertel erwartet, und nicht eine Pappkartonsiedlung am Rande einer Mülldeponie, wie man sie niemals in Südkorea, einem Land des Wohlstandes mit weltweitem Ansehen, erwarten würde, sondern viel mehr in südasiatischen Staaten. Nach meiner ersten Überraschung kam allerdings Interesse, da diese Form der Armut für mich in einem Land mit solch hohen Lebensstandards eigentlich komplett unbekannt und undenkbar war. Jedenfalls erweitert das Buch den eigenen Horizont und das Wissen über das Leben auf einer Mülldeponie unheimlich. Probleme hatte ich allerdings mit dem sprachlichen Stil de Autors, bzw. was der Übersetzer daraus gemacht hat. So wirkt die Geschichte auf mich trotz der berührenden Thematik sehr nüchtern und erzeugte kaum Emotionen bei mir, die über Interesse hinausgingen. Ich hatte beim Lesen stellenweise wirklich das Gefühl, dass ich mir einen mittelklassigen Dokumentarfilm über die Blumeninsel ansehen würde, bei dem man von den beiden Kindern durch ihren Lebensalltag begleitet wird. Sehr oft passierte es mir dann aber auch, dass ich über wirklich altbackene Formulierungen stolperte, ich immer wieder innehalten musste, und mich wunderte, was ich gerade gelesen habe. Die Arbeit des Übersetzers kann ich leider hier wenig wertschätzen.

Das Buch bietet zwar einen enorm wichtigen Beitrag auf eine Parallelgesellschaft am Rande des ertragbaren Lebens und zeigt Probleme des südkoreanischen Sozialstaates auf, kann mich allerdings weder emotional mitnehmen oder mit seiner teils grotesken Übersetzung überzeugen.

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Veröffentlicht am 20.10.2021

Robert Koch, eine Seuche und die störrischen Politiker

Arzt der Hoffnung
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Im heißen Sommer von 1892 häufen sich in Hamburg immer mehr mysteriöse Todesfälle. Schnell ist Klar: die Cholera ist ausgebrochen. Und so entsendet die Reichsregierung ihren besten Seuchenspezialisten, ...

Im heißen Sommer von 1892 häufen sich in Hamburg immer mehr mysteriöse Todesfälle. Schnell ist Klar: die Cholera ist ausgebrochen. Und so entsendet die Reichsregierung ihren besten Seuchenspezialisten, Dr. Robert Koch. Dieser soll untersuchen, wie es in der Stadt zum Ausbruch der Seuche kam, und weiters diese eindämmen und bekämpfen. Doch der Arzt wird in Hamburg von der dortigen Regierung eher missmutig willkommen geheißen. Für Robert Koch beginnt jetzt nicht nur der Kampf gegen die tödliche Seuche, sondern auch gegen die Ignoranz und Inkompetenz der Hamburger Behörden. Zu allem Überfluss kommt auch noch Hedwig, Robert Kochs Geliebte, in die Stadt, bevor diese abgeriegelt werden kann. Doch die Freude über das Wiedersehen ist getrübt von Robert Kochs Furcht, sie könne sich an der Krankheit anstecken und dem Unmut der Gesellschaft, den das Paar auf sich zieht.


Thematisch ist das Buch in der aktuellen Coronasituation aktueller den jäh. Der Kampf gegen Unwissen und Vorurteile und der Unwillen mancher Leute Menschenleben zu schützen spielt auch in diesem Buch eine Rolle. Vor allem bekommt man aber ein sehr schönes Porträt der Cholera-Epidemie im Hamburg des Jahres 1892 und erfährt einiges über das Leben und die Arbeit des großen Robert Koch. Der sprachliche Stil des Autors trägt die Leserschaft dann auch ganz angenehm leicht, gleichzeitig aber auch wunderbar atmosphärisch und mit einem Blick fürs Detail, durch die Geschichte. immer wieder bekommt man beim Lesen Stellen und Textpassagen präsentiert, die gerade dazu einladen, bei den wunderbaren Beschreibungen zu verweilen, und sich diese zu markieren. Wo der Schreibstil sanft und wunderbar schön ist, wird die Geschichte kontinuierlich weitergetrieben, ein starker Spannungsbogen aufgebaut, der an Anfang und Ende sehr schön abgerundet ist, den Rest des Buches über aber immer weiter steigt und die Geschichte vorantreibt. So lädt das Buch schon direkt dazu ein, die Geschichte in einem Rutsch durchzulesen. Dazu tragen sicherlich auch die wunderbar ausgearbeiteten Charaktere bei. Robert Koch ist unangefochten der Hauptprotagonist, doch auch andere Figuren, wie beispielsweise Hedwig spielen im Buch eine tragende Rolle. Schön ist hierbei, dass nicht nur der Hauptcharakter durch Facettenreichtum und eine individuelle Gestaltung glänzt, sondern auch die anderen Protagonist:innen durch ihr vielschichtiges Wesen überzeugen können. Ein wichtiger Aspekt, der dem Buch eine sehr schöne Note gibt, ist aber das Wissen an historischen Hintergründe, die der Autor mit in die Geschichte einbezieht. Fakten zum historischen Hamburg, über die Cholera und seine Verbreitung oder aber auch über die politischen Zwiste zwischen Hamburg und der Reichsregierung, die mir so nicht bewusst waren. Vollkommen für mich einnehmen konnten aber die Beschreibungen davon, welche Rolle die Wasseraufbereitung und die Abwasserentsorgung in dieser Epidemie spielten.


Kurzum gesagt konnte mich das Buch auf voller Länge begeistern. Ein historischer Roman, bei dem wirklich alle Komponenten stimmen. Und so kann ich sagen, dass Ralf Günther definitiv ein Autor ist, den ich zukünftig auf dem Schirm haben werde.

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Veröffentlicht am 11.10.2021

Eine bunte und gelungene Genremischung

Anarchie Déco
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1927 taucht ein neues Teilgebiet der Physik auf: die Magie. An vorderster Front steht die junge berliner Physikerin Nike Wehner und forscht zu diesem neuen Phänomen. Doch schon bald muss sie auch die Polizei ...

1927 taucht ein neues Teilgebiet der Physik auf: die Magie. An vorderster Front steht die junge berliner Physikerin Nike Wehner und forscht zu diesem neuen Phänomen. Doch schon bald muss sie auch die Polizei tatkräftig unterstützen, denn es häufen sich immer mehr mysteriöse Verbrechen, bei denen Magie zum Einsatz kommt, für die Polizei komplettes Neuland. Neben dem Kampf gegen eine Verschwörung muss Nike aber auch mit ihrem eigenen Leben, den gesellschaftlichen Zwängen entkommen, und versuchen, nicht in den politischen Wirren Berlins in den späten 20ern unterzugehen.

Eigentlich sind weder Fantasy, noch Krimi mein Genre, allerdings reizte mich dieses Buch, da sich einerseits die Kombination aus diesen beiden Genre spannend anhörte, und ich mich in das Berlin der 20er Jahre entführen lassen wollte. Nach dem Lesen kann ich allerdings sagen, dass dieses Buch nicht immer ist, was Klappentext und Cover versprechen. Wir haben hier eine sehr schöne Mischung aus den gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen in den goldenen Zwanzigern, mit denen man aufgrund der gesellschaftlichen Hintergründe der Hauptprotagonistin unweigerlich konfrontiert wird, Urban Fantasy und einem Kriminalfall, der jedoch sehr schnell in eine Verschwörung ausartet. Gerade aber dieses Einfließen von gesellschaftsrelevanten und politischen Aspekten in die Geschichte haben mir besonders gut gefallen. Sie geben der Geschichte eine enorme Tiefe, die ich bei den bisherigen Fantasy-Büchern, die ich gelesen habe, in großen Teilen vermisste. Trotzdem kommen aber Magie und Verbrechensbekämpfung nicht zu knapp, eine ausgewogene Symbiose entsteht, in der sich diese drei verschiedenen Schwerpunkte immer wieder fließend abwechseln und so für einen angenehmen Fluss sorgen. Neben der Thematik der Geschichte konnte mich auch der Schreibstil für sich einnehmen. Bunt und facettenreich wird hier ein schönes Bild von Setting und Handlung gestaltet, das die Leser:innen wortgewandt durch die Geschichte führt. Bemerkenswert sind vor allem aber die Gestaltung von Setting und Protagonist:innen. Beides hat eine enorme Tiefe, bietet immer wieder neue Aspekte und erzeugt ein authentisches Lesegefühl. Vor allem schätze ich aber, dass die Protagonist:innen allesamt ein wenig aus der Norm fallen und deswegen für mich persönlich sehr nah an die Realität kommen. Äußerst interessant ist in meinen Augen, wie die Magie nicht als naturgegebenes Phänomen, dass sich schon immer im Bewusstsein der Menschen befunden hat, gestaltet wird, sondern die Protagonist:innen viel mehr im Gleichschritt mit den Leser:innen mehr und mehr über diese Erfahren, da die Magie in der Geschichte als physikalischen Phänomen angesetzt ist, also rational erklärt wird, wobei diese Erklärungsversuche in meinen Augen teilweise ein wenig hinken.

Alles in Allem bin ich von der Geschichte positiv überrascht und begeistert, auch wenn das Äußere des Buches etwas anderes versprochen hat, kann ich das Buch von ganzen Herzen weiterempfehlen.

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