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Veröffentlicht am 12.08.2021

Debut mit Beinahe-Bruchstart

Flucht durch Schwaben
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Schwaben im 10. Jahrhundert: Eigentlich ist das Land befriedet und die Menschen leben in Harmonie, doch da fallen plötzlich die Heerscharen der Ungarn über das Land. Als sie eine Befestigung am Bodensee ...

Schwaben im 10. Jahrhundert: Eigentlich ist das Land befriedet und die Menschen leben in Harmonie, doch da fallen plötzlich die Heerscharen der Ungarn über das Land. Als sie eine Befestigung am Bodensee bedrohen, werden der junge Krieger Marcus und die junge Anna, die sich gerade noch vor den herannahenden Kriegern hier her retten hatte können, losgeschickt, um aus den umliegenden Dörfern und Gegenden Hilfe zu holen. Doch schon bald merken sie, dass nicht nur die Region um den Bodensee bedroht ist, sondern ganz Schwaben droht, unterzugehen. Nun geht es für die beiden um den Kampf für ihr Volk und deren Existenz und sie merken , dass sie mehr für einander empfinden, als ihrer Sache zuträglich wäre.

Also, ich muss sagen, dass ich so gehypt auf das Buch war, da ich mich in das 10. Jahrhundert entführen lassen wollte, denn es ist wirklich schwer, Bücher zu finden, die in dieser Zeit spielen, und dann auch noch so einen ansprechenden Klappentext haben. Allerdings hab ich recht schnell gemerkt, dass mir der Schreibstil des Autors eigentlich kaum zusagt. Ich würde ihn als recht flach, eindimensional und unerfahren beschreiben, sodass kaum die Atmosphäre aufkam, die ich mir erhofft hatte. So war es für mich kaum möglich, mich in die Geschichte hineinzuversetzen. Auch von der Handlung her finde ich die Geschichte recht einseitig geschichtet. Wir haben diesen einen Handlungsstrang - die Flucht vor den herannahenden Ungarn inklusive dem Versuch, das Land vor dem Untergang zu bewahren - und nebenbei noch ein wenig junger, naiver heterosexueller Liebe. Wobei letzterer der beiden Handlungsstränge nicht gerade gut ausgebaut war. Es kam hier alles ein wenig lahm und zäh herüber, wohingegen das herannahen der Ungarn vor allem im ersten Drittel des Buches sehr gehetzt wird, sich anschließend aber legt und hier durchaus einen guten Spannungsbogen aufbaut. Hinsichtlich der Protagonist:innen bin ich der Meinung, dass diese definitiv ein Make-over vertragen würde. Marcus und Anna wirken recht blass, ungeschliffen und sehr sehr oberflächlich, während die Nebencharaktere zu einer einzigen grauen und gesichtslosen Masse verschwimmen, die mehr und mehr ersetzbar wird. Ich konnte die Figuren einfach nicht greifen, mich in sie hineinversetzen, eine emotionale Bindung zu ihnen aufbauen. Einmal ganz davon abgesehen, dass es Marcus, dem Ich-Erzähler der Geschichte scheinbar komplett an Emotionen bzw. Gedankengängen, die die Geschichte auflockern und ihn als Protagonisten interessanter machen würden, fehlen zu scheint. Zu diesem unwohlem Gefühl bei den Protagonisten hat sicherlich auch deren Sprache - also die Dialoge - beigetragen. Sie wirkt unnatürlich modern, nicht dem 10. Jahrhundert angepasst, viel mehr, als würde man aus einem heutigen Jugendbuch lesen. Damit will ich nicht sagen, dass ich gerne auf Althochdeutsch die Gespräche mitverfolgt hätte, sondern viel mehr, dass mir einfach beim Lesen das Gefühl gefehlt hat, hier an der richtigen Stelle zu sein. Was mich dafür aber wirklich begeistern und wo mich der Autor überzeugen konnte, sind die historischen Fakten. Man merkt hier deutlich, welche Studiengänge Rafael Wagner belegt hat. Umfangreiches Wissen über den Bodenseeraum und den Verlauf des Rheins in Schwaben paart sich hier mit den historisch überlieferten geografischen Bezeichnungen der Region. Für Menschen mit Interesse in Geschichte eine wirkliche Freude.

Nichtsdestotrotz hat mich das Buch auf weiten Längen nicht überzeugen können, auch wenn es mich vor allem gegen Ende der Geschichte hin wirklich gut unterhalten hat.

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Veröffentlicht am 05.08.2021

Eine scheinbar starke Protagonistin

Das Auktionshaus (Die Auktionshausserie 1)
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Sarah Rosewellwächst Anfang des 20. Jahrhunderts in einem der Elendsviertel Londons auf. Ihr leben scheint Zukunfts- und Perspektivlos, bis sie durch einen glücklichen Zufall die vermögende Kunstliebhaberin ...

Sarah Rosewellwächst Anfang des 20. Jahrhunderts in einem der Elendsviertel Londons auf. Ihr leben scheint Zukunfts- und Perspektivlos, bis sie durch einen glücklichen Zufall die vermögende Kunstliebhaberin Lady Sudbury kennenlernt. So nimmt diese Sarah in ihren Haushalt auf und beginnt, diese als Kunsthistorikerin und Spezialistin für Antiquitäten auszubilden. Und so endet Sarah letztendlich im großen Auktionshaus Varnham's wo sie trotz Neid, Krieg und ihrer unrühmlichen Herkunft beginnt, erfolgreich in die Zukunft voranzuschreiten.

Ich muss sagen, dass ich wirklich hin und hergerissen bin, zwischen 3 und 4 Sternen. Denn einerseits hat mich die Geschichte wirklich gut unterhalten und ich bin auch wirklich nur so durch die Seiten geflogen. Der Unterhaltungswert steht also außer Frage, allerdings fand ich den Schreibstil der Autorin nicht überragend spannend oder herausragend, aber für einen Unterhaltungsroman bzw. einen historischen Roman durchaus passend. Was mir allerdings nicht ganz so gefallen hat, waren die Protagonisten. Ich fand sie recht flach und nicht besonders facettenreich. Sarah ist noch einigermaßen in Ordnung. Zwar hat auch sie einen recht einseitigen Charakter und sie hätte mehr Feinschliff bedürfen, aber sie war trotzdem in Ordnung. Die Nebenfiguren verschwammen aber recht schnell zu einem grauen Brei aus einheitlichen Protagonisten, die sich nur grob durch ihre Namen und gegebenenfalls durch ihr Aussehen unterscheiden. Etwas merkwürdig fand ich auch den hohen Verschleiß Sarahs an Feindinnen und Feinden, bzw. Bekannten, die sich dann urplötzlich gegen sie wenden. Das war mir dann oft zu schnell vorbeigezogen und wirkte auch nicht immer Authentisch. Thematisch hat mir die Geschichte wiederum recht gut gefallen. Das Auktionshaus als Setting empfand ich als einzigartig und spannend und es gab wirklich tolle Hintergrundinfos und Kunstwerke zu bestaunen. Auch die Flucht aus der sozialen Unterschicht und der Kampf für die Gleichberechtigung der Frau war in ersten Zügen vorhanden, hätte meiner Meinung nach aber noch mehr ausgebaut werden können.

Letztendlich hat das Buch einen recht hohen Unterhaltungswert, ist aber nichts Weltbewegendes. Trotzdem kann ich das Buch an diejenigen empfehlen, die gute und leichte Unterhaltung wünschen, und ich freue mich schon auf den zweiten Teil.

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Veröffentlicht am 02.08.2021

Tiefsinniger, stimmiger Roman über ein Zugunglück und noch vieles mehr.

Besichtigung eines Unglücks
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Im Dezember 1939 kommt es zwischen Berlin und Magdeburg zu einem katastrophalen Zugunglück. Unzählige Menschen sterben dabei, Existenzen werden zerstört, Menschen verlieren ihre Liebsten. Das ganze liegt ...

Im Dezember 1939 kommt es zwischen Berlin und Magdeburg zu einem katastrophalen Zugunglück. Unzählige Menschen sterben dabei, Existenzen werden zerstört, Menschen verlieren ihre Liebsten. Das ganze liegt jetzt aber nun schon einige Jahrzehnte zurück, als der Journalist Thomas Vandersee beginnt, nach Fakten zu graben und die Geschichte von vorne und hinten aufzurollen. Er will herausfinden, wie es zu diesem schlimmen Unglück kommen konnte, merkt aber bereits sehr schnell, dass er seine Mutter, die die ersten drei Jahrzehnte ihres Lebens in der Stadt des Unglücks verbracht hatte, in Verbindung setzten kann, und so auch etwas über sie und letztendlich über sich selbst herausfinden kann.

Thematisch ist die Geschichte aufgeteilt in mehrere Themenbereiche, die mit dem Unglück zusammenhängen, und nach und nach vom Erzähler erforscht werden. So berichtet der Autor mit einem nüchternen, schon fast klinischem Stil über das Unglück selbst, die Stunden davor und danach, über Carla und Richard, zwei Menschen deren Leben durch das Unglück aus den Angeln gehoben wurde, und schließlich über Vandersees Mutter, wie sich ihr Leben und damit auch seines verändert hat, ob durch den Einfluss des Zugunglücks oder nicht. An und für sich hat mich der sprachliche Stil des Autors wirklich sehr angesprochen. Faktenbasiert, unübertrieben und ehrlich. Allerdings muss ich sagen, dass mir die Geschichte vor allem in der ersten Hälfte ein wenig zu clean war. Ich habe es einfach nicht geschafft, mich in einem solchen Maße mit den Protagonisten zu verknüpfen, wie ich es gerne gewollt hätte. In dieser Hinsicht ging mir dann aber in der zweiten Hälfte definitiv der Knopf auf. Es kam mir vor, als würde ich Vandersee schon lange kennen, mit ihm eine gemeinsame Geschichte und ein gemeinsames Schicksal teilen. Ich konnte mich hervorragend in seine Situation versetzen und seine philosophischen Gedanken waren beim Lesen wirklich ein Hochgenuss. Diese philosophischen Aspekte sind es - mal ganz abgesehen von der hervorragenden Recherchearbeit des Autors zu dem Unglück - was mich so für die Geschichte begeistern konnte. Man wird zum nachdenken angeregt, nimmt Weisheiten mit auf den Weg und ist, nachdem man das Buch beendet hat um mehrere Sichtweisen und -punkte reicher im Leben.

Nachdem ich das Buch beendet habe kann ich sagen, dass es einen unglaublichen Mehrwert hat, und die Leser:innen nicht nur über eines der tragischsten Zugunglücke der deutschen Geschichte informiert, sondern sehr viel mehr bietet. Ich kann das Buch wirklich an alle weiterempfehlen, die sprachlich vollendete Literatur schätzen, auch wenn ich mir anfangs ein wenig schwer damit getan habe.

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Veröffentlicht am 28.07.2021

Englische Geschichte at it's best

Die Hüter der Rose
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England im frühen 15. Jahrhundert: Dem jungen John of Waringham, Robins jüngstem Sohn, droht eine klerikale Laufbahn, was absolut nicht dessen Vorstellungen entspricht. Und so beschließt der Dreizehnjährige, ...

England im frühen 15. Jahrhundert: Dem jungen John of Waringham, Robins jüngstem Sohn, droht eine klerikale Laufbahn, was absolut nicht dessen Vorstellungen entspricht. Und so beschließt der Dreizehnjährige, Waringham hinter sich zu lassen, und flieht auf den Hof in Westminster. Dort legt er eine Steilkarriere hin, findet neue Freunde und Feinde und wird zum gefeierten Kriegshelden im Hundertjährigen Krieg gegen Frankreich. Ein Sammelsurium von höfischen Intrigen, Abenteuern, Freundschaft und Liebe.

Der zweite Teil der Waringham-Saga steht dem ersten in keinster Weise nach. Auch hier legt die Autorin einen bildgewaltigen Epos hin, der sich über mehrere Jahrzehnte der englischen und auch französischen Geschichte zieht, und dabei das Hochmittelalter wieder auferstehen lässt. Der fesselnde und bildhafte Schreibstil von Rebecca Gablé reißt einen beim Lesen derart mit, dass man das Buch kaum noch aus den Händen legen kann. dazu trägt auch der Spannungsbogen, der sich beständig aufbaut, und immer wieder in kleinen und auch größeren actionreichen Szenen wieder entlädt. Zum vollkommenen Lesegenuss tragen sicherlich auch die Protagonisten bei. Zwar ähnelt John in gewissen Zügen seinem Vater Robin aus dem ersten Band, allerdings ist John trotzdem facettenreich und tief gestaltet und vor allem ein enormer Sympathieträger. Bemerkenswert ist aber auch die Recherchearbeit, die die Autorin hier geleistet hat. Die Intrigen am Hof, der lange andauernde zermürbende Krieg, aber auch das Leben von Adel und einfacher Bevölkerung im mittelalter werden anschaulich und authentisch dargelegt, und man kann hier wirklich beim Lesen einiges Lernen.

In meinen Augen ist das Buch einfach rundum gelungen und eine große Leseempfehlung für Fans des Mittelalters.

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Veröffentlicht am 28.07.2021

Das langsame Zerpflücken des Wilden Westen und des American Dream in ihren weißen Stigmata

Wie viel von diesen Hügeln ist Gold
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Lucy und ihr jüngerer Bruder Sam wachsen als chinesische Immigranten in bitterer Armut in Hügeln des amerikanischen Westens auf. Nach dem Tod ihres Vaters stehen die beiden nun auch noch völlig alleine ...

Lucy und ihr jüngerer Bruder Sam wachsen als chinesische Immigranten in bitterer Armut in Hügeln des amerikanischen Westens auf. Nach dem Tod ihres Vaters stehen die beiden nun auch noch völlig alleine da. Zusätzlich verlangt die Tradition auch noch nach einem ordentlichen Begräbnis und so machen sich die beiden auf den Weg in eine besser Zukunft, zu Fuß, mit einem Revolver und einer langsam verwesenden Leiche auf einem Pferderücken. Doch der Kampf gegen die unwegsame Natur für ein ordentliches Begräbnis entwickelt sich recht schnell zu einem Kampf für die eigene Identität, den jeder von den beiden selber führen muss.

Sprachlich beginnt der Roman mit einer wahren Wucht. Der atmosphärische, gleichzeitig aber auch poetische Schreibstil saugt die Leser:innen sofort in die Geschichte und man findet sich zwischen den grasbewachsenen Hügeln und den toten Flüssen der Goldgräberstädchen wieder, in denen Lucys und Sams Reise beginnt. Erzählerisch kann die Autorin hier einiges vorlegen. Mein einziger kritikpunkt an dem Buch währe hier auch, dass dieser sprachlich vollendete Stil gegen Ende des Buches ein wenig abnimmt, und mich beim Lesen nicht mehr ganz so einlullte, wie am Anfang. Neben der Reise der beiden zu sich selbst webt C Pam Zhang auch noch andere gesellschaftsrelevante Themen wie Transsexualität, Zerstörung der Welt durch den Menschen, Ausbeutung und Rassismus und zerstört dabei das Bild, das wir immer vom Wilden Westen als Domäne heldenhafter weißer Cis-Männer hatten, und führt uns in die Realität der chinesischen Einwanderer im Westen der USA im 19. Jahrhundert. Hier schlägt die Autorin gekonnt eine Brücke zur Gegenwart. C Pam Zhang führt ihre Leser:innen immer wieder aufs Glatteis, indem sie sie mit der unbequemen Wahrheit dessen Konfrontiert, dass wir alle selbst stille Teilnehmer dieser homogenen weißen Gesellschaft wären bzw. sind. Auch die Protagonisten der Geschichte können mit einer ebenso großen Palette und Facettenreichtum aufwarten, wie die oben schon angesprochene Gesellschaftskritik. Mit Lucy haben wir eine starke junge Protagonistin, die scheinbar allen Kränkungen trotzt, dennoch ihren Stolz und ihre Ziele nicht vergisst, und so diesen immer weiter folgt, bis sie sich fragen muss, ob diese überhaupt das sind, was sie sich wünscht. Sam ist die Nacht zu Lucys Tag. Er führt ein Leben ohne Konventionen, wirkt hart und abschreckend, überrascht dennoch mit ungeahnten Facetten. Und auch bei den Protagonisten zerstört die Autorin im Laufe der Geschichte das Bild, das sich in unserem Kopf festgesetzt hat.

Alles in Allem handelt es sich bei "Wie viel von diesen Hügeln ist Gold" um eine einzigartige Geschichte, die den Leser:innen Themen von aller größter Relevanz vor Augen führt und damit genau den Nerv der Zeit trifft. Definitiv ein must read.

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