Tanz auf dem Vulkan
Die Tänzerin vom Moulin RougeLouise Weber wächst in einem der typischen Pariser Arbeitervorstädchen auf und ist das harte Leben gewohnt. Mit ihren sechzehn Jahren arbeitet sie nun schon in einer Wäscherei und träumt zwischen gestärkten ...
Louise Weber wächst in einem der typischen Pariser Arbeitervorstädchen auf und ist das harte Leben gewohnt. Mit ihren sechzehn Jahren arbeitet sie nun schon in einer Wäscherei und träumt zwischen gestärkten Hemden und weißen Bettlaken von einer besseren Welt. Ihr Traum ist es, diese in edler Spitzenunterwäsche und mit wehenden Röcken auf der Bühne zu erobern. Da bekommt sie durch einen Zufall die Chance, das biedere Vorortleben hinter sich zu lassen, und in die glitzernde Welt des Pariser Montmartre einzutauchen. Zwischen Bühnenshows, visionären Künstlern und ganz viel Alkohol wird so "La Goulue" geboren. Louise scheint es geschafft zu haben, doch ihr altes Leben in der Pariser Vorstadt streckt noch immer seine kalten Finger nach ihr aus, und "La Goulue" hat Hunger und fordert nach immer mehr. Der Tanz auf dem Vulkan beginnt.
Anfangs hatte ich meine Schwierigkeiten, mich in das Setting einzufügen, aber auch mit dem Schreibstil. Die ersten 30 Seiten des Buches mögen für Leserinnen und Leser ein wenig trocken erscheinen, doch die Autorin scheint hier über ihren eigenen Schatten zu springen, denn der Schreibstil entwickelt sich zu einem bunten Feuerwerk, in dem jeder Moment seine Aufmerksamkeit bekommt. Fruchtig, bunt und umschreibend, so lässt sich dieser letztendlich am besten beschreiben, und untermalt dabei perfekt das Leben in Paris, in das unsere Protagonistin eintaucht. Das Setting, anfangs noch ein wenig holprig, entwickelt sein Eigenleben und zieht Leserinnen und Leser in seinen Bann. Der Montmartre, das pulsierende Szeneviertel von Paris, erstrahlt in all seiner Pracht und man kann sich die bunten Theater und Lokale sehr gut vorstellen. Was die Protagonisten betrifft, bin ich ein wenig zwiegespalten. So ist Louise auf der einen Seite an weiten Stellen des Buches, vor allem mit zunehmendem Erfolg, egoistisch und nicht gerade sympathieerweckend. Auf der anderen Seite ist ihr Charakter aber unglaublich facettenreich gestaltet, da es immer wieder zu einem Wechsel zwischen den einzelnen Gesichtern von "La Goulue" kommt. Und eben dieser nicht vollkommene Charakter macht sie besonders authentisch. Man kauft der Autorin ab, dass Louise Weber, die ja nicht aus den Gedanken von Tanja Steinlechner entsprungen ist, diesen sprunghaften Charakter hatte. Aber auch der Großteil der Nebenfiguren kommt nicht zu kurz, ein Teil von ihnen ist ebenso gut ausgearbeitet und interessant gestaltet wie Louise. Mit den Nebencharakteren sind wir auch schon beim nächsten Punkt. Ein großer Teil von ihnen hat ebenfalls im Paris des späten 19. Jahrhunderts gelebt und so trifft auf eine Fülle von Pariserinnen und Parisern der damaligen Kunst- und Schaustellerszene. Kritisieren muss ich dabei, dass diese in mir ein Interesse und das Bedürfnis geweckt haben, mehr über sie zu lesen, während bei einigen dieser Protagonisten die Beschreibungen der Autorin recht knapp ausgefallen sind. Das ist auch der einzige Punkt, den ich an den Recherchearbeiten der Autorin kritisieren kann. Louises Geschichte und Charakter sind so gut untermauert, dass man als Leser der Autorin es abnimmt, dass es sich dabei um Louise Weber handelt, auch wenn man davor nichts zu ihr gelesen hat. Hier ist die Autorin einfach zu sehr auf Louise und ihre Biografie konzentriert, sodass die anderen historischen Persönlichkeiten und auch das Paris der 1880er Jahre einfach ein wenig zu kurz gerät.
Letztendlich konnte mich das Buch aber nach einigen kleinen Startschwierigkeiten dennoch fesseln und ich muss insbesondere die Gestaltung von "La Goulue" loben, auch wenn diese zeitenweise recht anstrengend war. Aber man kann nicht leugnen, dass die Protagonistin Emotionen weckt und einen bei ihrem Tanz mitreißt.