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Veröffentlicht am 07.04.2023

Der Tod in den Bergen

Wolfskinder
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Am Ende eines engen Tales, an den Hängen der Alpen liegt das winzige Dorf Jakobsleiter. Hier findet das leben noch ohne Elektrizität und moderne Kommunikation im Einklang mit der Natur statt. Hier wachsen ...

Am Ende eines engen Tales, an den Hängen der Alpen liegt das winzige Dorf Jakobsleiter. Hier findet das leben noch ohne Elektrizität und moderne Kommunikation im Einklang mit der Natur statt. Hier wachsen Jesse und Rebekka auf, denen ständig eingetrichtert wird, dass unten im Tal das Böse lauert, dass nur darauf wartet, die Lebensweise der Bewohner:innen Jakobsleiters zu vernichten. Doch Rebekka ist davon nicht überzeugt. Sie will Jakobsleiter verlassen und die weite Welt kennenlernen. Doch da verschwindet sie auf einmal spurlos. Wie schon davor dutzende andere junge Frauen in der abgelegenen Alpenregion. Alles scheint Zufall zu sein. Nicht jedoch für die Smilla, die beim lokalen Fernsehen arbeitet. Sie sieht Parallelen zum Verschwinden ihrer Jugendfreundin Juli vor zehn Jahren, und macht sich auf die Suche, die Wahrheit aufzudecken.

Das Buch beginnt recht ruhig, beinahe schon zu ruhig, denn man bekommt alle wichtigen Protagonist:innen vorgestellt, taucht in deren Alltag ein. Doch mit Voranschreiten des Buches nimmt die Geschichte immer mehr an Fahrt auf und die Ereignisse beginnen sich schon fast zu überschlagen. Die Autorin vermag es wirklich, die Leserschaft an der Stange zu halten. Der Spannungsbogen ist gut gezogen, wird beständig mit neuen Geschehnissen genährt. Hinzu kommt der flüssige und unterhaltsame, wenn auch unaufregende Schreibstil der Autorin, der sich wunderbar für einen Thriller eignet. Diese Paarung ergibt das Potential für einen wahren Pageturner.

Das alleine macht ein Buch aber noch zu nichts besonderem. Mich, als der ich wenige Thriller lese, konnte die Autorin vor allem mit der mystischen Stimmung und dem Setting überzeugen. Die Alpen kommen sehr natürlich herüber und die Natur wird beim Lesen schon fast greifbar. Die beiden Handlunsschauplätze, Jakobsleiter am Berg und Almenen im Tal, bzw. deren Bewohner:innen lassen die Stimmung aber erst so richtig aufleben. Man fühlt sich fort aus dem 21. Jahrhundert gerissen, weil Denken und Handeln vielfach einem so vorkommen, als würde man sich noch in den Fünfzigern bewegen.

Richtig gut gefallen hat mir auch, dass die Geschichte aus vielen unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird, die sich abwechseln. Ein rundum gutes Bild entsteht, und man bekommt die meisten der handelnden Personen so richtige Nahe zu fühlen. Hinzu kommt noch die Auflösung der Geschichte, also der Vermisstenfälle. Hier schaffte es die Autorin mich beim Lesen noch einmal richtig vom Hocker zu hauen. Denn viele es kommt ähnlich wie erwartet, doch in komplett anderen Formen.

Insgesamt hat das Buch einfach Spaß gemacht und mich einfach begeistern können.

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Veröffentlicht am 19.11.2022

Geriatrische Tagesklinik

Frau mit Messer
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Hornclaw ist eine durchschnittliche Pensionistin. Unauffällig, ruhig und angepasst. Zumindest möchte man das meinen. Dabei ist das Leben im scheinbaren Ruhestand nichts als Lug und Trug. Denn die ältere ...

Hornclaw ist eine durchschnittliche Pensionistin. Unauffällig, ruhig und angepasst. Zumindest möchte man das meinen. Dabei ist das Leben im scheinbaren Ruhestand nichts als Lug und Trug. Denn die ältere Dame ist immer noch als Auftragsmörderin unterwegs. Einst eiskalt, merkt sie das Alter nicht nur in den Gelenken, die immer eigenartigere Geräusche von sich geben, sondern vielmehr darin, dass ihr ihre Kaltblütigkeit abhanden zu kommen droht. langsam aber sicher merkt sie, dass es an der Zeit ist, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen.

Schnell stellt sich heraus, dass das Buch ein wahrer Pageturner ist. In flotter Sprache geschrieben fliegen die Seiten nur so dahin. Hinzu kommt, dass sich von Anfang bis Ende ein toller Spannungsbogen aufbaut und man beim Lesen auch nur einem einzigen Handlungsstrang folgt, also kaum die Gefahr besteht, sich beim Lesen zu verstricken und irgendwo stecken zu bleiben. Insgesamt kommt man also recht linear und flott voran. Aufgelockert wird das Ganze dann auch noch durch die lockere und humorvolle Art der Autorin.

Gefallen hat mir, dass neben Hornclaws Leben als Mörderin auch gesellschaftspolitische Themen beleuchtet werden. So wird beispielsweise beschrieben, wie die Entstehung immer neuer Supermärkte die altbestehenden Strukturen der kleinen Läden und Märkte aufbricht und zerstört.

Insgesamt ein spannendes Buch, das Stunden der guten Unterhaltung bietet.

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Veröffentlicht am 13.06.2022

H wie Hoffnung

Alphabet
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Der Mörder Simon Austen sitzt nun schon seit einiger Zeit in einer Strafvollzugsanstalt ein. Hier beginnt er, sein Leben von Grund auf umzukrempeln, lehrt lesen und schreiben und holt den Schulabschluss ...

Der Mörder Simon Austen sitzt nun schon seit einiger Zeit in einer Strafvollzugsanstalt ein. Hier beginnt er, sein Leben von Grund auf umzukrempeln, lehrt lesen und schreiben und holt den Schulabschluss nach. Mit seinem neuen Wissen tastet sich Simon an die Welt außerhalb des Gefängnisses heran. Er beginnt Brieffreundschaften mit Frauen. Doch durch einen unglücklichen Zufall wird Simon aus seinem bisherigen Gefängnis nach Wentham verlegt. Dort beginnt er eine Therapie, durchbricht den monotonen Gefängnisalltag seiner bisherigen Einrichtung und macht Fortschritten hinsichtlich seines Gewissens zu seiner Tat.

Dieser Roman ist eindeutig nicht plotgetrieben sondern wächst mit seinem Hauptprotagonisten Stück für Stück mit. Denn Simon Austen, seine Geschichte, seine Empfindungen und seine Wahrnehmungen im britischen Strafvollzug der ausklingenden 80er sind es, die die Geschichte tragen. Die Autorin hat den Protagonisten derart realitätsnahe und vielschichtig gestaltet, dass es einem beim Lesen sehr schwer fällt, nicht sofort mit Neugierde, Empathie und abstandnehmender Befremdung gleichzeitig auf ihn zu reagieren. Denn er ist nicht durch und durch das, was wir als einen guten Menschen bezeichnen würden, und dennoch ein absoluter Sympathieträger, der uns das Leben und Denken nach einem Mord näher bringt. Und das ist es auch, was die Autorin ebenso gekonnt in ihren Roman mit einbaut. So werden ihren eigenen Erfahrungen als "Writer in Residence" im britischen Strafvollzug mit Simon Austen ein Gesicht gegeben, dass für die Unmenschlichkeit des ganzen Systems zu stehen scheint.

Ein Buch, dass einem wirklich im Gedächtnis bleibt und sowohl mit poetischer Sprache, als auch mit beeindruckender Bildgewalt zum Innehalten animiert. Eine absolute Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 06.06.2022

Über die Realität hinaus

Unser Teil der Nacht
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Juan ist kein normaler Junge. Abgesehen von einem schweren Herzfehler, der ihn zwingt, sich mehreren schweren Operationen zu unterziehen, hat er auch noch die Gabe, als Medium in Kontakt mir der Dunkelheit ...

Juan ist kein normaler Junge. Abgesehen von einem schweren Herzfehler, der ihn zwingt, sich mehreren schweren Operationen zu unterziehen, hat er auch noch die Gabe, als Medium in Kontakt mir der Dunkelheit zu treten. Der Orden, der diese Dunkelheit schon seit Jahren anbetet, sich von ihr das ewige Leben erhofft, hat keinerlei Skrupel Juans Kräfte dafür auszunützen, ohne jederlei Rücksicht auf seine Gesundheit. Doch Juan lässt sich nicht unterkriegen, widersteht dem Orden und gründet eine Familie. Um seinem Sohn Gaspar den Schmerz zu ersparen, den er selbst ertragen musste, versucht Juan zusammen mit seinen engsten Vertrauten diesen vor dem Orden zu verstecken. Doch er weiß, dass dies nur ein Spiel auf Zeit ist.

Ich hatte die Autorin bereits in einer Sammlung von Erzählungen kennengelernt und fand mich sofort wieder in ihrem sprachlichen Stil wieder. Äußerst bunt und voller sprachlicher Bilder, versteckter Hommagen an das argentinische Land erzählt Mariana Enriquez die Geschichte rund um Juan und Gaspar, kreiert dabei einen tiefen und schweren Erzählfluss, der entschleunigt und zum Innehalten anregt. Geschmackssache, wobei ich persönlich diese Ruhe genießen konnte. Was mich aber am meisten freute, wieder erleben zu können, bzw. darüber lesen zu können, war die surrealen Elemente der Geschichte, die sich am ehesten noch mit magischem Realismus beschreiben lassen können. Dunkelheit, böse Wesen und die Geister der Argentinier spielen auch hier wieder eine tragende Rolle bzw. sind ein unabdingbares Element der Handlung. Dennoch bekommt man sehr eindrucksvoll ein Panorama über die argentinische Militärdiktatur und die ersten holprigen Jahre danach präsentiert. Geschildert wird, was die Menschen so bewegte, mit welcher Härte gegen die Bevölkerung vorgegangen wurde, wer die Nutznießer der Terrorherrschaft waren und wer dessen Opfer. Sehr schön arbeitet die Autorin mit abwechselnder Intensität die Geschichte ihres Heimatlandes auf. So beeindruckte mich unter anderem, wie die Autorin beispielsweise die AIDS-Krise in ihrem Heimatland aufgreift und diese intensiv und authentisch der Leserschaft weitergibt, sodass man ein eindrucksvolles und authentisches Bild der damaligen Geschehnisse bekommt.

Der Punkt, der mich allerdings am meisten von dem Buch überzeugen konnte, ist die Komplexität mit der die Figurenkomposition gestaltet ist. Man bekommt in jedem neuen Kapitel die unterschiedlichsten Facetten der Protagonisten präsentiert, begleitet diese über knapp zwei Jahrzehnte, verfolgt enorme charaktertechnische Entwicklungen und findet sich mehr und mehr in einzelnen Situationen oder Facetten der Protagonisten wieder. Dazu gehören zweifelsfrei auch die Perspektivwechsel, mit denen die Kapitelwechsel einhergehen. Jedes der großen Kapitel des Buches wird aus der Sicht einer anderen mehr oder weniger bedeutungsschweren Person geschildert. Dadurch ergibt sich auch ein komplexeres Bild der Geschehnisse aber auch, wie die Protagonisten jeweils von den anderen gewertet und bewertet werden. Ein krasses 360-Grad-Panorama, das immer wieder neue Facetten an den tag bringt, die während des Lesens zu absoluten Wow-Momenten führen.

Insgesamt ergibt sich ein für mich stimmiges und düsteres Gesamtporträt der zweiten Hälfte des argentinischen 20. Jahrhunderts, dass mit beängstigender Übernatürlichkeit aufwarten kann. Dennoch braucht man für das Buch einen langen Atem und die Muse, sich damit beschäftigen zu können.

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Veröffentlicht am 17.04.2022

Guter Einblick in die österreichische Geschichte

Der Trafikant
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Im Sommer 1937 kommt der junge Franz Huchel nach Wien und beginnt dort eine Ausbildung zum Trafikanten bei Otto Trsnjek. Schnell taucht der aus dem beschaulichen Salzkammergut stammende Franz in das hektische ...

Im Sommer 1937 kommt der junge Franz Huchel nach Wien und beginnt dort eine Ausbildung zum Trafikanten bei Otto Trsnjek. Schnell taucht der aus dem beschaulichen Salzkammergut stammende Franz in das hektische und aktive Leben Wiens ein, lernt neue Vergnügungen kennen, begegnet der Liebe und tritt unter anderem auch in Kontakt zu Siegmund Freud, der Stammkunde der Trafik ist,. Schnell kann dieser den jungen Mann faszinieren und ihn als Gesprächspartner für sich gewinnen. Doch es ist der Vorabend des Anschlusses an Deutschland und neben den Freuden des Stadtlebens muss Franz recht schnell auch mit den Schattenseiten des politischen Epizentrums Wien Bekanntschaft machen.

Der Roman bietet wirklich gute Unterhaltung. Bedingt durch den simplen und geradlinigen Schreibstil wird man sehr schnell und flüssig durch die Geschichte getragen und ließt lange Passagen am Stück. Dazu kommt noch, dass durch die persönlichen Lebensleiden Franz Huchels und durch die Zeit des Anschlusses und den damit verbundenen politischen Umbrüchen, die in diesem Buch aufgearbeitet werden, ein enormer Spannungsbogen entsteht, der die Leserschaft an der Stange hält. Gerade diese Mischung ist es aber auch, die das Buch so interessant macht. Weder die Geschichte rund um den Protagonisten, noch die historischen Hintergründe gewinnen an Übergewicht. Diese Balance verursacht deshalb, dass das Buch weder zu kitschig und emotional verwirrend wird, noch, dass trockene historisch interessante Passagen den Lesefluss und die Spannung beeinträchtigen. Im Generellen bietet das Buch eine sehr anschauliche und unterhaltsame Möglichkeit, sich mit der österreichischen Gesellschafts- und Politiklage der Jahre 1937, 38 und 39 auseinanderzusetzen, da diese spielerisch und authentisch in den Inhalt mit einfließen. Einzig und alleine den Protagonisten Franz empfand ich als ein wenig blass und unindividuell gestaltet. Da habe ich definitiv schon Erfahrungen mit einem facettenreicher gestalteten Figurenensamble machen können.

Nichts destotrotz ist und bleibt das Buch eine spannende und interessante Lektüre, die ich nur weiter ans Herz legen kann.

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