nichts für schwache Nerven
Die ZüchtigungMarie wuchs in der Zwischenkriegszeit im ländlichen Oberösterreich auf. Ihre Kindheit ist geprägt von Emotionaler Vernachlässigung und einem Vater, der sie mit brutalster Gewalt behandelt. Mittlerweile ...
Marie wuchs in der Zwischenkriegszeit im ländlichen Oberösterreich auf. Ihre Kindheit ist geprägt von Emotionaler Vernachlässigung und einem Vater, der sie mit brutalster Gewalt behandelt. Mittlerweile ist sie aber erwachsen geworden und hat eine eigene Familie gegründet. So soll ihre Tochter Vera ein besseres Leben haben, als sie selbst es gehabt hat. Doch für Maries ist der einzige Weg, den sozialen Aufstieg ihrer Tochter zu gewährleisten, Dankbarkeit und Anstand in diese hinein zu prügeln.
Die Thematik der häuslichen Gewalt ist der Grund, warum ich zu diesem Buch gegriffen habe, denn häusliche Gewalt hat nicht immer die gleiche Form, reicht von Gewalttätigkeit bis hin zu emotionaler Misshandlung. In diesem Buch bekommt man dann aber die volle Dröhnung. Es gibt außer der Lebensgeschichte von Marie und Vera keinen anderen Plot. So wird man beim Lesen nur durch die umfangreiche Charaktergestaltung der beiden Frauen und der ständig wiederkehrenden Beschreibungen der Misshandlung getragen. Diese waren dann aber auch extrem schwer zu ertragen, vor allem im Hinblick darauf, dass ich in dieser Thematik nicht ganz unbelastet bin. Hinzu kommen immer wieder Beschreibungen von Essstörungen und Suizidgedanken seitens Vera, die ein beklemmendes Gefühl auslösen.
Zugutehalten kann man Anna Mitgutsch aber, in welch präziser und akribischer Art und Weise sie ihre Figuren gestaltet hat. Zwar ist Maire grausam, dennoch nicht minder authentisch, vor allem, was die gesellschaftlichen Konventionen der Nachkriegszeit angeht. Auch zeigt sich immer wieder das Problem der unerkennbaren Wahrheit, bedingt durch die Perspektive. Die Geschichte, auch die der Kindheit und Jugend Maries, wird durch Vera beschrieben. Hier kollidieren immer wieder aber die Schilderungen von Marie mit denen anderer Mitglieder der Familie oder von Nachbarn. Dadurch wird besonders anschaulich, dass man einerseits Erzählungen zu emotionalen Themen nur bedingt Glauben schenken darf, aber auch, dass Außenstehende Dinge sehr oft anders, viel weniger problematisch wahrnehmen, als diese eigentlich sind.
Insgesamt hat Anna Mitgutsch ein lesenswertes Panorama über verlorenen Seelen in der Nachkriegszeit geschrieben, das von der Leserschaft Zeit, starke Nerven und einen langen Atem erfordert.