viel Potenzial, was nicht genutzt wurde
Counting Stars„Ganz oft hatten wir wirklich draußen gelegen, in den Himmel gestarrt und jedem Stern einen Glücksmoment zugeordnet. Aber seit er gegangen war, hatte ich damit aufgehört. Nicht nur, weil es lange Zeit ...
„Ganz oft hatten wir wirklich draußen gelegen, in den Himmel gestarrt und jedem Stern einen Glücksmoment zugeordnet. Aber seit er gegangen war, hatte ich damit aufgehört. Nicht nur, weil es lange Zeit keine Glücksmomente mehr in meinem Leben gegeben hatte, die ich hätte zählen können, sondern auch, weil es mich zu sehr an ihn erinnerte.“ (Len in Counting Stars)
Worum geht’s?
Vor zwei Jahren musste Leonie direkt zwei Schicksalsschläge erleiden. Bei einem Brand starben ihre Eltern und kurz danach ist ihr Freund Nick ohne jegliche Erklärung und Abschied einfach abgehauen. Einzig ihr Bruder Julian blieb ihr. Lens Herz wurde direkt mehrfach gebrochen und sie suchte ihre Erlösung in Alkohol, Partys und sinnlosen Bettgeschichten. Nie wieder wollte sie jemanden an sich heranlassen, denn Gefühle gab es in ihrer Welt nicht mehr. Doch als Nick kurz vorm Todestag ihrer Eltern aus dem Nichts wieder auftaucht, steht ihre Welt Kopf. Er will eine neue Chance. Doch Len will nicht, denn zu tief sitzt die Angst, dass er wieder geht…
Counting Stars ist in sich abgeschlossen.
Schreibstil / Gestaltung
Das blaue Cover mit einem Sternenhimmel und dunklen Wolken passt sehr gut zu dem Buch und transportiert eine eher traurige Stimmung. Die orangene Schrift des Titels gefällt mir nicht so gut, sie passt nicht ganz zum Rest. Hier wäre eine goldene oder silberne Farbe sicher stimmiger gewesen. Dennoch finde ich die Umschlagsgestaltung sehr gelungen. Die Schriftgröße im Inneren ist wie bei den anderen Forever-Büchern eher klein, dennoch aber gut lesbar.
Die Geschichte wird ausschließlich durch Leonie als Ich-Erzählerin erzählt, wobei die Story linear mit einigen gedanklichen Flashbacks der Protagonistin verläuft. Der Schreibstil ist Autorin ist flüssig und gut lesbar, das Buch lässt sich verständlich lesen und ist sprachlich für (junge) Erwachsene passend. Das Buch enthält keine Kraftausdrücke und wenig sexuellen Content.
Mein Fazit
Counting Stars ist mein erstes Buch der Autorin. Der Klappentext hat mich sehr angesprochen und versprach eine emotionale Geschichte, bei der es um Verlust und Vergebung geht. Während ich also auf eine gefühlvolle Achterbahnfahrt gehofft hatte, muss ich am Ende leider sagen, dass das Buch mich doch mehr frustriert als begeistert hat.
Das Buch beginnt direkt mit Len in Action. Mal wieder ist sie im Club unterwegs, mal wieder trinkt sie, mal wieder landet sie belanglos mit einem Mann im Bett. Es ist ihre Art, ihren Gedanken zu entfliehen. Den Schmerz, den sowohl der Verlust ihrer Eltern als auch der enttäuschende Verrat ihrer großen Liebe Nick, will sie hiermit entkommen. Vor ihrem Bruder Julian möchte sie zugleich aber so tun, als sei alles in Ordnung. Als kurz darauf aus dem Nichts Nick wieder auftaucht, ihre lose Bettgeschichte David immer wieder feste Ansprüche andeutet und zudem sich der Todestag der Eltern jährt, befindet sich Len in einer schwierigen Lage. Als es dann noch neue Enthüllungen gibt, die den Tod ihrer Eltern betreffen, wird Len der Boden unter den Füßen weggerissen und sie und ihre Liebsten befinden sich plötzlich in großer Gefahr…
Len hat es mir von Anfang an sehr schwer gemacht. Ich wurde mir ihr nicht warm. Egal, wie sehr ich es versucht habe, sie wirkte wie ein trotziges Kind. Ihr Schmerz wird gut beschrieben, ihre Verzweiflung kommt auf dem Papier gut rüber und man merkt, wie ihr Leben etwas außer Kontrolle gerät. Das Problem ist aber, dass nichts davon bei mir im Herzen ankommt. Ich konnte nie mit ihr mitleiden, weil sie zu nervig war, zu flatterhaft. Ihre Erklärungen sind meistens sehr dürftig, insbesondere, wenn sie Nick wieder und wieder von sich weist, obwohl sie es gar nicht will. Ich habe es nicht nachvollziehen können. Highlight in der Geschichte ist wohl Lens Bruder Julian. Der Polizist ist stets bemüht, sich um seine Schwester zu kümmern, ist für sie da, gibt ihr Freiräume, aber sorgt sich auch um sie. Er hat mir von allen Charakteren am besten gefallen und wirkte als einziger tatsächlich einigermaßen reflektiert und erwachsen. Nick hingegen wirkt sehr eindimensional, spielt vor allem den Ritter aufm weißen Ross und ist bereit, für Len auch mal jemanden einen körperlichen Verweis auszusprechen. Seine Sprüche wirken viel zu kitschig und es war mir einfach zu ideal.
Was mir am Buch echt Sorgen bereitet hat, ist Len und ihr Blick aufs Leben. Hier ziele ich insbesondere auf ihren doch sehr ausufernden Alkoholkonsum ab. Immer wieder greift sie zu Alkohol, wahlweise als Betäubungs- oder Beruhigungsmittel, manchmal auch als Gedankenlöscher. Sagen wir, wie es ist: Len hat ein Alkoholproblem. Dem Leser dürfte dies offenkundig sein. Den Charakteren nicht so ganz, zumindest bleibt das Thema größtenteils unter den Teppich gekehrt (mit Ausnahme von Nick, der sagt, so sei Len nicht). Was ich aber besonders enttäuschend finde: Es wird auch nicht thematisiert, dass Len diesbezüglich Hilfe braucht. Sie entscheidet relativ fix, dass sie nicht mehr Trinken mag und dann ist das Thema auch begraben. Das hat mich doch sehr gestört, weil es einfach zu idealistisch ist.
Ansonsten muss ich sagen, dass die Geschichte sehr vor sich hin läuft, ohne dass man das Gefühl hat, es passiert etwas. Wenn dann etwas passiert, wirkt es viel zu übertrieben, viel zu unrealistisch oder viel zu zufällig. So muss sich Len z.B. ihrem Feuertrauma stellen, die Szene wirkte aber komplett willkürlich. Auch das Finale, was auf einer großen Enthüllung fußt und dann zu einer großen Gefahr wird, mutete kurios an. Es war für mich über das Ziel hinausgeschossen und konnte mich leider in keiner Weise überzeugen. Hinzu kommt, dass man von Anfang an das Gefühl hat, dass aus dem Tod der Eltern und den Hintergründen ein Geheimnis gemacht wird, die genauen Details erhält man auch erst im Verlauf der Geschichte. Da man dank Klappentext aber bereits um den Feuertod der Eltern weiß, war es für mich nicht ganz greifbar, wieso hier so ein Tara drum gemacht wurde.
Insgesamt muss ich sagen, dass die Geschichte für mich unglaublich viel Potenzial enthalten hat. Es ist eine Geschichte, die – abgesehen vom doch etwas überzogenem Ende – mit einer Einfachheit überzeugen könnte, wenn die Emotionen richtig ausgespielt worden wären und man sich mit Len und ihrem Schmerz hätte verbinden können. Doch mangels Bindung zur Protagonistin fehlt es dem Buch an Tiefe und es plätschert leider eher vor sich hin als zu begeistern, nur um dann in einem Finale zu enden, was für mich nicht gepasst hatte. Das Buch fühlte sich insgesamt nicht rund an, es hatte teilweise leichte Längen und andere Teile wirkten zu phrasenhaft, ohne dass das Gesagte zu Charakteren oder zum Buch passte. Daher verkümmert Counting Stars leider zu einem „für Zwischendurch ganz gut, für die großen Gefühle aber zu wenig“-Buch. Ich hatte mir jedenfalls deutlich mehr erhofft.
[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, dass mir freundlicherweise vom Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]