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Veröffentlicht am 25.03.2019

Band 9 der Reihe mit deutlich mehr Hintergrundwissen und besserer Personenführung

Muttertag (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 9)
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Ich fange einmal anders herum an. Nele Neuhaus hat sich in vielerlei Weise aus meiner Sicht geradezu fabelhaft neu erfunden. Dafür hatte ich anderer Stelle das Gefühl, noch nicht die Endfassung erhalten ...

Ich fange einmal anders herum an. Nele Neuhaus hat sich in vielerlei Weise aus meiner Sicht geradezu fabelhaft neu erfunden. Dafür hatte ich anderer Stelle das Gefühl, noch nicht die Endfassung erhalten zu haben. Wie? Nun, erst einmal das, was positiv auffiel. Es gibt wieder viel "Personal" - aber so geschickt nacheinander vorgestellt, dass ich dieses Mal keine Diagramme gezeichnet habe wie sonst immer. Um das einzuordnen: Ich mag die Reihe, bin aber kein Hardcore-Fan (das bin ich bei Krimis für Agatha Christie und Elizabeth George; die Reihe um Bodenstein und Kirchhoff/Sander mag ich hingegen schlicht gern. Aber selbst bei Christie und George mag ich nicht alles - mein Hirn schalte ich auch nicht ab, wenn ich etwas mag). Die Bilder, die Nele Neuhaus im aktuellen Band verwendet, findet ich sehr einleuchtend - da wird der Mann mit Schnauzbart und Halbglatze mit der Optik eines Walrosses beschrieben, und sofort habe ich ein Bild vor mir, weil damit die Bartform völlig klar ist. Dazu jongliert die Autorin deutlich mit den gängigen Abkürzungen, wie sie auch die echten Ermittler nutzen würden, für Datenbank, Abteilungen und so weiter. Die Erklärung kommt als Fußnote - das passt. Ihre Recherche ist auch spürbar zum Thema IT oder Flughafenbetrieb. Etliches geht ins Detail, von Wachsleichen bis hin zum Profiling, mir gefiel das alles sehr. Auch wenn ich jetzt beim Besuch auf dem Friedhof nie wieder glauben darf, dass die abgesackte Erde durch die Arbeit der Würmer gekommen wäre. Immerhin war es warm... (ein Insider, das erklärt sich bei Henning Kirchhoffs Arbeit). Dazu war es diesmal nicht so heftig Matrioschka-mäßig mit einem Fall in einem Fall neben einem Fall...
Ich mag die Reihe gerne, hatte aber immer wieder mal so das eine oder andere auszusetzen. Das hier fand ich dagegen richtig top. Das Privatleben der Ermittler war dafür dieses Mal etwas weniger prominent - vermutlich könnte hier auch ein "Einsteiger" bei diesem neunten Band der Reihe mithalten.
Und meine negative Bemerkung bezieht sich darauf, dass ich Schludrigkeiten in Wiederholungsform gefunden habe, die ich so vorher bei Neuhaus nie gesehen habe. Sie dankt ihrer einfühlsamen Lektorin...die vielleicht zu wenig Zeit hatte?? Beispiel S. 70, über die Beziehung der Geschister Kim und Pia: "Ihre letzte Begegnung mit Kim lag ziemlich genau vier Monate zurück. Es war an Weihnachten gewesen, als sie sich iam ersten Feiertag bei ihren Eltern zum Mittagessen getroffen hatten. Danach hatte Kim auf keine Nachricht von Pia reagiert, nicht einmal auf ihre guten Wünsche zum neuen Jahr. Zwar hatte sich Kim nach ihrem heftigen Streit vor drei Jahren bei Pia entschuldigt,..." - wie: vor vier Monaten? Vor drei Jahren? Schon klar, verschiedene Ereignisse, aber irgendwie hier zusammen nur verwirrend.
Oder S. 83 " ...und dabei wurde ihr klar, dass sie wohl niemals auf die Leichen gestoßen wären, wenn nicht irgendjemand den Hund in den Zwinger gesperrt hätte." und dazu S. 84 "Wir hätten die Leichen nie gefunden, wenn nicht jemand den Hund in den Zwinger gesperrt hätte", sagte Pia..." Ja, schon klar - im 'echten Leben' denke ich auch gelegentlich über etwas nach, was ich dann sage, oder sage es mehrfach - in einem Buch jedoch ist das überflüssig, vor allem, wenn es mir mehrfach begegnet.

Ach ja, die Handlung... Pia Sander wird zu einem vermeintlichen Routinefall gerufen, als ein älterer Herr durch seine aufmerksame Zeitungsfrau tot im eigenen Heim durchs Fenster erspäht wird. Bei der Suche nach seinem verschwundenen Hund wird dieser halb verhungert in einem Zwinger gefunden. Doch was neben dem Hund liegt, entpuppt sich als menschliche Knochen. Viele Knochen.
Und woher stammen die Kopfverletzungen des Toten? Zum Glück hatte sich die kleine Tochter der Nachbarn angefreundet mit "Opa Theo" und weiß daher von Anrufen und Berufen der "Erbschleicher" und "Matratze des Ortes" - herrlich, Kindermund tut Wahrheit kund.
Immer neue Erkenntnisse lassen Pia Sander und ihren Chef Oliver von Bodenstein mit den Kollegen bald in einen Abgrund blicken, der mit dem lieblosen Umgang mit Pflegekindern, von dem keiner etwas gewusst haben wollte, begann.

Fazit: insgesamt gefällt mir die empfunden neue/professionellere Ausrichtung von Nele Neuhaus sehr gut: mehr Hintergrundwissen, besserer Einsatz der Sprache, geschickteres Vorstellen der Personen. Weiterhin (das gilt nicht nur für Neuhaus) mag ich diese Kapitel nicht, in denen der Täter schrittweise Einblick in seine Gedankenwelt gibt - ich finde das immer etwas albern, da im realen Leben kaum jemand so tiefe Einsichten zu einem Täter gewinnen können dürfte; es scheint aber etwas zu sein, "was man halt so schreibt", naja. Überhaupt nicht glücklich war ich über die Schludrigkeiten, die ich so in einem Neuhaus-Krimi nicht kannte - das halte ich aber zu einem größeren Anteil für die Zuständigkeit des Lektorats. Ich bin verunsichert zur Bewertung - den generell besseren Stil würde ich mit 5+ bewerten, die Schludrigkeiten mit 3-4 ... ich lasse noch Milde walten. Die Autorin hat nicht selbst lektoriert.

Veröffentlicht am 25.03.2019

Unglaubwürdige Geschichte "erschlägt" tollen Schreibstil und gute Hauptperson

Stimme der Toten
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6 Jahre nach „Zeugin der Toten“, 2017.
Judith Kepler arbeitet weiter als Cleanerin, sie beseitigt die Spuren der Toten. Nach dem tödlichen Sturz eines Mannes von einer Galerie in einer Bank entdeckt sie ...

6 Jahre nach „Zeugin der Toten“, 2017.
Judith Kepler arbeitet weiter als Cleanerin, sie beseitigt die Spuren der Toten. Nach dem tödlichen Sturz eines Mannes von einer Galerie in einer Bank entdeckt sie verdächtige Blutspuren in einem Nebenraum, die die Annahme eines Unfalls oder Selbstmordes in Frage stellen. Kurz danach überstürzen sich die Ereignisse: jemand wühlt in Judiths Vergangenheit, Personen aus der Vergangenheit tauchen auf. Sie hatte unter traumatischen Umständen ihre Kindheit in einem DDR-Kinderheim verbringen müssen, nachdem ihre Kindheit an einer Spionageaffäre zerbrochen war. Danach interessieren sich immer mehr Menschen dafür, was Judith tut, als ihr lieb ist, von Ex-BND Agenten über aktuelle Geheimdienstler, Undercover-Ermittler, Jugendamtsmitarbeiter bis hin zu Waffenhändlern und politischen Agitatoren.

Okay, spannend war das. Ich hatte jetzt nicht wie in Band eins die riesige Masse an Logikfehlern, aber doch so einige. Judith und Lorcan (beziehungsweise dessen Auftraggeber) müssen gerade bei derselben Bank landen? Was war nochmal genau passiert mit dem Toten in der Bank vom Anfang? Wozu brauchte man unbedingt diesen Schlenker mit dem Dorf von Tabeas Vater – damit Judith erpressbar war, ganz logisch, wenn auch sonst komplett überzogen. Wie glaubwürdig ist die Doppelbegabung von Martina Brugg? Und Lorcans Motive bezüglich Judith, das ist auch nicht so ganz glaubwürdig, mal fühlt er sich verantwortlich, dann gar nicht…
Zwischendurch dann so Wortbildungen wie „prosperierender Aufschwung“ S. 80 – ja klar, prekärer Aufschwung ginge ja nicht. Und Wiederholungen, wie Tabea ist stämmig oder ähnliches.

Fazit: richtig spannender Stil. Der Inhalt ist nur bei abgeschaltetem Denkmodus zu ertragen. Danke für den abschließenden dritten Band, nein danke.

Veröffentlicht am 25.03.2019

Toll geschrieben, extrem viele Logiklücken, zu dick aufgetragen, tolle Hauptfigur

Zeugin der Toten
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Ich habe das HC mit genau diesem Motiv

udith Kepler reinigt das, was andere nicht wahrnehmen wollen: die Hinterlassenschaften der Toten. Ob sanft entschlafen, lange bei Hitze unentdeckt in der Wohnung ...

Ich habe das HC mit genau diesem Motiv

udith Kepler reinigt das, was andere nicht wahrnehmen wollen: die Hinterlassenschaften der Toten. Ob sanft entschlafen, lange bei Hitze unentdeckt in der Wohnung gelegen oder Gewaltverbrechen, sie sieht (und putzt) alle diese Orte. Die Antwort auf das Warum fällt ihr nicht leicht. „Vielleicht hätte sie ihm sagen sollen, dass der Unterschied zwischen Aufstehen und Weiterschlafen genauso groß war wie der zwischem allem und nichts. Und dass sie jeden Tag aufs Neue gegen das Nichts kämpfte und immer noch nicht dahintergekommen war, warum sich dieser Kampf eigentlich lohnen sollte.“ S. 86

Als die 32jährige eine Wohnung gegenüber ihrer eigenen in Berlin reinigen soll, nimmt sie eine für die erschossene Wohnungsinhaberin bestimmte Expresslieferung an, in der sich überraschend ihre eigene Akte aus ihrer Heimkindheit in der DDR findet. Dabei sei die Akte vernichtet worden, hieß es. Sie sei ein Asozialen-Kind, nichts wert, sagte man ihr immer. Gleichzeitig wartet in Berlin Ex-BND-Agent Quirin Kaiserley auf eine Informantin, die nie kommt. Sie wollte ihm die „Rosenholz-Akte“ aushändigen, eine Liste mit den Klarnamen sämtlicher Auslandsagenten der DDR.

Ich habe das Buch zum zweiten Mal gelesen und bin gespaltener als zuvor. Das Buch ist toll geschrieben, spannend, actionreich und hat ein Thema, das ich wichtig finde und das mich brennend interessiert. Die Hauptperson wirkt in ihrer Sprödheit glaubwürdig auf mich, ich finde aber auch die anderen Charaktere meist gut (Angelina ist ein Klischee).

Jetzt die wirklich zahlreichen Kritikpunkte: da passt einiges nicht. „Christina Borg“ wurde als Kind misshandelt (die Spuren von Knochenbrüchen), galt als nicht sehr helle und lebt später mit der gleichen Mutter normal, lernt eine Fremdsprache und plant den Coup um die Rosenholz-Akte; wie wahrscheinlich ist das? Außerdem hebt sie ein Spielzeug aus der Kindheit über Jahre auf, klar (tue ich auch, aber halt nicht sehr viele Leute). Agentinnen sehen in Büchern/Filmen immer aus wie Männer oder Sexbomben, normal geht natürlich nicht. Außerdem hat Angelina echt mit allen Männern im Buch was gehabt, Quirin, Teetee, Kellermann,…? Ganz zu Beginn, Martha Jonas geht zu einem toten Briefkasten – und was soll das für die Handlung bringen, das kommt nie wieder? Wer als 5jährige zum letzten Male ein Heimkind war, stellt 25 Jahre später noch die Hausschuhe wie im Heim verordnet unter das Bett? Woher wissen Christina Borg und ihre Mutter überhaupt von Sassnitz, sie waren damals doch nicht eingeweiht, keine echten Insider (sie dürften nur mitbekommen haben, dass dort ein Fluchtversuch geplant war)? Und gaaaanz zufällig bekommt ausgerechnet Judith diese Wohnung als Cleanerin zugeteilt? Wer findet exakt gegenüber von jemandem, den man beobachtet (Judith), eine Wohnung („Christina Borg“)? Warum wurde die Akte an Christina Borg geschickt – wer schickte die, sie sich selbst, was soll das? Warum wurde Judith überhaupt in ein Heim geschickt, sie war fünf Jahre alt – man hat viel ältere Kinder von Republikflüchtigen zu Adoption freigegeben und ihre Identitäten „umfrisiert“ – die waren sicherlich nicht einmal so traumatisiert wie Judith? Warum wurde Judith nicht zu Verwandten gegeben, um sie „republiktreu“ zu erziehen?

Den großen Showdown (Aquarium) musste ich nochmals lesen – vorher kommt die Information scheibchenweise, in diesem Abschnitt geballt, so dass ich erst gar nicht mitbekam, wer da wen weshalb verriet; das war mir schon beim ersten Lesen so gegangen – es ist eine dieser Szenen, bei denen man „wow“ sagt und erst später merkt, dass man bei der Logik hinterherhinkt. Immerhin scheint das hier alles zu passen, beim Nachlesen.

Nö. Das ist mir insgesamt zu dick auftragen mit zu vielen Logiklücken. 3 Sterne, bedauernd.

(ich kenne auch die Verfilmung mit Anna Loos: Dombrowski ist zu jung und definitiv kein väterlicher Freund, Teetee fehlt glaube ich, die Rollen der anderen Agenten wurden irgendwie getauscht und zusamengefasst, Judiths Eltern sind weniger zweischneidig. Vom Ton her ist die Verfilmung hingegen gut getroffen)

Veröffentlicht am 25.03.2019

„Sie wollen Feindseligkeit säen, damit wir aufeinander losgehen."

Der Patriot
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„Sie wollen Feindseligkeit säen, damit wir aufeinander losgehen." S. 349

„Menschen mit abweichenden Ansichten werden als 'Schweine' oder 'Hunde' bezeichnet. Wissen Sie warum wir das tun?“
„Nein.“
Madeleine ...

„Sie wollen Feindseligkeit säen, damit wir aufeinander losgehen." S. 349

„Menschen mit abweichenden Ansichten werden als 'Schweine' oder 'Hunde' bezeichnet. Wissen Sie warum wir das tun?“
„Nein.“
Madeleine runzelte die Stirn.
„Um zu entmenschlichen“, fuhr Sandberg fort. „So erklären sich die Wissenschaftler, wie augenscheinlich mental gesunde deutsche Männer und Frauen als Aufseher in den KZs arbeiten konnten. … Die Opfer werden nicht als Menschen betrachtet, sie werden nicht bei ihrem Namen genannt, und es wird auch sonst alles getan, um sie nicht als gleichwertig anzusehen. Das ist ein unbewusster Prozess, ein Mechanismus, um sich vor Gewissensbissen zu schützen.“ S. 157
„Also, was Menschen dazu bringt, zum Terroristen zu werden, darüber gehen die Meinungen auseinander. … Aber der erste Schritt besteht darin, sich bedroht und seiner Freiheiten beraubt zu fühlen. Sei dies tatsächlich der Fall oder nur eingebildet. Im nächsten Schritt überzeugt man sich davon, dass diese Bedrohung der Freiheit ein von anderen geschaffenes Konstrukt ist, und folgert daraus, dass die Bedrohung aufhören kann. Die Situation ist also nicht zwangsläufig hoffnungslos. Und schließlich muss der Betreffende selbst glauben, dass Gewalt der einzige Weg ist, um an der Situation etwas zu ändern und der Bedrohung ein Ende zu machen.“ S. 158

In Stockholm werden kurz nacheinander mehrere Journalisten ermordet, die zuvor für verschiedene Zeitungen positiv über die Integration von Flüchtlingen oder gegen Rechtsextreme geschrieben hatten. Doch bald werden diese Ereignisse in den Schatten gestellt von einem bestialischen Anschlag…

Mich nervt der Stil, reihum im Wechsel zu den verschiedenen Protagonisten zu gehen: da ist Madeleine, Journalistin in Stockholm, Carl, einer der Täter (ja, das wird gleich zu Beginn ausgesprochen), Ibrahim, ein Stockholmer Taxifahrer mit syrischen Wurzeln, und August, ein schwedischer Ex-Fremdenlegionär in Südamerika. Jedes der Kapitel endet mit einem Cliffhanger, der dann erst vier Kapitel später aufgelöst wird, um in den nächsten Cliffhanger zu münden. Ich mag es spannend, aber das empfand ich als Nötigung – ich war kurz davor, aufzugeben, und habe dann nur die Kapitel mit August vorausgelesen, dann den Rest ohne August.

Dazu sind die Handlungsstränge speziell: Madeleine ist eine manipulative Zicke, die niemanden leiden kann, ihrem Papi gefallen will, der sie aber gegenüber Zweitfrau und Zweitkindern hintan stellt. August arbeitet als Leibwächter für einen russischen Waffen- und Drogenhändler und ist bereit, für diesen zu töten. Carl als Täter serviert mit seinen Bundesgenossen einen kruden Mix an Theorien, ist aber sonst verwöhntes Söhnchen aus reichem Haus. Einzig Ibrahim wirkt wie jemand, mit dem man gern zu tun hätte. Die Vereinfachung der Täterseite wird meines Erachtens dem Thema nicht gerecht: das wäre ja so einfach, die Identifikation, das Feindbild - doch leider sind das häufig ganz normale Menschen, die mich in den letzten Monaten mit Aussagen schockiert haben (Stufe 1!). Selten habe ich Wörter mit F, die sich auf „Kotze“ reimen, in solcher Häufigkeit gelesen, gerne im Zusammenhang mit aufschlitzen oder vergewaltigen. Wichtig wäre mir der Umgang mit den „Stufe – 1 – Menschen“ gemäß des obigen Zitats.

Dann kommen die mir zu konstruiert, zu plakativ wirkenden Teile: Das Konstrukt, dass ein Anschlag von einem unfreiwilligen „Guten“ durchgeführt wird, wobei die Planung dazu für mich nur von Schwachstellen wimmelt. Ganz ernsthaft, wenn man dem Fremdenhass begegnen will, muss man sich auch offen damit auseinandersetzen, dass es NATÜRLICH genauso kriminelle oder radikalisierte Einheimische wie Fremde gibt, alles andere ist Mumpitz. Nicht ganz verstanden habe ich, warum der laaaange Teil mit August in Südamerika eingebaut wurde, der auch nicht gerade sehr appetitlich ist; sollte das „Ex-Legionär“ noch deutlicher buchstabieren (der kann schießen und kämpfen)? Wozu nützt die Schwangerschaft von Madeleine? Warum interessiert sich Madeleine nach dem Essen im Hotel nicht mehr für ihren verletzten Vater? Bekommt man als Schwede illegale Waffen ausgerechnet nur in Südamerika, im Bereich eines anderen Schweden, dem man dann daheim wieder begegnet? Wer riskiert etwas, bei dem der eigene Tod einkalkuliert ist, ohne Rückvergewisserung, dass das eigene Kind dadurch wirklich überlebt, was man ja tot nicht mehr überprüfen kann? Wenn das Täter(Ferien-)haus durchsucht wird, müsste man ja die DNA der Geisel finden, die dann nicht mehr genau der entgegengesetzten politischen Richtung zugeordnet werden könnte, Islamist und Islamophob, das geht nicht gleichzeitig.

Der Schreibstil gefiel mir (besser als der Aufbau), die Idee fand ich gut, einige Zitate top. Ansonsten ist das leider arg konstruiert. 3 Sterne.

Veröffentlicht am 25.03.2019

Der Herr der Finsternis

Post Mortem- Herzen aus Wut
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Avram Kuyper sitzt im Gefängnis. Dafür, dass er jahrelang erfolgreich als Auftragskiller gearbeitet hat, ist er gut davongekommen, zehn Jahre. Eigentlich würde er gerne ein ruhiges Leben führen, selbst, ...

Avram Kuyper sitzt im Gefängnis. Dafür, dass er jahrelang erfolgreich als Auftragskiller gearbeitet hat, ist er gut davongekommen, zehn Jahre. Eigentlich würde er gerne ein ruhiges Leben führen, selbst, wenn es im Knast ist. Doch da wird Avram entführt. Jemand will unbedingt seiner habhaft werden.
Währenddessen wurde Interpol-Agentin Emilia Ness zur Leiterin mehrerer Abteilungen befördert und versinkt in Arbeit. Doch ein Tipp von Avram bewegt sie zu Ermittlungen in mehreren Fällen verschwundener junger Frauen im Baltikum, alle Mütter von Säuglingen oder schwanger (Anmerkung: das ist der 5. Band einer Serie und könnte vermutlich einzeln gelesen werden – beim 4. Band habe ich auch problemlos ausgesetzt. Avram und Emilia bildeten in der Vergangenheit erst eine zufällige Allianz bei der Suche nach einem Verbrecher, später eine unfreiwillige Partnerschaft; daraus entwickelte sich langsam ein gewisser Respekt. In diesem „Ermittlerduo“ besteht das Besondere der Reihe).

Das ist durchaus ein harter Thriller, es wird geschossen, erstochen, gejagt, geschlagen, misshandelt,…aber mir gefiel, dass hier nicht so in Blutorgien geschwelgt wurde (wie teils in den ersten Bänden). Das meiste passiert eher im Stil von „Manchmal, wenn der Schmerz übermächtig wurde, kam ihr ein kurzes, unterdrücktes Würgen über die Lippen“ (S. 50) – wie gesagt, das meiste. Es geht um sexuelle Misshandlung, soviel ist klar; mehr Details brauche ich da bitte nicht. Das Tempo ist hoch und wechselt zwischen Avram und Emilia sowie der Frau, die gefangen gehalten wird. Dazu kommen noch Rückblicke in die Vergangenheit…

Avram ist ein genialer Antiheld, von Band 1 an. Er ist ein Killer, aber irgendwie cool. Herrlich der Dialog mit dem Taxifahrer: „In welcher Branche arbeiten Sie?“ … „Auftragsmord“ S. 402 Emilia bleibt für mich immer die weniger interessante Person, immerhin wirkt sie jetzt endlich professionell auf mich. Es ist toll, wie die Spannung immer hin- und herpendelt zwischen den Protagonisten und Schauplätzen, natürlich hat Avram hier deutlich mehr Spielraum, außerhald des Gesetzes stehend.

Zu meckern habe ich dieses Mal fast nichts – für mich der beste Band der Reihe. Der Schluss kam mir etwas abrupt. Es gab zwei Wiederholungen von Zusammenhängen direkt nacheinander, insgesamt aber alles gut. Da die bisherige Bestwertung der Reihe durch mich bei 4 Sternen lag, muss ich also meine 4,5 Sterne aufrunden.