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Veröffentlicht am 27.12.2016

Erwartungshaltung: lange eher Krimi denn Thriller – vor ungewohnter Kulisse Japans

Blutroter Tod
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Reiko Himekawa ist Hauptkommissarin und Hauptfigur der in Tokyo angesiedelten Handlung – „Blutroter Tod“ ist der erste Band einer ganzen Reihe und auch der erste, der in deutscher Sprache veröffentlicht ...

Reiko Himekawa ist Hauptkommissarin und Hauptfigur der in Tokyo angesiedelten Handlung – „Blutroter Tod“ ist der erste Band einer ganzen Reihe und auch der erste, der in deutscher Sprache veröffentlicht wurde; die gesamte Reihe ist ein großer Erfolg in Japan, wurde dort auch verfilmt.
Eingewickelt in eine Plastikfolie wird eine Leiche gefunden, wenig verborgen in einem Park. Der Tote kann dank seiner Zahnabdrücke bald identifiziert werden – aber wer hat ihn ermordet? Warum fügt man jemandem, der bereits tot ist, noch einen tiefen Schnitt in der Magengegend zu? Und wie erklärt sich der Ablageort? Und was für ein Termin kann jemanden an jedem zweiten Sonntag im Monat faszinieren? Dazu kommt noch eine Parallelhandlung um eine mysteriöse Person…
Der japanische Autor Tetsuya Honda verwendet eine ungewohnte Konstruktion, um seine Handlung voranzutreiben: der Leser begleitet wechselnde Ermittler-Kombination um Hauptfigur Reiko Himekawa bei der Arbeit, abends kommen alle zum Abliefern der Ergebnisse zusammen auf der Keishi-chō = Polizeibehörde; d.i. die Polizeibehörde im Sinne eines Polizeipräsidiums der japanischen Präfektur Tokio lt. Wikipedia (keine Sorge, sehr viel hatte ich nicht nachzuschlagen für die Lektüre). Der Beginn gewährt damit einen Einblick in die völlig andere Polizeiarbeit in Japan, in der die niederen Ränge „Untergebene“ sind, die „befehligt“ werden – die Struktur ist militärisch. Das Tempo für das Buch entspricht für die ersten 60% eher einem Krimi denn einem Thriller, man ist bei der Fußarbeit dabei, die in Tokyo oft mit öffentlichen Verkehrsmitteln erledigt wird, seltener mit dem Taxi (wohl wegen des allgemeinen Verkehrschaos).
Die Strukturen sind verkrustet: „Am Ende bekamen nutzlose Esel, die nur deshalb keine Fehler machten, weil sie absolut nichts unternahmen, bessere Noten als die Beamten, die sich den Hintern abarbeiteten, dabei aber den einen oder anderen Fehler machten.“ (S. 117) Beziehungen gelten viel für die Karriere bei der Polizei – und Frauen noch nicht sehr viel. Nachdem ich in diesem Jahr mit „Lebensgeister“ von Banana Yoshimoto mein erstes Buch mit Japan als Handlungsort seit „Shogun“ in den achtziger Jahren (!) gelesen hatte, war ich überrascht davon, wie wenig fremd mir Japan erschien. Der Effekt wurde in diesem Buch wieder etwas umgekehrt anhand der (für Deutschland) Fünfziger-Jahre-Geschlechter-Stereotypen: Das einzige, was tröstet, ist, dass das Buch mit einer weiblichen Ermittlerin ein Renner in Japan ist.
Für den Fortschritt der Handlung muss ich dann wieder die übliche Sadisten-Warnung aussprechen für eventuell empfindliche Leser – ab da trägt dann auch der Thriller-Anteil. Mir hat der Einblick in eine für mich fremde Welt gut gefallen,ich hatte eine andere Person im Verdacht gehabt und ich fühlte mich insgesamt gut unterhalten und bin gespannt auf weitere Teile der Reihe! Gute 4 von 5 Sternen!

Kurze Anmerkung:
Es gibt ein Personenverzeichnis zu Beginn – da ich japanische Namen aber überhaupt nicht gewohnt bin, habe ich mir lieber ein eigenes gemalt, das die Beziehungen untereinander und kurze Charakteristika beinhaltete; danach konnte ich mich sehr gut zurechtfinden.

Veröffentlicht am 15.12.2016

„Du wirst sie elendig verrecken sehen…“

Damit du nie vergisst
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„Du wirst sie elendig verrecken sehen…“ S. 454

Ich stehe noch ein wenig unter Schock – und setze meine für das gesamte Genre übliche Warnung gleich an den Anfang: es geht um sadistische Taten, es werden ...

„Du wirst sie elendig verrecken sehen…“ S. 454

Ich stehe noch ein wenig unter Schock – und setze meine für das gesamte Genre übliche Warnung gleich an den Anfang: es geht um sadistische Taten, es werden sexuelle Übergriffe beschrieben und beides in einem Umfang, den man erst einmal verkraften können muss, verkraften wollen muss. Selbst für die, die genau dieses Genre lesen möchten, empfehle ich die Leseprobe.

Profilerin Andrea ist angekommen. Sie hat eine kleine Familie, ist wieder zurück mit Mann und Tochter in der Nähe von Schwiegermutter, Schwager und Freunden, im Beruf läuft alles rund. Dann tauchen Leichen auf, mit Spuren entsetzlicher Misshandlung vor dem Tode – und alles wirkt auf unheimliche Weise so, als sei der furchtbare Serientäter Jonathan Harold zurückgekehrt. Aber – der ist doch tot? Wie also kann das sein?

Als Andrea bemerkt, dass sie selbst längst im Fokus der Taten ist, realisiert sie: „So weit hatte es nicht kommen sollen, doch es war längst zu spät.“ S. 391 Autorin Dania Dicken peitscht den Leser erbarmungsloser als je zuvor durch ein Wechselbad aus (zunehmend immer weniger normalem) Familienleben der Profilerin Andrea, quälend langsamer Polizeiarbeit und kranken Gedanken und Taten der anderen Seite. Was dort passiert, ist wirklich kaum zu ertragen. Wie soll man mit den Eltern der Opfer reden können? Und selbst mich überraschten noch die ersten Erkenntnisse zu Motiv und Quelle der Untaten – doch was dann folgt…

„Damit du nie vergisst – Die Profilerin“ ist der dritte Band aus der Reihe um Profilerin Andrea Thornton und eignet sich durchaus auch zum Einstieg in die Reihe, weil recht geschickt vorige Ereignisse wieder aufgegriffen werden (Andrea hält auch Vorlesungen für Studenten und wird dort zu vorangegangenen Ereignissen befragt – somit erhält der Einsteiger einen ausreichenden Überblick und der Serienleser wird dennoch nicht gelangweilt). Geschickt baut die Autorin wieder Hintergründe zum Profiling ein. Der Band ist zweifelsohne spannend geschrieben, der Grund-Plot bewegt sich abseits von ausgetretenen Pfaden, die Konstruktion ist schlüssig - alles richtig gemacht, aber es brachte mich als Leser doch sehr an die Grenze.

Fast hätte ich einen Stern abgezogen, denn ich mag meine Hauptperson nicht dergestalt im Fokus, weil ich da zu viel Anteil nehme - aber das wäre dem Buch gegenüber wirklich nicht fair. Schnallt Euch an!

Veröffentlicht am 06.12.2016

Wenn man immer auf ein Hintertürchen hofft und dabei fast das Leben verpasst

Das Nest
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Leo, Jack, Bea und Melody sind zwar gemeinsam als Kinder einer wenig fürsorglichen Mutter aufgewachsen, dadurch aber nicht zu Erwachsenen geworden, die für sich selbst und füreinander einzustehen gelernt ...

Leo, Jack, Bea und Melody sind zwar gemeinsam als Kinder einer wenig fürsorglichen Mutter aufgewachsen, dadurch aber nicht zu Erwachsenen geworden, die für sich selbst und füreinander einzustehen gelernt haben. Ganz im Gegenteil: im Hinterkopf hatten sie meist das ausstehende Erbe als Lösung und letzte Sicherheit, das vom Vater in einem Fond angelegte Geld, das ihnen zum vierzigsten Geburtstag von Melody, der Jüngsten der Geschwister, zu gleichen Teilen zufallen sollte. Jetzt hat ein Fehltritt Leos dazu geführt, dass die Mutter mit ihrer Vollmacht das Erbe weitgehend geplündert hat, um ihn und ihren eigenen Ruf von einem Skandal freizukaufen. Leider aber haben die anderen Geschwister durchaus länger schon finanzielle Sorgen, die jetzt übermächtig werden:

da ist Jack, der in der Schule nur „Leo light“ war (weniger intelligent, interessant und erfolgreich als der Älteste) und als Erwachsener kaum selbst als Antiquitätenhändler für seinen Unterhalt sorgen kann – heimlich hat er eine Hypothek auf das Wochenendhaus aufgenommen, das er gemeinsam mit seinem Ehemann besitzt. Dann ist da Bea, Beatrice, Leo am nächsten, einst ein aufstrebender Stern unter den jungen Autorinnen mit einem Buch über ein Alter-Ego ihres Bruders Leo, die schon lange nichts mehr geschrieben hat und sich immerhin selbst mit einem Job bei einem Verehrer und in einer schäbigen Mini-Wohnung sparsam über Wasser hält. Und zuletzt gibt es Melody, gefangen in ihren „Upwardly-Mobile“ Träumen für ihre Zwillingstöchter und mit einer erdrückenden Hypothek, die sich umzingelt sieht von anderen Müttern, die im Gegensatz zu ihr meist eine Karriere aufgegeben hatten und über jene Zeit sagen: „Natürlich musste ich ein paar Leuten in den Arsch kriechen […] aber wenigstens musste ich ihn nicht abwischen.“ S. 131

Cynthia D’Aprix Sweeney schreibt in ihrem Debütroman über Fortysomethings – darüber, was aus den Träumen und Zielen geworden ist und womit es weitergehen soll für nicht weniger als den Rest des Lebens. Sie lässt die erzählen, die sich noch auf andere oder die Vergangenheit verlassen, die nicht loslassen wollen – oder sich auf gar keinen Fall festhalten. „Das wäre, als wollte man die Zeit zurückdrehen. Wir hatten ein paar gute Jahre. …. Verdammt gute Jahre.“ S. 217 Die Charaktere sind bis in die Nebenfiguren detailliert ausgearbeitet, das Setting ist New York zwischen den verschiedenen Immobilienkrisen, die für einige den Aufstieg bedeuten, für andere den Untergang – für die meisten von ihnen allen die Verunsicherung und damit durchaus gut auf die entsprechende Generation in Deutschland übertragbar, die sich hier Sorgen um Geldanlagen, Jobs und Rente macht. Es ist eine Geschichte über jene, die nicht mehr damit hadern, erwachsen zu werden – aber damit, was noch ist, was noch kommen soll. Oder wie Leo denkt: „Es war nicht der Luxus, den er vermisste, es war die Überraschung.“ S. 249

Der Roman ist unterhaltsam und gut geschrieben, oft mit einigem Sarkasmus, es werden keine zu glatten Lösungen präsentiert (bis auf einen winzigen etwas stärker rosaroten Einschub in einer Klammer gegen Ende, den man aber verzeihen kann). Geschickt die Überleitungen, zum Beispiel zu Beginn mit den roten Schuhen und den verschiedenen Bars. Ich konnte mitfühlen, mich fast widerstrebend mit einigen Sorgen, Ängsten und Hoffnungen identifizieren, der leichten Melancholie folgen (kein düsteres Schwarz, eher ein versöhnliches Sepia). Die Landung auf dem Boden der Realität ist vielleicht nicht immer sanft, kann aber bedeuten, überhaupt wieder selbigen unten den Füßen zu haben. „Es gab keine Gewissheiten, jede Entscheidung war nur eine wohlbegründete Vermutung oder ein Sprung in einen geheimnisvollen Abgrund.“ S. 282 Leseempfehlung für ein unterhaltsames zeitgenössisches Buch, das eine Generation pointiert und gleichzeitig mitfühlend charakterisiert, nur knapp an 5 Sternen vorbei wegen der starken Konkurrenz dieses Jahr!

Veröffentlicht am 28.11.2016

Versandet leider als Schmonzette – bis dahin durchaus spannend-gruselig, dabei eher Gothic Novel denn Psychothriller

Stiefkind
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Ich habe das Buch in einem Abend durchgehabt – die Handlung vermochte mich zu fesseln, ist spannend und mitreißend geschrieben. Allerdings lässt mich die Auflösung unzufrieden zurück – das muss man erst ...

Ich habe das Buch in einem Abend durchgehabt – die Handlung vermochte mich zu fesseln, ist spannend und mitreißend geschrieben. Allerdings lässt mich die Auflösung unzufrieden zurück – das muss man erst einmal hinbekommen, mich als Leser so spät im Buch, aber so nachhaltig zu verprellen. Jetzt kommt die Schwierigkeit, darüber etwas zu sagen – ohne zu viel zu verraten…das beginnt schon mit der Grundhandlung:

Großbritannien, London und vor allem Cornwall: Eine junge Frau aus ärmlichem Hintergrund verliebt sich in einen etwas älteren wohlhabenden Mann, dessen erste Frau unter mysteriösen Umständen starb, und zieht mit ihm in sein historisches altes Gemäuer, in dem die erste Frau bereits einen deutlichen Eindruck hinterlassen hat. Das darf als Grundhandlung durchaus bekannt vorkommen… Gestern Nacht träumte ich, ich sei wieder in…Carnhallow. Man kann das hier kaum spoilern, spielt doch Autor S.K. Tremayne sehr eindeutig damit, plus vielleicht einem kleinen Hauch von „Wenn die Gondeln Trauer tragen“, was Grusel und Mystik angeht (daher auch die Einordnung eher zu Gothic Novel – wobei das aktuelle „Loney“ mystischer ist). Es gibt auch keine gruselige Mrs. Danvers, dafür eine nette Schwiegermutter, die aufgrund von Alzheimer im Frühstadium gewisse Aussetzer hat – und gruselige frühere Minenanlagen in der Nähe und unterhalb des Hauses.

Die Variation des Themas beginnt damit, dass Rachel nicht nur David heiratet, sondern auch noch Stiefmutter des achtjährigen Jamie wird, der sehr unter dem Tod der Mutter vor rund zwei Jahren leidet. Und von da an spannt der Autor sein recht geschicktes Spinnennetz von Andeutungen und Ereignissen auf, in dessen Falle ich als Leser durchaus tappte: Jamie macht Andeutungen zu Vergangenheit und Zukunft – David will bestimmte Geheimnisse nicht ans Licht kommen lassen – Rachels Heranwachsen scheint traumatische Erinnerungen zu bergen…und dabei zählen die Kapitel tageweise die Zeit bis zum nahenden Weihnachten wie ein Countdown herunter, man lernt bald, welches Ereignis da droht. Jamie und Rachel sind viel allein, da David die Woche über als erfolgreicher Anwalt in London arbeitet – sein vorrangigstes Ziel ist der Erhalt des kostenintensiven Familienbesitzes. Was ahnt Jamie? Verliert Rachel den Verstand – oder will man sie das nur glauben machen? Was geschah mit Davids erster Frau? Und welche Geheimnisse hat David? Die ersten 40 Seiten sind dabei aus der Sicht von Rachel als Ich-Erzählerin geschrieben, ab dann lässt der Autor auch Davids Sicht in der dritten Person ans Licht treten – solidarisiert man sich zuerst leicht mit der den meisten wohl gesellschaftlich (zunächst) näher stehenden Rachel, wird danach geschickt mit den Sympathien des Lesers jongliert. Soweit zu den positiven Teilen.

Was dem Autor für die Auflösung einfiel, lässt das Niveau stark abfallen:
Im Buch spielt eine LANGE Botschaft eine Rolle, die an ein beschlagenes Autofenster geschrieben wird – ich vermute, es muss sich wohl um einen Bus handeln und ein wirklich SEHR geduldiges Kind, dass diesen Text schreibt (S. 124).
Ich habe schon in Leserunden erlebt, wie (besonders weibliche) Leser große Ablehnung äußerten, wenn (besonders weibliche) Hauptpersonen berufsbedingt wenig Zeit für ihre Kinder hatten – David hat kaum Zeit, daher wohl lässt ihn der Autor das sehr episch bedauern. „Das war es, woran man sich auf dem Sterbebett erinnern würde.“ S. 108. Das ist schön rosarot, aber der Mann HATTE einen abwesenden Vater mit Alkoholproblemen und trinkt nun selbst mehr als gelegentlich und schuftet sich selbst kaputt für – natürlich, den Erhalt eines alten Gemäuers, irgendwie in vollem Bewusstsein.
Das ach so geliebte Kind leidet, darf aber nach Wunsch des liebenden Vaters mit niemandem darüber reden, nicht einmal mit diesem – wegen etwas, bei dem der Geheimnisbedarf doch sehr fragwürdig erscheint – vor allem, da zumindest David zu Jamie doch ein-eindeutig steht, wie auch immer seine Handlungen in der Vergangenheit waren.
David sieht in Rachel immer noch die Erlösung, als parallel seine Pläne doch inzwischen recht anders laufen. Ach ja, und der verstorbene Freund von David war schon ein spezieller Spaßvogel, der ausgerechnet diese beiden als Paar zusammenbrachte.
Und Nina – da liebt eine Frau so sehr, dass sie zu illegalen Handlungen bereit ist – und lebt dann dieses Dilemma: suggeriert das Bindungsunfähigkeit oder doch unerwiderte Liebe? Ja, was denn nun?
Und zuletzt halte ich einige der Grundkonzepte zu Vererbung und Elternbindung für etwas…märchenhaft.

Fazit: Stark geschrieben und richtig gut auf dem Weg zum Höhepunkt (5 Sterne) – dann aber komplett verpuffend, da nicht nachvollziehbar abgesackt auf das konstruiert wirkende Niveau einer Vorabend-Privat-TV-Schmonzette. Schade.

Spoilergefahr: zum Geheimnis in der Vergangenheit: juristisch ist die vertragliche Handlung in Großbritannien sehr wohl erlaubt – allerdings darf keine Bezahlung erfolgen. Wozu also nach so vielen Jahren noch diese Geheimhaltung betrieben wird, wenn es doch einerseits kaum Quittungen geben dürfte, andererseits aus Behördensicht keine einleuchtende Gefährdung des Wohls des Betroffenen (zumindest vor dem ganzen Drama im Buch), leuchtet mir nicht ein.

Veröffentlicht am 25.11.2016

Profilerin Andrea Thornton – wenn ein Entführungsfall noch nicht die größte Herausforderung ist…

Jenseits der Angst
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Die 17jährige Schülerin Trisha ist noch sauer auf ihre wohlhabenden Eltern, die sie in einem golden Käfig zu leben zwingen, als sie auf dem begleiteten Weg zur Schule brutal entführt wird, es kommt zu ...

Die 17jährige Schülerin Trisha ist noch sauer auf ihre wohlhabenden Eltern, die sie in einem golden Käfig zu leben zwingen, als sie auf dem begleiteten Weg zur Schule brutal entführt wird, es kommt zu einem Mord. Von Null auf Hundert beginnt Autorin Dania Dicken diesen zweiten Roman um ihre Protagonistin Andrea Thornton. Seit dem ersten Band sind rund eineinhalb Jahre in Andreas Leben vergangen; und sie arbeitet, wie damals angestrebt, mittlerweile als Profilerin, ist mit ihrem Mann nach London gezogen. Ich kenne zwar den ersten Band, denke aber, dass man diesen zweiten auch ohne Kenntnis des ersten gut lesen kann. Es gibt genau das richtige Maß an Rückgriffen, dass „alte“ Leser sich nicht langweilen – und „neue“ einsteigen können.

Andrea wird mit ihren Kollegen von der Polizei um Hilfe in dem Entführungsfall gebeten – aber leider gibt es zunächst wenig Hinweise. Geht es bei der Entführung wirklich nur um Geld – oder stecken noch ganz andere Motive dahinter? Und was bedeutet die Änderung im Verhandlungsstil? Was widerfährt Trisha? Und dann kommen noch ein unerwarteter zweiter und dritter Handlungsstrang aus Andreas unmittelbarem Umfeld hinzu – keiner davon macht es leichter.

Gut gefällt mir das gekonnte Wechselbad der Gefühle, in das der Leser von der Autorin gestürzt wird durch einen permanenten Wechsel von Tempo und Druck. Auch die wechselnden Perspektiven zwischen Opfer und Ermittlerteam halten die Spannung aufrecht. Die Gefühle und das Verhalten von Entführungsopfer Trisha finde ich glaubwürdig gezeichnet, auch das Verhalten von Profilerin Andrea, die sich durch den Fall etwas zu sehr an einen vorigen Fall erinnert fühlt, konnte ich nachvollziehen.

Nicht ganz folgen konnte ich bei einem Teil der Täter-Motivation; da blieb für mich einiges im Dunklen. Wie gewohnt gut jedoch die Angewohnheit der Autorin, die Kenntnisse aus ihrem Psychologiestudium so einzusetzen, dass wieder einmal ein interessanter Aspekt beleuchtet wird, man sich aber nicht wie im Unterricht fühlt – auch wenn der dramatisch Showdown hier schon…nein, ich will nicht zu viel verraten. Und auch das Buch selbst hat gegen Ende noch so einiges in petto.

Für Vorsichtige: keine Sexualsadisten (allerdings wird, sehr dezent, von einem älteren Fall kurz und mit nur wenigen Details berichtet).