Entführung in eine düstere Traumwelt - die dich nicht mehr loslassen wird
NevermoreLangsam drehte er sich zu ihr um. Durch den diamantförmigen Spalt hindurch trafen sich ihre Blicke. Sein Gesicht wirkte so weiß und so verhärmt wie das eines Geistes.
»Varen?«, rief sie noch einmal, diesmal ...
Langsam drehte er sich zu ihr um. Durch den diamantförmigen Spalt hindurch trafen sich ihre Blicke. Sein Gesicht wirkte so weiß und so verhärmt wie das eines Geistes.
»Varen?«, rief sie noch einmal, diesmal lauter. »Varen, ich bin's. Isobel.«
»Isobel«, sagte er mit monotoner Stimme.
»Ja. Ich bin es.«
»Isobel ist fort.« Er drehte sich wieder um und starrte in das Kaminfeuer. Die Glut darin tauchte sein Gesicht in ein schwach glühendes, orangefarbenes Licht. »Ich habe ihr gesagt, dass sie durch die Tür in die Wälder gehen soll.«
Inhalt:
Isobel hat auf den ersten Blick alles, was sich ein Mädchen in ihrem Alter wünschen kann: Sie ist blond und hübsch, eine beliebte Cheerleaderin und geht mit dem attraktiven Footballspieler Brad.
Doch als sie bei einem Schulprojekt den merkwürdigen Varen als Partner bekommt, gerät sie immer tiefer in die Fänge seiner Welt - und weiß am Ende gar nicht mehr, was Realität und was Traum ist.
Meine Meinung:
Ich habe mich für dieses Buch entschieden, da mich sein Cover von Anfang an in seinem Bann gezogen hat. Es versprach eine tolle, fantasievolle Geschichte und hat meiner Meinung nach nicht zu viel versprochen.
Nach Lesen lässt sich außerdem sagen, dass dieses Cover perfekt zu dem Buch passt - es zeigt die unwirkliche, traumhafte Welt, die Kern der Geschichte ist, perfekt auf.
Die Geschichte entwickelt sich zunächst sehr langsam. Anfangs wird viel über die einzelnen Charaktere - vor allem der Protagonistin - erzählt und man lernt sie kennen. Das schadet der Geschichte jedoch nicht, im Gegenteil: man taucht gut in das Innenleben der Protagonistin ein und erlebt die Geschichte intensiv mit.
Zur Mitte hin spitzen sich die Geschehnisse immer weiter zu - bis in einem überwältigenden, langen und doch kurzen Showdown alles, was Creagh über die Seiten aufgebaut hat, zusammenkommt und einen bis zur letzten Seite gefangen nimmt. Diese letzte Seite kommt jedoch viel schneller als man es sich dann wünscht und man wird wissbegierig und auch ein bisschen unbefriedigt auf mehr zurückgelassen und will unbedingt weiterlesen.
Die Charaktere wurden toll ausgearbeitet und sind, anders als anfangs erwartet, ganz untypisch.
Die Protagonistin ist eben nicht nur das blonde, hübsche Ding; sie beweist sich als mutige Kämpferin, die sich immer wieder etwas einfallen lässt, um weiterzukommen. Ihre Charakterstruktur wird am Anfang lange aufgebaut. Man erfährt viel über ihre Familie und ihre Freunde und ihren Beziehungen zu einander. Man bekommt viele Eindrücke in ihr Leben und ihre Gedanken und man fühlt sich mit ihr verbunden und leidet mit ihr, wenn sie von einer Peinlichkeit in die nächste stürzt. Ihr Charakter wirkt sehr stimmig und nachvollziehbar und wirkt an keiner Stelle zu klischeehaft.
Mit dem zweiten Protagonisten, Varen, erschafft die Autorin einen vollkommen ungewöhnlichen Charakter. Er ist alles andere, als das, was man normalerweise erwarten würde. Man kann ihn als Goth bezeichen; er schminkt sich die Augen schwarz, hat einen Lippenpiercing, ist eher dünn und unmuskulös und kleidet sich in schwarz mit Nieten und Sicherheitsnadeln. Auf den ersten Blick keineswegs der Typ, den man beim Lesen anschmachten würde und für den man sich gerne in die Protagonistin hineinversetzen würde - aber nur auf den ersten Blick. Denn sein Charakter ist vollkommen anders und aufregend. Er fasziniert einen und zieht einen mit seiner zunächst mürrischen, aber überraschend liebevollen Art, komplett in seinen Bann. Auch über seine Familie erfährt man einiges, was einen enorm hilft, sich in ihn hineinzuversetzen und einem zeigt, wie bewundernswert sein Charakter eigentlich ist. Er überzeugt vollkommen und hat den meiner Meinung nach am Besten ausgebautesten Charakter, der in sich ganz und gar schlüssig ist.
Desweiteren gibt es die Freundin Gwen. Sie besticht durch ihre etwas aus der Reihe tanzenden Art, ihrer Einzigartigkeit und ihrem Humor. Sie lockert die Geschichte immer wieder auf und schafft so manche witze Textpassagen. Mit ihrer liebevollen Art ist sie unverzichtbar für diese gelungene Geschichte.
Die anderen Freunde bedienen sich nun teilweise schon mehr Klischees - der beliebte Freundeskreis, der einem den Rücken kehrt, sobald derjenige etwas tut, was ihnen nicht passt. Die Cheerleaderfreundin, die mit ihrerer besten Freundin einfach nicht mehr redet, ohne die Sache zu klären und der Footballspielerfreund, der mit seiner Coolness scheinbar über alles steht und Gewalt als eine seiner obersten Lösungsansätze sieht. So scheint es zumindest zunächst. Doch auch diese Charaktere entwickeln sich anders als man denkt und sind trotzdem in sich schlüssig und dürften nicht fehlen.
Der Schreibstil der Autorin ist wundervoll zu lesen. Sie schreibt flüssig, ohne langwierige, unnötige Passagen, die einen verzweifeln lassen. Alles Gesagte ist notwenig - sie erzählt nirgendwo zu viel oder zu wenig. Sie nimmt einen an der Hand und führt einen ohne Probleme durch ihre Geschichte. Sie schafft es, ihre selbstgeschaffene Traumwelt einleuchtend zu beschreiben, man kann sich alles bildlich vorstellen; sie bindet Geräusche und Gerüche mit ein und sorgt so im Ganzen dafür, dass man mittendrin im Geschehen ist - man hört, sieht, riecht und fühlt alles, was die Protagonistin erlebt. An keiner Stelle wird es langweilig, sie sorgt dafür, dass man das Buch in eins durchlesen und nicht mehr weglegen will - bis zum bitteren Ende, zu dem sie einen im letzten Teil mit einer rasenden Geschwindigkeit und doch unglaublich vielen Details und Einzelheiten führt - da werden aus hundert Seiten gefühlte zehn Seiten.
Der Bezug, den die Geschichte auf die Werke und das Leben von Edgar Allan Poe nimmt, ist unglaublich überzeugend. Als ich das Buch zum ersten Mal gelesen hatte, wusste ich noch nicht viel von Edgar Allan Poe, was aber gar kein Problem war, da das Buch alles aufschlüssig erklärt. Noch dazu hätte ich dem Buch diese Geschichte rund um eine von Poe geschaffene Traumwelt vollkommen geglaubt! Sie überzeugt, wie ich finde, perfekt; sie ist schlüssig aufgebaut und bezieht sich viel auf das tatsächliche Leben Poes, vor allem seinen mysteriösen Tod. Ich finde es toll gelungen, wie die Autorin hier aus den gegebenen Fakten ihre eigene Welt drum herumbaut und ihr eine Realität verleiht, als hätte Poe persönlich sie in ihre Geheimnisse eingeweiht.
Das Ende hat einen unglaublichen Cliffhänger; man könnte fast schon sauer sein, dass die Autorin einen erst so tief in ihre Welt entführt und dann einfach so abrupt sitzen lässt. Doch das sorgt umso mehr dafür, dass man es gar nicht mehr erwarten kann, sich den nächsten Teil zu schnappen und ebenso schnell zu verschlingen, wie die den ersten - und noch tiefer in diese wundervolle, magische Welt einzutauchen.
Fazit:
Nevermore ist der gelungene Auftakt zu einer Trilogie rund um eine magische, düstere Traumwelt, von der man unbedingt mehr erfahren will und die einen ganz und gar in ihren Bann zieht - man muss aufpassen, sich nicht selbst in ihr zu verlieren.
Es ist ein Fantasyroman der ganz anderen, ganz besonderen Art und ist es auf jeden Fall wert, gelesen zu werden!